No. 71
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 11. September
1894
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 1]

Bekanntmachung

wegen Ausreichung neuer Zinsscheine zu den Schuldverschreibungen der Reichsanleihen
vom Jahre 1882 und 1886.

Die Zinsscheine Reihe IV. Nr. 1 bis 20 zu den Schuldverschreibungen der 4%igen deutschen Reichsanleihe von 1882 und Reihe III Nr. 1 bis 20 zu den Schuldverschreibungen der 3 1/2%igen deutschen Reichsanleihe von 1886 über die Zinsen für die zehn Jahre vom 1. Octob. 1894 bis 30. Septbr. 1904 nebst den Anweisungen zur Abhebung der folgenden Reihe werden von der Königl. preußischen Kontrolle der Staatspapiere hierselbst, Oranienstraße 92/94 unten links, vom 10. September d. J. ab, Vormittags von 9 bis 1 Uhr, mit Ausnahme der Sonn= und Festtage und der letzten drei Geschäftstage jedes Monats, ausgereicht werden.
Die Zinsscheine können bei der Kontrolle selbst in Empfang genommen oder durch die Reichsbankhauptstellen, die Reichsbankstellen und die mit Kasseneinrichtung versehenen Reichsbanknebenstellen, sowie durch diejenigen Kaiserlichen Oberpostkassen, an deren Sitz sich eine der vorgedachten Bankanstalten nicht befindet, bezogen werden.
Wer die Empfangnahme bei der Kontrolle selbst wünscht, hat derselben persönlich oder durch einen Beauftragten die zur Abhebung der neuen Reihe berechtigenden Zinsscheinanweisungen für jede Anleihe mit einem besonderen Verzeichniß zu übergeben, zu welchem Formulare ebenda unentgeltlich zu haben sind. Genügt dem Einreicher der Zinsscheinanweisungen eine numerirte Marke als Empfang=Bescheinigung, so ist das Verzeichniß einfach, wünscht er eine ausdrückliche Bescheinigung, so ist es doppelt vorzulegen. In letzterem Falle erhält der Einreicher das eine Exemplar, mit einer Empfangsbescheinigung versehen, sofort zurück. Die Marke oder Empfangsbescheinigung ist bei der Ausreichung der neuen Zinsscheine zurückzugeben.
In Schriftwechsel kann die Kontrolle der Staatspapiere sich mit den Inhabern der Zinsscheinanweisungen nicht einlassen.
Wer die Zinsscheine durch eine der obengenannten Bankanstalten oder Oberpostkassen beziehen will, hat derselben die Anweisungen für jede Anleihe mit einem doppelten Verzeichniß einzureichen. Das eine Verzeichniß wird, mit einer Empfangsbescheinigung versehen, sogleich zurückgegeben und ist bei Aushändigung der Zinsscheine wieder abzuliefern. Formulare zu diesen Verzeichnissen sind bei den gedachten Ausreichungsstellen unentgeltlich zu haben.
Der Einreichung der Schuldverschreibungen bedarf es zur Erlangung der neuen Zinsscheine nur dann, wenn die Zinsscheinanweisungen abhanden gekommen sind; in diesem Falle sind die Schuldverschreibungen an die Kontrolle der Staatspapiere oder an eine der genannten Bankanstalten und Oberpostkassen mittelst besonderer Eingabe einzureichen.
Berlin, den 24. August 1894.

Reichsschuldenverwaltung.
v. Merleker.


- Die diesjährigen großen Flottenmanöver finden in den Tagen vom 13. bis 15. September in den Gewässern vor Swinemünde in Anwesenheit des Kaisers statt. An den Manövern nehmen theil 12 Panzerschiffe, 4 Schulschiffe, die Kreuzerkorvette "Prinzeß Wilhelm" und viele kleinere Fahrzeuge. Die Manöverflotte zählt insgesammt 52 Schiffe.
- Wie ein Telegramm aus Varzin meldet, ist die Fürstin Bismarck plötzlich wieder unwohler geworden, so daß Sie das Bett hüten muß.
- Es ist in diesem Jahre das erste Mal, daß bei den vierten Bataillonen die zu einer Uebung eingezogenen Reservisten das Manöver als 15. und 16. Kompagnien der dadurch komplettierten Bataillone mitmachen. Den Regimentern entstand durch diese Neuordnung der Reservisten=Uebungen nicht wenig Arbeitslast, indem die üblichen Bestimmungen über Einkleidung und Ausrüstung der Reservisten den neuen Verhältnissen angepaßt werden mußten.
Die Aufgabe, bei jedem Regiment ca. 450 Mann binnen zwei Tagen vollständig feldmarschmäßig auszurüsten, ist glänzend gelöst worden. In Kompagnien zu voller Kriegsstärke rückten die erst am 27. und 28. August zur Uebung eingezogenen Reservisten bereits am 31. des vor. Monats zum Manöver nach Frankfurt aus. Um die gewissermaßen als Mobilmachungsaufgabe geltende Einkleidung und Ausrüstung in so kurzer Zeit zu ermöglichen, mußten die erforderlichen Gegenstände von allen Bataillonen, sowie aus den Reservekammern und den Kriegsverstärkungsvorräten geliefert werden.
- Professor v. Helmholtz in Berlin hat am Donnerstag einen neuen Schlaganfall erlitten, infolge dessen er am 8. ds. Mittags verstorben ist.
- Der Graf von Paris ist am 8. Septbr. morgens 8 Uhr 40 Minuten in Buckingham (England) gestorben.

[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 2]

- In einem an den Prinzen Valöri, seinen Pariser Repräsentanten, gerichteten Manifest erklärt sich Prinz Franz Maria von Bourbon, indem er den Titel eines Herzogs von Anjou annimmt, zum Erben der Krone Frankreichs.
- Der "Truth" zufolge wird die Königin von England im nächsten Frühling nicht Italien besuchen, sondern Aix=les=Bains oder Wiesbaden, um sich einer Knetkur gegen den Rheumatismus zu unterziehen.
- Während der Herzog und die Herzogin van Connaugtham Mittwoch Nachmittag die Ballonabtheilung im Militärlager von Aldershot besuchten, wurde ein Fesselballon vom Blitz getroffen. Drei Soldaten, die den Draht des Ballons hielten, wurden schwer verletzt.
- Ueber das Befinden des Zaren sind neuerdings wieder beunruhigende Gerüchte im Umlauf. Gegenüber denselben wird aber der "Köln. Ztg." zufolge von bestunterrichteter Seite versichert, daß Professor Sacharjin daran festhält, hinreichende Ruhe und Schonung würden den Kaiser in verhältnißmäß kurzer Zeit wieder vollständig herstellen. Professor Sacharjin soll hauptsächlich nach Bjelöwesch mitgereist sein, um daselbst den vom Kaukasus kommenden Großfürsten Georg nochmals zu untersuchen.
- In Frankreich sind die indirekten Staatseinnahmen im August hinter dem Voranschlag um 7 3/4 Mill. Frs. zurückgeblieben, darunter die Zölle um 3 420 000 Frs.
- Die Verhandlungen über die Schaffung möglichst einheitlicher Personentarife auf den normalspurigen Bahnen in Deutschland, welche längere Zeit ins Stocken gerathen waren, sind wieder aufgenommen worden. Man erhofft wenigstens eine theilweise befriedigende Vereinbarung, zu deren Beratung eine Specialconferenz - wahrscheinlich nach Wiesbaden - einberufen werden soll.
- Schon wieder einmal! Die Polizeibehörde in Hamburg hat die Geschäftsbücher der dortigen sozialistischen Bäckerei=Genossenschaft beschlagnahmt, weil der flüchtig gewordene frühere Geschäftsleiter Laufkötter im Verdacht steht, die Bilanz gefälscht und Unterschlagungen verübt zu haben.
- Das Vikinger Schiff, das von Norwegen auf die Chicagoer Weltausstellung gebracht wurde, ist am Donnerstag bei einem heftigen Sturm auf dem Michigan=See gesunken.
- Haarsträubende Einzelheiten werden über die großen Waldbrände in den Nordweststaaten der amerikanischen Union, in Minnesota und Wisconsin gemeldet. Diese beiden Staaten bilden die großen Holzregionen Amerikas. Ungeheure Strecken sind von Fichtenwäldern bedeckt. Waldbrände gehören dort allerdings nicht zu den Seltenheiten. Wenn in Jahren mit außergewöhnlich hoher Sommertemperatur die Flüsse und Seen nahezu ausgetrocknet und die Bäume ausgedörrt sind, dann genügt, falls nicht Selbstentzündung eintritt, ein einziger Funken aus einer Locomotive, um verheerende Feuer zu entfachen. Fast jedes Jahr steht sie in größerem oder kleinerem Umfang. Die letzte gewaltige Katastrophe fand im October 1871 statt. An demselben Tag, an dem die Stadt Chicago niederbrannte, verloren bei Waldbränden in den Holzdistricten auch einige hundert Personen ihr Leben. Das diesjährige Unglück läßt das damalige indessen weit hinter sich. Der Sommer war in der ganzen Union von einer beispiellosen Hitze. Woche auf Woche liefen die Nachrichten ein, daß bei völliger Abwesenheit von Regen die Temperatur fast nie unter 26 Grad Celsius sank. So ist es Monate lang gegangen. Kein Wunder, daß die Wälder mit dem harzreichen Holzbestand wie Zunder brannten, als das Unglück seinen Anfang nahm. An irgend welche Maßnahmen zur Bekämpfung des Feuers war nicht zu denken. Es fehlte an Wasser zum Löschen und ein Versuch, hier und da durch übermenschliche Anstrengungen, durch das Fällen von Bäumen einen Gürtel zu schaffen, der kein brennbares Material mehr bot, mußte aufgegeben werden. Es gab nur eine Rettung in der Flucht zu suchen. Und das thaten die unglücklichen Bewohner der Ortschaften Hinkley, Sandstone, Pokegame, Skunk Lake und Mission Creek denn auch. Alle diese Ortschaften liegen in Asche. Und selbst dieser Ausdruck paßt nicht ganz. Denn die Asche, zu der sie verbrannt sind, ist längst vom Sturmwind, dem stetigen Begleiter großer Brände, in alle Welt hinausgetragen worden. Diese Ortschaften sind einfach vom Feuer aufgeleckt worden. Auch die letzte Spur von ihnen ist verschwunden. Und die unglücklichen Bewohner? Ihre Knochen bleichen auf den Straßen, unkennbare verbrannte Gestalten findet man in den Kellern, in die sie sich geflüchtet, aus dem Sumpf holt man die Leichen zu Hunderten, dorthin haben sie sich geflüchtet, um dann elend zu ersticken. Auf der Flucht wird die in wahnsinniger Angst dahinstürmende Menge von einem Eisenbahnzug überholt, den der Heizer mit doppelter Schnelligkeit dahinrasen läßt, auf die Gefahr hin daß der überheizte Kessel platzt. Mitleidig nimmt der Zugführer die Fliehenden auf, aber in dem Wettlauf zwischen Zug und Flammen bleiben die letzteren Sieger, denn sie überspringen weite Strecken, und schließlich stehen Locomotivführer und Passagiere in Flammen. Die Strecke, welche um die Stadt Hinckley herum abgebrannt ist, wird auf 40 englische Quadratmeilen angegeben. Noch ist der ganze Umfang des Unglücks nicht erkennbar, denn die Hilfscolonnen, welche von allen Seiten des Landes ausgezogen sind, haben einige Tage lang selbst unter stetiger Lebensgefahr zu arbeiten gehabt, bis am 2. September endlich der heißersehnte Regen zu fallen begann. Aber daß der Menschenverlust die Ziffer 700 bereits übersteigt und daß er reichlich sich über 1000 hinaus bewegen wird, steht fest. In einigen Zeitungen wird er sogar auf 1500 geschätzt. Der durch das Feuer verursachte Vermögensverlust wird ohne Mitberechnung der vernichteten Waldungen auf rund 50 Millionen Mark angegeben. Selbst wenn diese Schätzung eine übertriebene sein sollte, muß der Schaden ein gewaltiger sein. Aber nicht nur für die direkt Betroffenen ist er schwer zu verwinden. Das ganze Land wird unter der Katastrophe auch in Zukunft zu leiden haben. Die abnormen Temperaturverhältnisse und die furchtbaren Katastrophen, unter denen, sei es in Gestalt von Ueberschwemmungen, Bränden oder Wirbelwinden die Union mehr zu leiden hat, wie irgend ein anderes Land der Welt, sind auf die irrationelle Behandlung der Wälder, auf das raubartige Schlagen des Holzes zurückzuführen. Was die Unvernunft der durch kein Gesetz behinderten Menschen begonnen, das wird durch das Zürnen der Natur jetzt fortgesetzt. Ursache und Wirkung schließen sich in der Verwüstung und Vernichtung der Wälder jetzt schon so aneinander, daß sie oft nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Und die Gefahr der Wiederholung von Katastrophen in den verschiedenen Theilen der Union wächst mit jedem solchen neuen Unglück.
- Das "Land der Küsse" ist - Paraguay. Dort ist jeder Herr, der einer Dame vorgestellt wird, verpflichtet (!), dieselbe zu küssen. Am Ostertage ist das gegenseitige Küssen auch vollständig Fremder gang und gäbe. In England ist das Küssen am Valentins=Tage Sitte. Außerdem hat in England der Richter von Ryl das Recht, die jeweilige Bürgermeisterin zu küssen "wann und wo er will". In Hungerford werden während der Weinlesefeste eigens zwei Personen gewählt, die das Recht haben, jedem Mädchen, das den Markt besucht, einen Kuß zu geben. Ein besonderes Kußceremoniell besteht bei den Empfängen des Vicekönigs von Irland. Bei diesen Empfängen hat der Lord=Lieutenant von Irland das Recht, jede Dame zu küssen. In Irland küssen die Männer einander, dürfen aber - im Beisein anderer - keine Frau oder kein Mädchen küssen. Die finnischen Frauen betrachten einen Kuß als die höchste Schmach, die man ihnen anthun kann, und weder ihr Bräutigam noch ihr Gatte darf sie küssen. Na, na!
- Durch welche äußeren Umstände wird das dichterische Schaffen befördert? Rousseau ging gern entblößten Hauptes in der Sonnenhitze spazieren, um Gedanken zu wecken; bei Hebbel, dem das entstehende Gedicht fast immer mit einer Melodie kam, setzte die Produktion im heißen Sommer ganz aus und trat erst mit den kühleren Herbsttagen ein. Schiller gab sich mit Vorliebe in den Abend= und Nachtstunden der poetischen

[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 3]

Stimmung hin; Goethe gern am frühen Morgen. Bei E. Th. A. Hoffmann begünstigte der Wein den Gedankenproceß; bei anderen wird dadurch die Production verhindert. Otto Ludwig und Alfieri ging es wie Hebbel: die meisten ihrer Tragödien gingen ihnen während der Musik oder nach dem Anhören derselben auf. Auch Schiller bekennt für sich, daß ihm eine gewisse musikalische Grundstimmung der poetischen Idee voraufgehe. Als er seine neue Wohnung in Dresden bezogen, hörte er beim ersten Erwachen über sich Klavier spielen. "Du glaubst nicht, wie mich das belebt," rief er aus, "wie viel Stimmung mir das giebt." Mancher heut lebende Poet wird solchen Enthusiasmus bei gerade dieser Entdeckung wohl schwerlich theilen.
- Der Wald von Saint Germain bei Paris, früher die Lieblingsjagdgründe der französischen Könige, ist jetzt in vier große Stücke zerschlagen und diese werden einzeln verpachtet. Bei einer Fahrt durch den schönen Riesenwald fragte neulich ein Deutscher den Kutscher nach den jetzigen Jagdherren. Der Rosselenker nannte ihm unter den komischsten Zungenverrenkungen die Namen von vier bekannten Kölner und Frankfurter Bankierfamilien, auf =schild, =heim, =erger und =eiler endend. Auch ein Zeitbild!
- Der Zar ist ein abgesagter Feind der Aerzte und wenn er erkrankt, muß die Zarin ihre Zuflucht zur List nehmen, um einen Arzt zu ihm zu bringen. So war dies auch bei der letzten Erkrankung der Fall. Der Zar hatte sich wie gewöhnlich, in seine Gemächer eingeschlossen, die Zarin aber, die den Professor Sacharjin telegraphisch herbeigerufen hatte, suchte vergeblich, ihm Einlaß zu verschaffen. Nach einiger Zeit klopfte die Zarin wieder an: "Mich wirst Du doch hineinlassen ?" bat sie. Gleich darauf wurden Schritte gehört, der Kaiser öffnete die Thür und - fand sich dem Arzte gegenüber, während die Kaiserin enteilt war. Einen Augenblick lang verfinsterten sich die Züge des Zaren, dann aber lächelte er, streckte dem Arzt die Hand entgegen und sagte: "Ich betrachte Sie als nothwendiges Uebel, treten Sie ein!" Ueber die Ursache der jüngst gemeldeten Erkrankung des russischen Kaisers entnehmen wir einer Petersburger Correspondenz des "Secolo" Folgendes: "Die Ursache war eine heftige Gemütsbewegung. Bekanntlich ist der Kaiser auf nichts so stolz als auf seine herkulische Körperkraft. Es existirt noch eine Photographie, die ihn als "Herkules" darstellt, und ein anderes Bild, in welchem er gleich einem Akrobaten drei Mitglieder des dänischen Königshauses hoch in die Luft hält. Bei dem verhängnißvollen Diner nun, bei welchem sich die Ohnmacht zum ersten Male zeigte, hatte der Kaiser, der seit Langem schon überarbeitet und überreizt war, von den anderen unbemerkt einen Rubel aus der Tasche gezogen und versucht, denselben zu biegen. Die Kraftprobe, die sonst nie versagte, gelang nicht. Zum ersten Male war der Monarch nicht im Stande das Kunststück auszuführen. Er wurde totenbleich, ein Schwindel schien ihn zu packen und er glitt zu Boden nieder; in seiner Faust aber fand man fest umklammert den widerspenstigen Rubel."
- Gewissensbisse. Ein Herr, dem vor mehreren Monaten in Frankfurt 100 Mk. gestohlen worden waren, erhielt jüngst folgenden Brief: "Sehr geehrter Herr! Ich habe Ihnen Ihr Geld gestohlen. Nun krieg ichs auf einmal mit Gewissensbissen zu thun und schicke Ihnen deshalb anliegend einen Zwanzigmarkschein. Sobald ich wieder Gewissensbisse kriege, schicke ich Ihnen wieder etwas."


Anzeigen.

In der Nacht vom 3./4. d. M. sind aus einer Wohnung in Schönberg 3 Kisten Cigarren, nämlich:

1/10 La Marca im Werthe von 4,50 M.,
1/10 La Arga im Werthe von 4,50 M., u.
1/20 Adalia im Werthe von 2,25 M.

mittels Einsteigens gestohlen worden.
Um Vigilanz und event. Benachrichtigung wird gebeten.
Neustrelitz, 6. Septbr. 1894.

Der Erste Staatsanwalt.
H. Götze.
                                                    Blank.


Auf 8 Tage verreist
Dr. Oeinck, Lübeck
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[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 4]

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Den Eingang unserer
Herbst- und Winter-Neuheiten
beehren mir uns ergebenst anzuzeigen.
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                                          Gebrüder Burchard


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                                                    der Vorstand des Gartenbauvereins.


Ausverkauf
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Echter Hollandscher Rahmkäse Pfund 90 Pfennig (Mecklenburg).,
Echter Hollandscher Halb=Rahmkäse Pfund 60 Pfennig (Mecklenburg).,
Echter Schweizerkäse Pfund 1,10 M.,
Tilsiterkäse Pfund 50 Pfennig (Mecklenburg).,
Limburger=Fettkäse Pfund 50 Pfennig (Mecklenburg).,
Romatour=Fettkäse Pfund 50 Pfennig (Mecklenburg).,
alter Holsteinerkäse nach Qualität,
sowie gelber und grüner Kräuterkase,
Prima Anchofische in Gläsern 50 Pfennig (Mecklenburg).

bei                                                    H. Brüchmann.


Eine der 4 großen deutschen Lebensversicherungs=Anstalten sucht für Schönberg und Umgegend einen tüchtigen Vertreter. Die Anstalt ist am Ort bereits eingeführt. Gefl. Offerten beliebe man unter E. L. 100 an die Exped. d. Ztg. zu richten.


Theater in Schönberg.
Im Saale des Herrn J. Boye.
Dienstag, den 11. September.
Der Hüttenbesitzer.
(Le Maitre de Forges.)
Schauspiel in 4 Acten von Georges Ohnet.
Deutsch von B. Schelcher.
Donnerstag, d. 13. September 1894
Sensations-Novität!
Circusleute.
Sensationskomödie in 3 Acten von
Franz von Schönthan.
                                                    Alex. Weymann.


Emmy Beckmann.
Hermann Knorr.
Verlobte.
Schönberg i. M.                                                     Lübeck.
9. September.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck:
9,59 Vorm. 12,18 Mitt. 3,12 Nachm. 7,32 Abends 11,57 Nachts.
nach Kleinen:
8,1, Morg. 10,25 Vorm. 12,44 Nchm. 5,43 Nachm. 8,54 Abends.


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage
und Nr. 1 der "Losen Blätter für Deutsche Hausfrauen."


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 71 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 11. September 1894.


Kindliche Großmannssucht.

Alte Wahrheiten werden häufig am wenigsten beachtet. Diesen Eindruck empfängt man auch, wenn man einen Blick auf die Erziehung der Kinder in vielen Familien wirft. Ohne Zweifel haben die meisten Eltern den festen Vorsatz, ihre Kinder zu verständigen, charaktervollen und tüchtigen Menschen zu erziehen. Sie lassen es an gutem Unterricht, an Ermahnungen und selbst an einem vortrefflichen Beispiel nicht fehlen. Und doch geht ihr Herzenswunsch sehr oft nicht in Erfüllung, weil sie die Wahrheit des alten Sprichwortes: "Jung gewohnt, alt gethan" bei ihren Erziehungsplänen zu wenig gewürdigt haben.
Man beobachte nur das Leben: Viele Eltern sind zu wenig darauf bedacht, ihre schlichten Gewohnheiten, die Einfachheit ihrer Bedürfnisse auch auf ihre Kinder zu übertragen. Während Vater und Mutter vielleicht noch im schlichten, aber ihrem Stand und Mitteln angemessenen Kleid einherschreiten, stolzieren die Kinder neben ihnen aufgeputzt wie die Aeffchen. Der Vater hat erst als Geselle oder als junger Meister für selbst erworbenes Geld sich eine Taschenuhr gekauft, als Fingerschmuck kennt er nur den von ihm stets in Ehren gehaltenen Trauring; das hoffnungsvolle Söhnchen jedoch hat schon oft eine Taschenuhr mit möglichst protziger, wenn auch unechter Kette, ehe es noch in die Geheimnisse der deutschen Buchstabenlehre eingedrungen ist. Ist das Herrlein noch einige Jahre älter, so kommen zu der Uhr und der gleißenden Kette noch ein Fingerring, eine Geldbörse mit regelmäßigem, beliebig zu verwendendem Taschengeld, und andere "Kleinigkeiten". Sobald das Töchterchen der Familie nur erst versteht, die Füßchen sicher vor einander zu setzen, so ist es in seinem Außeren mehr Modedame als Kind. Kettchen, Schleifchen, Handschuhe und Sonnenschirm, dazu gleichfalls die nöthigen Leckergroschen sind ihm nothwendige Bedürfnisse: alles Dinge, von denen die ehrbare Mutter in ihrer Jugend nie etwas wußte, die sie aber jetzt trotzdem ihrem Kind aufhängt. Häufige Besuche der Konditoreien, Theater, Konzerte, Bälle, Restaurants gehören zum Lebensprogramm dieser Jugend. Giebt es außerdem irgendwo etwas zu sehen, so wäre es ja grausam, den armen Kindern den Genuß nicht zu gönnen. Ist ein Kinderfest, ein Schulausflug, da wird vollends mit alten, guten Familiengewohnheiten gebrochen. Der Vater brauchte in seinen jungen Jahren vielleicht zu einer 2tägigen Reise nicht soviel Geld, als heute aufwendet wird, um einen dummen Jungen von 10-12 Jahren eine "standesgemäße" Betheiligung an einem Schulausflug zu ermöglichen. So ein Musterkind hat Bedürfnisse, von denen sich die Jugend der "guten alten Zeit", die wenigstens auf diesem Gebiet viel besser als die Gegenwart war, nichts träumen ließ. Ein sächsisches Amtsblatt hat kürzlich ausgerechnet daß manche Kinder auf Schulausflügen vier, fünf und sechs Mark verbrauchen. Es verlangt von den Lehrern, daß sie bei derartigen Gelegenheiten aus erzieherischen und wirthschaftlichen Gründen einen nicht zu hohen Betrag für die Ausgaben festsetzen, den kein Kind überschreiten dürfe.
Aber was kann die Schule thun, wenn die Großmannssimpelei und Verschwendungssucht bei Kindern im Elternhaus gefördert wird? "Jung gewohnt, alt gethan." Wer sich in der Jugend an eitlen Tand, unnütze Geldausgaben, an hohles Protzenthum und an das Hetzen von einem Genuß und Nervenkitzel zum anderen gewöhnt hat, der wird auch in älteren Jahren meistens ein Verschwender, ein Müßiggänger, ein leerer Prahlhans sein, aber nur selten ein tüchtiger, charaktervoller und guter Mensch werden. Die Kunst, "sich etwas zu versagen", will in der Jugend geübt sein; im Alter ist sie schwer lernen. Aber in älteren Jahren zeigen sich meistens erst die Enderscheinungen der hier gerügten Kindererziehung: Körperlicher und wirtschaftlicher Verfall, "Deklassierung", Elend, Verbitterung und am Ende eines solchen Daseins vielfach das Zuchthaus und der Selbstmord.
Kürzlich traf ich einen zerlumpten und bettelnden Mann auf der Landstraße. Der Pferdestall im nächsten Dorf war seine Heimath für diesen Tag, sonst hatte er keine. Aber Eltern besaß er, die thöricht genug gewesen waren, in seinen Kinderjahren den Keim der Verschwendung und Großmannssucht in sein Herz zu pflanzen. Als Erwachsener hatte er diesen Keim nach eigenem Willen weiter entwickelt und schließlich, wie aus seinen Erzählungen hervorging, abschüssige Wege betreten, die in den Sumpf führten. Endlich wurde er, nach Gott weiß welchen Seelenkämpfen, von seinen Eltern verstoßen. Er war ein Landstreicher geworden, sein Körper wurde von nagendem Ungeziefer geplagt, sein Geist war vom Fusel fast umnachtet; der Verkommene fluchte seinem Vater. Wie viele derartige Landstraßenbilder könnte man aneinander reihen! Es giebt keine Statistik der "verfehlten Leben"; aber wenn eine solche möglich wäre, so würden ihre Zahlen eine harte Anklage gegen jene Eltern bilden, die statt pflichtbewußter Elternliebe gegen ihre Kinder im ernsten, häuslichen Erziehungsfragen Elternschwäche übten.


- Neustrelitz. Laut hier eingegangener Nachricht hat S. K. H. der Großzog nach glücklich überstandener Cur, welche Anfangs durch kalte und regnerische Witterung beeinträchtigt wurde, später jedoch warmen und sonnigen Wetters sich erfreute, am 3. d. Bad Homburg v. d. Höhe verlassen und sich zur Nachcur nach Seebad Ostende begeben.
- Schönberg. Ein Unterofficier vom Husarenregiment in Schleswig, der hier seit dem 4. d. in Quartier lag, ist am 5. Sept. morgens unter militärischer Bewachung von hier nach Spandau transportirt worden, damit er daselbst eine halbjährige Festungsstrafe verbüße, die ihm wegen Mißhandlung eines Rekruten zu erkannt worden ist. Außerdem ist der Unterofficier zum Gemeinen degradirt worden.
- Ein Ingeneur der Waggonfabrik in Güstrow der von Streikenden angegriffen wurde, hat mehrere Schüsse aus einem Revolver auf dieselben abgegeben und zwei Personen verwundet.
- Durch den Hufschlag eines Pferdes, welches der Bataillons=Adjutant Lieutenant v. Malotke ritt, ist im Manövergelände, in der Nähe von Rhinow in der Mark, der Hauptmann Petrich von der 3. Compagnie des 24. Infanterie=Regiments derartig ins Gesicht getroffen worden, daß er mehrere Zähne verlor und besinnungslos vom Platze getragen wurde.
- Im Manöverterrain um Guben sind in Rießen bei einer in einem Bauerngehöft ausgebrochenen Feuersbrunst zwei Mann des 4. Garderegiments verbrannt, welche dort im Quartier lagen.
- Bei dem Brigademanöver bei Erlbach in Bayern wurde der Hauptmann v. Kresz zu Kressenstein vom 16. bayerischen Inf.=Regt. durch einen scharfen Schuß getötet. Die Untersuchung nach scharfen Patronen in der Brigade war ohne Erfolg.
- Das Dienstmädchen des Dr. Fritz in Ferdinandshof bei Pasewalk wurde vor einigen Tagen mit einem polnischen Arbeiter nach der Wiese zum Heuen geschickt. Da das Mädchen nicht zurückkehrte, wurde Nachforschung nach ihrem Verbleib angestellt.

[ => Original lesen: 1894 Nr. 71 Seite 6]

Jetzt fand man das Mädchen ermordet und vergraben in der Wiese vor. Der polnische Arbeiter wurde als der That dringend verdächtig verhaftet.
- Einer der längsten Männer Deutschlands dürfte der 19jährige Kellner Paul Grebbin aus Wismar sein, der seit wenigen Tagen im Zentralhotel zu Nordhausen beschäftigt ist. Grebbin ist genau 2 1/4 Meter groß und ist in all seinen Gliedmaßen normal gebildet. Seine Eltern sind von gewöhnlicher Größe.
- Eine 6tägige Irrfahrt auf der Ostsee hat ein 66 Jahre alter ehemaliger Garde=Unteroffizier aus Helsingfors kürzlich durchzumachen gehabt. Er war mit einem kleinen offnen Boote von Helsingfors aus zum Angeln auf das Meer hinausgefahren, als er vom Nordsturm ergriffen wurde. Alle seine Bemühungen, die Küste zu erreichen, waren fruchtlos. Die Gewalt des Sturmes riß den vom vergeblichen Kampfe mit den beständig wachsenden Wogen Ermatteten fort in das Meer, auf dem sein Boot als leichtes Spielzeug der Wellen in südlicher Richtung fortgetragen wurde. Unter dem unausgesetzten 3tägigen Toben des Sturmes schwanden dem Unglücklichen, der gar keinen Proviant mehr an Bord hatte, die Kräfte vollständig. Er stillte seinen Durst mit dem Salzwasser. Als der Sturm sich legte, versagten seine Kräfte den Dienst. Er mußte sich ferner den Wellen überlassen und wurde nach 6 Tagen endlich am Wichterpalschen Ufer an den Strand getrieben. Hier, so schreibt der "Rev. Beob.", fand man ihn hilflos mit skorbutigen Lippen im Boote liegen. Bei der sorgsamen Pflege, die ihm zu Theil wurde, erholte er sich bald von seinen Strapazen.
- Die kleinen Petroleum=Dampfer haben sich wegen ihrer Sauberkeit, Bequemlichkeit und Gefahrlosigkeit ungemein eingeführt. An Sonntagen wimmelt die Spree bei Berlin von diesen flinken Böten. Mehrere Besitzer von Segelböten haben diese in Petroleumdampfer umwandeln lassen. Bei Treptow besteht eine eigene Werft für den Bau solcher Schiffe.
- Der Lehrer Karl Köbele aus Klein=Popo ist auf Urlaub in seiner schwäbischen Heimat eingetroffen. Nachdem seine Schulstelle zu einer ständigen gemacht worden ist, beabsichtigt er nicht mehr als Junggeselle nach Afrika zurückzukehren. Eine Gehilfin hat er gefunden in Frl. Hanna Christaller, Tochter des früheren Missionars Chr., jetzt in Schorndorf, und Schwester seines Kameruner Kollegen und Freundes. Während seiner Abwesenheit von Popo wird sein Hülfslehrer Walter seine Schule versehen.
- Reichen Kindersegen hat ein Bierbrauereibesitzer in Mainz aufzuweisen, indem derselbe vor einigen Tagen auf dem Standesamt seinen 26. Sprößling einschreiben ließ.
- Das Gericht von Avelino (Italien) verurtheilte Fräulein Giunilli zu neun Jahren Gefängniß. Die erst vierzehn Jahre alte Angeklagte hatte ihre vier Monate ältere Nebenbuhlerin in einer Liebesangelegenheit mit Messerstichen getötet.
- Gegenüber einem auf fremden Märkten verbreiteten Gerücht versichert das italienische Ackerbauministerium, daß die Erndte in Italien eine gute Mittelerndte ist und die Weinerndte voraussichtlich eine ausgezeichnete sein wird.
- Ueber den tragischen Tod des Barons Peccoz werden dem "Neuen Wiener Tageblatt" aus Florenz noch folgende Einzelheiten gemeldet: Der Baron hatte der Königin Margerita für den 25. v. M. eine große Alpentour vorgeschlagen, an welcher ein großes Gefolge theilnehmen sollte. Der bevorstehende siebenstündige Marsch schreckte die Königin Margherita, die eine glänzende Touristin ist, nicht ab. Man erreichte die Schutzhütte des Lysgletschers, die in einer Höhe von 3300 Metern liegt, woselbst übernachtet wurde. Tags darauf wurde um 3 Uhr morgens aufgebrochen und der Lys bestiegen. Die Königin conversirte eben mit ihrer Hofdame, als Baron Peccoz plötzlich schwankte und die Arme gegen die Königin ausstreckte. Dieselbe versuchte erschreckt, ihn zu stützen, allein er stürzte zu Boden und war sofort tot. Die Königin begann laut zu schluchzen und war tief ergriffen. Das Leichenbegängniß des Barons Peccoz hat unter großartiger Theilnahme der Bevölkerung der ganzen Umgegend, deren Wohlthäter er war, stattgefunden. Die Königin legte persönlich einen herrlichen Kranz aus Alpenrosen mit einer Widmung auf den Sarg nieder. Wie jetzt bekannt wird, war Baron Peccoz seit Jahren herzleidend, weshalb ihm die Aerzte das Bergsteigen verboten hatten. Allein er konnte sich nicht entschließen, seine Bergtouren aufzugeben. Peccoz gab jährlich große Summen aus, um die Königin stets durch neue Ueberraschungen zu erfreuen. Die Königin hatte großes Vertrauen zu ihm, und als man ihr einmal eine Bergpartie widerrieth, sagte sie: "Solange Peccoz bei mir ist, kann mir nichts geschehen." Peccoz hinterläßt ein Vermögen von 6 Millionen Lire, daß zwei Neffen in Bayern erben werden. Einige italienische Blätter bringen geheimnißvolle Andeutungen, wonach Peccoz einen Selbstmord zu den Füßen der Königin vollführt hätte, da ihn angeblich eine unglückliche Neigung zu der Königin beherrschte. Es soll jedoch kein wahres Wort daran sein.
- Der Grundbesitzer Martini, der sein bedeutendes Vermögen in Monte Carlo verspielt hatte, warf sich am Mittwoch unter die Maschine eines Schnellzuges und wurde sofort getötet.
- Am 2. September suchten Gewitter mit Hagelschlag die Nordschweiz heim. In Zürich wurden tausende von Scheiben zertrümmert; es fielen Schlossen so groß wie Wallnüsse. Die Weingelände am See wurden arg verwüstet.
- Den franz. Weinbergbesitzern, die die von der Phylloxera zerfressenen Rebstöcke vorschriftsmäßig ausgerissen und durch neue Pflanzungen ersetzt haben, ist seit 6 Jahren ein Steuererlaß von 13 Millionen Franken bewilligt worden. Diese vertheilen sich auf 735 Gemeinden, die zusammen einen Flächeninhalt von 49 000 ha ausmachen.
- Ein schreckliches Bootunglück ereignete sich am Montag in der Morecambe=Bay östlich von der englischen Insel Man. Ein Vergnügungs=Segelboot mit 27 Personen schlug um. Nur 7 Personen wurden gerettet.
- Ein über 20 Minuten andauerndes Erdbeben wird aus Kiew gemeldet. Einige Häuser zeigen starke Risse. Kein Menschenverlust ist vorgekommen.
- Von einer furchtbaren Feuersbrunst ist die russische Stadt Kusnezk im Gouvernement Saratow heimgesucht worden. Bis auf wenige einzeln stehende Häuser ging der ganze Ort in Flammen auf. Es wurde nur sehr wenig gerettet. Die Bevölkerung lagert auf freiem Felde.
- Der Sofiater Specialcorrespondent der "Nowoje Wremja" meldet: In Sofia wurde ein Memorandum an sämmtliche Großmächte ausgearbeitet, das die Anerkennung des Fürsten Ferdinand als gesetzlich regierender Fürst anbahnen solle. Das Memorandum wird vorher der Skupschtina vorgelegt werden. Nach Petersburg wolle man eine besondere Deputation entsenden.
- Der Vulkan Cotapaxi in den Cordilleren von Quito ist wieder in voller Tätigkeit. Dieser höchste und bedeutendste aller feuerspeienden Berge ist in seiner vollen Tätigkeit ein Ungethüm, von dessen Wüthen man sich keine Vorstellung machen kann. Einer der schrecklichsten Ausbrüche war 1768 und am 9. Mai 1877. Andere Ausbrüche erfolgten nachweisbar in den Jahren 1532, 1533, 1742, 1743, 1744, 1746, 1766, 1803, 1851, 1855, 1856, 1864. Erstiegen wurde der 5960 m hohe Berg zuerst am 28. November 1872 von Reiß und am 8. März 1873 von Stübel. Der Krater hat einen Durchmesser von mehr als 800 m. Die Schneegrenze liegt im Norden in einer Höhe von 4762 m, im Süden von 4629 m. Alexander v. Humboldt und Rossignault haben die Besteigung vergeblich versucht.
- Ein verwegener Bankraub wurde am 1. d. Mts. in Tescott in Kansas (Amerika) verübt. Zwei vermummte Kerle begaben sich in die Bank und schossen den Cassierer einfach nieder. Es gelang ihnen, eine Menge Geld und Werthpapiere zu erbeuten. Dann schwangen sie sich auf ihre Pferde und ritten davon.


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