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Das Fürstentum Ratzeburg und seine „Wöchentlichen Anzeigen“

Gemessen an der 1000jährigen Geschichte Mecklenburgs ist das Fürstentum Ratzeburg ein recht junger Landesteil. Erst 1648 fiel er in Folge des Westfälischen Friedens an Mecklenburg, um einen Ausgleich für die an Schweden verlorenen Territorien (Wismar, Neukloster, Poel) zu schaffen. Jahrhunderte zuvor war das Ratzeburger Land ein Bistum gewesen und hatte diese Eigenständigkeit selbst nach der Reformation unter weltlicher Herrschaft bewahrt. Ein Land ohne adlige Grundherren mit selbstbewussten freien und sesshaften Bauern, die es zu Wohlstand gebracht hatten, und die nach mündlich tradierter Weisheit auf einem Landgericht selbst Recht sprachen.

Als 1701 die Linie Mecklenburg-Strelitz entstand, indem das Fürstentum Ratzeburg mit dem Land Stargard zusammengelegt wurde, trennten 160 Kilometer beide Landesteile und machten eine Zentralverwaltung endgültig unmöglich. So blieb das Ratzeburger Land administrativ eigenständig. Während der Befreiungskriege 1813/14 ergriffen Schönberger Bürger die Eigeninitiative und organisierten die Verwaltung des Landesteiles in ihrer Stadt neu, wodurch der Ratzeburger Domhof seine Position als Regierungssitz einbüßte. Schönberg wurde 1822 das Stadtrecht verliehen und blieb bis 1918 Sitz der Amtsverwaltung.

Die Gründung des amtlichen Mitteilungsblattes „Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg“ (1831) fällt in die Zeit des Vormärz und der wirtschaftlichen Rezession. Einem Ausbluten des Landesteiles durch Auswanderung begegnete man mit dem Bau von Chausseen, der Verbesserung der Wasserwege und der Einrichtung des Schönberger Hafens. Doch schon 1860 begann im fernen Neustrelitz die 44jährige Regentschaft von Friedrich Wilhelm, Großherzog zu Mecklenburg-Strelitz. Seine Herrschaft ging als Ära größter Sparsamkeit in die Landesgeschichte ein und setzte dem Bauboom ein Ende.

Für politischen Widerstand im Ratzeburger Land sorgte seit 1869 die verabschiedete Landesverfassung, die der Stimmenzahl des westlichen Landesteiles nur beratende Kraft zubilligte, jedoch kein Beschlussrecht. Die Folge war ein Ratzeburger Boykott. Der Landtag blieb 37 Jahre lang beschlussunfähig, bis nach Friedrich Wilhelms Tod die Wünsche der Bauernschaft endlich respektíert wurden.

Ein historischer Spiegel des ehemaligen Fürstentums Ratzeburg sind die landesherrlichen und obrigkeitlichen Verordnungen, die zwischen 1831 und 1918 bei Bicker in Schönberg gedruckt wurden und als „Wöchentliche Anzeigen ... “ erschienen. Sie enthalten zudem gerichtliche Vorladungen und öffentliche Bekanntmachungen, aber auch unterhaltende Aufsätze und Annoncen und ergeben so ein treffliches Abbild ihrer Zeit nicht nur aus Sicht der Obrigkeit. Einige der Jahrgänge werden an dieser Stelle im Volltext zugänglich gemacht. Die Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern plant die Konversion weiterer Bände aus ihrem Bestand.

Wie alle Territorialstaaten verlor auch Mecklenburg-Strelitz nach der deutschen Reichseinigung (1871) an außen- sowie auch innenpolitischem Gewicht. Die Gesetzgebung wurde für das Reichsgebiet vereinheitlicht. Das Statistische Reichsamt weist 1910 für das Amt Ratzeburg 15.057 Einwohner in 92 Gemeinden aus. 1914-18 kommt das kleine selbstbewusste Fürstentum in den Strudel der Weltpolitik. Noch bevor die Monarchie in Folge der Novemberrevolution abtrat, wählte der letzte Spross des Mecklenburg-Strelitzer Fürstenhauses - Großherzog Adolf Friedrich VI. - den Freitod. Heute zählt das Hauptgebiet des ehemaligen Fürstentums um Schönberg zum Kreis Nordwestmecklenburg. Der Ratzeburger Domhof und die Exklaven (die Dörfer Hammer, Mannhagen, Panten, Horst und Walksfelde) fielen 1937 an den Kreis Herzogtum Lauenburg. Weitere Gemeinden (Ziethen, Mechow, Bäk und Römnitz) folgten 1945 dorthin im Zuge des Grenzregimes zwischen den Besatzungszonen.

ZVDD