No. 92
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 24. November
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 1]

        Der Hauswirth J. Hecht zu Schlagresdorf ist zum Viceschulzen für die Dorfschaft Schlagresdorf bestellt, als solcher heute vereidigt und in sein Amt eingeführt.
              Schönberg, den 18. November 1893.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


        Die Schulzen werden darauf aufmerksam gemacht, daß Dorfschaftsarbeiten, wie solche vielfach nothwendig sind und in fast allen Ortschaften nützlich erscheinen, am besten in der gegenwärtigen Zeit des Arbeitsmangels ausgeführt werden.
        Schönberg, den 20. November 1893.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


Zum Bußtage.

Zum ersten Male feiert in diesem Jahre Nord= und Mitteldeutschland mit Ausnahme von Mecklenburg und Reuß ältere Linie den Bußtag am Ende des Kirchenjahres, in der Woche vor dem Totenfest. Es ist vielleicht vielen schwer geworden, eine langgewohnte Sitte aufzugeben; aber über allen Bedenken muß doch der Gedanke stehen, daß von nun an weite Kreise des deutschen christlichen Volkes an dem einen Tage berufen werden, sich als Schuldbewußte vor Gott zu beugen und seine Gnade zu erbitten.
O daß doch dieser erste gemeinsame Bußtag würdig von Allen begangen würde! Es geht ja durch alle Schichten unseres Volkes das Bewußtsein, daß wir schwer krank sind, und daß die Volksseele aus vielen Wunden blutet. Und nicht nur die empfinden es, die eine lebendige Erkenntniß ihrer eigenen Schuld in sich tragen, sondern auch manche, die sonst nach der christlichen Wahrheit nicht fragen. Wohl greifen die Irrenden oft nach falschen Mitteln um ihr Sehnen zu befriedigen, verführt von den Lügenpropheten, die Gift statt gesunder Speise bieten.
Wenn aber die Glocken von Thurm zu Thurm läuten, wäre nicht zu hoffen, daß ein Geist wahrer Einkehr über alle Stände unseres Volkes kommen und sie zur Besinnung rufen wird über das, was zu ihrem Frieden dient?
Es hat nicht gefehlt an treuen Mahnern, die unser Volk hinweisen auf das Eine, was notthut. Aber es scheint immer mehr, als ob diese Stimmen in der Gewinn= und Genußsucht verhallen sollten und die Entfremdung von Gott immer größer und bewußter würde. Noch haben wir zwar Frieden im Lande, das Evangelium in Kirche, Schule und Haus; noch sind im deutschen Volksleben die Grundsäulen der Gottesfurcht und Treue nicht zerstört. Werden dieselben aber den dunklen Gewalten Widerstand leisten? Erkennen die Besitzenden, die Gebildeten, ja auch die Gläubigen, voll und ganz, daß Sie es sind, die mit Wort und That, in Bruderliebe und Opferwilligkeit vor den Riß treten müssen, wenn der Unzufriedenheit im Volke gewehrt, die Habsucht und Lieblosigkeit überwunden werden soll? Sind die Besitzenden willig, aus Gottes Hand auch die geringeren Gaben, die Entbehrungen und Prüfungen mit genügsamem Sinn hinzunehmen?
Trage doch Jeder Leid über seine eigne Sünde und kämpfe redlich gegen das, was uns im Herzen, im Hause, im Berufe von Gott und von einander trennt!
Könnten wir uns zu solchem Kampfe verbünden, eine Quelle des Segens und des Friedens müßte dieser Bußtag werden.                           S.


- Neustrelitz. JJ. KK. HH. der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin nebst dem Prinzen Carl Borwin werden heute Abend nach 14tägigem Aufenthalte in Dessau und Sondershausen hier wieder eintreffen. (L.=Z.)
- Von einem Unfall wurde am Sonnabend der Lieutenant v. K. von der Batterie in Neustrelitz in der Reitbahn betroffen, indem ein Pferd eines Artilleristen, ein störrisches Thier, beim Reiten hinten ausschlug und dem Offizier an Stirn und Wange Verletzungen beibrachte, die zwar nicht lebensgefährlich, aber doch recht erheblich sind. Wie das "M. T." hört, soll der Backenknochen gebrochen sein.
- Schönberg. Ein Mann, der vor einer Reihe von Jahren seine Heimath verließ, um nach Amerika auszuwandern, und vor ungefähr einem Jahr nach Mecklenburg zurückkehrte, suchte auf der Seite des Ratzeburger Sees, die nach Römnitz hin liegt, seinem Leben durch Erhängen ein Ende zu machen. Der erste Versuch mißlang, weil der Strick riß, ein Theil desselben blieb am Baume hängen, der andere blieb am Halse des Mannes haften. Da der erste Mordversuch nicht den erwünschten Erfolg gehabt hatte, suchte der Mann sich durch Erschießen zu tödten. Er feuerte mittelst einer Pistole zwei Schüsse auf sich ab, von denen einer ihn an der Stirn traf, jedoch keine lebensgefährliche Wunde zur Folge hatte. Die Untersuchungsbehörde vermuthet, daß der Lebensmüde nach den beiden mißglückten Versuchen noch in den Ratzeburger See gesprungen ist, um in den Fluthen desselben seinen Tod zu finden. Da der See aber an dieser Seite sehr flach ist, so mißlang auch dieser letzte Versuch und er wurde gänzlich durchnäßt und blutend im See liegend aufgefunden. - Die Reparatur der

[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 2]

hiesigen Kirchenorgel ist von dem Werkführer der Grünebergschen Instrumentenfabrik in Stettin auf 803 M. veranschlagt worden. Das Trompetenregister das schon seit langer Zeit unbrauchbar war, wird vollständig erneuert.
- Schönberg. In Mechow ist die Freitagsche Halbstelle mit Krügerei und Schmiede an einen Landwirth aus Schattin für die Summe von 38 000 M. verkauft worden.
- Schönberg. Ein bei einem hiesigen Tischlermeister in Arbeit stehender Geselle, der am Sonntag Abend ausgeschlossen war, wollte sich den Eingang in seine Wohnung dadurch verschaffen, daß er ein Fenster öffnete. Hierbei schlug er mit der einen Hand so unglücklich in das Glas, daß die Sehnen der Hand zerschnitten wurden. Der sofort herbeigerufene Arzt ordnete die sofortige Ueberführung in das Lübecker Krankenhaus an. - Das zur Hohenmeiler Forst gehörige, sich bis nach Schönberg erstreckende Jagdgebiet, das von einem Lübecker Rentier Albrecht gepachtet war, durch dessen plötzlichen Tod aber wieder frei wurde, ist von dem hiesigen Herrn Kammerherrn von Oertzen als Jagdrevier übernommen worden. Derselbe hat jedoch mit dem Domänepächter Böbs auf dem Bauhof Schönberg in der Weise getheilt, daß diesem die Jagd auf seinem Acker freisteht. Das von dem früheren Pächter auf der Malzower Zuschlag erbaute Schweizerhäuschen ist dem Förster Rolle zum Geschenk gemacht.
- In dem Etat des Reichsschatzamts für 1894/95 werden die Ueberweisungen an die Bundesstaaten zu 355 450 000 M. veranschlagt. Davon kommen auf den Mehrertrag an Zöllen und Tabakssteuer 230 833 000 M., auf die Verbrauchsabgabe für Branntwein und den Zuschlag dazu 100 093 000 M., auf den Ertrag an Reichsstempel=Abgaben 24 524 000 M. Von dem Gesammtertrage, welcher an die Bundesstaaten nach der Kopfzahl ihrer Bevölkerung zur Vertheilung gelangt, fallen auf Mecklenburg=Schwerin 4 159 150 M., auf Mecklenburg=Strelitz 704 700 M.
- Ein Unteroffizier der Neustrelitzer Garnison fährt auf Urlaub nach Fürstenberg. Ihm gegenüber sitzt im Eisenbahnkoupee ein junger Berliner, der über alles herzieht und schlechte Witze reißt. Auf das Wappen im Helm des Unteroffiziers deutend, fragt er diesen: "Warum tragen denn die Mecklenburger einen Büffelskopf in ihrem Wappen?" "Damit sich die Schafsköpfe darüber wundern können", war die schlagfertige Antwort.
- Vom Gute Pentzlin bei Plau war beim Transport eine Kuh wild geworden und den Treibern entlaufen; nach 3tägiger Suche wurde dieselbe durch sieben Schüsse erlegt.


- Ein im Reichstag eingebrachter Antrag Standy=Steppuhn lautet: Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen das Gesetz betr. die Invaliditäts= und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 dahin geändert wird, daß eine Vereinfachung desselben, insbesondere durch Beseitigung der Mißstände, welche eine notwendige Folge des Markensystems sind, herbeigeführt werden.
- Unter den Aenderungen, die der Tabaksteuergesetzentwurf durch die Ausschüsse des Bundesrats erfahren hat, ist eine höchst unerfreuliche, nämlich die, welche bestimmt, daß auch die in Privatbesitz befindlichen Tabakfabrikate einer Nachsteuer unterliegen sollen. Die Durchführung dieser Bestimmung wäre nicht anders möglich, als durch Einführung des Deklarationszwanges unter gleichzeitiger Androhung schwerer Strafen und unter Einräumung des Rechtes an die Steuerbeamten, in alle Privat=Wohnungen und =Räume ohne Ausnahme einzudringen. Die Konsequenz einer derartigen Bestimmung im Tabakfabrikatsteuer=Gesetz wäre natürlich auch die Nachbesteuerung aller im Privatbesitz befindlichen Weine durch das Weinsteuergesetz. Zu berücksichtigen ist auch, daß viele Private in dem Glauben sind, daß sie keine Nachsteuer zu entrichten haben würden, Bestellungen auf Zigarren etc. gemacht haben und daß dadurch eine vorübergehende, aber doppelt ungesunde Ueberproduktion veranlaßt worden ist, die einen empfindlichen Rückschlag unter allen Umständen zur Folge haben wird.
- Die zwei in Kiel unter dem Verdacht der Spionage in diesem Sommer verhafteten Franzosen sind dieser Tage in das Gerichts=Gefängnis in Leipzig eingeliefert worden.
- Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Hundert Mark=Noten der Chemnitzer Stadtbank seit dem 31. Mai 1891 aufgehört haben, Zahlungsmittel zu sein, und nur noch bis Ende dieses Jahres als einfache Schuldscheine Gültigkeit haben. Die bis dahin nicht zur Einlösung gekommenen Noten sind alsdann völlig werthlos.
- Württembergische Blätter berichten aus Kaufbeuren: Vor einigen Tagen wurde dort im Hofe des Gasthauses zur "Wies" vor einer großen Zuschauermenge ein großer schwarzer Bär aus der zur Zeit hier weilenden Ehlbeck'schen Menagerie seiner Bösartigkeit wegen erschossen. Die Execution wickelte sich rasch und prompt ab. Büchsenmacher Heinrich Girku streckte das gewaltige Thier mit einem einzigen wohlgezielten Kernschuß in den Kopf nieder. Von 12 Uhr mittags ab fand dann ein großes Bären=Festessen statt. Es gab Bären=Leberknödel, Bären=Ragout, Bären=Kotteletts auf dem Rost gebraten, Bären=Schlegelbraten und als feinstes Stück Bären=Tatzen.
- Der Mörder Emin Paschas, Said, ist nach Meldungen vom Congo durch den belgischen Hauptmann Ponthier bei der Einnahme Kirundus, nach welcher die Feinde vollständig vernichtet seien, gefangen genommen, darauf zum Tode verurtheilt und erschossen worden. - Nach einer weiteren Meldung fand bei der Einnahme des Araberlagers am Lowaflusse Kapitän Ponthier die letzte von Emin Pascha geheirathete, sansibaritische Frau und einen 1jährigen Sohn Emins vor. Die Frau bestätigte Emins Ermordung durch Said ben Abed.
- In dem Köln=Hamburger Schnellzuge erschoß sich am Freitag nachmittag eine 18-20jährige, hübsche Dame, welche den besseren Ständen anzugehören schien. In ihren Händen hielt sie die Photographie eines Offiziers. Auf der Station Recklinghausen hatte sie dem Schaffner einen Brief, welchen derselbe besorgen sollte, übergeben. Das Motiv zur That ist dem Anscheine nach unglückliche Liebe gewesen.
- Im Alter von 100 Jahren und 5 1/4 Mt. starb am Donnerstag in München die Rentbeamtenwittwe Barbara Müller. Die Dame, die am 1. Juni 1793 geboren wurde, erfreute sich bis zu ihrem Ende großer körperlicher und geistiger Frische.
- Furchtbare Stürme haben in den letzten Tagen im Nordwesten Europas geherrscht. Besonders arg scheint das Unwetter an den Küsten Großbritanniens gewütet zu haben. Von den verschiedenen Küstenplätzen werden Schiffsunfälle mit Menschenverlust gemeldet. Der Eisenbahn= und Telegraphenverkehr leidet unter großen Verzögerungen. Vom Montag wird aus London gemeldet: Der Verlust an Menschenleben infolge des Unwetters an der englischen Küste wird gegenwärtig auf nahezu 200 geschätzt. An der Küste von Cornwall ist der Liverpooler Dampfer "Cynthia" mit der ganzen Mannschaft außer einem Matrosen untergegangen. Dem "Reuterschen Bureau" wird aus Pensance (Cornwall) vom Sonntag gemeldet, daß 6 Meilen von dort ein großer Dampfer, vermutlich "The Hampshire," untergegangen sei. Von den aus 22 Personen bestehenden Mannschaft sei nur eine gerettet worden.
- In Calais riß der Sturm 200 Meter der Ost=Moole mit dem Leuchtturm fort. Von den Wächtern fehlt jede Nachricht. Elf Fischerboote wurden an die Küste geworfen.
- Auch in der Nord= und Ostsee hat der Nordweststurm schweren Schaden angerichtet. Der englische Dampfer "Electra", von Hull kommend, ist am Montag bei Helgoland gesunken. Passagiere und Mannschaft sind gerettet.
- Der Förster Reiß, der, wie gemeldet, unlängst zwei französische Wilderer erschossen hat, ist nach dem Forsthause Hengstenberg in der Nähe von Ingweiler versetzt worden.
- Auf Anregung der spanischen Regierung schweben derzeit Verhandlungen zwischen den verschiedenen Kabinetten, welche ein gemeinsames Vorgehen gegen die Anarchisten bezwecken. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Polizeimaßregeln, nämlich um eine strenge Ueberwachung solcher Persön=

[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 3]

lichkeiten, die als Anarchisten bekannt sind, um evt. zwangsweise Abschiebung in ihr Heimatland.
- Fürst Ferdinand spendete 10 000 Frks. zur Errichtung eines Nationaldenkmals für den Grafen Hartenau. Der in Wien auf Staatskosten Bulgariens weilende Bildhauer Iwan Perkow ist mit der Ausführung des Denkmals betraut worden. - Die Königin Viktoria von England und Kaiserin Friedrich ließen einen gemeinschaftlichen Kranz mit der Aufschrift "Viktoria und Kaiserin Friedrich" am Sarg des Grafen niederlegen.
- Nach einer Meldung des "Standard" aus Odessa wütet die Influenza mit größter Heftigkeit in den südwestlichen Provinzen Rußlands. In Odessa allein seien jetzt bereits zehntausend Fälle vorgekommen.
- Ein Streit, wie er bis jetzt wohl zu den größten Seltenheiten gehört, ist in Rom ausgebrochen. Dort haben die Telegraphenbeamten infolge der beabsichtigten Verschmelzung der Beamtenkörper der Post und Telegraphie am Montag Mittag ihre Thätigkeit eingestellt und es scheint sicher, daß alle Telegraphenbeamten in ganz Italien sich dem Ausland anschließen werden.


Anzeigen.

In der Nacht vom 14./15. d. Mts. sind aus einem Laden in Rieps einige Stücke Seife und einige kleine Tücher, sowie aus der dort befindlichen Ladenkasse etwa 20 Mark Wechselgeld mittelst Einbruchs gestohlen worden.
Um Vigilanz und Benachrichtigung wird gebeten.
Neustrelitz, 18. November 1893.

Der Erste Staatsanwalt.
H. Götze.
                                                    Seyberlich.


Holz=Auction Nr. 3.
Am Donnerstag, den 30. November,

Morgens 10 Uhr sollen beim Gastwirth Fahrenkrug zu Lüdersdorf folgende Holzsortimente bei beschränkter Concurrenz öffentlich meistbietend verkauft werden:

Aus dem Pellmoor.

  42 Rm. Loheichen=Knüppel I. u. II. Cl.

Aus den Duvenester=Tannen.

  25 Stück Kiepentannen.
120 Rm. Kiefern, Kluft und Knüppel
  40 Rm. Kiefern, Rodestämme.

Aus den Herrenburger=Tannen.

  15 Fuder kiefern Durchforstholz I. u. II. Cl.
Schönberg, den 23. November 1893.

                                                    Der Oberförster.
                                                        C. Hottelet.


Oeffentliche Versteigerung.
Sonnabend, den 25. November d. Js.,
Vormittags 9 Uhr
sollen auf dem Dorfplatz zu Lindow                                                    
2 Milchkühe

öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg den 22. November 1893.

                                                    C. Staffeldt,
                                                    Gerichtsvollzieher.


Das Fahren, Reiten und Viehtreiben über meine beackerten resp. Weideschläge wird hiermit bei Strafe der Pfändung verboten. Die durch meine Feldmark führenden Wege sind sowohl für leichtes als für schweres Fuhrwerk gut passirbar.

Hof=Lockwisch,
d. 22. Novbr. 1893.
                                                     Dierking.


Zwecks Erbschaftsregulirung werden alle Diejenigen, welche noch Forderungen an meinen verstorbenen Mann zu richten, als auch die, welche noch Zahlungen an denselben zu leisten haben, hierdurch aufgefordert, solche bis zum 1. Januar n. J. bei mir einzureichen.
Selmsdorf, d. 19. 11. 1893.

                                                    C. Wendlandt Wwe.


Was ist Lavatus.


Gesucht zu sofort
ein junges Mädchen
zum Kochen lernen.
                          Frau C. Klempau, Offizier=Casino,
                          Lübeck.


Photographisches Atelier
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Th. Liebert
empfiehlt sich zur Anfertigung jeder Art                                                    
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Vergrößerungen nach jedem kleinen Bilde.

Um recht frühzeitige Aufträge zur Weihnachtszeit bittet ganz ergebenst

                                                    D. O.


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Zu der am 20. u. 21. Dec. neu beginnenden
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empfehlen für 1. Ziehung
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An Hauptgewinnen kommen folgende zur Entscheidung:
In 1. Klasse 50,000 M., in 2. 55,000 M., in 3. 60,000 M., in 4. 65,000 M., in 5. 70,000 M., in 6. 75,000 M., in 7. Klasse ev. 500,000, spec. 300,000, 200,000, 100,000, 75,000, 50,000, 40,000, 5 à 20,000, 20 à 10,000 M. etc. Es bietet sich also die allergroßartigste Gewinngelegenheit, so daß jedermann sein Glück versuchen sollte. Aufträge, welche unter Nachnahme nach allen Orten prompt ausführen, erbitten recht bald

                                                    Mindus & Marienthal,
                                                    Hamburg.


Vaselin                                                    
Glycerin                                                    
Lanolin
Lanolin-Cream
                          Cold-Cream
                                                    Frost-Balsam
empfiehlt                                                                               die Apotheke zu Schönberg.


Um unnöthiges Porto zu ersparen, bitte ich hierdurch meine geehrten Bierkunden, alle Biergebinde binnen 14 Tagen bei mir abzuliefern.

Hochachtungsvoll
                                                    C. Schwedt.


Jeder Zahnschmerz
wird sofort gestillt durch die Anwendung der Cocäinwatte.
Zu haben in Gläsern a 50 Pfg. bei
H. Brüchmann. Schönberg i. M.


Gr. Siemzer Schweinegilde.
Sonntag, den 26. d. Mts.:
BALL
im Vereinslokale (Stadt Lübeck).
Anfang 7 Uhr.
Einführungen durch Mitglieder sind gestattet.
                                                    Der Vorstand.


Am 22. d. M., ist auf dem Wege von Petersberg bis Schönberg ein schwarzer Regenschirm mit weißer Krücke verloren gegangen. Der ehrliche Finder wird gebeten denselben abzugeben gegen Belohnung beim Gastwirth Staack vor Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 4]

Verlag von J. F. Schreiber in Esslingen bei Stuttgart.

Dr. C. H. v. Schuberts
Naturgeschichte der drei Reiche
mit der Anatomie des Menschen.

2500 Abbildungen auf 205 Farbdrucktafeln und 375 Folio-Seiten Text.

I. Abteilung.
Das Tierreich.
91 Tafeln mit 850 farbigen Abbildungen.
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II. Abteilung.
Das Pflanzenreich.
54 Tafeln mit 650 farbigen Abbildungen.
     Löwenkopf      III. Abteilung.
Das Mineralreich.
42 Tafeln mit 683 farbigen Abbildungen.
-------------------------------------
IV. Abteilung.
Der Bau des menschlichen Körpers.
10 Tafeln mit 100 Abbildungen.

Unübertroffenes Werk für Schule und Familie.
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Besondere Vorzüge dieser Naturgeschichte sind die naturgetreuen farbigen Illustrationen. Bilder und Texte stehen auf der Höhe der Zeit. Autoren ersten Ranges haben daran mitgearbeitet.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Jede Buchhandlung ist im Stande das Werk zur Ansicht vorzulegen.

Vollständig in 96 Lieferungen à 50 Pfennig.


Kampf=
genossen=
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.
Schönberg.
Gedächtniß=Feier der Schlacht bei Loigny
Theater und Ball
am Sonntag, den 3. Dezember d. J.
im Saale des Herrn J. Boye hieselbst.
1. Festrede,
2. Nichte und Tante,
    Lustspiel in 1 Aufzuge von C. A. Görner,
3. Krieg und Frieden oder Kutschke als Budiker,
    Schwank m. Gesang in 1 Akt v. Fr. Volger.

Eintrittskarten: 1. (nummerirt.) Platz 1 Mark, 2. Platz 50 Pf., Gallerie 30 Pf.
sind vom Sonnabend, den 2. Dec., ab bei den Kameraden Creutzfeldt und Diersen hies. sowie abends an der Kasse zu haben.
Vereinskameraden nebst Familien unter Hinweis auf die protocollarische Beschlußfassung vom 5. Novbr. d. Js. haben freien Eintritt.

Tanzschleife für Herrn zum Ball 1 Mark.
Kassenöffnung 7 Uhr.                                                     Anfang 7 1/2 Uhr.

Zu recht zahlreichem Besuch von Stadt und Land ladet freundlichst ein

                                                    Der Vorstand.


Allen denen, die nur zu meinem 25 jährigen Dienstjubiläum als Schulmeister durch ihr persönliches Erscheinen, durch so reiche Geschenke oder durch herzliche Glückwünsche ihre rege Theilnahme bewiesen, sage ich hiermit meinen wärmsten Dank.

                                                    J. Boye,
                                                    Schulmeister zu Siechenhaus.


Für die vielen Glückwünsche zu unserer silbernen Hochzeit sagen wir allen, die unser so freundlich gedachten, unsern herzlichsten Dank.

Samkow.                                                     J. Seeler und Frau.


Carlow i. M.
Freitag den 1. December
Grosses
Militair-Conzert
ausgeführt von dem Musikkorps des
Lauenburgischen Jäger Bataillons Nr. 9
unter Leitung des Musikdirigenten Herrn
E. Hohenwald.
Kassenöffnung 6 Uhr. - Anfang 6 1/2 Uhr.
Nach dem Concert
Ball.
Hierzu ladet ergebenst ein                                                    
                                                    Ad. Eduard Creutzfeldt.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, 26. November.

Vormittagskirche: Pastor Krüger.
Abendkirche (6 Uhr): Consistorialrath Kaempffer.
   Amtswoche: Pastor Krüger.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends 11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1, Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nachm. 5,40 Nachm. 8,54 Abends.


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 55-57 M., große Schweine 56-57 M., Sauen 43-52 M., Kälber 80-95 M. per 100 Pfund.


Marktpreise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 47.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 92 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 24. November 1893.


Aus deutschem Bauernleben in verschiedenen Jahrhunderten.
(Fortsetzung.)
III. In karolingischer Zeit, 8. und 9. Jahrhundert n. Chr.

Nicht unwesentlich erscheint die Stellung des Gemeinfreien in der Zeit der Karolinger=Herrschaft; die Entwickelung, welche die Verhältnisse genommen haben, läßt sich kurz in dem Satz zusammenfassen, daß der Bauer sich wirtschaftlich verbessert, aber politisch verschlechtert hat. Der alte Adel hatte über den Stand der Gemeinfreien nur durch ein sehr geringes Maß von Vorrechten emporgeragt, von denen das einzig faßbare das höhere Wehrgeld (d. h. Buße bei Körperverletzung oder Totschlag) des Edelings war. Aber in der fränkischen Monarchie Karls hat der alte Geburtsadel seine ohnehin geringe Bedeutung fast ganz verloren. An seine Stelle ist ein Dienstadel getreten, den Amt, Hofdienst und Empfang königlicher Güter vor dem Gemeinfreien auszeichnen. Für uns kommt hier namentlich das letzte als das wirthschaftlich Wichtigste in Betracht. Der König überweist einzelnen seiner Unterthanen gewöhnlich auf Lebenszeit Land zur Nutznießung, wofür diese zu ihm in ein Verhältniß besonderer Dienstverpflichtung, die sogen. Vasallität, treten. Die Vasallen des Königs sind also nicht mehr im vollsten Sinn des Wortes frei, und trotzdem giebt ihnen ihre besondere Stellung zum Herrscher ein Uebergewicht über die Gemeinfreien, stempelt sie zu einem Adel, der geneigt ist, auf den Bauern herabzusehen und diesen nach Möglichkeit zu unterdrücken. Und wenn auch namentlich Karl der Große in richtiger Würdigung der Bedeutung des freien Bauernstandes immer wieder in Edikten davor warnte, den Stand der Freien zu mindern oder in seinen Rechten zu verkürzen, die Verhältnisse waren doch mächtiger als die Verordnungen. Der Großgrundbesitz der Vasallen verlieh diesen ein Uebergewicht über die Gemeinfreien, welches mit der Zeit auf diesen so schwer lastete, daß viele es vorzogen, ihr freies Eigenthum aufzugeben und sich unter den Schutz des Adels oder der Kirche zu stellen. Hat sich demnach durch die Bildung des neuen Adels der Bauer - abgesehen von einzelnen Gegenden, wo er nach wie vor die Hauptrolle spielte, wie z. B. bei den Dithmarsen - verschlechtert, so hat er sich dagegen wirtschaftlich erheblich verbessert. An Umfang gewannen die Bauerngüter (freilich auch nicht in dem Maß wie der mit größeren Betriebsmitteln ausgestattete Großgrundbesitz des Adels) durch Rodung in dem Gemeindewald. Diese Rodung in der Allmende nahm wohl in der Regel die Gemeinde vor; doch hatte auch der einzelne Marktgenosse das Recht, mit Erlaubniß der Gemeinde in deren Mark für sich zu roden. Als stillschweigende Erlaubniß wurde hierher schon der Seitens der Gemeinde unterlassene Einspruch gegen die begonnene Rodung betrachtet; es galt der Satz: "Die hallende Axt ist ein Rufer, kein Dieb." Bitang oder Neugarent hieß das so gewonnene Neubruchland. Zu Ende des 6. Jahrhunderts hat wohl schon die Neurodung begonnen, aber größeren Umfang nahm sie erst später an, besonders in der karolingischen Zeit. Ebenso wie an Umfang aber gewann die Landwirthschaft auch an Intensität des Betriebs; zunächst dadurch, daß sie sich nach dem Beispiel der sorgfältiger bewirtschafteten Kron= und Klostergüter einem festen Flurzwang fügte. Am frühesten geschah das natürlich in den dichter bevölkerten linksrheinischen Gegenden, später auch rechts vom Rhein im eigentlichen Deutschland, wo namentlich die Klöster dem Bauern Vorbild wurden. Seit dem 8. Jahrhundert war die Dreifelderwirthschaft das herrschende System des Feldbaus. Das ganze zum Getreidebau bestimmte Land wurden in drei möglichst gleiche Theile getheilt; Zelgen ist der alte Ausdruck dafür. Wechselnd wurde jede Zelge mit Winterfrucht, (Weizen, Spelz, Roggen), mit Sommerfrucht (Hafer, Gerste oder gar nicht bebaut. Die Brache diente als Weide. Zweimal, um Johanni und im Herbst, ging der Pflug über das Winterfeld, einmal im Frühjahr über das Sommerfeld. Blieb ein Stück Land mehrere Jahre im Zustand der Brache, lag es, wie man es nannte, in Egerten, sodaß Unkraut und Gesträuche darauf wuchsen, so fiel es an die Gemeinde zurück. "Geht der Busch dem Reiter an den Sporn, hat der Bauer sein Recht verloren." Neben dem Flurzwang wurde von besonderer Bedeutung für die Landwirthschaft die Gartenkultur. Mochte auch schon in früher Zeit der deutsche Bauer neben seiner Hofstätte etwas Zwiebeln und Bohnen gebaut haben, von eigentlicher Gartenkultur kann man doch erst in dieser Zeit reden. Bezeichnend ist zunächst, daß die Namen für die allermeisten in dieses Gebiet gehörigen Dinge und Begriffe Lehnwörter aus dem Lateinischen sind. Nicht nur Birne und Pflaume, Kirsche und Maulbeere, auch Kohl, Kappes, Kümmel und Rettich, Münze, Kerbel, Fenchel, Lattich und viele andere sind römischen Ursprungs. Zwar ist Garten ein urdeutsches Wort, aber es bedeutet, wie oben schon bemerkt, ursprünglich nur eine Umfriedigung ; man vergleiche z. B. Verbindungen wie Thiergarten, Stuttgart (d. h. Gestütshof), man vergleiche ferner das slavische Wort gard, grad, gorod, welches Burg, Stadt bedeutet (z. B. in Verbindungen wie Stargard, Belgrad, Nowgorod), sowie das griechische chortos d. h. Gehege, Viehweide. Später hat dagegen das Wort Garten die Bedeutung eines eingefriedigten, mit dem Spaten, nicht mit dem Pflug bearbeiteten Stück Landes erlangt; man vergleiche den Gegensatz zwischen Gartland und Artland. In diesem Sinn wird von Gärten wohl zuerst in Karls des Großen capitulare de villis, jener genauen Anweisung an seine Verwalter über den Wirthschaftsbetrieb auf den königlichen Gütern gesprochen; diese Verordnung stammt aus dem Jahr 812. Sie zählt als Gartenpflanzen Lilien, Rosen, Steinklee, Krauseminze, Salbei, Raute, Beifuß, Gurken, Melonen, Kürbis, Feuerbohnen, Gartenkümmel, Rosmarin, Karbe, Kichererbsen, Meerzwiebel, Siegwurz, Schlangenwurz, Anis, Wildkürbisse, Sonnenblumen, Bärwurz, Steinkümmel, Lattich, Schwarzkümmel, weißen Gartensenf, Kresse, Klette, Polei und 42 andere ebenso zahlreiche Arten von Obst= und anderen nutzbaren Bäumen. Nicht minder reichhaltig ist die Aufzählung der Gartengewächse auf dem unter Abt Gozbert (815-837) hergestellten Plan des Klosters St. Gallen; der Gartenplan zeigt hier die üblichen Abtheilungen Obst= oder Baumgarten (mit 14 verschiedenen Sorten von Bäumen, darunter auch Kastanien=, Quitten=, Pfirsich= und Mandelbäume) und Gemüsegarten oder Krautgarten (mit 17 verschiedenen Nummern), wozu dann noch ein Arzneikräutergarten kommt. So ausgedehnt und vielseitig natürlich dürfen wir uns den Gartenbau des deutschen Bauern nicht denken. Aber immerhin werden das Beispiel der Kron= und Klostergüter und der rege Eifer namentlich Karls des Großen ihre Wirkung auch auf den Gemeinfreien nicht verfehlt haben. Seine Zwiebeln und seinen Lauch, seine Bohnen und Rüben, seinen Kohl und Salat, sowie gewisse Obstbäume wird der deutsche Bauer wohl schon damals gezogen haben. Auch der Weinbau, der seit dem 6. Jahrhundert an der Mosel betrieben wurde, und dem Karl ganz besondere Aufmerksamkeit schenkte, verbreitete sich allmählich weiter, sodaß dann eine Dreitheilung des Gartens im Krautgarten, Baumgarten (Bangert) und Weingarten (Wingert) stattfand. Bemerkenswerth aber ist die Thatsache, daß der mit Recht so beliebte Hopfen in den Zeugnissen des frühesten Mittelalters nirgends erwähnt wird, wie er denn auch in Karls Verordnungen fehlt: erst im 9. Jahrhundert scheint seine Verwendung in Aufnahme ge=

[ => Original lesen: 1893 Nr. 92 Seite 6]

kommen zu sein: zur Zeit Ludwigs des Deutschen (843-876) erwähnen Urkunden des Stiftes Freisingen auch humularia, Hopfengärten.

IV. In der Blütezeit des Mittelalters. Um 1200.

Die Entwickelung, die mit der Gründung der fränkischen Monarchie begonnen hatte, nahm im weiteren Mittelalter ihren naturgemäßen Fortgang, so zwar, daß mit der immer mehr fortschreitenden Ausbildung des mittelalterlichen Adels, des Ritterstandes, der Gegensatz zwischen diesem und dem Bauernstand immer schroffer wurde, daß der letztere - abgesehen von einigen wenigen Gegenden - in immer weiterem Umfang der Unfreiheit verfiel, die ihm mit der Zeit so drückende Lasten auferlegte, daß sie auch wirthschaftlich den Bauernstand ruinierte. Bevor es jedoch soweit kam, führte die Periode der Kreuzzüge noch eine kurze Zeit wirtschaftlicher Blüte für ihn herauf. In zahllosen Scharen verließen Ritter und Knechte das Vaterland, um es nie wiederzusehen. Herrenlose Güter waren um geringen Preis zu haben, und ihr Erwerb verhalf dem Bauern für einige Zeit zu behaglichem Wohlstand, der sich in freudiger Lebenslust und gesteigertem Selbstgefühl kundgab. So nur erklärt sich das dörfliche Leben, wie es uns in den Gedichten Neidharts von Reuenthal, eines bayerischen Ritters, der am Hof Friedrichs des Streitbaren von Oesterreich lebte, entgegentritt. Luft und Freude bis zu ausgelassenem Uebermuth ist der Grundton dieser Lieder, sei es nun, daß man, wenn der Mai gekommen, auf dem Anger um die Linde im fröhlichen Reigen sich dreht, sei es, daß man zur kalten Winterszeit in der niederen dumpfen Stube dröhnend den Boden stampft oder in neckender Wechselrede sich zeigt und herausfordert.

            "Auf dem Berg und in dem Thal
            Hebt sich wieder der Vöglein Schall;
            Heuer wie eh
            Grüner Klee.
            Weiche Winter, Du thust weh."

singt Neidhart. Da treibt es die Dirne zu fröhlichem Tanz; und "bände man ihr mit einem Seil den Fuß", sie muß doch zur Linde auf dem Anger. Die Mutter warnt, doch die Tochter läßt sich nicht halten; Reuenthals Tanzweisen locken zu mächtig:

            "Liebe Mutter, hehre,
            Er klagt nach mir gar sehre,
            Soll ich ihm des nicht danken?
            Er sagt, daß ich die schönste sei
            Von Baiern bis nach Franken."

Kann man's der Maid verdenken? Regt sich doch in mancher Alten zur Maienzeit die Jugendlust. Auch davon weiß Neidhard zu singen:
            Eine Alte, die begann zu springen
            Hoch wie eine Kitz' empor;
            Sie wollte Blumen bringen.
            "Tochter, reich' mir mein Gewand,
            Ich muß an des Knappen Hand,
            Der ist von Reuenthal genannt."

Mit den Gespielinnen eilt die Dirne hinaus zum Tanz auf den Anger, wo die Burschen schon warten.

            Raudolt, Gunthart, Sibard, Wollfried, Vrene,
            Die sprangen da den Reigen vor,
            Erst einer, danach zweene.
            Auch Diethoch, Ulant und Jednec
            Sprangen manchen frohen Sprung,
            An Jednecs Hand Helene.

Aber auch der Winter thut der Tanzlust keinen Abbruch.

            Gebt mir nun ihr lieben Freunde weisen Rat;
            Was ich denke, will ich sagen:
            Ihr sollt raten, wo die Jungen Spiel und Tanzes pflegen.
            Megerwart der weiten Stube eine hat.
            Wenn's euch allen will behagen,
            Laßt uns dahin Feiertages Spiel und Tanz verlegen.
            Seine Tochter will es ja; so kommt dorthin.
            Einer soll's dem andern sagen.
            Nach 'nem Tanz ringsum den Schragen
            Stehet Engelmar der Sinn.

Ein lustige Rauferei, zu der es an Gelegenheit nicht fehlt, wo das ewig Weibliche ins Spiel kommt, erhöht nur das Vergnügen, falls nicht friedlichere Elemente vermitteln.

            Friedlieb wollte gern zu Grotelinde gehen,
            Selbes wollt' auch Engelmar.
            Eberhard, der mußte zwischen beiden stehen;
            Kriegten sich sonst arg am Haar.

Aber neben der fröhlichen Luft lauert auch sündhafte Hoffart, die thörichte Sucht, über den eigenen Stand hinaustretend dem Edelmann nachzuäffen, die sich zunächst im Aeußeren zeigt:

            Seht Euch an den Hildemar!
            Er trägt eine Haube, die ist innen wohlgeschnüret;
            Und aus Seide Vöglein seht ihr außen aufgenäht.
            Da hat manches Händchen seine Finger zu gerühret,
            Daß so üppig ihm der Haube Schmuck zu Haupte steht.
            Habt Ihr auch gesehen seine Ringellocken lange,
            Die des Nachts sich fügen müssen seiner Haube Zwange?

Immerhin war solche Eitelkeit verhältnißmäßig harmlos. Aber es fehlt auch nicht an schlimmeren Ausartungen. Ein Gemälde von erschütternder Tragik entrollt uns die Erzählung Werners des Gärtners von Meyer Helmbrecht, ein Seitenstück zum Gleichniß vom verlorenen Sohn, aber mit ganz anderem Ausgang. Der Bauernsohn trägt auf seinen blonden Locken eine Haube, kunstreich gestickt. Ein fettes Rind hat seine Schwester der Nonne, die sie gestickt, zum Lohn dafür gegeben. Dazu trägt er feine weiße Leinwand und lammpelzgefüttertes Untergewand aus feinem Tuch, und ein reiches Obergewand mit rothvergoldeten, silberweißen und krystallnen Knöpfen; Hosen und Geldgurt, um die die Mutter manches Huhn und Ei verkaufen mußte, vervollständigen den Anzug. Kettenharnisch und Schwert dürfen nicht fehlen. So ausgestattet will der stutzerhafte Bauernsohn zu Hof gehen. Der alte Bauer warnt und mahnt: "Laß' uns vereint den Acker bauen, so fährst Du einst gleich mir mit Ehren in die Grube. Selten trägt einer Gewinn davon, der sich wider seinen Beruf auflehnt. Trink' lieber Wasser, eh' Du mit Deinem Raube Wein kaufst, iß' lieber den guten Brei, den Dir die Mutter kocht und Hafer mit Roggen gemischt, als die Gans, eingetauscht für ein geraubtes Roß, oder Fische in Unehren." Vergebens! Der Sohn will nicht Säcke tragen, Dung auf den Wagen laden, Ochsen treiben und Hafer säen. Er will Wein trinken und gesottenes Huhn und weiße Semmeln essen bis zum Tod. Da giebt denn der Bauer viel Lodenzeug, 4 Kühe, 2 Ochsen, drei Stiere und vier Scheffel Korn für einen Hengst dahin, und der Sohn reitet von dannen. Mit anderen sauberen Gesellen (Lämmschling und Schluckenwidder, Höllensack und Rüttelschrein, Kuhfraß und Kirchenraub sind ihre bezeichnenden Namen, während er selbst Schlingdengau genannt wird) treibt er das Räuberhandwerk und schlemmt und praßt nach Herrenart. Seine Schwester Gotelinde läßt sich bethören, Lämmerschlings Frau zu werden. Aber die Rache schläft nicht ewig. Beim Hochzeitsmahl werden sie vom Richter und seinen Schergen überrascht. Helmbrecht wird geblendet und verliert Hand und Fuß. Schließlich wird er von Bauern, deren Rache seine Unthaten herausgefordert haben, erhängt. So die Erzählung vom Meyer Helmbrecht, das düstere Gegenstück zu Neidharts freundlichen Bildern!

(Schluß folgt.)


- Von ärztlicher Seite wird dem "Wiener Frdbl." mitgetheilt, daß Graf Hartenau schon seit vielen Jahren ein Geschwür im Zwölffingerdarm hatte, welches schon einmal durchgebrochen war, dann aber wieder vernarbte. Bei dem neuerlichen Durchbruch traten die Erscheinungen so heftig auf, daß Graf Hartenau schon wenige Stunden nach seiner Erkrankung so verfallen war, daß die Aerzte es nicht wagen wollten, eine Operation durchzuführen. Der Krankheitsverlauf war, wie erwähnt, ein so rascher, wie kaum bei irgend einer anderen Krankheit, und 24 Stunden nach dem Auftreten der Krankheit verfiel der Patient in Delirien. Er sprach in seinen Fieberphantasien immer von Feldzügen und Schlachten, stieß Commandorufe aus und rief zu wiederholten Malen aus: "Lieber sterben, als eine Schlacht verlieren!" Graf Hartenau hatte in der letzten Zeit vielen Schnitzeljagden beigewohnt, die er in Graz eingeführt, und die Aerzte glauben, daß diese scharfen Jagdritte den inneren Prozeß beschleunigt haben. Vor einigen Tagen fand ein Jägerfrühstück statt, an welchem auch der Unternehmer der Leichenbestattungs=Gesellschaft in Graz, Schreier, theilnahm. Während des Frühstücks stieß Graf Hartenau mit Schreier an und sagte lachend: "Na, uns kriegen Sie noch lange nicht!"
- In dem düsteren, von weiten Forsten umgebenen Waldschloß Fürstenried, das etwa 1 1/2 Stunden von München entfernt die Residenz des unglücklichen Königs Otto von Bayern ist, hat sich soeben ein Leutnant vom Infanterie=Leibregiment erschossen.


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