No. 71
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 12. September
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 1]

- Die Rede des deutschen Kaisers in Metz, worin er betont hat, daß die Lothringer ihre Stellung im deutschen Reiche begriffen hätten und das Reichsland deutsch sein und deutsch bleiben werde, hat in Paris einen tiefen Eindruck gemacht. Man sieht darin die schlagfertige Antwort auf die Prahlerei mit dem russischen Flottenbesuch.
- Sämtliche Pariser Blätter bringen lange Telegramme der "Agence Havas" über die deutschen Kaisermanöver. Der Berichterstatter des "Matin" findet, daß in der Gesinnung der Bevölkerung der Reichslande ein großer Wandel zu Gunsten Deutschlands vorgegangen ist; Lothringen habe bereits zu lange auf die Befreiung durch Frankreich gewartet. Die Kinder der im Jahre 1870 wieder zu Deutschland geschlagenen Bevölkerung seien bereits "Ralliierte" (Versöhnte). Emile Berr konstatiert im "Figaro" ebenfalls die Fortschritte der Germanisierung als Folge der tagtäglichen Lebensgewohnheiten. Das "Journal" findet, daß Deutschland über die Verjüngung seines Offizierkorps den Vorsprung vor Frankreich erlangt habe, einen Vorsprung, der mit Hilfe einiger Millionen schleunigst beseitigt werden müsse. Das "Journal des Débats" bringt in einem Leitartikel nochmals in heftiger Form Angriffe gegen die Teilnahme des italienischen Kronprinzen an den Kaisermanövern vor. Im übrigen sind die Blätter einig darüber, daß Kaiser Wilhelm in sehr geschickter Weise die Sympathien der Bevölkerung zu erlangen trachte. Die malerische Anordnung des Einzugs, der Paraden u. s. w. hat auch in Paris einen bedeutenden Eindruck gemacht.
- Auch in Oesterreich schenkt man den Vorgängen in Lothringen große Aufmerksamkeit. Das offiziöse "Fremdenblatt" konstatiert mit Genugthuung, daß die Kundgebungen der Bevölkerung bei dem Kaiserbesuch in den Reichslanden einen stetigen Fortschritt der Germanisierung beweisen. Diese Thatsache müsse in Frankreich gewürdigt werden. Die Franzosen müßten erkennen, daß der Frankfurter Friede dauernd die Grundlage der Ordnung Europas bilde, und daß sie auch von Italien nichts mehr zu hoffen haben. Werde dadurch ihre Empfindlichkeit berührt, so könnten ihnen gehässige, gereizte Kundgebungen doch keinen Nutzen bringen.
- Die Kaisermanöver in Lothringen sind am Freitag zum Abschluß gelangt. Während der Kaiser Wilhelm am Donnerstag mit wechselndem Glück das Kommando über das 16. Armeekorps geführt hatte, befehligte er am Freitag das 8. (rheinische) Korps, welches in energischen Vorstößen und in brillanten Gefechten den Gegner nach Metz zurückwarf. Damit erreichten die Uebungen ihren Abschluß, welche beiden Armeekorps und ihren Führern den wärmsten Dank des Kaisers eingebracht haben. Der italienische Kronprinz folgte allen Uebungen mit besonderem Interesse. Spezielle Aufmerksamkeit widmete er der rheinischen Landwehrbrigade und hielt sich längere Zeit bei derselben auf. Am Sonnabend, am Geburtstage des Großherzogs von Baden findet Parade des 15. Armeekorps in Straßburg statt, Abends eine Paradetafel in Metz. Der Großherzog von Baden war bereits am Freitag abend in Straßburg angekommen, wo demselben als Generalinspekteur der elsaß=lothringischen Truppen, eine Serenade dargebracht wurde. Der König Albert von Sachsen ist bereits nach Dresden zurückgereist.
- Der Kaiser besuchte bei seiner Anwesenheit in Koblenz auch die Schaumweinkellereien der Firma Deinhard u. Co. Er verweilte längere Zeit daselbst und sprach sich äußerst günstig über die großartige Einrichtung der Fabrik und der Kellereien aus.
- In Berliner Blättern war die Meldung verbreitet worden, daß der Plan einer Erhöhung der Biersteuer behufs Deckung der Kosten der Heeresverstärkung wieder aufgenommen sei. Diese Mittheilung, die von Haus aus starken Zweifeln begegnen mußte, wird jetzt offiziös für grundlos erklärt. Ueber die Arbeiten der in Berlin tagenden Steuerkonferenz verlautet, daß das Prinzip der Weinbesteuerung angenommen, daß sich dagegen hinsichtlich der Tabakbesteuerung die Ansichten noch wenig geklärt hätten.
- In Berlin hat die Berathung der Kommissarien der Bundesstaaten über die Steuerprojekte mit der Weinsteuer begonnen, wobei Ministerialdirektor Aschenborn den Vorsitz führte. Vertreten sind dabei Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß=Lothringen, Hamburg und Lübeck. Den Vorsitz bei der beginnenden Berathung der Tabaksteuer wird Graf Posadowsky führen. Vertreten sind dieselben Staaten außer Württemberg und Lübeck, dafür Bremen.
- In Memel ist durch den Zollkrieg mit Rußland eine vollständig unhaltbare wirthschaftliche Lage entstanden. Es finden gegenwärtig Bürgerversammlungen in Memel statt, um durch eine Petition die Hilfe des Kaisers anzurufen zur Abhilfe der Notlage.
- Wie der "Reichsanzeiger" meldet, ist durch Gouvernements=Befehl vom 5. September bestimmt worden, daß, nachdem das Auftreten der asiatischen Cholera in Berlin amtlich festgestellt worden, den nach Berlin abkommandierten Mannschaften auswärtiger Garnisonen die Cholerazulage von täglich 2 1/2 Pf. vom 3. September bis auf weiteres zu zahlen ist. Was sich der Soldat für die 2 1/2 Pf. kaufen soll, ist nicht gesagt. Zu einem Schnaps langt's jedenfalls nicht.
- Die Conferenz zur Berathung der Tabakbesteuerung ist am Mittwoch im Reichsschatzamt eröffnet worden. Wie verlautet, sind bei der Verhandlung über die Tabakfabrikatsteuer starke Gegensätze zu Tage getreten.
- Zur Verschönerung des restaurierten Doms in Schleswig hat die deutsche Kaiserin mehrere Fenster mit prächtigen Glasmalereien gestiftet.
- Das Befinden des Fürsten Bismarck hat sich in den letzten Tagen freilich gebessert, ist jedoch nach süddeutschen Blättern noch kein solches, daß der Fürst die Rückreise nach seiner Besitzung antreten konnte.

[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 2]

- Wie der Frankf. Ztg. aus Kopenhagen gemeldet wird, soll die Verlobung des russischen Thronfolgers mit der Prinzessin Sybille von Hessen nach dem Ablauf der Hoftrauer in Fredensborg verkündet werden. Die Prinzessin Sybille ist eine Tochter des am 14. Oktober 1884 verstorbenen Landgrafen Friedrich von Hessen und der in Frankfurt lebenden Landgräfin Anna, geborenen Prinzeß von Preußen. Die Prinzessin Sybille ist am 3. Juni 1877 zu Schloß Panker in Holstein geboren. Der älteste Bruder derselben, Prinz Alexander, residirt in Philippsruhe bei Hanau.
- Die wirthschaftlichen Zustände Rußlands können nicht besser illustrirt werden, als durch folgende Zeitungsnotiz: Die russische Adels=Agrar=Bank bietet neuerdings 1222 Güter zum Verkauf aus.
- Bei den Franzosen sind alle Gedanken nur noch auf einen Punkt gerichtet: auf das bevorstehende Flottenfest. Alles wetteifert, die Feier so geräuschvoll und glänzend wie möglich zu gestalten. Der Militärattache des Präsidenten Carnot ist bereits nach Toulon gereist, um mit den See= und Militärbehörden Vorkehrungen für den Empfang zu treffen. Die Marinepräfektur hat beschlossen, der Flotte des aktive Mittelmeergeschwader entgegenzuschicken, um sie einzuholen. Der Marineminister und der Marinestab schiffen sich auf dem "Formidable" ein. Präsident Carnot begiebt sich am Tage nach der Ankunft der Russen nach Toulon. Der Generalrat des Vardepartements hat einen Credit von 300 000 Franks für den Empfang beschlossen; der Gemeinderat von Toulon, der in seiner Mehrheit aus Sozialisten besteht, hat für den gleichen Zweck 200 000 Franks bewilligt. Unsere Sozialdemokraten können, wenn sie wollten, daraus ersehen, daß ihre französischen "Genossen" eine ganz andere Sprache führen, je nachdem sie sich in Frankreich befinden, oder im Ausland auf internationalen Versammlungen.
- Der Tschako wird aus der französischen Armee verschwinden und dem leichten Käppi Platz machen. Der Kriegsminister hat beschlossen, daß die Infanterietruppen ihre Tschakos in die Zentralmagazine abzuliefern haben und von nun ab das halbsteife Käppi in Gebrauch nehmen, das in den Garnisonen der Provinz bereits theilweise gebräuchlich ist. Die Genietruppen, die Artillerie, die Lazaretgehilfen und die Militärhandwerker behalten den Tschako als Paradekopfbedeckung.
- Der Dichter Björnstjerne Björnson, der sich, durchaus nicht zur Erhöhung seines Ruhmes, neben der Poesie auch noch mit der Politik und der Sozialwissenschaft beschäftigt, hat ein neues Schreckmittel erfunden, um Schweden gegen die Forderungen Norwegens nachgiebig zu stimmen. Er droht den Schweden mit der Ausrufung der Republik in Norwegen, und zwar unter englischer Schutzherrschaft. Ernsthaft ist diese Drohung natürlich nicht zu nehmen, aber sie ist bezeichnend für die Trennung des norwegischen Radikalismus, dem der Dichter Björnstjerne Björnson huldigt.
- Die Schwedische Kirche und die Universität Upsala haben am Dienstag das 300jährige Reformations=Jubiläum (den Gedenktag der Versammlung von Upsala) festlich begangen. Der König nebst seinen drei Söhnen, der Großherzog von Sachsen=Weimar, Prinz Friedriche Leopold von Preußen und der Kronprinz von Dänemark trafen um 10 Uhr vormittags in Upsala zur Feier ein. Aus ganz Schweden war daselbst eine große Zahl von Personen zusammen gekommen. Ein aus den Ministern, den Professoren und Studenten der Universität, Geistlichen, Beamten und Reichstagsabgeordneten bestehender Zug begab sich um 11 1/2 Uhr in die Kathedrale, woselbst der Erzbischof die Predigt hielt. Am Mittwoch haben die Universitäts=Festlichkeiten ihren Fortgang genommen.
- Die Wahrscheinlichkeit, daß unser berühmter Landsmann Emin Pascha in Afrika ein gewaltsames Ende gefunden, wird leider immer größer. Der soeben aus Udjidje am Tanganjika=See nach London zurückgekehrte Missionar Swann hat einem Berichterstatter des Reuterschen Bureaus eine ausführliche Schilderung der Ermordung Emin Pascha's durch den arabischen Sklavenhändler Seyd ben Abed, die außer allem Zweifel stehe, gemacht. In Udjidje sei ein Schreiben eingetroffen mit der Anfrage, was mit Emin's Sachen geschehen solle. Ein Araber habe seine ausführliche Beschreibung der Reiseroute Emin Paschas und von dessen Verfolgung durch Araber gegeben. Als Emin bei dem Häuptling Seyd ben Abed eingetroffen, sei ein Araber an ihn herangetreten mit den Worten: "Ihr seid Emin, der einen Araber am Victoria=Nyanza tötete!" und habe ihn mit einem großen Messer den Kopf abgeschlagen. Hierauf seien auch 60 nubische Begleiter Emins getötet und die Leichname verzehrt worden. Bedenklich lautet, wie die "National=Zeitung" bemerkt, der Satz des Telegramms, nach welchem angefragt worden wäre, was mit Emins Sachen geschehen solle. Von wem dieses Schreiben ausging, werde nicht gesagt und darauf komme alles an. Arabische Sklavenjäger pflegen die an ihren Opfern gemachte Beute nicht für die gesetzmäßigen Erben derselben aufzuheben, geschweige denn bei den zuständigen Behörden oder Persönlichkeiten anzufragen, an welche Adresse sie geschickt werden sollen.
- Die Zahl der für das Initiativbegehren, daß das "Recht auf Arbeit" ausdrücklich in die Schweizer Bundesverfassung aufgenommen werden soll, abgegebenen Stimmen beläuft sich nach einer Meldung aus Bern jetzt auf 52 427. Verfassungsmäßig sind 50 000 Stimmen erforderlich. Die Frage wird also zur Volksabstimmung gelangen.
- Zur Sache der beiden in Kiel verhaften französischen Spione wird dem "Hannöver. Cour." aus Wilhelmshaven geschrieben:
Wenn man aus den bei der Verhaftung gemachten Funden den Schluß zog, daß alle Aufzeichnungen in die Hände der Polizei gefallen seien, so ist man hier anderer Ansicht. Hier befand sich an Bord der Yacht, wie in Begleitung des älteren Spiones eine vornehm gekleidete Dame in gesetzten Jahren, die französisch mit ihrem Begleiter sprach. Da sich die Dame in Kiel nicht mehr an Bord befand, so ist man der Ansicht, daß sie mit den wichtigsten Aufzeichnungen über die hiesigen Anlagen bereits nach Frankreich abgereist war, als die Verhaftung erfolgte. Dubois hält man hier allgemein für einen höheren Marineoffizier.
Es ist dies wohl der erste Fall, in welchem das neue Reichsgesetz über den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juli d. J. zur Anwendung gelangen wird. Nach diesem Gesetz wird ein jeder, welcher sich vorsätzlich den Besitz oder die Kenntnis von Gegenständen, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, in der Absicht verschafft, davon zu einer die Sicherheit des Deutschen Reiches gefährdenden Mitteilung an andere Gebrauch zu machen, mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft, neben welchem noch auf Geldstrafe bis zu 10 000 Mk. erkannt werden kann. Zur Untersuchung und Aburteilung dieser Sache ist nach § 12 jenes Gesetzes das Reichsgericht zuständig, und es wird wohl auch in Verfolg der Untersuchung gelingen, die Persönlichkeit der beiden Verhafteten, die jedenfalls der französischen Armee angehören, festzustellen. Der Reichsanwalt Treplin ist am Dienstag in Kiel eingetroffen und hat die Spione verhört.
- Wo kommt das Geld der sozialistischen Arbeiter hin? Das in Fürth bei Nürnberg erscheinende "Fränkische Arbeiterblatt" beantwortet die Frage, wo die 10 Millionen M., die von 2 Millionen deutscher Arbeiter für die Sozialdemokratie jährlich beigesteuert werden, hinkommen, folgendermaßen:
Gehalt für 50 der oberen Führer à jährlich 10 000 M. = 500 000 M.
Desgl. für 300 solcher zweiter Güte à 6000 M. = 1 500 000 M.
Desgl. für 500 solcher, die zu Wanderpredigern und Reichstagsabgeordneten ausgebildet werden sollen à 3000 M. = 1 500 000 M.
Diäten an Reichstagsabgeordnete 120 000 M.
350 Wahlbezirke jährlich zu bearbeiten à 10 000 M. = 3 500 000 M.
Insgemein zur Gründung von Zeitungen, Zuschuß zu Büchern, Broschüren, Flugblättern, Streiks 1 880 000 M.
                                                    Summa 9 000 000 M.
Von der verbleibenden Million Mark würden

[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 3]

jedenfalls noch Scharen von Arbeitern bezahlt, die sich zwar Arbeiter nennen, die aber nichts anderes seien, als "Partei=Bummler". Das Blatt behauptet, seine Angaben seien wahr!
- Der Dampfer "Marie Woermann", welcher am 20. Juli von Hamburg mit einer größeren Anzahl Ansiedlerfamilien und einer 120 Mann betragenden Verstärkung der Schutztruppe nach Deutsch=Südwestafrika abgegangen war, hat sein Ziel nach etwa vierwöchentlicher Fahrt glücklich erreicht. Laut eingelaufener telegraphischer Nachricht ist der Dampfer auf der Heimreise am 2. September in Loanda eingetroffen. Dieser Hafen ist von Walfischbai etwa 1300 Seemeilen entfernt.
- Eine aus einem Kürbis gemachte Violine befindet sich zur Zeit in San Franzisko. Dieselbe ist 39 Jahre alt. Die Töne, die sie ausgiebt, sind sanft. Die Geige hat die gewöhnlichen Schlüssel und Darmseiten. Je älter die Violine wird, desto besser soll sie klingen.


Anzeigen.

In Zwangsversteigerungssachen betreffend die zu Ziethen belegene seither dem Großkäthner H. Lange gehörigen Halbstelle sub Nr. VII nebst Zubehör ist zur Erklärung über den Theilungsplan, sowie zur Vornahme der Vertheilung der Masse Termin auf

Donnerstag, den 28. September 1893,
Vormittags 11 1/4 Uhr

bestimmt, zu welchem die Betheiligten mit dem Hinweis darauf geladen werden, daß gegen einen Gläubiger, welcher in dem Termin nicht erschienen ist, angenommen wird, daß er mit der Ausführung des Planes einverstanden ist. Der Theilungsplan wird acht Tage vor dem Termine auf der Gerichtsschreiberei I zur Einsicht der Betheiligten niedergelegt werden.
Schönberg den 4. September 1893.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
                                                    H. Diederich.


Bekanntmachung.

Zur Bestreitung der Verwaltungskosten, Unterhaltung der Spritzen und Deckung der Brandschäden ist für das laufende Jahr ein Beitrag von Cl. Ia 15 Pf., Cl. Ib 18 Pf., Cl. II 24 Pf., Cl. III 30 Pf. für 100 M. der Versicherungssumme erforderlich.
Der Zahltag wird den einzelnen Ortschaften noch besonders bekannt gemacht.
Schönberg, den 1. September 1893.

Direktion der Feuer=Versicherungs=Gesellschaft
für das Fürstenthum Ratzeburg.
C. J. W. Burmeister.


Wegzugshalber verkaufe ich am 16. September Morgens 9 Uhr in meiner Wohnung, Schlauentrifft 22, meine Sachen meistbietend gegen baare Bezahlung, als:

Schränke, Kommoden, Tische, Stühle, Bettstellen, Kessel, Töpfe, Grapen, ein fast neuer eiserner Ofen mit Röhren, zum Kochen eingerichtet, ein Hausirkasten, Buchen= und Tannenholz, Axt u. Säge, Schiebkarren und was sich sonst vorfindet.

                                                    Woisin.


Zu Ostern                          
eine Wohnung

von 2 bis 3 Stuben, Küche, Keller, Stall und Bodenraum zu vermiethen.

                                                    J. Voss, Tuchmachermeister.


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der Parfümerie Iduna Hamburg.

ist eine bestens zu empfehlende Toiletten-Seife; erzeugt sammetweiche Haut, besitzt den höchsten Lanolin-Gehalt und ist daher ein vorzügliches Cosmeticum.

à Stück 50 Pfg. zu haben bei:
W. Maack  Schönberg.


ff. Kochwein
empfiehlt                                                    J. A. Siebenmark.


Bestes Maschinenöl
1 Pfd. 25 Pf. empfiehlt                                                    
                                                    H. Brüchmann.


Obst
kann gedörrt werden                          
                                                    Flachsfabrik Schönberg.


Jeden Sonntag
frisches Kaffeebrot
à Stück 3 Pf. empfiehlt                                                    
                                                    L. Jähnig, Conditor.


Offerire ergebenst                          
Shiriff squar head Saatweizen
                                                    J. H. Freitag.


Rottweil-Jagdpatronen,
Schrot, Hülsen, Pfropfen
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mit größter Durchschlagskraft zu 7 Pfennigen das Stück,
Hülsen mit rauchlosem Pulver
empfiehlt                                                    C. Schwedt.


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                 Stettiner Portland Cement,
                 Gebrannten Kalk,
                 Gebrannten Gyps,
                 Dachpappe und Leisten,
                 Steinkohlentheer,
                 Steinernen Trögen
bei                                                    F. Heitmann.


Kuh- und Halfterketten
empfiehlt                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Böhmische Stückbraunkohlen,
Harbcker u. Marie=Briketts,
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empfiehlt                                                    F. Heitmann.


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sowie vollständige Kücheneinrichtungen empfiehlt zu sehr billigen Preisen

J. Ludw. D. Petersen.


Düngerkalk, Chili-Salpeter,
Knochenmehl und sonstige Düngermittel empfiehlt
                                                    F. Heitmann.


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verkaufe als Gelegenheitskauf zu Fabrikpreisen prima 2, 3 und 4 zink. Forken.

J. Ludw. D. Petersen.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 4]
Am 20. und 21. October 1893.
Grosse
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1 000
500
300
200
100
50
20
10
5
45 000 M.
23 500 M.
9 000 M.
9 000 M.
10 800 M.
10 300 M.
9 000 M.
9 000 M.
9 000 M.
13 500 M.
18 000 M.
18 000 M.
13 500 M.
9 000 M.
9 000 M.
18 000 M.
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Special-Etablissement französischer Corsetts.

Das Lager ist mit allen Neuheiten der Saison vollständig ausgestattet. Von den einfachsten bis zu den elegantesten Sorten in den Weiten von 44 bis 100 ctm.

J. M. Pegel
Lübeck.           Breitestrasse 56.           Lübeck.


Staßfurter Kainit
empfiehlt billigstens                                                    
                                                    Aug. Spehr.


  Braunkohlenbriketts  
ab Bahnhof zu den billigsten Preisen empfiehlt
                                                    Aug. Spehr.


Theater in Schönberg.
Im Saale des Herrn Boye.
Mittwoch, den 13. Septbr. Zum Benefiz für Frau
Hermine Lodtmann.
Marie,
die Tochter des Regiments.
Operette in 2 Abtheilungen und 4 Acten von Blum.
Musik von Adolf Müller.

Zu dieser meiner Benefiz=Vorstellung beehre ich mich, das geehrte Publikum von Schönberg und Umgegend ganz ergebenst einzuladen.

Hochachtungsvoll                          
                                                    Hermine Lodtmann.


St. Marienkirche, Lübeck.
7. Orgelkonzert.
Mittwoch den 13. d. M. 5 Uhr
7. Jahrgang. 1893.

1. J. S. Bach, Prälud. und Fuge in cmoll.
2. J. Rheinberger, Cantilene.
3. J. Mendelsohn, Finale der B-dur Sonate.
4. a. Motette von E. J. Richter.
    b. Choral von Bach.
         (Vorgetragen von der Vereinigung f. kirchl. Chorgesang.)
5. N. J. Lemmens, Variationen.
6. J. W. Markull, Postludium in dmoll.


Zu dem am 24. und 25. Sept. bei mir stattfindenden
Scheibenschießen
nach guten Gewinnen lade ich hierdurch ergebenst ein.
                                                    C. Fahrenkrug.
Am Montag Ball.


Gartenbauverein.
Obstschau

Sonntag, den 17. September von 4-7 Uhr in Kösters Saal.

Zutritt frei für alle.
Ausgestellt wird nur von Vereins=Mitgliedern.
Programm:

     I. Tafeläpfel: a. Herbst, b. Vorwinter, c. Nachwinter, d. Frühling.
    II. Tafelbirnen : a. Herbst, b. Vorwinter, c. Nachwinter. III. Wirthschaftsäpfel: a. Vorwinter, b. Nachwinter, c. Frühling.
   IV. Wirthschaftsbirnen: a. Herbst, b. Winter.
    V. Spätblüher a. Aepfel. b. Birnen.
   VI. Empfindlich in der Blüte. a. Aepfel. b. Birnen.
  VII. Sortenausstellung. a. Aepfel. b. Birnen.
VIII. Obst von Zwergbäumen. a. Aepfel. b. Birnen.
   IX. Anderes Kernobst.
    X. Steinobst.
   XI. Obstprodukte und Maschinen.
Hervorragende Sorten bittet man 1 oder 2 mal zu unterstreichen und Begründung beizufügen.

                                                    Der Vorstand.


Zu Hof Selmsdorf sind am 2. ds. Mts. 5 Kälber zugelaufen und wird um baldige Abholung gegen Erstattung der Unkosten gebeten.


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 54-55 M., große Schweine 54-57 M., Sauen 40-46 M., Kälber 67-73 M. per 100 Pfund.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends
11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1 Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nchm. 5,40 Nachm.
8,54 Abends.


Marktpreise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 71 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 12. September 1893.


- Neustrelitz. Nach hier eingetroffenen Nachrichten hat Se. K. H. der Großherzog am 5. d, Mts. Homburg v. d. H. nach beendeter Kur verlassen und sich zur Nachkur nach dem Seebade Ostende begeben.
- Neustrelitz I. K. H. die Erbgroßherzogin, die mit höchstIhrem Gemahl gegenwärtig in St. Moritz in der Schweiz weilt, beging am 7. d. ihren Geburtstag. Die Bewohner des Großherzogthums gedachten des Tages in Ehrerbietung und Liebe der hohen Frau, zugleich mit dem Wunsche für deren ferneres Wohlergehen. Zur Feier des Geburtstages der Erbgroßherzogin war eine Anzahl Häuser mit Fahnenschmuck versehen. Auf dem Marktplatze wurden die üblichen Salutschüsse aus den Böllern der Schützenzunft abgefeuert. Der hiesige Beamtenverein hat mit verschiedenen Gewerbetreibenden hiesiger Stadt (Schlachtern, Kaufleuten, Bäckern, Butterhändlern etc.) dahin Vereinbarungen getroffen, daß den Mitgliedern des Vereins bei ihren Baarzahlungen für entnommene Waaren ein entsprechender Rabatt gewährt wird. Der Verein ist noch jung; ihm gehören im Verhältniß zur Zahl der hiesigen Beamten gegenwärtig nur noch wenige Mitglieder an.
- Theater. Wie aus dem Annoncentheil ersichtlich, findet am Mittwoch den 13. d. M. das Benefiz der Soubrette Frau Hermine Lodtmann statt. Die Dame hat zu ihrem Vortheils=Abend die reizende Operette "Marie, die Tochter des Regiments" gewählt. Die beliebte Künstlerin hat uns durch ihr vortreffliches Spiel und ihren sprudelnden Humor so manche frohe Stunde bereitet. Wir sind überzeugt, daß es nur dieses Hinweises bedarf, um der liebenswürdigen Künstlerin an ihrem Ehren=Abend ein volles Haus zu sichern.
- Schönberg. Wie oft kommt es vor, daß jemand einen Obstbaum pflanzt, ihn 15 Jahre und länger im Garten pflegt und nie eine gute Ernte von ihm erhält und erhalten kann, weil er eben eine verkehrte Sorte gewählt hat. Wie leicht ist es doch, die richtige Sorte zu finden; man braucht nur im Herbst die Augen aufzuthun; die herrlichste Musterkarte von dankbaren Bäumen liegt vor uns. - Um nun die empfehlenswerthen Sorten herauszufinden und jedem zum richtigen Baum verhelfen zu können, hat der Gartenbauverein eine Obstbaumstatistik zunächst für Apfelbäume ins Werk gesetzt. Er wünscht, daß jeder einzelne Apfelbaum, ob alt oder jung, ob gut oder schlecht, bekannter oder unbekannter Sorte, aufgeschrieben werde. Auf jedem Fragebogen ist Platz für 27 Bäume, auf den 800 für mehr als 20 000. Bei ihrer Aufstellung ist auf möglichste Einfachheit Rücksicht genommen. Möge kein Baumbesitzer es unterlassen, den ihm zugehenden Bogen jetzt, wo das Obst noch auf den Bäumen ist, auszufüllen und dem Gartenbauverein zuzusenden. Möge vor allem keiner der ausgesandten Bögen liegen bleiben, lieber sende man ihn sofort zurück. Ist aber irgendwo ein Gartenfreund, der den Verein in diesem Unternehmen unterstützen will, der wird gebeten, dies dem Verein auf einer Postkarte mitzutheilen.
- Schönberg. Bei dem Ueberfluß an Obst und den geringen Preisen ist es Zeit, sich auf längere Zeit mit Dörrobst zu versehen, damit man in späteren Jahren bei guten Obstpreisen desto mehr verkaufen kann. Schönberg und seiner Umgebung ist eine sehr günstige Gelegenheit geboten, Obst in jeder Menge bequem zu trocknen. Auf der Flachsfabrik befinden sich 12 Dörrkammern von je 2 m Breite, 6m Länge und 1,90 m Höhe, in welchen allein auf dem Boden je 3 bis 5 Ctr, also im Ganzen etwa 50 Ctr. gleichzeitig getrocknet werden können. Hier gedörrtes Obst, welches in einer Versammlung des Gartenbauvereins vorgezeigt wurde, hatte schöne weiße Farbe, und wurde allgemein als sehr gut getrocknet und auf viele Jahre haltbar anerkannt. Ein Verbrennen ist überhaupt vollständig unmöglich. Einstweilen fehlen noch die Horden, es muß daher eine Sendung ein paar Tage vorher angemeldet werden, damit die nötigen Horden noch angefertigt werden können. Hoffentlich lassen unsere Hausfrauen diese günstige Gelegenheit, sich mit gutem Dörrobst zu versehen, nicht unbenutzt vorüber gehen.
- Der größte Soldat der deutschen Armee, den kennen zu lernen einige Ludwigsluster am Mittwoch Gelegenheit hatten, ist zur Zeit der Unteroffizier der Reserve Prätschkau von der Leibkompagnie des 1. Garde=Regiments zu Fuß. Derselbe war zum Besuch einer ihm befreundeten Familie aus dem Manöver bei Priegniß nach Ludwigslust gekommen. Der sehr stattliche Unteroffizier hat die Größe von 2 m 7 cm. In demselben Regimente dient auch ein Hauptmann von Plüskow, ein Mecklenburger. Derselbe ist 2 m 6 cm groß. Seit dem Jahre 1850 hat es keinen größeren Soldaten in der deutschen Armee gegeben.
- Der im Frühjahr in Grevesmühlen ausgebrochene Streik der Maurer und Zimmerer ist jetzt beigelegt.
- In Friedland producirte sich am Montag ein Riese. Er soll erst 18 Jahre alt sein und 2,60 Meter an Körperlänge messen. Während des Sedantages war er auf dem Festplatze in Neustrelitz zu schauen. Paul Grebbin, so heißt er, ist in Petersburg geboren und in Mecklenburg erzogen. Er besaß bereits im 11. Lebensjahre die normale Körperlänge eines Menschen. Als er 16 Jahre alt war, maß er Schon 2,18 Meter.
- Bei dem Manöver bei Woldegk kamen zwei schwere Unglücksfälle vor. Ein Reservist bei der Artillerie fiel vom Geschütz, wurde übergefahren und blieb auf der Stelle todt. Ein anderer wurde vom Hitzschlag betroffen und starb ebenfalls. Die Verunglückten sind Familienväter.
- Für die Dauer der Herbst=Uebungen der 17. Division sind Manöver=Proviantämter errichtet in Neubrandenburg, Stargard, Friedland, Schönbeck und Woldegk. Der Bedarf an Brod wird bei dem Manöver=Proviantamt Neubrandenburg in einer Feldbäckerei mit Payerschen Feldbacköfen gebacken, das Fleisch wird in lebenden Häuptern angekauft und in Feldschlächtereien geschlachtet.
- Für die Einstellung der Rekruten sind nunmehr die Tage endgiltig dahin bestimmt worden, daß die Einstellung der Mannschaften bei der Linien=Infanterie am 14. Oktober, bei der Kavallerie am 5. Oktober und für das Winterhalbjahr des Trains am 2. November erfolgt. Bei der Garde werden die Rekruten bei der Infanterie am 17. Oktober, bei der Kavallerie am 4. Oktober und beim Train am 2. November eingestellt. Bei der Linie erfolgt auch die Einstellung der Rekruten für Jäger, 14. Oktober. Die Oekonomie=Handwerker=Rekruten treten am 2. Oktober ein.
- Der am Dienstag Abend auf Schloß Fredensborg nach einer Operation verstorbene ältere Bruder des Königs Christian von Dänemark, Prinz Wilhelm von Holstein=Glücksburg=Sonderburg, war am 10. April 1816 geboren. Prinz Wilhelm war im September 1835 als Rittmeister eines Husarenregiments in die österreichische Armee eingetreten. Im Hauptquartier von Radetzky machte er den italienischen Feldzug von 1848 mit und befehligte im Feldzug von 1859 eine Brigade=Kavallerie. Am 15. August 1862 wurde Prinz Wilhelm zum Feldmarschall=Lieutenant und Commandanten der Kavallerie=Division in Galizien und am 20. April 1879 zum General der Kavallerie ernannt. Durch das Londoner Protokoll von 1852 wurde sein jüngerer Bruder Christian zur Nachfolge auf dem Thron Dänemarks bestimmt.
- Ein Unglücksfall ereignete sich Mittwoch nachmittag beim Aufstellen des Glockenstuhles in einem der neuerbauten Domthürme zu Bremen.

[ => Original lesen: 1893 Nr. 71 Seite 6]

Der erst seit fünf Wochen verheirathete Arbeiter Bode ergriff beim Aufwinden von Steinen ein verkehrtes Tau und stürzte im inneren Thurm aus der Höhe von über 500 Fuß in die Tiefe. Der Unglückliche fiel auf einen am Boden liegenden Steinhaufen und erhielt so schwere Verletzungen, daß er nach wenigen Minuten verschied. Es ist dies der erste Unglücksfall beim Bau der Domthürme, der bekanntlich vor etwa vier Jahren begonnen wurde und jetzt bis auf die Anbringung der Glocken vollendet ist.
- Auf dem Schuckertschen Etablissement in Nürnberg wurde in der Mittwoch=Nacht der verheirathete Monteur Koch infolge unvorsichtigen Manipulierens von dem elektrischen Strom getötet.
- In Mannheim ist man einer Diebesbande, die seit Jahren von den Schiffsladungen Getreide gestohlen hat, auf die Spur gekommen. Der Lagerhausverwalter, der offenbar die Seele der Diebesgesellschaft gewesen ist, ist verhaftet worden.
- Drei indische "Okulisten", welche seit einiger Zeit in London ihr Unwesen trieben, sind, wie von dort berichtet, endlich der Polizei in die Hände gefallen. Unglaublich fast klingt, was vor Gericht zu Tage gefördert wurde. So wurde einem dreijährigen Kinde eine Nähnadel durch das Auge gestochen und der angehängte Baumwollfaden zur Hälfte nachgezogen. Darauf bearbeitete der Okulist das Auge mit einem Federmesser so grausam, bis das Kind blind war. Die Kur brachte 16 Lstrl. (320 Mark) ein.
- Die 25 000 Pfund Sterling (500 000 M.), die dem Herzog von Edinburg, dem neuen Herzog von Coburg=Gotha, vor ungefähr 20 Jahren als Apanage vom englischen Parlament bewilligt worden sind, sollen Londoner Nachrichten zufolge in der nächsten Parlamentssession zum Gegenstand der Erörterung gemacht und womöglich dem Herzog entzogen werden. Ferner wird der Herzog voraussichtlich seine Residenz "Clarence Hause" in London aufzugeben haben und auf sein Gehalt als Offizier der britischen Flotte verzichten müssen. Er wird wahrscheinlich zum Flottenadmiral gemacht werden, mit welcher Würde kein Gehalt verbunden ist.
- Die Frankfurter Zeitung schreibt aus Berlin: In die bildschöne Tochter einer im Südosten der Stadt wohnenden Wittwe verliebte sich ein stattlicher junger Mann und der Standesbeamte buchte dann auch bald die Eheschließung des jungen Paares. Die Schwiegermutter, die nicht unvermögend war, bewilligte jeden Wunsch ihrer Kinder und Freude und Zufriedenheit walteten in dem Hause der Neuvermählten. Mehr und mehr überschüttete die Mutter ihren Eidam mit Wohlthaten und die junge Gattin bemerkte bald, das die ihrem Manne gezollten Aufmerksamkeiten eine tiefe Herzensneigung bargen. Als eines Morgens die Frau nach ihrem Manne rief, war dieser verschwunden und mit ihm seine Schwiegermutter. Das Paar flüchtete nach Amerika und lebte dort in Saus und Braus. Eines Tages aber da hatte auch der Schwiegersohn die Wittwe verlassen und ihr ganzes Vermögen mitgenommen. Aller Mittel entblößt, kam die leichtsinnige Frau nach Berlin zurück, um dort von ihrer Tochter Verzeihung zu erflehen. Das Ende vom Liede dürften die nachstehenden Worte im Polizei=Anzeiger kurz erzählen: "Vor einigen Tagen sprang eine unbekannte Frau in selbstmörderischer Absicht in den Landwehrkanal. Noch lebend ans Land gezogen, starb sie kurz nach ihrer Einlieferung im Krankenhause." Es war die Schwiegermutter.
- Die der Stadt Metz vom Kaiser geschenkte goldene Bürgermeisterkette ist ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst. Sie ist nach einem Entwurf von Professor Seder in Straßburg in der Werkstätte von Ph. Heiden in München gefertigt. Die gotische Kette zeigt vorn als Hauptstück einen reichen Baldachin mit der Kaiserkrone und dem Reichsadler. An einer Art von Tabernakel ist hier eine Gemme mit dem Bildniß Kaiser Wilhelms II. angebracht. An diesem Theil hängt an verschiedenen Kettchen ein originelles Kleinod, darstellend die nie besiegte Jungfrau von Metz mit Schwert und Stadtwappen in reichem Lorbeergerank. Das niedliche Figürchen ist bunt emaillirt. Ein Spruchband trägt die Inschrift "Sie ist in guten Händen". Die rückwärtige Schließe der Kette ist durch das Wappen von Lothringen gebildet. Die Kette selbst zeigt ein originelles Muster von goldenen Gliedern, Diamanten und emaillierten Blumen und ist reich mit Steinen besetzt.
- Die studierenden amerikanischen Damen scheinen ihren männlichen Kommilitonen in den Wissenschaften weit voraus zu sein. Bei den letzten Preisbewerbungen an den amerikanischen Hochschulen haben sich die Mädchen besonders ausgezeichnet und glänzende Erfolge erzielt. An der Universität zu Chicago wurde Fräulein Cora zur "Prima" in der Geschichte proklamirt und Fräulein Alice Edwards Gratt zur "Prima" im Englischen. An der Hochschule in Michigan eroberte eine Dame, Fräulein Elisabeth Cooke, den preis in der Philosophie. An der Universität Western Reserve erhielt Fräulein Susanna Cutler den Preis in der Litteratur. Antonie Ely hat an der Hochschule zu Cincinnati den 1. Preis im Lateinischen erhalten; an der Universität zu Minnesota sind die Preise in den national=ökonomischen Wissenschaften gleichfalls 2 Mädchen zugesprochen worden. An der Universität zu Syracuse (im Staate New=York) trug Fräulein Cornelia Clapp den Preis in der Biologie davon. Die Hochschule zu Wisconsin endlich hat dem Fräulein Mary Winston den Doktorgrad in der Mathematik verliehen.
- Oesterreichisch=ungarische Ernteaussichten. Die österreichische Ernte wird nach den letzten Feststellungen für Roggen als gut bis gutmittel, im Süden der Monarchie als schwachmittel, ähnlich für Weizen und Gerste bezeichnet, nur im Nordosten Böhmens ist die Gerstenernte sehr schlecht. Hafer verspricht eine Mittelernte. Der Stand des Hopfens ist mit Ausnahme der Saazer Gegend ungünstig. Die Klee= und Heuernte war in den Alpenländern schlecht. - Die Ernte in Ungarn ist durchschnittlich eine Mittelernte; quantitativ fast gleich der im vergangenen Jahre, qualitativ dagegen besser. Die Weizenernte wird in Ungarn und Croatien auf 50 Millionen, die Roggenernte auf 17 1/2 Millionen Hektoliter veranschlagt. Nach Deckung des eigenen Bedarfs verbleibt ein Ueberschuß an Weizen von 16 Millionen Hektoliter, von Roggen nichts. Der Export im nächsten Wirthschaftsjahr dürfte ein ähnlicher sein wie im vergangenen Jahre.
- Die deutschen Aussteller sind, wie der Reichsanzeiger mitteilt, auf der Weltausstellung in Chicago fast auf allen Gebieten in hervorragendem andere Länder übersteigendem Maß mit Preisen bedacht worden. In den Industriegruppen einschließlich des Kunstgewerbes sind bis zu 90 Prozent der Aussteller prämiert worden. In der Abtheilung für Bildhauerkunst sind 18 Preise zuerkannt worden.
- In der landwirthschaftlichen Sektion der Weltausstellung in Amerika wurden Deutschland 21 Auszeichnungen zuerkannt, Rußland erhielt 52, Schweden 3, Dänemark 1.
- Die Witwe des Feldzeugmeisters Benedek von Oestereich vermachte der steiermärkischen Landesgallerie im Johanneum zu Graz schriftlich für ihren Todesfall ihre gesammte Bildersammlung im Werth von 60 000 Gulden. Die Galerie wird einen eigenen Benedeksaal errichten.
- Russische Zeitungen melden umfangreiche Volksunruhen in Persien, wo sich infolge des Brotmangels die Massen erhoben haben. Eine ganze Reihe von Bäckerläden sind geplündert.
- Die Bergführer konstatiren dieses Jahr allgemein einen ganz außerordentlichen Rückgang der Gletscher im Kanton Uri. Der greise Bergführer Ambros Z'graggon (68 Jahre alt), welcher erst kürzlich noch einige schwierige Bergtouren ausgeführt hat, vermag sich nicht zu erinnern, daß je die Gletscher so zurückgeschmolzen und zerklüftet waren, wie dieses Jahr.
- Börsenwitz. Die silbernen Hochzeiten sollen, wie an der Berliner Börse behauptet wird von jetzt ab schon nach einer Dauer von 12 1/2 Ehejahren gefeiert werden, da das Silber um die Hälfte entwertet sei!
- Praktisch. "Was, - du bist verheirathet und trägst einen Ehering und ich weiß nichts davon?" - "Er gehört meiner Mama, sie hat ihn mir geliehen; als Frau kann man besser handeln beim Einkaufen wie als Mädchen!"


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