No. 48
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 23. Juni
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 1]

              Am 28. ds. Mts. feiern Se. Kgl. Hoheit der Allerdurchlauchtigste Großherzog Friedrich Wilhelm und Ihre Königl. Hoheit die Frau Großherzogin Auguste, Königliche Prinzessin von Großbritannien die goldene Hochzeit. Gewohnt, an Leid und Freud' in unserem angestammten Fürstenhause Antheil zu nehmen, werden wir den Tag festlich begehen.
              Morgens vor 7 Uhr wird ein Choral die Feier einleiten. Um 8 Uhr findet Fest=Actus in sämmtlichen Schulen statt. Um 10 Uhr läuten die Glocken zum Gottesdienst, der um 10 1/4 Uhr beginnt. Nach dem Gottesdienste wird die Wismarsche Stadt=Capelle auf dem Markt concertiren. Von 12 3/4-1 Uhr wird hier wie im ganzen Lande mit allen Glocken geläutet werden. Nachmittags findet ein Festzug durch die Stadt nach dem sogen. Baubrink statt. Zeit und Ordnung werden noch näher bekannt gegeben werden. Auf dem Festplatz soll die Schuljugend belustigt werden.


              Das Impfgeschäft im Impfbezirk III (Domhof Ratzeburg) findet in diesem Jahre in nachbezeichneter Weise statt:

I. im Impfdistrikt Schlagsdorf

bestehend aus den Ortschaften

Schlagsdorf (Hof und Dorf), Campow, Hoheleuchte, Gr. Molzahn, Kl. Molzahn, Neuhof und Schlagbrügge,
im Schulhause zu Schlagsdorf
a. Impfung der im Jahre 1892 geborenen Kinder und
b. Wiederimpfung der Kinder aus den Schulen zu Schlagsdorf, Campow und Kl. Molzahn

am Montag, den 3. Juli d. Js.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr

und Revision der Schutzblattern

am Montag, den 10. Juli d. J.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr.

II. im Ziethen

bestehend aus den Ortschaften

Ziethen, Bäk, Domhof Ratzeburg, Lankow, Mechow (Hof und Dorf) Römnitz, und Wietingsbeck.
a. Impfung der im Jahre 1892 zu Domhof Ratzeburg und Römnitz geborenen Kinder und
Wiederimpfung der Kinder aus der Ortschule zu Domhof Ratzeburg
in der Wohnung des Herrn Dr. med. Arndt zu Domhof Ratzeburg

am Freitag, den 30. Juni d. Js.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr

und Revision der Schutzblattern

am Freitag, den 7. Juli d. J.
Nachmittags resp. 3 und 4 Uhr

b. Impfung der im Jahre 1892 geborenen Kinder zu Ziethen, Bäk, Lankow, Mechow (Hof und Dorf) und Wietingsbeck und
Wiederimpfung der Kinder aus den Schulen zu Ziethen, Bäk und Lankow
im Schulhause zu Ziethen

am Donnerstag, den 29. Juni d. J.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr.

[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 2]

und Revision der Schutzblattern

am Donnerstag, den 6. Juli d. Js.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr.

III. Im Impfdistrikt Mannhagen

bestehend aus den Ortschaften

Hammer, Mannhagen, Panten und Walksfelde
im Schulhause zu Mannhagen
a. Impfung der im Jahre 1892 geborenen Kinder und
b. Wiederimpfung der Kinder aus den Schulen zu Mannhagen und Walksfelde

am Sonnabend, den 1. Juli d. J.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr

und Revision der Schutzblattern

am Sonnabend, den 8. Juli d. J.
Nachmittags resp. 3 und 5 Uhr.

              Den Ortsvorständen wird hierdurch aufgegeben, für die rechtzeitige Bekanntmachung der obgedachten Termine und für die Zuführung der Impflinge durch Ansage der Eltern, Pflegeeltern und Vormünder Sorge zu tragen.
              Eltern, Pflegeeltern oder Vormünder, deren Kinder oder Pflegebefohlene ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amtlicher Aufforderung der Impfung oder der ihr folgenden Gestellung entzogen geblieben sind, werden mit Geldstrafe bis zu fünfzig Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen bestraft.
              Diejenigen Betheiligten, welche von der Impfung durch den Impfarzt keinen Gebrauch machen wollen, werden hierdurch aufgefordert, dem bestellten Impfarzte bis zum Jahresschluß den Nachweis der geschehenen Genügung der Impfpflicht zur Vermerkung in der Impfliste zu geben.
              Schönberg, den 19. Juni 1893.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


                  Auf dem Wirthschaftsgewese "zum Reuterkruge" in der Lübecker Vorstadt St.=Lorenz ist unter einem am 10. d. Mts. per Bahn in Lübeck eingetroffenen Rindviehtransporte, welcher auf dem Seewege nach Rußland weiter befördert werden sollte, die Maulseuche amtlich festgestellt.                   Schönberg, den 19. Juni 1893.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


Bekanntmachung.

                  Das diesjährige Ober=Ersatzgeschäft zur Aushebung der Militairpflichtigen des hiesigen Aushebungsbezirks findet statt

in Schönberg
im Boye'schen Gasthofe
am
Mittwoch, den 5. Juli.

                  Zu demselben haben sich diejenigen Militairpflichtigen, welche nach Ausweis ihrer Loosungsscheine eine endgültige Entscheidung über ihre Militairpflicht zu gewärtigen haben, und denen besondere Ladungen zugehen werden, Morgens präcise 9 Uhr einzufinden.
                  Es steht jedoch jedem Militairpflichtigen, der in den Grundlisten des Aushebungsbezirks verzeichnet ist, frei, im Aushebungstermin zu erscheinen und der Ober=Ersatz=Commission etwaige Anliegen vorzutragen.
                  Die bei der Musterung für diensttauglich befundenen Mannschaften gelangen zuerst zur Vorstellung.
                  Im Anschluß an das Ober=Ersatzgeschäft findet die Superrevision der Temporair=Invaliden statt.
                  Militairpflichtige, welche im Termin nicht pünktlich erscheinen, haben, insofern sie nicht dadurch eine härtere Strafe verwirkt haben, auf Grund des §. 26, 7 der Wehr=Ordnung eine Geldstrafe bis zu 30 M. oder Haft bis zu 3 Tagen zu gewärtigen, auch können denselben die Vortheile der Loosung entzogen werden. Ist diese Versäumniß in böslicher Absicht oder wiederholt erfolgt, so werden sie dem Befinden nach als unsichere Dienstpflichtige zur sofortigen Einstellung gebracht werden.
                  Die Ortsvorsteher haben für die pünktliche Gestellung der betreffenden Militairpflichtigen aus ihrer Ortschaft Sorge zu tragen.
                  Schönberg, den 20. Juni 1893.

Der Cilvilvorsitzende der Ersatz=Commission des Aushebungsbezirks für das Fürstenthum Ratzenburg.
Cl. v. Oertzen.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 3]

Anzeigen.

Der 28. d. Mts. wird hier festlich begangen werden, und sind Theilnehmer vom Lande namentlich auch bei dem Festzuge sehr willkommen. Die betreffenden Herren werden jedoch um zuvorige Anmeldung gebeten. Das Festprogramm wird demnächst veröffentlicht werden.
Kinder aus Landschulen finden besondere Berücksichtigung, sofern ihr Erscheinen bis zum 24. d. Mts. hierher angezeigt ist.
Schönberg, den 19. Juni 1893.

Cl. v. Oertzen.


Am 28. d. Mts. bleiben die Geschäftsräume der Großherzoglichen Landvogtei und des Domainenamtes geschlossen.
Schönberg, den 19. Juni 1893.

Cl. v. Oertzen.


Am 28. d. Mts. bleibt die Großherzogliche Haupt=Kasse geschlossen.
Schönberg, den 19. Juni 1893.

Großherzogl. Haupt=Kasse.
I. V.     H. Spieckermann.


Am 28. d. Mts. bleiben die Geschäftsräume des unterzeichneten Amtsgerichts geschlossen.
Schönberg, den 20. Juni 1893.

Großherzogliches Amtsgericht
G. Horn.


In Sachen betreffend die Niederlegung eines Hypothekenbuchs über die zu Herrnburg sub Nr. 52 belegene Büdnerstelle c. p. des Arbeitsmanns Johann Schulz daselbst wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protokoll sofort im Termin der Präklusiv=Abschied erlassen und verkündet ist.
Schönberg, den 17. Juni 1893.

Großherzogliches Amtsgericht
G. Horn.
                                                    A. Dufft.


Ersparniß= u. Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist während des                          
Johannistermines
vom 24. Juni bis 1. Juli d. Js.,
an den Werktagen
von 8 bis 12 Uhr Vormittags
und
am Sonntag, den 25. Juni,
von 7 bis 9 1/2 Uhr Morgens
geöffnet.                                                    
Schönberg, den 17. Juni 1893.                          
                                                    Das Directorium.


Außerordentliche
Versammlung
der Krankenkasse für Maurer pp. am                                                    
Sonntag, den 25. Juni d. Js.,
im Krügerschen Lokale nachmittags 2 Uhr.

Zwecks Theilung des übrig gebliebenen Geldes und Schluß der Krankenkasse.

Der Vorstand.

NB. Bitte, daß jedes Mitglied sein Quittungsbuch mitbringt.


Lübeck.
Lübecker Hof.
Hotel ersten Ranges,
verbunden mit
feinem Restaurant und Garten.
Biere:
Echt bürgerlich Pilsener und Nürnberger Reif.
Zimmer von 2 Mk. an.
Bäder im Hause.
Besitzer:
L. Schmeckebier.


Zum 24. October wird ein                          
ordentliches Mädchen
gesucht.
Zu erfragen in der Expedition dieses Blattes.


Ich suche zum 24. Oktober ein                          
ordentliches Mädchen.
                                                    Frau Postmeister Krüger.


Geldgesuch.

Suche noch zum bevorstehenden Johannis=Termine in Landstellen und städtische Grundstücke verschiedene Posten Geld, in Höhe von M. 600-6000 zur Hypothek oder gegen anderweitige Sicherheit.

Näheres durch                                                      J. P. Maass.
Marienstr. 46.


Ich beabsichtige die Vor= und Nachmath meiner

Wiese

in Köppenmoor auf Stamm zu verkaufen.

                                                    Johanna Creutzfeldt.


Heuforken
in großer Auswahl
und
Rappmesser
empfiehlt zu billigsten Preisen                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Von jetzt an kosten alle Sorten                          
Kohlpflanzen, Sellerie und Porre
à Schock 10 Pf.
Grünen Kohl und Runkelrüben
nur 5 Pf. a Schock.
Die verschiedensten Sorten                          
Blumenpflanzen
a Schock 50 Pf.
                                                    H. Brüchmann.


Berliner Weißbier
in Flaschen empfiehlt                                                    
                                                    Aug. Spehr.


Große Auswahl von
emaillirten Geschirren
besonders preiswürdig empfiehlt                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Braunkohlenbriketts
Marie

in harter und heizkräftiger Qualität empfehle ich in nächster Zeit vom Bahnhof zu liefern mit 7 Mark p. 1000 Stück frei vor die Thür.

                                                    Aug. Spehr.


Feinste Matjesheringe
empfiehlt                                                    
                                                    Aug. Spehr.


Einem hochgeehrten Publikum von nah und fern, welche mich während der Winterzeit besuchten, auch den hochgeehrten Damen und Herren, die mit der ihnen zur Erziehung anvertrauten Jugend im Frühling Partien zu mir machten, und endlich allen, die mich mit ihrem Besuche beehrten, damit meine neuen Anlagen unterstützten und mich mit ihrem Besuche erfreuten. Sage ich auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank.

Sülsdorf.                                                     J. Wienck, Gastwirth.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 4]

Zur Feier der goldenen Hochzeit
II. KK. HH. des Großherzogs und der Großherzogin

findet am Mittwoch, den 28. ds. Mts. nachmittags 5 1/2 Uhr in meinem Saale ein

Diner

statt, wozu ich mir erlaube, hindurch ergebenst einzuladen,

Preis à Couvert 4 Mark incl. Musik

Eine Missive circulirt nicht und erbitte Anmeldungen recht frühzeitig, spätestens bis Montag Abend.

                                                    L. Spehr.


Stählerne Schmiedesensen

aus der Sensenschmiede von Johann Lembcke in Criwitz empfiehlt unter Garantie

                                                    F. Reuter, Schleifer.


Sensen
in bester Qualität für 2,50 und 3,50 M.
für Schnitt wird garantirt widrigenfalls umgetauscht.
                                                    H. Brüchmann.


Consistentes Maschinenfett

in Blechdosen von 10 u. 20 Pfund empfiehlt zu billigsten Preisen.

                                                    Aug. Spehr.


Zur Eröffnung
meines neu angelegten Gartens findet am
Sonntag, den 25. d. Mts.
ein                                                    
Garten-Concert

statt. Musik von den Schönberger Vereinsmusikern. Mit nachfolgendem

Ball
Entree zum Concert à Person 30 Pf.
Hierzu ladet freundlichst ein                          
                                                    J. Wienck.
Sülsdorf im Juni 1893.                          


Zu dem am Sonntag, den 25. d. Mts. stattfindenden

Vogelschiessen

ladet ergebenst ein

Menzendorf.                                                      H. Rebbin,
Gastwirth.


Mittwoch, den 28. Juni

am Tag der goldenen Hochzeit unseres hohen Herrscherpaares, Abends nach dem Einmarsch

Grosser Festball.
Entree für Herren 75 Pfg.
Entree für Damen 25 Pfg.
Hierzu ladet ergebenst ein                                                    
  W. Hagen. Schützenwirth.


Am Mittwoch, den 28. Juni

zur Feier der goldenen Hochzeit unseres allergnädigsten Großherzogs

Grosse Tanzmusik
für die Nacht.
bei                                                    J. Boye.


Boye's Etablissement
in Schönberg.
Dienstag, den 27. ds. Mts.

zur Vorfeier der goldenen Hochzeit II. KK. HH. des Großherzogs und der Großherzogin

Grosses Fest-Concert
(I. Abonnements=Concert)
ausgeführt von der 30 Mann starken städtischen Kapelle in Wismar unter persönlicher Leitung des
Musikdirektors Jul. Müller.
=== Nach dem Concert Tanz. ===
Entree für Nichtabonnenten à Person 75 Pfennig.
Anfang 6 1/2 Uhr.
Abonnements=Billets für beide Concerte
á Person 1 Mk. und bis Sonntag, den 25. d. Mts.
bei Herrn Boye zu haben.


Stadt Lübeck.

Zur Feier der goldenen Hochzeit II. KK. HH. des Grosherzogs und der Großherzogin

Mittwoch, d. 28. Juni
Tanzmusik.


Für die vielen Glückwünsche und Geschenke von nah und fern am Tage unserer silbernen Hochzeit sagen herzlichen Dank.

                                                    Fr. Leumann u. Frau.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, 25. Juni.

Frühkirche fällt aus.
Vormittagskirche: Consistorialrath Kaempffer.
    Amtswoche: Consistorialrath Kaempffer.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends
11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1 Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nchm. 5,40 Nachm.
8,54 Abends.


Marktpreise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 24.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 48 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 23. Juni 1893.


Die Fahrt nach Friedrichsruh.

Unter zahlreicher Betheiligung Seitens der Damen und Herren aus den verschiedensten Ständen wurde am Sonntag die Huldigungsfahrt nach Friedrichsruh unternommen. Die Abfahrt vom Schweriner Bahnhof war auf 10 Uhr 38 Minuten Vormittags bestimmt. Um 10 Uhr traf bereits ein langer Sonderzug von Kleinen kommend mit vielen Theilnehmern aus den Städten Wismar, Bützow, Güstrow, Rostock, Neubrandenburg u. a. im dortigen Bahnhof ein. Mit demselben wurde dann der Schweriner Zug vereinigt, und zur festgesetzten Zeit fuhr der Sonderzug, 46 Wagen zählend, begleitet vom Hurraruf der großen Menge Zuschauer, die sich am Bahnhof eingefunden hatte, und unter den Klängen einer mit nach Friedrichsruh fahrenden Musikkapelle zum Bahnhof hinaus und gegen 2 1/2 Uhr wurde Friedrichsruh mit bedeutender Verspätung erreicht, da der Zug nach vorher gemachten Mittheilungen bereits 1 Uhr 7 Minuten daselbst eintreffen sollte.
Unsere Landsleute aus Hamburg waren schon vorher eingetroffen und empfingen uns mit lautem Jubel. Jetzt hatten die Festordner den Zug zu ordnen. Vorauf ging die Musikkapelle, dann folgte die Committe. Auf die Committe folgten die Damen, welche sich reichlich mit Blumensträußen, bestehend aus Rosen, Kornblumen u. a., versehen hatten, welche an den Stufen des Altans niedergelegt werden sollten. Den Schluß des Festzuges bildeten die Herren und auch Turner und Schüler.
So hielt denn der nach Tausenden von Theilnehmern zählende Zug unter Absingung des Liedes "Stimmt an mit hellem hohen Klang" seinen Einzug in den Park zum Wohnhause des Fürsten Bismarck.
Der Fürst und seine Gemahlin erwarteten den Zug bereits auf dem Altan des Hauses. In seiner Umgebung befanden sich die Herren Landrentmeister von Oertzen, Dr. Chrysander, Oberförster Lange u. A. Das Aussehen Sr. Durchlaucht war gesund und frisch.
Nachdem sich der Zug im Halbkreise hinter dem Hause aufgestellt hatte, hielt Herr Rechtsanwalt Dr. Stichert folgende Ansprache an den Fürsten:

Durchlauchtigster Fürst!

Aus allen Gauen Deutschlands wallen die Genossen unseres Volkes, Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen nach Friedrichsruh, den Helden unseres Volkes zu sehen, ihm unsere Verehrung darzubringen.
Auch wir Mecklenburger, Ew. Durchlaucht jetzt so nahe Nachbaren, bitten um die Ehre, uns Ihnen nahen, unseren Dank, unsere Liebe aussprechen zu dürfen.
Sieben Jahrhunderte sind verflossen, seit nicht weit von dieser Stelle unsere Vorfahren über die Elbe kamen in das slavische Land. Reisige Vasallen, Sächsische Herzöge, fromme Priester, arbeitsame und geschickte Bauern und Gewerker, kluge Kaufleute zogen sie über den Grenzstrom, mit Bibel und Schwert, mit Pflug, Axt und Maurerkelle, Kultur, Christenthum, Deutschthum zu tragen in die slavische Wildniß.
Und gründliche Kulturarbeit haben sie gemacht, unsere Altvordern. Nach 100 Jahren erinnerten nur noch die Namen an die slavische Vergangenheit. Deutsch war das Land gemacht, deutsch, gut deutsch ist es geblieben bis auf den heutigen Tag und wird es bleiben, so lange deutscher Name klingt.
Allezeit treu standen die Mecklenburger zu Kaiser und Reich. Und als das altersschwache römische Reich deutscher Nation in Trümmern zerfiel, als unser mächtigerer Nachbar, der brandenburgisch=preußische Staat unter der Hohenzollern glorreicher Führung aufstand gegen fränkische Unterdrückung war Mecklenburg des größeren Nachbarn treuester Genosse.
Königin Luise, die Unvergeßliche, ist Mecklenburgs Fürstentochter, unser Friedrich Franz I. löste als erster sich und sein Volk von der Schmach des Rheinbundes. Unser Landsmann Blücher schlug die siegreichen Schlachten der Freiheitskriege.
Ein halbes Jahrhundert später war die Zeit erfüllt, König Wilhelm nahm der trauernden Germania den Wittwenschleier vom Haupte, daß die Macht und Schönheit der Hehren wieder allem Volke erglänzte. Mit der Kaiserkrone schmückte er sein greises Siegerhaupt. Fürsten und Völker einte sein gewaltiges und mildes Zepter.
Unser Mecklenburger Moltke durfte seine Schlachten lenken. Friedrich Franz, unser Großherzog führte seine Mecklenburger zum Siege.
Den größten aber der Männer, die das neue Reich gebaut, dem eisernen Kanzler dürfen wir Mecklenburger uns heute huldigend nahen.
Ew. Durchlaucht Treue und Liebe zu Kaiser und deutschem Volke, Ihr weitschauender Blick, eiserner Wille, gewaltige Staatskunst hat uns aus Zerrissenheit und Spott hinaufgeführt zur Einheit und Macht, hat uns dann den Frieden geschaffen und erhalten.
Mag uns noch mancher Streit der Meinungen trennen, mag alte und neue Zwietracht ihr Haupt erheben, jeder echte Deutsche trägt im Herzen und bethätigt das Wort, das Ew. Durchlaucht dem deutschen Volke zurief, den nationalen Gedanken unter uns leuchten zu lassen. Der nationale Gedanke, die unerschütterliche Liebe zu Kaiser und Reich, die Zuversicht des ferneren Gedeihens unseres geeinten Vaterlandes, immer tiefer fassende, immer höher lodernde Verehrung für Ew. Durchlaucht, den Baumeister unserer Einheit, Freiheit und Macht führt uns hierher. Dieser Wald wird einst heiliger Boden sein dem deutschen Volke. Spätere Geschlechter noch werden hierher wallen, die Stätte zu sehen, wo Deutschlands bester Patriot, sein größter Staatsmann, sein Einiger und Führer lebte. Gott segne Ew. Durchlaucht für das Werk, daß Sie dem deutschen Volke gethan haben.
Wir aber fassen unsere Gefühle in den Ruf zusammen: Seine Durchlaucht unser Fürst von Bismarck lebe hoch !
Nachdem endlich das donnernde Hoch verhallt war, begaben sich mehrere junge Damen in krêmefarbigen Kleidern auf den Altan zu der Fürstin, von denen eine derselben ein Bouquet in den Landesfarben überreichte unter Reklamation des folgenden Gedichts:
    Der Frau des größten Mannes, den Deutschland je gebar,
    Der unseres Vaterlandes getreuer Eckart war. -
    Der Gattin unseres Bismarck, des Ruhm so lange währt,
    Als deutsche Frauentreue noch sorgt am deutschen Herd, -
    Der Fürstin, die die Sorge von seiner Stirne wies,
    Aus seinem Lorbeerkranze kein Blatt entgleiten ließ,
    Die über seinen Wegen als treueste Frau gewacht -
    Ihr sei von deutschen Jungfrauen herzlicher Gruß gebracht.
    Es kam zur Huldigung heute der Mecklenburger Gau:
    Heil Dir, Du hochbeglückte des größten Mannes Frau!
Die Fürstin dankte für die Aufmerksamkeit mit Händedruck. Von Herrn Rechtsanwalt Dr. Hillmann=Güstrow wurde nun auf die Fürstin, als die hohe Gemahlin und treue Pflegerin des allverehrten Kanzlers, ein kräftiges Hoch ausgebracht.
Hieran schloß sich die in plattdeutscher Sprache gehaltene und von dem Mecklenburger Herrn Grospitz=Hamburg vorgetragene und warm empfundene Rede:

[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 6]

Dörchlauchtige Fürst!

Glaubens mi, dat ik noch einige Würd in Plattdütsch tau sei red.
As wie Meckelbörger in Hamborg hürten, dat uns Landslüd tau Hus unsen Fürsten Bismarck in Fiedrichsruh besäuken wull'n, dünn freuten wie uns, dat sei ditmal so fix bi de Hand wir'n. Denn so'n richtigen, dägten Meckelbörger hett jo sünst ümmer wat von Jehann Nüßlern an sik. In de Fixigkeit sind uns un's meisten Landslüd äwer. Indessen, wat wi nicht in dei Fixigkeit hebb'n un in de Würd, dat hebb'n wie i'nt Gefäuhl un in't Hart. Un dorin hebb'n wie sei inslaten, Dörchlaucht, so fast un so deip, dat kein Macht up Ird'n sei wedder rut riten kann. Wie Plattdütsch'n un namentich wie Meckelbörger sünd nich för de velen Würd, äwer dorför känen sei äwertügt sin, Dörchlaucht, dat dei hütige Dach vor alle disse hunnerte von Meckelbörger dei schönste Erinnerung vor ehr ganzes Läben ist, un ik will wünschen, dat sei dei glücklichen Gesichter Seihn känen, wenn sei nah Johren noch ehre Kinner und Kinderkinner vertellen: Den 18. Juni 1893 hew ick unser Fürsten Bismarck seihn, un hei hett im de Hand drückt.
Meckelbörger Landslüd, wie weiten jo, dat wi tausfam wussen sünd mit unsen Fürsten; äwer dat hei vor uns de Verkörperung von den Reichsgedanken is, dat hei Fleisch is von uns Fleisch, un Bein von uns Bein, dat sall dat dunnernde Hoch em bewisen, wat wie em dörch de Beuken von'n Sachsenwald raup'n. Uns Fürst Bismarck, hei lebe hoch! hoch! hoch! (Brausendes Hoch.)
Nunmehr nahm der Fürst das Wort zu folgender Ansprache:

Meine Herren und Damen!

Ich danke Ihnen und besonders den Damen, die ich vor mir sehe, daß Sie den weiten Weg, Staub und Wind nicht gescheut haben, um mir die Ehre zu erzeigen, daß ich Sie hier vor mir sehe. Ich danke Ihnen von Herzen dafür, daß Sie gerade den heutigen Tag zur Begrüßung gewählt haben.
Es ist für unsere heimatliche Geschichte ein vielfach bedeutsamer Tag gewesen. Am 18. Juni vor 200 Jahren war die Schlacht bei Fehrbellin, die auch dazu beigetragen hat, das deutsche Land unabhängig zu stellen. Vor 78 Jahren, am heutigen Tage, war die Schlacht bei Waterlo, die uns von der Fremdherrschaft im eigenen Lande befreite, die den Aelteren noch mit Schrecken in Erinnerung sein wird, und die sie den Jüngeren oft erzählt haben.
Außer diesen historischen Erinnerungen, die sich an den heutigen Tag knüpfen, hat der 18. Juni für mich eine besondere persönliche Bedeutung. Es war vor einem Jahre, als ich die Reise zur Hochzeit meines Sohnes antrat und ich in Dresden von unsern sächsischen Landsleuten einen in hohem Maße ehrenvollen Empfang hatte. Nicht minder demnach in Bayern (in München und in Augsburg), in Schwaben, in Kissingen und in Thüringen (in Jena). Daran haben sich die Begrüßungen meiner nordischen Landsleute geschlossen. Zuerst die der Provinz Schleswig=Holstein, der ich jetzt angehöre, dann kam Oldenburg von Westen her nach Friedrichsruh gefahren und nun heute meine östlichen und nach meinem Gefühl als Brandenburger auch nördlichen Nachbarn, die Mecklenburger.
Ich bin ganz besonders dankbar für diesen Abschluß der Vollständigkeit der deutschen Stämme, den sie mir heute gewähren. In Anerkennung der Mitarbeiter und Mitarbeit, die ich im stande gewesen bin, durch die Gnade meines alten Herrn Kaiser Wilhelm I. bei der Wiederherstellung der deutschen Einigkeit zu leisten. Es war das Werk im Ganzen kein leichtes.
Wir Deutschen hängen unserer Natur nach inniger an unsern heimischen Verbänden, als an der Allgemeinheit, namentlich da durch die Ungunst der Jahrhunderte des Gefühl einer größeren Allgemeinheit und Zusammengehörigkeit unterdrückt worden war. Der Partikularismus jener Zeit liegt uns einigermaßen im Blute. Nach meiner Ansicht kann ich nicht einmal sagen, daß da, wo man wie ich die Dinge besonders erlebt hat, bei dem eigenen Landesherrn die Schwierigkeiten lagen. So kann ich kaum behaupten, daß nicht alle immer das Gefühl, deutscher Fürst zu sein, in sich bewahrt haben. Der Widerstand gegen allgemeine Verbände ist nach meiner Ansicht vielmehr ausgegangen von den Beamten - Dynastien am Hofe und im Staat, die mit einander conglomerirten und die lokalen Erinnerungen von früher nicht vergessen konnten. Es war sehr schwer, die richtigen Wege und Grenzen zu finden; es würde nach meiner Ansicht eine große Thorheit sein, wenn man einen engen Verband, seine engere Heimath aufgeben und zerstören wolle, was kaum thunlich sein würde.
Die Mecklenburger sollen Mecklenburger bleiben und der Großherzog soll in seinem Lande der Herr bleiben und in seiner selbstständigen Existenz nicht erschüttert werden. Aber das Land soll in seiner Beziehung zum Reich gerne mitwirken an der großen deutschen Nation, und die Einigkeit muß sich lebendig erhalten.
Die unitarischen Bestrebungen, die manche meiner Landsleute gepflegt haben, mögen für andere Nationen sich eignen, für den germanischen Charakter halte ich es nicht für richtig. Wir haben das richtige Maß gefunden und ohne mir daraus ein Verdienst zu machen, freue ich mich, wenn es schließlich eine Befriedigung für die Gesammtheit gewesen ist.
Gehen sie nach Frankreich, nach Rußland, wo die Universaleinrichtung besteht, ist das Land dadurch glücklicher geworden? Wären diese großen Länder nicht zufrieden in sich, wenn sie mehr als ein Centrum in sich hätten? Das Bedürfniß nach Partikulation bei den Deutschen ist so groß und der geographische Partikularismus ist soweit überwunden, wie es überhaupt nöthig ist. Es steht uns überhaupt nichts mehr im Wege, ich habe in meiner dreißigjährigen Arbeit an der deutschen Politik über Schwierigkeiten niemals zu klagen gehabt.
Aber der Deutsche braucht innere Verbände, und geht ihm der geographische Partikularismus verloren, so schafft er sich den Fractionspartikularismus an. Man geht in Fractionen über und vergißt die Allgemeinheit. Das ist die schwere Klage, an der wir heutigen Tages leiden. Unsere heutigen Fractionen sind in ihren Parteiungen viel schlimmer als alle Bayern, Sachsen pp. dem Reichsgedanken gegenüber gewesen sind. Ich weiß nicht, ob es uns gelingen wird, diese Krankheit bei wiederholten Wahlen zu bekämpfen. Aber ich glaube nicht, daß es jetzt schon ganz gelungen ist. Da sind die Werber, die Condottieri (das ist ein Ausdruck, der mir nicht geläufig ist), von denen sich jeder seine Schaar anwirbt, an deren Spitze er hofft, die Herrschaft zu erlangen oder zu verhindern, daß sie ein Nebenbuhler erwirbt. Die Eifersucht der Fractionen, das ist der Krebsschaden in unserm Lande.
Das deutsche Land ist angewiesen auf die Gesammtheit der Intelligenz und das Vertrauen, welches Ministerium und Parlament gemeinsam aufbringen können. Und wenn die Intelligenz und das Vertrauen auf der einen Seite fehlt, so muß von der anderen Seite das Minus gedeckt werden. Wenn der Volksvertretung das richte Vertrauen verloren geht, so muß die staatliche Leitung das Steuerruder fester in die Hand nehmen. Sie müssen sich gegenseitig ergänzen zur Gesammtheit von Einsicht, Tapferkeit und Vaterlandsliebe. Und da wird nach mancher Richtung hin gesündigt, wie ich es hier in Gegenwart der Damen nicht weiter ausführen will.
Aber wenn Sie meiner Mitwirkung an dem Zustande, mit dem wir jetzt im großen Ganzen zufrieden sind, wohlwollend anerkannt haben, so erwähne ich meinerseits auch die Mitwirkung, wie der erste Redner schon erledigt hat. Es würde unrecht sein, wenn ich Sie verschweigen wollte. Die Mutter Kaiser Wilhelms I. war eine mecklenburgische Prinzessin. Ihre Gesinnung hat sie auf ihren Lieblingssohn vererbt und insofern hat sie an der Vorbereitung des deutschen Einheitsgedankens ein wesentliches Verdienst. Auch den alten Blücher will ich nicht vergessen. Nehmen Sie nur an, wenn wir Blücher nicht gehabt hätten, wie wär's dann gekommen? Das ist schwer zu sagen. Aber daß es nicht zum Nutzen Deutschlands gewesen wäre, wenn er gefehlt hätte, das werden Sie alle einsehen und da möchte ich dem Hamburger Redner sagen, daß damals beim alten Blücher auch die "Fixigkeit nich utblewen is".

[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 7]

Und dann vor Allen in unsern Jahren mein Freund und Mitarbeiter Moltke. Er war auch ein Mecklenburger nach Abstammung und Geburt, und deshalb kann ich wohl behaupten, ohne der Mehrheit zu nahe zu treten, daß der Antheil Mecklenburgs an der Wiederherstellung des einigen Deutschlands es mit jedem andern deutschen Volksstamm aufnehmen kann.
Ich war als Brandenburger, als Altmärkler Nachbar der Mecklenburger und habe darnach als preußischer und als Reichsbeamter mit vielen Mecklenburgern Beziehung gehabt, und habe bei ihnen Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit gefunden. Da sind vor Allen die Bülows und die Bernstorffs, die wir in unseren militärischen und Civildiensten gehabt haben.
Bei der Aufzählung der Verdienste Ihrer Landsleute komme ich auf die Fürsten der Neuzeit. Ihr hochseliger Großherzog Friedrich Franz II. ist mir immer ein sehr gnädiger Herr gewesen. Ich habe in Krieg und Frieden seine Mitwirkung an der deutschen Politik näher und sachkundiger beachten können und kann ihn als ein Muster eines deutschen Reichsfürsten anerkennen, der uns leider zu früh entrissen ist.
Sein regierender Herr Sohn hat seine Gesinnung, leider nicht seine Gesundheit geerbt. In der Zeit, wie ich mit ihm im französischen Kriege schlechte Nachtquartiere und schlechte Verpflegung zu theilen die Ehre gehabt habe, da war er immer kerngesund, mobil und kräftig und ich kann nur zu Gott wüschen, daß er wieder so werde, wie ich ihn damals gekannt habe, und ich kann Ihnen meinen Dank für die Begrüßung und meine Gesinnung für Ihr engeres Vaterland nicht kürzer und besser ausdrücken, indem ich Sie bitte, mit mir ein Hoch auf Ihren Großherzog auszubringen: Er lebe hoch!
Während von der Versammlung das Lied "Deutschland, Deutschland über Alles" angestimmt wurde, verließ der Fürst den Altan und machte einen Rundgang durch die Reihen der Festtheilnehmer, wobei er sich mit vielen derselben auf das Freundlichste unterhielt. Bei diesem Durchgang wandte der Fürst sich erst zu den Damen, die zur Linken des Altans Aufstellung genommen hatten, entfernte sich durch ein Gebüsch, um auf diese Weise von rückwärts her in die Volksmenge wieder eindringen zu können, damit ihn alle zu sehen bekämen. Hierbei wollen wir gleich bemerken, daß der Fürst wie auch Dr. Chrysander nachträglich geäußert haben, daß noch niemals einer der großen Massenbesuche sich in solcher Ruhe und Ordnung vollzogen habe, wie der gestrige. Zum Altan zurückgekehrt, bedauerte der Fürst, die Theilnehmer nicht alle in der Weise bewirthen zu können, wie er es wohl gewünscht, und trank ein Glas Wein auf das Wohl der Mecklenburger, wobei er lachend einen alten plattdeutschen Trinkspruch citirte, der manchem Mecklenburger wohl unbekannt sein wird, er lautet:
              "Uns Woll un kein Aewel, (?)
              Wer datt nich will is'n Deuwel."
Die Mitglieder der Committe folgten jetzt der Einladung des Fürsten zu einem Frühstück. Bei Gelegenheit desselben brachte Herr Erbpachthofbesitzer Priester=Hinter=Wendorf als einziger Landmann unter den Committenmitgliedern ein Hoch aus auf den Fürsten als den ersten Landmann Deutschlands. Nach aufgehobenem Frühstück durften die Theilnehmer an demselben ihren Namen ins Fremdenbuch eintragen. Der übrige Theil des Festzuges marschirte nun nach Schluß der einstündigen Huldigungsfeier nach dem nahen Landhause, um daselbst Erfrischungen einzunehmen. Aber leider, leider war es nicht möglich, ohne ganz besondere Anstrengung Speisen und Getränke zu erhalten. Und wie mancher hätte noch gern ein Glas Bier bei dem Staub und der Hitze des Tages getrunken, wenn er es hätte in ruhiger Weise bekommen können. Gewiß ist es nicht leicht, eine Volksmenge von ca. 3000 Köpfen zu bewirthen, das erkennen wir wohl an, aber besser muß es sich doch wohl beschaffen lassen, als es eben geschah, da man vorbereitet war. Die fröhliche Feststimmung wurde dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Vom Fürsten Bismarck waren zwei ziemlich große Fässer Bier für die Gäste aufgelegt worden. Die Rückfahrt nach der Heimath erfolgte um 6 Uhr. Glücklich wurde um 9 Uhr Schwerin wieder erreicht. Eine noch größere Volksmenge als am Morgen hatte sich am Bahnhofe eingefunden und begrüßte die Ankommenden. Die "Huldigungsfahrt" wird allen Theilnehmern zeitlebens in freundlicher Erinnerung bleiben.


- Finanzminister Miquel ist, entschieden gegen eine direkte Reichseinkommensteuer, dagegen unbedingt für Einführung einer Reichserbschaftssteuer. Die preußische Staatsregierung halte an dem Plane fest, sobald als möglich, spätestens aber mit dem Inkrafttreten des in Vorbereitung begriffenen deutschen Erbrechts, eine Reichserbschaftssteuer an Stelle der Erbschaftssteuern der Bundesstaaten einzuführen.
- Das Jubiläumsfest des Plöner Kadettenhauses wird drei Tage dauern. Am Sonnabend Nachmittag wird das Jubiläum durch Konzert und Gartenfest eingeleitet. Die Hauptfeier, an welcher sich der Kaiser betheiligt, erfolgt am Sonntag. Dieselbe beginnt am Vormittag mit dem Festgottesdienst; um 11 Uhr findet die Parade des Kadettenkorps statt, um 12 Uhr folgt Festessen der Kadetten, 2 Uhr Festtafel der Gäste und des Oberpersonals, 5 Uhr Preisturnen der Kadetten und Abends Festvorstellung und Ball. Am Montag findet das Jubelfest seinen Abschluß durch eine Bootfahrt nach Fegetasch.
- Der Antrag, den Bauernbund aufzulösen, wurde am Sonnabend in der in Berlin stattgefundenen zweiten Generalversammlung endgiltig angenommen.
- Der Hamburger Senatsbeschluß, alle Auswanderer von Hamburg zurückzuweisen, wird strengstens durchgeführt. Die Bahnpolizei und Hafenwachen sind erheblich verstärkt. Am Sonnabend mit der Bahn eingetroffene siebzig Auswanderer wurden unbarmherzig zurückgewiesen, desgleichen dreißig mit dem Dampfer "Gemma" nach dort gesandte russische Rückwanderer, die nach ihrer Ausschiffung am Bord zurückgebracht wurden; der Dampfer wird strengstens überwacht.
- Die Uebergabe der Gebeine deutscher Offiziere und Soldaten vollzog sich am 17. ds. Mts. in Amauweiler in sehr feierlicher Weise. Um 6 Uhr morgens nahmen die französischen Truppen an dem Denkmal in Saint=Ail Aufstellung; zu gleicher Zeit erschien der Divisionsgeneral Jamont. Um 7 Uhr traf die Deputation von sechs deutschen Officiren in Paradeuniform ein und begrüßte den General Jamont. Der Unterpräfect übergab darauf im Namen der französischen Regierung den deutschen Officieren die Gebeine der deutschen Soldaten. Nach einer Ansprache der Feldprediger stellte sich ein Zug auf, wobei ein Bataillon Chausseurs mit der Musik escortirte. An der Grenze auf französischem Gebiet hatten französische Chausseurs Aufstellung genommen, auf deutschem Gebiet General v. Häseler mit zahlreichen Officieren der Garnison von Metz und einer Infanterie=Ehrencompagnie. Beim Eintreffen des General Jamont schritt General v. Häseler auf denselben zu über die Grenze. Beide Generale salutirten einander. Auf die Einladung des Generals v. Häseler betrat General Jamont das deutsche Gebiet und schritt die Front der deutschen Ehrencompagnie ab. Unter Eskorte deutscher Infanterie setzte der Zug seinen Marsch fort und traf um neun Uhr bei der neuen Begräbnißstätte ein, wo vor dem Denkmal sechs Gräber aufgeworfen waren. Die Feldprediger segneten die Gräber mit einer Predigt ein.
- Auch in Chicago wurde vor kurzem ein Reuter=Denkmal errichtet. Das bronzene Standbild, von F. Engelmann in Chicago entworfen und von Lenz in Nürnberg gegossen, kostete fast 10 000 Doll.
- Aus Prechlau in Westpreußen schreibt man: Eine erschütternde Nachricht gelangte an den hiesigen Gemeindevorsteher. Darnach sind die beiden Brettschneider M. Lietz und Rehwinkel verbrannt. Beide arbeiteten im Walde bei Schulzenwalde und schliefen gemeinsam in einer Hütte. Die Vermuthung geht dahin, daß andere Arbeiter aus Brotneid den Eingang der Hütte vernagelt und diese angezündet haben. Beide hinterlassen Frau und Kinder.

[ => Original lesen: 1893 Nr. 48 Seite 8]

- Der Inhaber der großen Münchener Fisch= und Delikatessen=Handlung, Schöllhorn und Franke, wurde vom Landgerichte zu 2 1/2 Monat Gefängniß und 500 M. Geldstrafe verurtheilt, weil ihm in einer Anzahl Fällen nachgewiesen werden konnte, daß er gänzlich verdorbene Fischwaaren verkauft und deren Zustand künstlich verdeckt hatte.
- Das neue Proviantamt in der Luisenstraße zu Potsdam wurde in der Nacht zum Montag fast ganz eingeäschert. Es sollen gegen 600 Zentner Brot, sowie ein großer Posten Heu verbrannt sein. Der Schaden ist ziemlich bedeutend. Die Gewalt des Feuers war derart, daß die eisernen Thore glühend waren und die Mauern des massiven Gebäudes barsten. Die in der Nähe gelegene Garnisonbäckerei ist nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.
- Zum Capitel der Grundstückspreise liefern folgende Mittheilungen eines alten Berliners eine treffende Illustration: Im Jahre 1852 kaufte der frühere Buchdruckereibesitzer H. das Grundstück Köpenickerstraße 54, das sich bis zur Spree hinzieht. Auf demselben befand sich ein zweistöckiges Wohnhaus und ein großer parkähnlicher Garten. Zwei Jahre später verkaufte H. das Grundstück für den Preis von 2000 Thalern an einen Spekulanten F. der es ein halbes Jahr später für 8000 Thaler verkaufte. Der nächste Besitzer veräußerte es nach zehn Jahren für 13 000 Thaler und nach weiteren 10 Jahren brachte das Terrain 170 000 Thaler. Seit dieser Zeit ist es in festen Händen. Der erste Speculant F., seiner Zeit ein Millionär, lebt heute in ärmlichen Verhältnissen und erhält von dem ersten Besitzer H. eine kleine Unterstützung.
- Ein unerwartetes Feuerwerk brannte vor einigen Tagen auf dem mittleren Felsen des Rheinfalls bei Schaffhausen ab. Am Abend des Donnerstags hätte eine Rheinfall=Beleuchtung mit Feuerwerk stattfinden sollen und so hatte man schon am Mittwoch die dazu nötigen Vorbereitungen getroffen, die Leitungen hergestellt, Raketen und andere pyrotechnische Wunder aufgepflanzt. Da schlug aber der Blitz eines am Nachmittag über Schaffhausen hinziehenden Gewitters in die Zündleitung und so brannte das Feuerwerk am hellen Tage ab.
- Nach einem Erlaß des französischen Kriegsministers wird die Parade, mit welcher alljährlich das Nationalfest am 14. Juli verherrlicht wird, diesmal der voraussichtliche Hitze wegen morgens und nicht am Nachmittag stattfinden. Durch den Erlaß sucht gleichzeitig der Herr Kriegsminister der Gepflogenheit der französischen Offiziere, bei Festmählern politische Reden zu halten, einen Riegel vorzuschieben. Die Generale sollen keine Erlaubniß zur Betheiligung von Offizieren an offiziellen Feierlichkeiten ertheilen, ohne sich zu versichern, daß die Erörterung politischer Fragen streng ausgeschlossen bleibt. Eine absolute Sicherheit gegen diesen Fall dürfte es in Frankreich wohl niemals geben.
- Auch in England wird man sich demnächst mit einer Militairvorlage, in welcher die Erhöhung der Truppenstärke die Hauptrolle spielt, zu befassen haben. Der frühere Oberbefehlshaber der indischen Truppen in Indien, Lord Roberts, hat bei einem ihm zu Ehren gegebenen Bankett ausgesprochen, die jetzige Anzahl der Truppen sei wohl hinreichend zur Erfüllung der gewöhnlichen Pflichten, aber im Fall eines Krieges mit einer zivilisirten Macht würde sich eine beträchtliche Verstärkung der britischen Truppen als nothwendig erweisen.
- Während der Plan, England und den europäischen Kontinent durch einen unterirdischen Tunnel zwischen Dover und Calais zu verbinden, schon ein alter ist, veröffentlicht jetzt ein spanischer Ingenieur die neue Idee, Europa mit Afrika zu verbinden. Die Verbindung soll im Gegensatz zu dem französisch=englischen Projekt über der Erde durch eine Brücke geschehen. Die Brücke ist an der Meerenge von Gibraltar gedacht, und der betreffende Ingenieur will zugleich den Beweis anstreben, daß das Aluminium auch für Brückenbauten geeignet ist. Natürlich würde die Ausführung dieser Idee nicht allen von der Genialität des Unternehmers, sondern auch zunächst von der Einigung der interessierten Nationen abhängig sein.
- Den großen Herbstmanövern in Ungarn werden ungarischen Blättern zufolge außer dem deutschen Kaiser auch König Humbert von Italien, der russische Thronfolger und der Kronprinz von Dänemark als Gäste des Kaisers Franz Josef beiwohnen. Das Hauptquartier soll in Guens aufgeschlagen werden.
- In dem großen Unterschlagungsprozeß in Rom, es handelt sich um 2 450 000 Lire, ist der ehemalige Direktor der römischen Filiale der Bank von Neapel, Cuciniello, zu 10 Jahren, der Kassirer d'Allessandro zu 6 Jahren und 8 Mon. Gefängniß verurtheilt worden.
- In Sofia hat die feierliche Ueberreichung der Hochzeitsgeschenke an den Fürsten Ferdinand und seine Gemahlin stattgefunden. Eine Deputation von Damen unter Führung der Gemahlin Stambulows überreichte ein kostbares Diadem und 130 000 Francs für wohlthätige Zwecke.
- Die ruthenischen Bauern in Stanislau (Galizien) haben ihren Austritt aus der griechisch=katholischen Kirche angezeigt und erklären sich konfessionslos.
- Schwere Regengüsse sind in dem Norden von Neusüdwales und Queensland in Australien gefallen. An vielen Orten ist die Telegraphenverbindung unterbrochen. Unglücklicherweise wurden von der gegenwärtigen Wassersnoth viele Distrikte und Städte, wie Budaberg und Maryborough, hart betroffen, die kaum den von den Februar=Ueberschwemmungen angerichteten Schäden überwunden hatten.
- Durch einen Wirbelsturm wurde die Stadt Prachmetre in Mexiko vernichtet. Eine große Anzahl Einwohner kam zu Tode, viele Personen wurden verletzt. Ueber 2000 Personen sind obdachlos.
- In Washington entschied das Bundesgericht als Apellhof einstimmig und endgültig zu Gunsten der Oeffnung der Ausstellung am Sonntag. Für die Ausstellung bedeutet dies einen großen Erfolg.
- Ueber den Einfluß der Musik auf den Magen äußert sich ein New=Yorker Konzert=Restaurateur: "Es ist merkwürdig, welchen Einfluß die Musik auf den Magen hat. An den Abenden, an denen das Orchester Wagner spielt, setze ich fünfmal so viel Lagerbier ab als sonst. An den Mendelssohn=Abenden kauft Niemand Schinkenbrötchen, und da ich an diesen 85 % verdiene, halte ich nicht viel von Herrn Mendelssohn. Johann Strauß ist der Komponist, der den Wein fließen macht. Der Mensch fühlt sich wohl, wenn er einem Walzer von Strauß lauscht, und bestellt sofort eine Flasche Champagner."
- Eine furchtbare Dürre lag auf der Haide. Weithin war alles verbrannt und versengt. Die hungrigen Thiere schrien laut um Futter, was ihnen nicht gewährt werden konnte. So traurig sah es auch im Haidedorf Stolp aus. Die Bewohner schlichen traurig, trostlos einher. Da faßte endlich der alte Dorfschulze Probst einen Entschluß. Am nächsten Morgen ließ er die Ortsbewohner versammeln und bemerkte ihnen, daß morgen um die neunte Stunde ein Bet= und Bittgang in der ausgedörrten Flur stattfinden würde. Wen ließ er aber sich an die Spitze des zahlreichen Zuges stellen? Es war die 94jährige alte Mutter Anna, die sich nur langsam auf ihrem Stock bewegen konnte. So ging es, wenn auch langsam, vorwärts. Im freien Flur angelangt, bildeten die Mitglieder der Gemeinde einen Kreis; in die Mitte hinein trat aber die Greisin. Sie hob ihre Arme empor und laut betete sie, daß der allgütige Gott doch endlich sein segnendes Naß senden möge. Und wie wunderbar! Auf einmal stiegen am fernen Horizont dunkle Wolken empor, der Donner ließ sich hören und nur noch einige Augenblicke, da strömte ein ausgiebiger Regen hernieder und erquickte die ausgedörrten Fluren. Das Gebet der 94jährigen Großmutter hatte aus schwerer Noth geholfen.
- Die Weltausstellung in Chicago wurde vom 1. Mai - 14. Juni von 2 323 759 zahlenden Personen besucht. Die tägliche Durchschnittsfrequenz beträgt jetzt 90 000 Besucher. - In Weltausstellungskreisen ist man über den geringen Besuch aus Europa sehr verstimmt; man hofft indessen, daß nach den britischen Vermählungsfeierlichkeiten sich mehr Engländer einstellen werden. Die Hotelpreise sind etwas zurückgegangen.


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