No. 94
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 29. November
1892
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 1]

                     Unter den Kühen der Hauswirthe Heinrich Retelsdorf u. J. Retelsdorf zu Herrnburg ist die Maul= und Klauenseuche ausgebrochen.
                   Schönberg, den 24. November 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


                     Die Maul= und Klauenseuche unter der Kühen der Wittwe Dreyer in Lindow ist erloschen.
             Schönberg, den 24. November 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


- Kaiser Wilhelm ist von dem Erkältungszustand fast völlig hergestellt. Er beabsichtigt, jetzt das Zimmer zu verlassen und zur Theilnahme an den Jagden des Fürsten Pleß nach Schlesien abzureisen.
Der Reichstag wird morgen Mittwoch, wie bekannt, die erste Lesung des Reichshaushaltes für 1893-94 beginnen, nach welcher dann erst die erste Beratung der neuen Militärvorlage erfolgen soll. Dieser Aufschub ist indessen nur Schein, denn es ist vorauszusehen, daß in der ersten Beratung des Reichshaushaltes fast nur von der Militärvorlage und ihrer für die finanzielle Gestaltung des Reiches so wichtigen Kostendeckung die Rede sein wird. Das Arbeitspensum des Reichstages vermehrt sich übrigens von Tage zu Tage. Die Zahl der von Mitgliedern des Hauses eingebrachten Anträge wird recht groß werden. An der Spitze stehen, wie schon häufig, die Anträge auf Einführung des Befähigungsnachweises, Einschränkung des Hausierhandels und der Waarenauktionen, betr. den Schadenersatz unschuldig Verurtheilter, betr. die Einführung der Berufungsinstanz in Strafsachen, endlich betr. Abänderung des Strafverfahrens erster Instanz durch Ausdehnung der Befugnisse der Verteidigung und Vermehrung der Rechtsmittel im Vorverfahren.
Das Centrum brachte im Reichstage den Antrag auf Aufhebung des Jesuiten=Gesetzes ein.
Der Reichsanzeiger veröffentlicht eine Verordnung betr. die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes für das südwestafrikanische Schutzgebiet.
Der Berathung der Militärvorlage wird im Reichstag die erste Berathung des Reichshaushaltsetats vorangehen, die am Mittwoch beginnen soll. Die erste Berathung der Militärvorlage wird daher kaum vor dem 5. Dezember stattfinden können. Auf deutschfreisinniger Seite verlangt man, daß die erste Berathung der Militärvorlage erst nach Eingang der dazu gehörigen Steuervorlagen stattfinden solle, doch werde sich die erste Berathung der Budgetvorlage auch schon zu einer ersten Berathung der Militärvorlage gestalten.
Der beim deutschen Bundesrath eingebrachte bayrische Antrag auf Beschränkung des Hausierhandels enthält zunächst die Bestimmung, daß Handelsreisende, die auf Grund des § 44 der Gewerbeordnung ihre Gewerbe und ohne Wandergewerbeschein ausüben, Bestellungen auf Waaren, nun bei solchen Gewerbetreibenden sollen suchen dürfen, in deren Gewerbebetrieb Waaren der angebotenen Art Verwendung finden. Ferner soll auch dasjenige, der an seinem Wohnort oder am Sitz seiner gewerblichen Niederlassung im Umherziehen von Haus zu Haus oder an öffentlichen Orten hausiert, als Hausierer gelten und an die Erwerbung eines Wandergewerbescheins gebunden sein. Endlich soll der Gewerbebetrieb im Umherziehen allgemein nur so weit gestattet werden, als ein Bedürfnis für diesen Gewerbebetrieb im Bezirk der die Erlaubnis ertheilenden Behörde vorhanden ist. Es sind dies im wesentlichen jene Forderungen, welche vielfach in den Landesvertretungen, Gewerbevereinen, in sonstigen Versammlungen und in der Presse zum Schutz des seßhaften Gewerbes gestellt wurden.
Der Seniorenkonvent des Reichstags hat beschlossen, daß zunächst am Mittwoch n. W. die Generaldebatte über den Etat und dann eine solche über die Militärvorlage stattfinden solle.
Der "Reichs= und Staats=Anzeiger" hat in seiner Nummer vom Mittwoch Abend den Entwurf des Gesetzes "betr. die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres" und den Entwurf des Gesetzes "betr. die Ersatzvertheilung" veröffentlicht.
Die officiöse "Norddeutsche Allgemeine Ztg." giebt einen Brief des Berliner "Times=Korrespondenten vom 21. November wieder, der die angekündigte Ernennung des Generals v. Werder zum Botschafter in Petersburg als Zeichen der Absicht des Zaren ansieht, mit Deutschland auf freundlichem Fuß zu stehen. Möglicherweise hätten die jüngsten Ereignisse in Frankreich den Zaren noch geneigter gemacht, größeren Wert auf gute Beziehungen zu Deutschland zu legen. Durch die Antwort Rußlands über den Handelsvertrag mit Deutschland werde ein schließliches Einverständniß nicht ausgeschlossen.
Der konservative Parteitag ist nunmehr für den 8. Dezember nach Berlin einberufen. Die konservative Fraktion im Reichstag hat Anträge auf Abänderung der Gewerbeordnung eingebracht, die auf die Einführung des Befähigungsnachweises und die Einschränkung des Hausierhandels und der Wanderauktionen abzielen.
Der sozialdemokratische Parteitag in Berlin ist

[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 2]

mit seinen Arbeiten zu Ende. Nachdem die Versöhnung zwischen Liebknecht und Vollmar, die sich im Sommer so heftig befehdet hatten, vollzogen war, lag zu großen Differenz kein Anlaß mehr vor und die Beschlüsse wurden ohne sonderliche Erhitzung gefaßt. Praktisch wichtig sind diejenigen, welche besagen, am 1. Mai 1893 eine Abendfeier stattfinden und daß die Sozialdemokratie fortan keine Wahlkompromisse mit andern Parteien mehr abschließen soll.
Vom spanischen Konsulat in Berlin wird jetzt gemeldet, daß das Gerücht von einem gegen die Königin=Regentin, bei Gelegenheit des Besuchs der historischen Ausstellung in Madrid, verübten Attentat jeder Begründung entbehre.
Das "Journal de St. Petersbourg" widmet dem scheidenden deutschen Botschafter, General von Schweinitz, warme Worte der Anerkennung, die von den außergewöhnlichen Sympathien zeugen, die sich der General sowohl am Hof wie in der Petersburger Gesellschaft erworben hat. Nicht minder erfreulich ist der Willkommengruß, der seinem Nachfolger, General v. Werder, entgegengebracht wird. Das genannte Blatt betont, daß General v. Werder bereits lange Jahre in Petersburg zugebracht und das beste Andenken in officiellen wie in gesellschaftlichen Kreisen zurückgelassen habe. Der Artikel schließt mit den Worten: "Die herzlichsten Willkommengrüße, mit denen man den General Werder bei uns empfangen wird, werden ebenso aufrichtig und einstimmig sein, wie das Bedauern, womit man den General Schweinitz scheiden sieht." Die deutsche Kolonie in St. Petersburg wird am 7. Dezember zu Ehren des scheidenden Botschafters ein Festessen veranstalten, auch soll ihm bei dieser Gelegenheit eine kostbare Ehrengabe überreicht werden.


- In Altona wurden 9 Anarchisten verhaftet; die Zahl der dort verhafteten Anarchisten beträgt dreiundzwanzig.
- Die Befestigungsarbeiten von Helgoland müssen kontraktlich am 1. Mai des künftigen Jahres beendet sein und dann wird der ganze Unterschied gegen früher in dem Vorhandensein einiger Luftschachte für die Kasematten und in der Anwesenheit einiger Marinesoldaten als Wachen bestehen. Anderseits aber wird als weitere Annehmlichkeiten das neue, schön am Strande gelegene Kurhaus fertig sein. Wie wenig trübe man in die Zukunft blickt, mögen am besten die verhältnismäßig reichen Spenden für die nothleidenden Hamburger beweisen.
Nach dem Bericht des Fischerei=Intendanten Dr. Malm in Gothenburg standen am Sonntag in den dortigen Scheeren über 100 000 Hektoliter Häringe unverkauft in den Waden.
- Dem "Daily Chronik" wird aus Odessa gemeldet, daß sich augenblicklich in den 875 Gefängnissen Rußlands nicht weniger als 950 000 Gefangene befinden, von denen 90 Proz. Frauen und Kinder sind. Das Budget der Gefängnisverwaltung beträgt 14 Millionen Rubel, eine Kleinigkeit weniger, als die für die Zwecke der Erziehung von der Regierung ausgeworfene Summe. Es sitzt also jeder hundertste Russe im Gefängnis!
- Am Sonntag hat sich in dem um 2 Uhr 18 Minuten von Stendal nach Berlin abgegangenen Schnellzug eine junge Dame in einem Koupee zweiter Klasse mit einer Pistole erschossen. Sie hatte allein gesessen und wurde von dem Schaffner noch lebend angetroffen. Auf dem Sitz ihr gegenüber befand sich eine fast geleerte Champagnerflasche und ein Medizinfläschchen. Die Kugel war durch den Mund in den Schädel gedrungen. Die Lebensmüde hatte an ihren Paletot eine Visitenkarte geheftet, auf der ihr Name und ihr Heimatsort in der Altmark angegeben war.
- "Geheimrath", das beste dreijährige Pferd des kgl. Hauptgestüts Graditz, hat im Schluß=Rennen zu Manchester, das mit 3000 Mk. ausgestattet ist und am nächsten Sonnabend über 2400 Meter zur Entscheidung gelangt, das durch die Proposition des Rennens bedingte verhältnißmäßig hohe Gewicht von 63 Kilo zu tragen. Obwohl ein Erfolg des Hengstes unter diesen Umständen nur wenig wahrscheinlich ist, soll er doch an der Prüfung bestimmt theilnehmen und voraussichtlich vom Jockey Rawlinson geritten werden, der ihn im Staatspreis dritter Klasse während der Berliner September=Rennen zum Sieg gesteuert hat. "Geheimrat" selbst verbleibt während des Winters in England, um daselbst eine weitere Vorbereitung zu erhalten. Im Frühjahr wird sodann der Versuch, jenseits des Kanals ein Rennen mit dem Hengst zu gewinnen, von neuem aufgenommen werden.
- Für die Naturfreunde ist es interessant, daß in diesem trockenen Sommer und Herbst die Kibitze eine ganz andere Lebensweise angenommen haben. Diese an sich schon merkwürdigen Vögel, die halb Möve, halb Krähe sind, fliegen jetzt in Scharen zu 50 und mehr von Ort zu Ort, haben ihre Standorte schon seit Wochen verlassen und stürzen sich auf die frischgeackerten Felder, wie die Krähen, Würmernahrung zu suchen. Der Hunger nötigt sie nach dem Darwinschen Gesetz der Anpassung, ihre bisherige Menschenscheu ganz aufzugeben und sogar hingestreutes Futter aufzunehmen.
- Auf der Strecke Volkum=Roggen an der Ostfriesischen Küstenbahn wurde von dem Lokomotivführer des Personenzuges plötzlich das Nothsignal gegeben unter Motivierung, es sei ein Mann überfahren worden. Als man nachsah, fand man unter dem letzten Wagen mitten im Geleise einen Mann vollständig unverletzt liegend; der Zug hatte 28 Achsen, die alle über ihn hinweggegangen waren.
- Fahrrad und Pferd. Interessant ist eine Nebeneinanderstellung der Erfolge des Distanzrittes Wien=Berlin und der Stafettenfahrt Berlin=Köln, welch letztere in diesem Sommer von Radfahrern ausgeführt worden ist. Die Strecke Berlin=Wien beträgt 580 Kilometer. Sie ist vom besten Reiter in 71 Stunden 35 Minuten zurückgelegt worden. Die Strecke Berlin=Köln ist 611 Kilometer lang und ist von den beiden besten Radfahrern in 28 Stunden 37 Minuten durchmessen worden. Man sieht hieraus den gewaltige Vortheil des Rades gegenüber dem Pferd.
- In der Nähe von St. Gallen spielte sich vor 2 Tagen eine furchtbare Blutthat ab. Eine Bande ungarischer Zigeuner, die im Umherziehen Ratten= und Mausefallen verkauften, schlugen aus nichtigen Gründen die Fenster einer am Wege liegenden Herberge ein, zerbrachen alle Gläser, Spiegel, Bilder und Stühle und stürzten sich zuletzt auf den Gastwirth und auf alle im Wirthshause anwesenden Gäste. Acht Personen wurden von den Rasenden lebensgefährlich verwundet, und die Tochter des Gastwirths brach, von mehreren Messerstichen getroffen, tot zusammen. Der in aller Eile herbeigeholten Dorfpolizei gelang es, 14 Zigeuner - Männer, Weiber und halbwüchsige Burschen - festzunehmen und ins Gefängnis abzuführen; während des Transportes wären die Verhafteten von der wütenden Volksmenge fast totgeschlagen worden, und es bedurfte der ganzen Wachsamkeit der Polizei, um dies zu verhindern.
- In eigenartiger Weise entleibte sich in Berlin ein etwa 35 Jahre alter Mann im Thiergarten. Parkwächter fanden nämlich in der Nähe des Luisendenkmals im Tiergarten hoch oben in der Krone einer Tanne eine Leiche hängen. Ein Mann hatte den Baum erklettert und sich dort mittelst seines Halstuches an einen Ast aufgeknüpft.


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Anzeigen.

Zur öffentlich meistbietenden Verpachtung der Meierei Demern, welche Johannis k. Js. aus der Pacht fällt, ist vor dem unterzeichneten Großherzoglichen Domainenamte Termin auf

Donnerstag, den 15. Dezember d. Js.
Vormittags 11 Uhr

[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 3]

anberaumt worden, wozu Pachtliebhaber hierdurch eingeladen werden.
Dem Großherzoglichen hohen Kammer= und Forst=Collegio bleibt die Wahl unter den 3 annehmlich Meistbietenden vorbehalten und haben dieselben falls sie nicht schon Kammerpächter sind, wegen ihres Gebots eine Conventionalpön von 3000 M. sofort zu bestellen und sich über ihre bisherige Führung und öconomische Tüchtigkeit, sowie über das zur Annahme des Pachtstücks erforderliche Vermögen auszuweisen.
Die Contractsbedingungen können in der hiesigen Domainenamts=Registratur eingesehen und das Pachtstück nach zuvoriger Meldung auf dem Hofe Demern in Augenschein genommen werden.
Schönberg, den 16. November 1892.

Großherzogl. Mecklenburgisches Domainenamt.
Cl. v. Oertzen.


Tannen-Kiepenholz-Auction.

Am Sonnabend, d. 3. Decbr. Morg. 10 Uhr sollen im Bahlen an Ort und Stelle

ca. 40 Stück tannen Kiepenhölzer

meistbietend verkauft werden.
Versammlung der Käufer am Schlagbaum der Ziethener Feldmark auf der alten Lanckower Landstraße.
Schönberg, den 26. Novbr. 1892.

                                                    Der Oberförster
                                                    C. Hottelet.


Am Donnerstag den 1. December d. J., Nachmittags 1 1/2 Uhr werde ich auf der Vollstelle der Frau Kols zu Grieben einen Diemen Weizenstroh - 5-6 Fuder - öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung versteigern lassen.

Der Sequester.
H. Greve.


Holz=Auction.
Am Mittwoch, d. 30. N ovember a. c.

Vormittags 10 Uhr anfangend, werden im Kaiserhof Untertrave Nr. 104 öffentlich meistbietend von mir versteigert:

ca. 3000 Zw. ebenk. und Wahlbretter

lagernd auf der Lastadie hieselbst Platz 1, 6 und 8.
Verzeichnisse an meinem Comtoir Breite Str. 18 zu haben.
Lübeck, den 21. Novbr. 1892.

                                                    Emil Tesschau,
                                                    beeidigter Auctionator.


Oeffentliche Zwangsversteigerung.

Mittwoch, den 30. November d. J. Vormittags 9 Uhr beginnend, sollen in Klocksdorf:

2 kleine Pferde, 1 mittelgroßes Schwein, 3 Stand Bienen, 3 Wagen, 1 Decimalwaage, 1 Kornrummel, 1 Häcksellade, ca. 3 Fuder Heu und Stroh und etwas ungedroschener Hafer, 20 Sack Kartoffeln, ein Rest Pflanzkartoffeln, Runkelrüben, Brennholz und alte Bauhölzer, Kisten, Tonnen und Fässer, Pferdesielen, Tische, Stühle und Bänke, auch verschiedene Materialwaaren, Fayance= und irdenes Geräte eine Ladeneinrichtung und vieles mehr,
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 24. November 1892.

                                                    Staffeld, Gerichtsvollzieher.


Oeffentliche Zwangsversteigerung.

Sonnabend, den 3. December ds. Js Vorm. 10 Uhr sollen in Lockwisch

1. eine Partie ungedroschene Gerste resp. Mengekorn,
2. einige Saatkartoffeln, 1 Torfschiff und Torfbackgeräthschaften und eine Partie Torf
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden. Versammlung der Käufer im Kruge zu Lockwisch.

                                                    Staffeldt, Gerichtsvollzieher.


Kerbschnitzmesser und Beitel, Laubsägebretter, Bügel und Sägen
empfiehlt                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Holz=Auction
im Vitenser Forste
Revier: Törber Holz

am Freitag, den 2. December 1892 unter den an Ort und Stelle zu verlesenden Verkaufsbedingungen über:

  11 Stück loheichen Rundhölzer 4-7 Mtr. lang 22-43 cm. Durchm.
500 lfd.Mtr. Eichhester 10-13 und 13-15 cm. stark zu Pfahl und Nutzholz.
  40 Rmtr. loheichen Kluftholz II. Kl.
  80 Rmtr. loheichen Knüppelholz I. u. II. Kl.
230 Rmtr. loheichen Buschholz v. Aesten u. Zweigen.
    4 Rmtr. ellern Rodestämme.
108 Rmtr. haseln Zaunbusch.
Versammlung Morgens 9 Uhr bei der großen Eiche.
Vitense, den 26. November 1892.

                                                    L. Wiegandt,
                                                    Großherzogl. Revierförster.


Zwecks Gründung einer                          
freiwilligen Feuerwehr
am Sonntag den 4. Decbr. Abends 7 1/2 Uhr im
Boye'schen Gasthause Versammlung.
Interessirende sind hiermit freundlichst eingeladen
im Auftrage: Saß.


Allen sparsamen Hausfrauen
empfehlen sich als beste u. billigste Bezugsquelle von                          
gebrannten Caffee
Groth & Diedrichs Caffee=Rösterei u. Lager
Rostock i. M.
10 verschiedene Sorten, von M. 1.20 bis M 2.10 Pfennig (Mecklenburg). per Pfund
Röstung durch Dampfbetrieb.
Bei Bezug von Postcolli frco. gegen Nachnahme oder vorherige Einsendung.
Niederlagen werden errichtet.
Lohnender Verdienst.


Für den Winterbedarf

empfiehlt sein gut assortiertes Lager von Handwerkszeugen (Garantiewaare) und Beschlagartikel etc.

Hochachtungsvoll                          
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Neu!
Eiserne Körner= oder Wurfschaufeln
und Dunghaken
empfiehlt                          
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Emaillirte
Blech- und Gußgeschirre
sowie sämmtliche Hausstandssachen und Maschinen
empfiehlt                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Zur Schlachtzeit
sind Wurststopfmaschinen neuer Construction
leihweise zu haben bei                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Korb-, Brett-, Bügel-, Spann-, Schweif-, Knochen-, Stich- und Baumsägen,
nur Garantiewaare, empfiehlt                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Spring- u. Hausstandswaagen.
geaichte Decimal= und Tafelwaagen,
sowie sämmtliche Gewichte empfiehlt                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Echt amerik. Original=Oefen, Majolika Salon=Oefen für Antracit=Kohle und Regulir=Oefen werden auf's schnellste besorgt nach Zeichnung mit Preisangabe von J. Ludw. D. Petersen.


[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 4]

Neues Jahr, neues Glück!

Zu der am 5. Jan. neu beginnenden

Großen Hamburger Geldverloosung

empfehlen für 1. Ziehung:

1/1 Loose à 6 M., 1/2 à 3 M. 1/4 à 1.50 M.
An Hauptgewinnen kommen folgende zur Entscheidung:

In 1. Cl. 50,000 M., in 2. 55,000, 3. 60,000 M., 4. 65,000 M., 5. 70,000 M., 6. 75,000, in 7. eventl. 500,000, spec. 300,000, 200,000, 100,000, 60,000 40,000, 30,000 M. etc.
Es bietet sich also die allergroßartigste Gewinngelegenheit, so daß Jedermann sein Glück versuchen sollte. Aufträge, welche unter Nachnahme nach allen Orten prompt ausführen, erbitten recht bald

Mindus & Marienthal,
Hamburg.


Das Photographische Atelier
von Heinr. Albrecht

empfiehlt sich zur Anfertigung aller Arten

Photographien.

Vergrößerungen nach allen, selbst den ältesten Bildern. Ständige Momentaufnahmen im Winter, daher auch Aufnahmen bei jeder Witterung.
Um Weihnachtsbestellungen sorgfältig ausführen zu können, werden dieselben frühzeitig erbeten.

Das Atelier ist jeden Sonntag geöffnet.


Zahnschmerzen aller Art werden selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extrakt beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. In Fl. à 50 Pfg. im Alleindepot für Schönberg bei Heinr. Böckmann Bandagist.


Grüne Kocherbsen
empfiehlt                          
                                                    W. Wieschendorf.


Kampf=
genossen=
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.
Schönberg.

Zur Feier des Gedenktages von Loingny am Freitag den 2. December d. J. im großen Saale des Herrn J. Boye
  1) Theateraufführung des Festspiels

Alter schützt vor Thorheit nicht,
Lustspiel in 1 Akt von W. Drost,
2. "Onkel Scharfrichter."
Lustspiel in 1 Akt von Ferking.
3) Marketender=Liebe,
Militärisches Zeitbild in 1 Akt von M. Bauermeister.

  4) Nach der Vorstellung

Ball.
Entre für Theater: 1. Platz 1 M., 2. Platz 50 Pfennig (Mecklenburg)., Gallerie 30 Pfennig (Mecklenburg).
Für Kameraden und deren Frauen frei.
Kassenöffnung 6 1/2 Uhr. Anfang 7 Uhr.

Zu recht zahlreichem Besuch aus Stadt und Land ladet freundlichst ein

                                                    Der Vorstand.

Karten zum Theater sind von Mittwoch den 30. ds. Mts. ab bei den Kameraden Diersen und Maack zu haben.


Sonntag den 4. Decbr. d. J.
Concert, Theater und Ball
im Lokale des Herrn Gasteirth Böttcher
zu Rieps.
Zur Aufführung kommt u. a :                          
Ein Toiletten-Geheimniss,
oder
Du bist blass Luise.
Lustspiel in 1 Act von F. A. Sauer.
Personen:
Ferdinand Walther, Rentier.          
Luise, seine Frau.                                
Karoline, deren Kammermädchen.
Peter, ein Diener.                               
------------
Kassenöffnung 6 Uhr,                           Anfang 6 1/2 Uhr.
Hierzu ladet ergebenst ein                          
Der Vorstand des Männergesang=Vereins
zu Rieps.


Die beste Seife
der Welt ist Doerings=Seife mit der Eule.
Zu haben bei                          
                                                    W. Wieschendorf.


Füttern Sie die Ratten u. Mäuse,nur mit dem sicher
tödtlich wirkenden Heleolin. Unschädlich
für Menschen u. Hausthiere.
In Dosen à 60 Pfg. und. 1 Mk. erhältlich bei
H. Brüchmann. Schönberg i. M.


Neu!                           Lieblich und zart                           Neu!

belebend und erfrischend ist das Riviera-Odeur, von der Riviera Parfümerie Berlin.

Flaschen und Spritzkorken à 1 Mark und 1,50 Mark
zu haben bei
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Briefmarken-Sammlung.

zu kaufen gesucht. Angebote unter Angabe von Preis und Stückzahl an die Exped. ds. Blattes


Dienstboten,

als: Kutscher, Groß= und Kleinknechte, Futterknechte, Jungen und Mädchen sowie Arbeiterfamilien, Arbeiter und Arbeiterinnen, stellt unter günstigen Bedingungen

Nachweisungs=Contor Albert Wagner,
Siemzerstraße Nr. 196.


Eine gute, milchgebende
Ziege
ist zu sofort zu verkaufen.                          
Siemzerstraße Nr. 148a.


Für die bei dem Ableben meiner lieben Frau und unserer guten Mutter und Großmutter uns erwiesene liebevolle Theilnahme sagen wir von Herzen innigen Dank.
Selmsdorf, 24. November 1892.

                                                    P. Buschow
                                                    nebst Kindern und Enkelkindern.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
9,49 Vorm. 11,59 Mitt. 3,10 Nachm. 7,11 Abends. 11,55 Nachts.
nach Kleinen:
7,32 Morg. 10,13 Vorm. 12,50 Nachm. 5,26 Nachm. 8,39 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 94 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 29. November 1892.


Aus dem russischen Arbeiterleben.
Skizze von Ernst Schrill (S. Keller.)

Ganz anders fällt die Schilderung aus, wenn längere Krankheit, Unglücksfälle oder - das Nationallaster, das Schnapstrinken, eingekehrt ist. Dann wird der größte Theil des Sommerverdienstes vertrunken, ehe der Winter anfängt, und die grause Noth treibt die Leute im Winter in die großen Städte, wo sie als Lastträger, Kutscher, Fabrikarbeiter ein jammervolles Dasein fristen, bis der Sommer hereinbricht und das Lied von Neuem anfängt. Auf meinen Reisen durch Oesterreich, die Schweiz und Deutschland habe ich nirgends so viele wüste Betrunkene gesehen als in Rußland. Der gemeine Russe hat verschiedene Bezeichnungen für dieses Volksverderben. Trinkt man nur ab und an bei Hochzeiten oder an hohen Feiertagen sich knittelvoll, so heißt das blagorodnoje pjanstwo, d. h. nobles Trinken. Dergleichen nimmt man keinem russischen Beamten oder russischen Dorfpopen übel. Ja, der Russe behandelt die Betrunkenen mit einer Art zärtlichen Pietät, sagt doch ein Sprichwort: "Dem Betrunkenen ist selbst das Meer nur bis an die Kniee!" oder ein anderes: "Saufe, aber besorge Deine Pflicht." Etwas anderes sind die Leute, die an dem Sapoi oder der periodischen Saufwuth leiden. Diese können sich einige Monate völlig nüchtern als vortreffliche zuverlässige Menschen bewähren, und plötzlich kommt der Dämon ihnen angeflogen. Sie räumen mit einer unheimlichen Klarheit über ihren Zustand alles Handwerkszeug; ein Kutscher nimmt von seinen Pferden zärtlichen Abschied, - ein anderer ordnet für eine Woche Alles in seinem Geschäft, als müßte er so lange verreisen; alles Zureden und Abhaltenwollen verfängt aber nichts mehr; der Mann muß jetzt drei oder acht Tage viehisch betrunken sein! Wieder Andere gleichen den Gewohnheitstrinkern anderer Länder, die einfach keinen Tag zu Ende gehen lassen, ohne sich zu betrinken. Solche sagen wohl, sie trinken "vor Gram"; man erfährt nicht recht, woher der Gram kommt, aber getrunken muß werden. Das gemüthliche Wirthshausleben - das ich offen gestanden in Deutschland auch für ein fressendes tötliches Gift im Mark des Volkslebens halte, - wo man mit Seinesgleichen in hellerleuchteten, geheizten Räumen beisammen sitzt und plaudernd und trinkend seine Abende verbringt, kennt der gemeine Mann dort nicht. Schmutzige Löcher, in denen oft keine ordentliche Bank auf dem Schlüpfrigen Lehmboden steht, genügen um sich in einer halben Stunde total zu betrinken; dann führt die tolle Bande vor der Schnapsschenke ihren Lärm, ihre Umarmungen oder Schlägereien auf. In den großen Städten paßt die Polizei auf, daß nicht zu viel Lärm entsteht, in kleinen Dörfern brachte es Unsereinem oft Lebensgefahr, am Sonntag Abend durch solch' eine betrunkene Schaar, unter der leider auch Weiber in gleichem Zustande sich befanden, hindurchzufahren. Von der Verkommenheit an Leib und Seele, die in solchen Säuferfamilien herrscht, macht man sich hier kaum einen Begriff, weil allerlei wohlthätige Schranken, wie Zwangserziehung, Schulzwang und Versorgung in Anstalten, dort fehlen. Bemerkenswerth war mir noch der Umstand, daß Leute, die sich zu einer der verfolgten evangelisch gerichteten Secten, wie den Stundisten, hielten, durchweg energisch mit dem Saufen brachen, und nüchterne, sparsame Arbeiter wurden.
Mit dem niedrigen Bildungsstand, dem jammervollen Saufen und der Gleichgültigkeit, die die russische Kirche gegenüber dem Leben und Treiben ihrer Glieder außerhalb der Gottesdienste übt, hängt es gewiß zusammen, daß der gemeine Mann einem stumpfen Schicksalsglauben anheimgefallen ist. Wie oft hörte ich nicht von ganz einfachen Russen als einzige Entschuldigung: "Wolja Boshija" d. h. das ist Gottes Wille! In allerlei Verwaltungsmaßregeln der Regierung schickt man sich, weil es des Herrn Wille so sein müsse und allerlei Verbrechen oder Leichtsinn entschuldigt man mit der Annahme: ."Gott muß mich so geschaffen haben, das muß Gottes Wille so gewesen sein! Daher auch der Todesmuth, den man in früheren Kriegen dem russischen Soldaten bei der fehlerhaftesten Führung seiner Offiziere nachgerühmt hat: ist's ihm nicht bestimmt zu sterben, nun so geht er blind aufs Commando ins feindliche Feuer; soll er sterben, einerlei wo und wie.
Die Fabrikarbeiter unterscheiden sich von den ländlichen Arbeitern zum großen Theil nur durch Verkommenheit, es sei denn, daß an einzelnen Orten eine einsichtige menschenfreundliche Fabrikleitung durch Schulen und freiwillige wohlthätige Einrichtungen es unternommen hätten, aus den Leuten etwas zu machen. Die Wohlfahrtseinrichtungen der hiesigen Industrie zwingen dieselbe an manchem Ort, die Preise der Produkte in die Höhe zu schrauben, während die russische Industrie diese Rücksichten und Schranken nicht hat und daher Concurrenz machen kann in billigerer Herstellung der Produkte. Daß es nicht mehr geschieht, ist Schuld der Russen. Die soziale Frage der Arbeiterbevölkerung aber existiert eigentlich in Rußland gar nicht. Bei dem Standpunkt der Bildung und dem Maßstabe ihrer Bedürfnisse können sie genug verdienen, um zufrieden durchzukommen. Man vergesse nicht, daß Brot, Kartoffeln, Fleisch, Milch in Rußland viel billiger sind, als an irgend einem Industrieorte des Westens. Freilich ist das Fehlen an Krankenkassen und dergleichen bisweilen entsetzlich fühlbar. Aber Stumpfheit hilft tragen. - Die nihilistischen Unruhen haben mit dem Loose des Arbeiters wenig zu thun. Aehnlich wie in den zwanziger Jahren sich in Deutschland Freiheitsbestrebungen und zum Theil unreife Vorkämpfer für Volkswohl fanden, die dem herrschenden Metternichschen System schnurstracks ins Angesicht schlugen, - so giebt es in Rußland seit Jahrzehnten eine Strömung, die auf Befreiung des Volkes von der oft unerträglichen Beamtenschaft hindrängt, die wahres und falsches mengend einem siedenden Kochtopf gleicht; manches mag darin gar gekocht werden, manches überkochen und verderben. Jedenfalls ist die harte unwürdige Weise, wie die Regierungsorgane vielfach gegen sie vorgegangen sind, zum größten Theil an den nihilistischen Umtrieben schuld. Gedanken wollen eben vor der Polizei nicht weichen, selbst wenn Sibirien und Anschmiedung an die Karre droht.


Die Lage der Bauern im XVI. Jahrhundert.

Es ist ja nur zu bekannt, daß auch in unsern Tagen ein schlimmer Geist der Unzufriedenheit und Unbehagens durch die ganze Welt geht. Eine große Anzahl von Menschen ist mit dem Loos, was ihnen zugewiesen wurde, nicht zufrieden und murrt. Wieder andere verweisen immer auf frühere Zeiten und vermeinen, da wäre es ungleich besser gewesen. Solche Stimmen hören wir auch vielfach in unserer ländlichen Bevölkerung. Sehen wir zu, ob solche Ansichten wirklich begründet sind und hierzu noch eine kleine Schilderung des Bauernstandes im 16. Jahrhundert.
Nach den Fürsten, Adligen und Geistlichen, welche den ersten Stand in Deutschland bildeten, kamen die Bürger als zweiter Stand. Zu dem dritten Stande gehörten die Bauern, d. h. diejenigen, die auf dem Felde, in Dörfern, Höfen und Weilern wohnen; sie werden so genannt, weil sie das Feld bauen. Sie führen ein schlechtes Leben. Ihre Häuser sind erbärmliche, aus Lehm und Holz erbaute, auf das Erdreich gesetzte und mit Stroh bedeckte Wohnungen. Ihre Nahrung besteht aus schwarzem Roggenbrot aus Haferbrei, gekochten Erbsen und Linsen. Wasser und Molken dienen

[ => Original lesen: 1892 Nr. 94 Seite 6]

ihnen zum Trank. Eine Zwillichjoppe, zwei Bandschuhe und ein Filzhut machen ihre Kleidung aus. Von Ruhe wissen die Leute nichts, denn von früh bis spät müssen sie arbeiten. Den Ertrag ihrer Felder und der Viehzucht bringen sie zum Verkauf in die nächste Stadt, wo sie dagegen dasjenige einkaufen, dessen sie bedürfen; denn unter ihnen befinden sich wenig oder gar keine Handwerksleute. Ihren Herren müssen sie oft im Laufe des Jahres dienen, ihr Feld bauen, besäen, die Früchte ab schneiden, diese in die Scheunen führen, Holz hauen und Gräben machen. Dieses arme Volk muß alles thun, ist jedermanns Fußschemel und mit Fronen Scharwerken, Zinsen, Gülten, Steuern und Zöllen hart beschwert und beladen.
Hoffentlich genügt diese Schilderung, um darzuthun, daß es dermalen auch bei unserem Bauernstand doch hundert mal besser geht, als zu jener gepriesenen Zeit.


- Die Photographien des Kaisers und einiger Personen seiner Umgebung im Kostüm Friedrichs des Großen sind, wie die "National=Zeitung" mittheilt, älteren Datums; sie wurden zur Erinnerung an ein in diesem Kostüm im vorigen Winter gefeiertes Hoffest angefertigt und nur jetzt von dem Photographen ausgestellt.
- Der Gesetzentwurf, betreffend Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung ging dem Reichstage zu. Der Text des Gesetzentwurfs beschränkt sich auf folgende Worte:
Die gesetzliche Zeit in Deutschland ist die mittlere Sonnenzeit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich. Dieses Gesetz tritt mit dem Zeitpunkt in Kraft, an welchem nach der im vorhergehenden Absatz festgesetzten Zeitbestimmung der 1. April 1893 beginnt.
- Prinzessin Marie von Edinburgh, die Braut des rumänischen Thronfolgers, richtete an die Frau des Ministerpräsidenten Catargin ein Schreiben, in dem sie die Annahme des ihr von den rumänischen Frauen als Hochzeitsgabe zugedachten Diadems, das 350 000 Fr. kosten sollte, verweigert. Die zum Ankauf des Diadems in Rumänien veranstalteten Sammlungen hatten einem Teile der rumänischen Presse zu gehässigen Erörterungen Veranlassung gegeben, auch waren bisher nur 140 000 Fr. zusammengekommen.
- Eine Lebensversicherungs=Police ist kein Werthpapier im Sinn des Artikels 313 des H.=G.=B., sondern lediglich eine Bewerbsurkunde, kann also weder Gegenstand eines Faustpfandes, noch eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts sein. So hat das Reichsgericht entschieden.
- Von einem guten Witz, den Fürst Bismarck über den Finanzminister Miquel gemacht haben soll, wissen Berliner Blätter zu berichten: Ein Freund Miquels rühmte kürzlich dem Fürsten gegenüber u. a. auch dessen sympathisches Aeußere und seinen angenehmen Blick. Bismarck erwiderte darauf: "Ich vermisse in seinen Augen die pupillarische Sicherheit."
- Im Wald auf dem Ohmberg bei dem an der hannöver'schen Grenze liegenden Dorf Wehnde wurde eine in Verwesung übergegangene Leiche eines jungen Mädchens aus dem Mittelstand gefunden, deren Persönlichkeit noch nicht festgestellt ist. Der Kopf war vom Rumpf getrennt, Fetzen von Kleidungsstücken lassen einen Kampf, ein leerer Handkoffer Beraubung vermuthen. Man schließt daraus auf ein Verbrechen à la Buntrock.
- Der russische General Riesenkampf, der den Korpskommandanten Generaladjutanten Swistunow thätlich mißhandelt hat, ist vom Kriegsgericht zu fünfjähriger Zwangsarbeit, mit Verlust des Ranges, der Orden und sämmtlicher Rechte, sowie zur nachherigen Uebersiedelung nach Sibirien verurtheilt worden. General Swistunow, der Riesenkampf verwundete, ist nicht zur Verantwortung gezogen worden.
- In den nördlicher gelegenen Theilen Finnlands herrscht stellenweise bereits völliger Winter mit spärlichem Schnee. Das Eis der Flüsse trägt bereits und dennoch ist der Kornschnitt noch nicht beendet, denn noch sieht man hier und da, namentlich um Rauma herum, ungeschnittenen Hafer auf den Feldern stehen. Am 1. Nov. war in Oulu die Temperatur bereits auf 6° gesunken.
- Die Einwanderungs=Commission in Newyork hat neuerdings angeordnet, daß kein Einwanderer durchgelassen werde, der nicht mit einer Eisenbahnfahrkarte, einem Gepäckschein und zehn Dollars Geld versehen sei. Infolgedessen wurden bereits zweihundert Einwanderer nach der Kontrollstation auf Ellis Island gebracht. Die Einwanderer sowie die Dampfschiffahrtsgesellschaften protestirten entschieden, aber vergeblich. Die Gesellschaften drohen, die Sache vor Gericht zu bringen.
- Die schwimmende Insel, über deren Beobachtung im atlantischen Ozean wir schon berichteten, wird die europäischen Küsten nicht erreichen. Die letzten Meldungen erklären, daß die Insel schon in wesentlich verkleinertem Umfang an einer Stelle angetroffen worden ist, wo sie in den Bereich der jüngsten heftigen Sturmzone treiben mußte; Wind und Wellen werden zweifellos dieser Gefahr für den transatlantischen Verkehr ein schnelles Ende bereitet haben.
- Ein merkwürdiger Unglücksfall hat sich dieser Tage an der irischen Küste in der Nähe von Belfast ereignet. Der Schraubendampfer "Medway" wurde während eines dichten Nebels mit solcher Gewalt gegen einen Leuchtthurm getrieben, daß der ganze Bau sofort umfiel und der obere Theil desselben in die See stürzte. In demselben befanden sich der Wächter mit seinen drei Söhnen, die alle vier im Bett lagen. Zwei der Kinder wurden aus ihrer auf dem Meer schwimmenden Behausung fast unverletzt herausgezogen, der Vater hatte aber so starke Quetschungen am Kopf erlitten, daß er bald, nachdem er an Bord der "Medway" gebracht worden war, verstarb, während der Leichnam des jüngsten, sechsjährigen Sohnes aus den Trümmern erst mehrere Stunden später hervorgezogen werden konnte. Das Schiff war kaum merklich beschädigt. Das Ganze wirft jedenfalls ein eigenthümliches Bild auf die Bauart des umgefallenen Lichtwerfers.
- Vom chinesischen Kuchenzettel. Man begegnet in Europa häufig der Ansicht, daß Hunde und Katzen ein Hauptnahrungsmittel in China bilden. Dies ist jedoch nicht ganz richtig. Zunächst werden diese beiden Hausthiere nur von der ärmeren Bevölkerung genossen, und auch das noch nicht in allen Gegenden. In den großen Seestädten, wo animalische Nahrung leicht und billig zu beschaffen ist, kennt man den Genuß von Hunden und Katzen fast garnicht; in Canton z. B. existiren gegenwärtig nur vier Stellen, die sich mit dem Schlachten jener Tiere befassen. Ein Vergleich mit dem Pferdefleischgenuß in Europa wäre hier nicht unangebracht. Wesentlich anders liegt die Sache jedoch im Binnenland. Hier bilden Hunde= und Katzenfleisch einen regelrechten Handelsartikel, und ebenso geschlachtete Ratten und Mäuse, die von den Unbemittelten in großen Quantitäten verzehrt werden. Die Hakkas, ein kräftiges Gebirgsvolk, welches die Höhenzüge im Westen von Amoy bewohnt, sind die bekanntesten Hunde=, Katzen= und Rattenesser und ihre Art des Schlachtens und Zubereitens dieses Wildes ist wirklich in hohem Grad abscheuerregend. Mit einem runden spitzen Stahl stechen sie in den Hals der Thiere, so daß diese ganz langsam verbluten. Während sie noch zucken, beginnt das Abhäuten und Ausweiden. Die Pfoten des Hundes hält man für den größten Leckerbissen. Unter den Katzen sind es die schwarzen, denen man den Vorzug giebt, während weiße und bunte ziemlich verachtet sind und in vielen Distrikten gar nicht gegessen werden. Bei den Ratten macht man keinen Unterschied, Haus=, Feld= und Wasserratten erfreuen sich als Nahrungsmittel der gleichen Achtung - und das erste, was der Reisende in einer kleinen chinesischen Stadt oder einem Dorf erblickt, sind Hunderte von geschlachteten Ratten, die an langen Schnüren außerhalb der Häuser oder quer über die Straße zum Trocknen aufgehängt sind, die Schwänze nach oben, ähnlich wie die Zwiebeln in Nord=Europa oder der Mais in Amerika. Auch das Fleisch des Pferdes, obgleich es fürchterlich zähe und trocken ist, wird in allen Provinzen des Kaiserreichs, zwar nicht mit Vorliebe, aber doch regelmäßig gegessen. Die ungeheure Uebervölkerung mancher Distrikte läßt nichts unangetastet; vom Regenwurm bis zum alten Pferd, das vor dem Karren tot zusammenbricht, ist ihr Alles eßbar.


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