No. 72
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 14. September
1892
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 1]

          Den Einwohnern des Fürstenthums Ratzeburg wird hiermit die Aufnahme von Personen aus Hamburg oder anderen von Cholera befallenen Ortschaften verboten. Solche Personen werden, falls die Isolirung nicht anderweitig garantirt wird, Zwecks ärztlicher Beobachtung in die hierselbst vor dem Bahnhofe eingerichtete Quarantäne=Station (Schützenhaus) internirt werden und werden für ihren Lebensunterhalt während mindestens 3er Tage daselbst die Kosten selbst zu tragen haben.
          Zugleich machen wir hiermit in Gemäßheit der §. 9. 3 der V. O. vom 21. Juli 1886 bekannt, daß die Krankheit der aus Hamburg hergereisten und am 1. Sept. im Seuchenhause verstorbenen Frau nachträglich als cholera asiatica festgestellt ist.
          Schönberg, den 5. September 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.                           v. Blücher.


              Den Gastwirthen und Krügern des Fürstenthums Ratzeburg wird hiermit die Führung eines Fremdenbuches zur Pflicht gemacht. In dasselbe ist der Name, der Stand jedes Fremden= sowie der Ort, von welchem er kommt, einzutragen. Wie den Gendarmen jederzeit Einblick in das Fremdenbuch zu gewähren ist, so ist am letzten jeden Monats Abschrift der Eintragungen des Monats der Großherzoglichen Landvogtei zuzustellen.
              Zuwiderhandlungen werden in jedem einzelnen Fall mit Geldstrafe bis zu 60 M. oder Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
              Schönberg, den 7. September 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.                           v. Blücher.


              SSämmtliche Abflüsse und Abflußgräben in hiesiger Stadt (namentlich auch auf den Wiesen) sind schleunigst gründlich aufzuräumen resp. so offen zu halten, daß das Wasser abfließen kann.
              Schönberg, den 7. September 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
v. Blücher.


                Der Schlachtermeister Hr. Moll hieselbst beabsichtigt, seinen Schlachtereibetrieb nach seinem an der Schlauentrifft allhier belegenen Grundstücke zu verlegen und hat bei Einreichung eines bezüglichen Situationsplanes die obrigkeitliche Erlaubniß hierzu beantragt.
                Indem solches in Gemäßheit von § 17 der Gewerbeordnung zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird, ergeht hierdurch die Aufforderung, etwaige Einwendungen gegen die neue Anlage binnen 14 Tagen bei uns anzubringen.
                Schönberg, den 9. September 1892.

Großherzogliche Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


              Das Betreten des Perrons auf hiesigen Bahnhofe bei Herannahen der Züge wird hiemit bis auf Weiteres jedem verboten, der nicht dort zu thun hat oder abreisen will.               Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 60 M. oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
              Schönberg, den 8. September 1892.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 2]

Infolge Wegfalles der Kaisermanöver besucht der Kaiser Elsaß=Lothringen bekanntlich nicht; an seiner Stelle nimmt aber der Großherzog von Baden Inspectionen der reichsländischen Truppentheile vor. Bei dieser Gelegenheit feierte der Oheim des Kaisers am Freitag in Metz seinen Geburtstag. Dem Großherzog wurden bei dieser Gelegenheit von Seiten der Bevölkerung vielfache Sympathiekundgebungen bewiesen.
Zu den Erörterungen über die neue Militairvorlage sprechen sich die "Preußischen Jahrbücher" in ihrem Septemberheft folgendermaßen aus: "In der Armeefrage haben wir früher unsern Standpunkt dahin präzisirt, daß die volle Durchführung der Wehrpflicht unter allen Umständen energisch angestrebt werden muß. Es giebt dazu zwei Wege: entweder die zweijährige Dienstzeit oder eine starke Vermehrung der kursorisch ausgebildeten Ersatzreserve. Welche von beiden Methoden vorzuziehen sei, ist dem von der technischen Behörde, der Kriegsverwaltung berathenen allerhöchsten Kriegsherrn zu überlassen."
Das Kriegsministerium zu Berlin veröffentlicht eine Kabinetsordre, welche die Entlassung der Reservisten= und Dispositionsurlauber bei sämmtlichen Armeekorps betrifft. Danach kann bei cholerafreien Truppen, soweit sie nicht in inficirten Orten gelegen haben, die Entlassung planmäßig erfolgen, und zwar erforderlichen Falls gleich vom Manövergelände aus. Solchen Mannschaften, welche nach Orten, die von der Seuche ergriffen sind, entlassen werden müßten, soll freigestellt werden, vorläufig bei der Truppe zu verbleiben, ohne daß ihnen dies als Uebung angerechnet wird. Bei Truppentheilen, die von der Cholera befallen sind, hat vor der Entlassung eine Absonderung der Reservisten und Dispositionsurlauber von der Truppe stattzufinden, und darf die Entlassung derselben erst dann erfolgen, wenn diese Mannschaften 8 Tage hindurch frei von Cholera oder choleraverdächtigen Erkrankungen geblieben sind. Mannschaften, die vorübergehend in Cholerainfizirten Orten einquartirt waren, dürfen nur nach 8tägiger Beobachtung entlassen werden. Befanden sich zur Entlassung bestimmte Mannschaften dauernd in durchseuchten Orten, so ist ihre Entlassung erst zulässig, wenn ärztlicherseits an ihnen keine der Cholera verdächtigen Zeichen gefunden werden und bei einer 8tägigen Isolirung Krankheitserscheinungen nicht auf getreten sind. Vor der Entlassung der in 8tägiger Beobachtung gewesenen Mannschaften ist eine sachgemäße Desinfektion ihrer Wäsche und Kleider vorzunehmen. Diese durchaus zweckmäßigen Bestimmungen werden den Zeitpunkt der Entlassung der Reservisten vielfach hinausschieben. In der Kabinetsordre vom 30. Januar cr. war der 30. September als der späteste Entlassungstag bestimmt, der sich aber jetzt wohl kaum überall innehalten lassen wird.
Die russische Komission, die in St. Petersburg zur Beratung der zwischen Deutschland und Rußland schwebenden wirthschaftlichen Fragen eingesetzt ist, wird noch im Lauf dieser Woche zu einer Sitzung zusammentreten. Der Komission gehören der Finanzminister, die Minister des Innern und der Domänen, sowie der Minister des Auswärtigen an.
Mit dem Notstand in Rußland ist es noch lange nicht zu Ende. Elf Gouvernements erbaten bereits wieder zur Aussaat und zu Verpflegungszwecken 13 Millionen Rubel; vorläufig wurden 5 Mill. gezahlt mit dem Bemerken, daß mehr von dem Verpflegungskapital jetzt nicht flüssig zu machen sei.
Präsident Harrison veröffentlicht ein Manifest, durch welches er sich von Neuem um die Würde des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika bei der bevorstehenden Präsidenten=Neuwahl bewirbt.
Unter den Hamburger Amerikadampfern welcher vor New=York in Quarantäne liegen, kommen immer noch Choleraerkrankungen vor. Die Quarantäne wird an der amerikanischen Küste mit großer Härte gehandhabt.
Für den 1. Oct. wird die rumänische Kammer zu einer außerordentlichen Session einberufen werden, um über ein Gesetz bezüglich der Apanage des Thronfolgers zu berathen. Die Vermählung desselben soll bald darauf in London stattfinden. Das kronprinzliche Paar wird dann seine Residenz im königl. Schloß Pojeni bei Jassy nehmen.
Die Wahl des neuen Jesuitengenerals an Stelle des verstorbnen P. Anderledy findet demnächst in Rom statt. Der von Papst Leo XIII. in seine sämtlichen Rechte wieder eingesetzte und mehr denn je mächtig gemachte Jesuitenorden umfaßt zur Zeit 5 große Regionen, Italien 1558, Deutschland, Oesterreich=Ungarn, Belgien, Holland mit 2165, Frankreich und die französischen Kolonien 2978, Spanien und Mexiko mit 1953, England und die Vereinigten Staaten mit 1895 Jesuiten. Weit größer und den Nicht=Jesuiten natürlich streng geheim gehalten, ist die Zahl der in freier Form und ohne "Profeß"=Ablegung den Orden angehörigen Individuen beiderlei Geschlechts, eine Zahl, die hoch in die Zehntausend gehen soll. Das Mutterhaus der Gesellschaft Jesu ist nach der Einnahme Roms 1870 nach Fiesole bei Florenz verlegt worden, wo der General residiert. Dennoch befindet sich die eigentliche Zentrale der Propaganda des Ordens in Rom, wo derselbe im Besitz großer Etablissements ist. Der Papst soll der Wahl eines Spaniers zum Ordensgeneral zuneigen.


- Schönberg. Die ältere der durch einen unglücklichen Schrot=Schuß am 3. Sept. verletzten Schwestern in Boitin=Resdorf ist nunmehr leider am 9. Sept. ihrer Verwundung erlegen; derselben war ein Schrotkorn in's Auge gedrungen und soll aus diesem Anlaß eine Gehirnentzündung eingetreten sein, die den Tod herbeiführte. Wie wir hören, soll seitens der Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet sein.
Der gegen die übertriebenen Maßnahmen zahlreicher Orts= und Polizeibehörden zur Abwehr der Choleragefahr in Aussicht gestellte preußische Ministererlaß wird nunmehr im amtlichen Theile des Reichsanzeigers veröffentlicht. Der von dem Minister des Innern und dem Cultusminister unter dem 8. September unterzeichnete Erlaß enthält die Grundsätze, nach welchen die erforderlichen Maßnahmen einheitlich für alle preußischen Landestheile zu erfolgen haben. Der Erlaß schreibt zunächst für alle aus dem Hamburgischen Staatsgebiet kommenden Personen während der ersten sechs Tage nach Verlassen desselben an jedem Ort, an welchem sie anlangen, die Meldepflicht bei der Ortspolizeibehörde und den Ausweis über den Tag, an welchem sie jenes Gebiet verlassen haben, ferner polizeiliche Beobachtung dieser Personen hinsichtlich des Gesundheitszustandes aber mit möglichst geringer Belästigung und eventuell eine ärztliche Untersuchung vor. Derselben Behandlung unterliegen alle Personen, welche aus einem anderen Orte eintreffen, an welchen nach einer ausdrücklichen amtlichen Veröffentlichung im Deutschen Reichs= und Preußischen Staats=Anzeiger Cholera epidemisch herrscht. Quarantänen werden grundsätzlich nur für den Seeschiffahrtsverkehr durch die Centralbehörden geschaffen. Die gänzliche Absperrung eines Orts gegen Personen einer verseuchten Gegend wird im allgemeinen als unstatthaft und höchstens in Ausnahmefällen als von der Polizeibehörde zuzulassen erklärt, z. B. bei Absperrung von Inseln, Badeorten, abgelegenen Gebirgsorten. Verboten soll sein die Ein= und Durchfuhr von gebrauchter Leib= und Bettwäsche, gebrauchten Kleidern, Hadern und Lumpen aller Art, Obst, frischem Gemüse, Butter und Weichkäse aus dem hamburgischen Staatsgebiete, dagegen ausgeschlossen von dem Verbot Wäsche und Kleider von Reisenden. Schließlich wird noch vorgeschrieben, daß alle Post= und Packetsendungen aus verseuchten Orten vor Oeffnung der Ortspolizeibehörde gemeldet und von der letzteren bei der Oeffnung festgestellt wird, ob die Sendung Gegenstände, deren Einfuhr verboten ist, enthält.
- Als Kuriosom verdient Erwähnung, daß 2 am Sonntag in Kiel eingetroffene Hamburger Aerzte kein Unterkommen finden konnten und genötigt waren, in den akademischen Heilanstalten zu übernachten.
- Neuerdings hat man wieder, wie eine Berliner Lokalkorrespondenz meldet, in der Kuponskasse der Deutschen Bank eine Unterschlagung entdeckt. Es handelt sich um einen Fehlbetrag von 14 000 Franks Kupons fünfprozentiger italienischer Rente. Die Ermittelungen zur Feststellung des Thäters sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben.
- Der Gesammtschaden des vorwöchentlichen

[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 3]

Waldbrandes bei Görlitz der von dem Eisenbahnfiskus zu tragen ist, beträgt nach einer Meldung der, "Voss. Ztg." 50 000 Mk.
- Professor Rudolf Virchows Wahl zum Rektor der Berliner Universität für das Jahr 1892/93 hat die königliche Bestätigung erhalten; die dahin gehende Veröffentlichung wird demnächst im "Reichsanzeiger" erfolgen.
- Mit dem am 3. September aus Sansibar abgefahrenen Dampfer "Admiral" der deutschen Ostafrika=Linie ist nach einer in Berlin eingetroffenen Mittheilung die erste Tabaksernte der deutsch=ostafrikanischen Plantagengesellschaft verschifft, deren vorher nach Deutschland eingesandte Proben, wie schon erwähnt, eine vorzügliche Beurtheilung erfuhren. In Kolonialkreisen steht man dieser Sendung mit Spannung entgegen, da sie die erste von größerem Umfange ist, welche auf die kulturelle Leistung unsere afrikanischen Kolonie einen Schluß erlaubt.
- Der Schauspielerin Chassaing in Paris wurden 80 000 Frks. sowie ihr ganzes Silbergeschirr gestohlen.
- Der Sekretär einer englischen Baugesellschaft in Woolwich wurde nach Unterschlagung von 800 000 Mark flüchtig.
- Außerordentlich reiche Goldlager hat man im Flüßchen Bom in Ostsibirien entdeckt und zwar durch - Räuber. Eine große Räuberbande hatte ungefähr 200 Werst von Blagowieszlzensk entfernt in einer vollständig unbewohnten Gegend ihr Lager am Ufer des Bom aufgeschlagen und dort sehr viel Goldsand im Flußbett gefunden. In aller Stille versahen sich die Räuber mit den geeigneten Instrumenten und wuschen den Goldsand, hatten auch bald ein ziemliches Quantum reines Gold gewonnen. Die Sache kam aber an den Tag und die Regierung sandte ein Kommando Kosaken an die bezeichnete Stelle, um die Räuber zu vertreiben und ihnen die reiche Beute abzunehmen, was auch geschah. Jetzt hat nun die Regierung daselbst eine eigene Goldwäscherei eingerichtet, welche von Soldaten bewacht wird.
- Der Eisenbahnverkehr wird bei der Zunahme der Choleragefahr immer schwächer. So führen z. B. sowohl die von Köln nach Hamburg fahrenden, wie die von dort eintreffenden Züge nur wenige Reisende mit. Auch der Verkehr von Holland, Belgien und Frankreich hat sehr nachgelassen. Der Mittwoch Abend von Vlissingen in Köln eintreffende Zug hatte nur einen Reisenden.
- Die neuste Nummer des "Reichsgesetzblattes" enthält eine Bekanntmachung betreffend die Bezeichnung der Kauffahrteischiffe, wonach der Bundesrath beschlossen hat, daß die von den Schiffen zu führenden Namen auf denselben in einer Schrift von solcher Größe anzubringen sind, daß die Höhe der kleinsten Buchstaben mindestens 10 cm beträgt.


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Schönberg, d. 12. September 1892.

Großherzl. Mecklenburgisches Domainen=Amt
Cl. v. Oertzen.


Torf=Auction

Am Donnerstag, den 15. September d. J. Morgens 9 Uhr sollen auf dem Kuhlrader Moore (Molzahner Seite)

66 Mille Formtorf

öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Carlow, 6. September 1892.

A. v. Linstow.


Torf=Auction.

Am Sonnabend den 17. Sept. d. J., Morgens 9 Uhr sollen

42 Mille Formtorf

auf dem Gr. Rüntzer Moore öffentlich meistbietend versteigert werden.
Carlow, 9. September 1892.

A. v. Linstow.


Oeffentl. Zwangsversteigerung.

Sonnabend, den 17. September ds. Js. Vorm. 9 Uhr sollen auf der Feldmark Hof=Lockwisch (am Wege von Rupensdorf nach Lockwisch)

ca. 30 []R. Kartoffelpflanzung

öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 10. September 1892.

                                                    Staffeldt,
                                                    Gerichtsvollzieher.


Hängelampe Zur Wintersaison empfehle mein gut sortirtes Lager von Beleuchtungs=Gegenständen als:

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Nicht auf Lager habende Muster werden nach Zeichnung in kürzester Frist geliefert.

Hochachtungsvoll                          
                          W. Wieschendorf,
                          Klempner.


Prachtvolle Haut

zarten Teint, jugendliches Aussehen erhält man durch den Gebrauch der Rosenmilch-Seife von der Reviera Parfümerie Berlin.

Preis p. Stück 50 Pf. zu haben bei
                                                    J. L. D. Petersen.


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                                                    H. Böckmann, Bandagist.


[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 4]

Actien-Bier-Brauerei Marienthal.
------------

Hierdurch theilen wir den geehrten Konsumenten unserer Biere mit, daß bereits seit Jahren auf unserer Brauerei nur bacterienfreies Wasser aus unseren beiden, 180 Meter tiefen artesischen Brunnen zu allen technischen Zwecken zur Verwendung gelangt.
Hamburg, im September 1892.

                                                    Die Direction.


Ein gebrauchter                          
Caffeebrenner
für 20 bis 25 Pfund nebst Kühlsieb ist billig zu verkaufen bei.                          
                                                    R. Schrep.
                                                    Schlossermeister.


An jedem Tage                          
Warmbad

mit, auch ohne Douche. Auch werden Salz=, Malz= und Soolbäder verabreicht.

Achtungsvoll
                                                    Fr. Leumann.


Meine Dampfdreschmaschine,
gut arbeitend bei wenig Kohlenverbrauch, steht zum
Vermiethen bereit.
                                                    Wilh. Heincke.


Den geehrten Bewohnern Schönberg's und Umgegend mache ich die ergebenste Anzeige, daß mein Schwager, Herr Schneider Schröter, nicht mehr in meinem Geschäft mit thätig ist, und bitte, Aufträge sowie Bestellungen nur direkt an mich zu richten.

Achtungsvoll
                                                    R. Lange,
                                                    Schneidermeister.


Wegesperre.

Wegen Erneuerung der Brücke neben dem Hellman'schen Gehöft ist der Weg von hier nach Demern von heute an auf 14 Tage für Fuhrwerke gesperrt.

Gr. Rünz,
d. 13. Septbr. 1892.
                                                     H. Rieckhof,
Schulze.

Bestes Desinfektionsmittel gegen die Cholera:
Sapokarbol I   =   Lisol   Flasche 1.00.
Sapokarbol II = Creolin Fl. 1.00 u. 60.
billiger als rohe Carbolsäure                                                    
Desinfektionspulver,
empfiehlt                          
                                                    C. Schwedt.


Prima Harbker Salon Brikets
erwartet heute und empfiehlt                                                    
                                                    F. Heitmann.
Den 13. September 1892.                                                    


Große schottische Steinkohle
für den Winterbedarf empfehle ich ab Bahnhof billigst.                          
                                                    C. Schwedt.


Frischen Seifenstein
in bekannter Güte empfiehlt                                                    
                                                    J. F. Eckmann.


Meinen Nachbarn erlaube ich gern aus meinem artesischen Brunnen Wasser zu holen, doch verbiete Ausgießung von schmutzigem Wasser und Feldfrüchtewaschen, widrigenfalls ich sofort die Hofpforte schließen werde.

                                                    Schloßermeister Wascher.


Erbtheilungs halber ist das sub No. 30 an der Sabower=Straße hieselbst belegene, geräumige massive

Wohnhaus nebst Ländereien,

welche in ca. 1000 []Ruthen Weizenboden u. einer vorzüglich guten 300 []Ruthen großen Wiese bestehen, entweder im Zusammenhange, oder Haus u. Ländereien getrennt von einander bei geringer Anzahlung preiswerth zu verkaufen. Gefl. Offerten hierauf nimmt entgegen

                                                    J. H. Böckmann.


Birkenbalsam-Seife
von der Parfümerie Union, Berlin ist wegen ihres vegetabilischen Gehaltes die einzige Seife, die zur Erhaltung eines wunderbar zarten Teints unerlässlich ist.

à Stück 50 Pfg. zu haben bei
                                                    C. Schwedt.


Verspätet.

Noch trauernd um den Verlust unseres Vaters und Schwiegervaters, des Tischlermeisters J. Oldenburg, traf uns abermals der harte Schlag, unsere Mutter und Schwiegermutter Marie Oldenburg geb. Kreutzfeld, welche in Hamburg bei dem Wochenbette ihrer ältesten Tochter behülflich war, durch die Cholera-Epidemie zu verlieren.

                                                    Die trauernden Kinder und Schwiegerkinder.
Im Auftrage: Joh. Kreutzfeldt.
Hamburg, den 9. Septbr. 1892                          


Am 12. September Mittags 1 Uhr entschlief sanft in Folge eines Wochenbetts meine liebe Frau und meiner Kinder liebevolle Mutter

Franziska geb. Köpcke

im 39. Lebensjahre.

                                                    Der tiefbetrübte Gatte
                                                    N. Nehls.

Beerdigung Donnerstag, den 15. Septbr. 4 Uhr.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
9,49 Vorm. 11,59 Mitt. 3,10 Nachm. 7,11 Abends. 11,55 Nachts.
nach Kleinen:
7,32 Morg. 10,13 Vorm. 12,50 Nachm. 5,26 Nachm. 8,39 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Viehmarkt in Hamburg.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 72 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 14. September 1892.


- Die Cholera, Professor Virchow hat sich einem Berliner Journalisten gegenüber sehr günstig über die Maßnahmen ausgesprochen, welche in Rußland zur Abwehr der Seuche getroffen worden sind. In den Wolgadistrikten, wo die Cholera furchtbar wüthet, lassen die Zustände allerdings Vieles zu wünschen übrig. Dort hat die Regierung mit doppelten Uebelständen zu kämpfen; einmal mit der verheerenden Seuche an sich und dann mit der in Folge der vorjährigen Hungersnoth widerstandsunfähig gemachten Bevölkerung. Gegenwärtig ist, und das kommt für Deutschland ganz besonders in Betracht, der gesammte Westen Rußlands cholerafrei. Das nun unsere eigenen sanitären Verhältnisse anlangt, so sprach sich Herr Geh. Rath Virchow aus, daß ein Grund zu besonderen Besorgnissen für Berlin nicht vorhanden sei. Auf die persönliche Desinfection komme es durchaus nicht an, diese sei ziemlich werthlos, wohl aber hänge Alles von einer peinlichen persönlichen Sauberkeit, namentlich von einer Reinhaltung der Hände, und von einer vernunftgemäßen Ernährung ab, welche den Magen nicht belästigt. Ueber das Wesen der Cholera, sowie die Art der Ansteckung schließt sich Virchow den Anschauungen der anderen Gelehrten an. Auf die Frage, ob vielleicht die Seuche, nachdem der Winter vorüber, schon im nächsten Frühjahr in Deutschland mit verstärkter Kraft hervortreten werde, erwiderte er: "Darüber Bestimmtes zu sagen, ist bei dem heuten Stand der Wissenschaft unmöglich. Unsere Kenntniß von den Bacillen ist eben noch viel zu gering. Ueberhaupt ist die Ansicht, daß bei eintretender Kälte die Cholera=Epidemie erlöschen muß, eine sehr irrige; denn wir haben ja schon in St. Petersburg eine Winter=Epidemie erlebt. Selbst wenn die hohe Kälte die Krankheitserreger zerstören würde, so ist es bei der Beschaffenheit unserer Wohnungen gar nicht möglich, überall hin eine derartige Kälte dringen zu lassen. In Senkgruben, in Kellern, Zimmern, Küchen wird es stets eine höhere Temperatur geben, bei welcher der Bacillus gedeihen kann. Es ist also auch bei kalter Jahreszeit die peinlichste Sorgfalt auf Reinhaltung aller jener Orte zu verwenden, welche einer Entwicklung und Fortpflanzung der Krankheitserreger günstig sind.
- Die Cholera. Die neuesten Meldungen aus Hamburg bekunden eine erfreuliche Abnahme der Fälle. Uebrigens hatte bis Freitag das statistische Bureau der Steuerdeputation die Ergebnisse der von ihr im Auftrag der Cholera=Komission zu besorgenden Revision der bisherigen Zusammenstellung des Medicinalinspektorats noch nicht veröffentlichen können. Das beweist, daß die Arbeit beachtlich größer ist, als erwartet war. Physikus Dr. Erman veröffentlicht einen längeren Aufsatz über die Frage des Ursprungs der Choleraepidemie in Hamburg, worin er ausführt, das bis zum 25. August im Auswandererschuppen überhaupt keine choleraverdächtige Erkrankung vorgekommen sei. Der von Koch behauptete Ausgang der Seuche aus jenem Schuppen daher unmöglich sei. Bei dem Nothstandskomitee in Hamburg sind bereits 700 000 Mark eingegangen. Unter den Hamburger Arbeitern herrscht große Noth, ungefähr 10 000 sind arbeitslos. Man erwartet, daß der Staat einen "Nothstands=Beitrag" aussetzt. Prinzessin Heinrich von Preußen veröffentlicht namens des Schleswig=holsteinischen Provinzialverbandes der Vaterländischen Frauenvereine einen Aufruf zur Linderung des außergewöhnlichen Nothstandes in Hamburg. In Altona sind 6 neue Erkrankungen und 5 Todesfälle gemeldet. Dort ist die Epidemie, wenn von einer solchen bei der im Gegensatz zu Hamburg vorgekommenen äußerst kleinen Zahl von Erkrankungen überhaupt die Rede sein kann, stark im Abnehmen. Fast alle in Altona behandelten Fälle betrafen Personen, die in Hamburg als Bagger= und Hafenarbeiter, Ewerführer etc. gearbeitet haben. Demnach ist erwiesen, das die Erkrankungen auf Verschleppung aus Hamburg zurückzuführen sind. Die Kieler Handelskammer erklärte den Kieler Hafen für verseucht.
- Vierzehn Cholera=Epidemien hat bisher Hamburg überstanden. Keine aber hat so viele Opfer gefordert, als die Seuche diesmal schon trotz ihrer kurzen Dauer dahingerafft hat. Im Jahre 1831 starben in Hamburg 476 Personen, 1843 1495. Die meisten Menschenleben vernichtete die Seuche von 1848, nämlich 1674, 1849 fielen ihr 573 und 1850 400 Personen zum Opfer. Von 1853 an trat die Cholera bis 1859 jedes Jahr mit Ausnahme von 1858 in Hamburg auf und es kamen 1853 244, 1854 281, 1855 175, 1856 67, 1857 463, 1859 1109 Sterbefälle vor. Bei der Epidemie von 1866, der in Berlin 6174 Menschen zum Opfer fielen, kamen in Hamburg nur 1043 Sterbefälle vor, 1871 starben 141 und seit 1873, wo sie wieder 1001 Opfer forderte, blieb Hamburg von der Cholera verschont. Die gegenwärtige Seuche ist ein selten charakteristisches Beispiel eines "explosionsartigen" Ausbruchs der Cholera, das dadurch vervollständigt wird, daß sofort aus allen Gebietstheilen der Stadt die Meldungen eingingen. Das Gift war plötzlich über die ganze Stadt ausgesät. Wie die erste Einschleppung stattgefunden, hat nicht sicher festgestellt werden können. Die Einen nehmen an, daß ein französisches Schiff den Keim gebracht habe, die Anderen, daß russische Auswanderer die Träger gewesen seien, obgleich Erkrankungen unter ihnen nicht nachgewiesen sind. Im Uebrigen hat der weitere Gang der Dinge deutlich gezeigt, daß man mit dem Wasser allein den Epidemieverlauf kaum erklären kann. Denn die örtliche Vertheilung ist eine ganz ungleichmäßige geworden und eine höchst charakteristische. Ganz vorwiegend befallen sind nämlich der Hafen, seine Nachbarschaft und die daran grenzenden, auf der Marsch belegenen Theile der Stadt. Den einen Tag scheint die Krankheit vorwiegend an dieser Stelle zu herrschen, den andern Tag an jener. Ein genaues Bild wird darüber erst nachträglich zu gewinnen sein, wenn Muße vorhanden ist, das gesammte Material zusammenzustellen.
- In Hamburg wurden von Sonnabend Mittag bis Sonntag Mittag 310 Choleraerkrankungen und 161 Todesfälle gemeldet; davon entfallen auf den 10. Sept. 193 Erkrankungen und 102 Todesfälle. Der Rest von 117 Erkrankungen und 59 Todesfälle sind Nachmeldungen für frühere Tage. Der Transport betrug 148 Kranke und 59 Leichen.
- Angesichts der von verschiedenen städtischen und großherzogl. Behörden angeordneten Absperrung choleraverdächtiger Ortschaften haben die Großherz. Ministerien des Innern und Abtheilung für Medizinal=Angelegenheiten durch ein Zirkular an die Magistrate und die Großh. Aemter darauf hingewiesen, daß es, so lange nicht etwa wegen solcher Absperrung vom Großh. Ministerium, Abtheilung für Medizinal=Angelegenheiten, etwas verordnet, unstatthaft ist, reisenden Personen, welche aus choleraverdächtigen Ortschaften kommen, lediglich wegen der Gefahr der Ansteckung den Aufenthalt zu verweigern oder gegen dieselben die Ausweisung zu verfügen.
- Bei der jetzigen Choleragefahr ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß durch Briefe und Zeitungen der Ansteckungsstoff verschleppt werden kann. Nach Prof. Koch ist diese Befürchtung grundlos. Er sagt darüber Folgendes: "Wir wissen, daß die Cholera noch niemals durch Waaren auf dem Wege von Indien hierher zu uns gekommen ist; noch niemals haben Briefe oder Postsendungen, auch wenn sie nicht, wie es jetzt vielfach geschieht, durchstochen oder durchräuchert wurden, die Cholera gebracht. Die Cholera ist überhaupt, wenn man den Ursprung der einzelnen Epidemien untersucht, noch nie anders zu uns gekommen, als durch die Menschen selbst."
- In München wird der Gesundheitsrat die Frage der Abhaltung des Octoberfestes beraten.

[ => Original lesen: 1892 Nr. 72 Seite 6]

- Zwiebeln als Mittel gegen Cholera=Ansteckung. Der "Glove", eine englische Tageszeitung, schreibt über diesen Gegenstand: Während der letzten Cholera=Epidemie in England fiel es den Sanitätsbeamten einer Stadt im Norden auf, daß die einzige Wohnstätte einer vollständig infizierten Straßenreihe von der Krankheit freiblieb, während alle Nachbarn davon heimgesucht waren. Es wurde schließlich bemerkt, daß ein mit Zwiebeln gefülltes Netz sich im Hause aufgehängt fand, dessen Inhalt beim Untersuchen sich als erkrankt herausstellte. Ferner wird berichtet, daß bei ansteckenden Krankheiten in London in früheren Zeiten französische Geistliche, während ihrer Krankenbesuche in den schmutzigsten und berüchtigsten Schlupfwinkeln frei blieben, nicht so die englischen Geistlichen auf gleichen Wegen, und es sich herausstellte, daß die erstern mit ihren Speisen reichlich Knoblauch genossen. Rohe Zwiebeln enthalten ein acrides, flüchtiges Oel, Schwefel, Phosphor, Alkalin und erdige Salze, Stärke und freien unkristallisierten Zucker. Frischer Zwiebelsaft ist farblos, färbt sich aber unter dem Einfluß der Luft rot.
- Die Kaiserin Augusta Victoria hat zu der Sammlung des Vaterländischen Frauenvereins der Provinz Schleswig=Holstein zum Besten der Hamburger Nothleidenden 1000 M. beigetragen.
- Der am 9. Sept. in New=York eingetroffene Dampfer "Skandia" der Hamburg=Amerikanischen Paketfahrt hat viele Cholerakranke an Bord. Unterwegs sind 32 gestorben.
- Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland besuchten zwei Cholerahospitäler in Petersburg und nahmen deren Einrichtungen genau in Augenschein, sprachen auch den Kranken Trost zu. Die Zahl der Choleraerkrankungen hält sich unverändert in gleicher Höhe; trotz der eingetretenen kühlen Witterung ist keinerlei bemerkenswerthe Abnahme zu konstatiren.
- In Ionascheni Bucecea (Rumänien) wurde am 29. August eine ganz aus 70 Personen bestehende Hochzeitsgesellschaft von einem choleraähnlichen Unwohlsein befallen. Zwei rasch herbeigeholte Aerzte konstatierten, daß die den Hochzeitsgästen vorgesetzten Speisen schon einige Tage alt waren, der Genuß bedeutender Obstmengen trug dazu bei, die erwähnten Krankheitserscheinungen zum Ausbruch kommen zu lassen. Zum Glück kamen die Hochzeitsgäste mit bloßem Schrecken davon, da sie sich sämtlich auf dem Wege der Besserung befinden.
- Mit Niederreißung des berühmten schiefen Turmes von Saragossa wurde dieser Tage begonnen. Der "neue Turm" (Torre Nueva) von Saragossa war im Jahre 1504 auf Kosten der Gerichtsschöffen der Stadt auf dem kleinen San Felipe=Platze errichtet worden; er hatte ursprünglich keinen anderen Zweck als den, die Stadtuhr zu tragen. Der "neue Turm", dessen Neigung an die des schiefen Turmes von Pisa erinnerte, stand vollständig abgesondert von jedem anderen Bauwerke er war 84 Meter hoch. Die Neigung des Turmes war nach den Einen von Architekten beabsichtigt, andere betrachten es einfach als Folgeerscheinung irgend eines Schadens im Mauerwerk.
- Als vor einigen Tagen der Gutsbesitzer Fritz Gollembusch vom Wochenmarkt aus Lyck nach Hause fuhr, fiel er von seinem Leiterwagen so unglücklich herunter, daß die Beine zwischen den Zugstangen eingeklemmt wurden und der Hinterkopf auf der Erde zu liegen kam. Die Pferde wurden scheu und rannten in rasender Eile davon. Während die Tochter des G., welche ebenfalls auf dem Wagen saß, sich zu retten vermochte, konnte sich G. aus seiner hilflosen Lage nicht befreien und wurde von den durchgehenden Pferden den 3 Kilometer langen Weg geschleift. Ein herzerschütternder Anblick für die Familie war es, als der Hausherr mit zerschmettertem Hinterkopf tot in seine Wohnung getragen werden mußte.
- Die alljährlichen Sommerreisen Kaiser Wilhelms II. nach dem höchsten Norden erwecken immer mehr das Interesse an jenen kalten, öden und doch so eigenthümlich schönen Gegenden, das Nordkap, die nördlichste Spitze unseres Erdtheils, wo der Kaiser im vorigen Jahre eigenhändig einen Gedenkstein errichtete zur Erinnerung an seine Anwesenheit. Schäumend tobt das Meer in dieser schaurigen Einöde gegen den kahlen Felsen, den Schaaren von Seevögeln umkreisen. Das Kap liegt auf der zerklüfteten Insel Magerö, die in drei nackten Felsen zum Meere abstürzt, unter ihnen das 943 Fuß hohe Nordkap. Kein Baum, kein Strauch noch Grashalm bedeckt den Felsen, rasende Winterstürme umbrausen ihn; von ewigen Nebeln umhüllt, am Fuße die brandende See, bietet derselbe eine grausige und doch wunderbar schöne Einöde dar. Welch herrliches Schauspiel, wenn im Monat August endlich die Sonne um Mitternacht in all ihrer Pracht durch die Wolken bricht! Das ganze Meer erglänzt im Lichte die Gebirge erhalten eine Färbung von Azur und die Sonne, zwischen den Hügelwänden von Granit wie eingeschlafen, gleicht einer krystallenen Schale. Wenige Stunden nur dauert das seltene Schauspiel, denn bald verdecken wieder tiefe Nebel das Blau des Himmels.
- Die "selbstfeuernde Kanone". Von einem eigenartigen Wahn ist der an der Frankfurter Allee in Berlin wohnende Monteur Grimow befallen. Grimow leidet an der fixen Idee, daß er vom Kaiser dazu berufen sei, eine "selbstfeuernde Kanone" anzufertigen, die dazu bestimmt ist, im Kriege Alles zu vernichten. Diese sonderbare Idee hat dem sonst fleißigen Manne nicht nur vollständig die Arbeitslust geraubt, so daß er jetzt nicht nur seine Familie vernachlässigt, sondern er bastelt auch Tag und Nacht an einem selbstangefertigten Modell herum; hierbei macht er des Nachts in seinen Phantasiegebilden und Schwärmereien einen solchen Spektakel, daß die Hausbewohner erschreckt aus ihren Betten fahren. In der Nacht zum Dienstag verursachte Grimow mit seinem "Modell" wieder einen furchtbaren Lärm, wobei er mehrere der Hausbewohner thätlich angreifen wollte, um sie als "Landesverräther" zum Kaiser zu führen. Jetzt ist der unglückliche Mann nach der Irrenklinik übergeführt worden.
- In Freiburg in Breisgau erschoß sich der 72 3/4 Jahre alte Professor a. D. Johann Konrad Weidmüller aus Zürich auf dem Gipfel des Schloßberges. Der Selbstmörder weilte dort zum Besuch bei seinem Schwiegersohn, einem höheren Magistratsbeamten. Er litt an einer seiner Meinung nach unheilbaren Krankheit und befand sich meistens in einem Zustand hochgradiger Erregung. Wie gerüchtweise verlautet, soll der unglückliche Greis bereits einmal einen vergeblichen Selbstmord gemacht haben, der indeß durch das Dazwischentreten seiner Angehörigen vereitelt wurde.
- Auf einem neuerbauten Segelschiff in Greenock explodirten 20 Tonnen Pulver. Das Schiff stand binnen kürzester Zeit in Flammen und sank fast unmittelbar.
- Die Meldung von der angeblichen Verlobung des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand mit der belgischen Prinzessin Clementine wird von Wien aus entschieden als unrichtig bezeichnet.
- In Wachenhusens Memoiren "Aus bewegtem Leben" finden wir eine Anekdote, die jetzt wieder jährig wird. Als der deutsche Kriegsberichterstatter am Morgen der Kapitulation von Metz in seinem Quartier, dem Hotel du Nord, den ganzen Speisesaal von französischen Offizieren gefüllt sah, schritt er auf den einzigen leeren Platz an den Tischen zu. Die Wirthin trat ihm etwas unartig entgegen mit den Worten: Monsieur, toutes les chaises sont prises par nos officiers! (Alle Stühle sind von unseren Offizieren besetzt!) Wachenhusen antwortete artig: Pardon, Madame, les chaises sons libres, mais les officiers sont pris! (Die Stühle sind frei, aber die Offiziere sind gefangen!) und nahm ungestört seinen Platz zwischen den feindlichen Nachbarn.
- Der treue Emanuell. Vor einigen Monaten wurde in Darmstadt ein 25jähriger Neger eingeliefert unter der Anschuldigung, eine junge Frankfurterin entführt zu haben. Während der Untersuchungshaft verfaßte er eine Selbstbiographie von 72 Quartseiten in deutscher Sprache. Die Untersuchung ergab die Richtigkeit seiner Versicherung, daß sich seine "Braut" in Frankfurt ihm freiwillig für die Künstlerfahrt nach Basel angeschlossen habe, und Samuell Adolphus Emanuell, so ist sein Name, wurde aus der Haft entlassen. Er will der jungen Frankfurterin ihre Treue lohnen und wird sich in Kürze mit ihr trauen lassen.


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