No. 70
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 07. September
1888
achtundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 1]

Gute Beobachter versichern, daß die Reichsgesinnung in Süddeutschland sich erfreulich befestige. Kaiser und Reich gehen immer mehr in Fleisch und Blut, namentlich des jüngeren Geschlechtes über, es wächst das Gefühl der Sicherheit und damit der Freude am Reich. Als die ersten Kundgebungen des neuen Kaisers erfolgt waren, als der Reichstag einberufen wurde und die deutschen Fürsten einmüthig nach Berlin eilten, konnte man überall hören: "So ist's recht, so wird's gehen!" Allgemein hat sich das Vertrauen befestigt, daß Deutschlands Geschicke auf den rechten Wegen sind. Die deutsche Flotte gilt im Süden als das Symbol der deutschen Einheit, und hat man daher das Interesse des Kaisers an derselben und seine Meerfahrt mit derselben mit großer Freude begrüßt.
S. M. der Kaiser hat das erste Gardefeldartillerie=Regiment zum Leibregiment und die erste Batterie desselben zur Leibbatterie ernannt.
Eine Extra=Ausgabe des "Reichs= und Staats=Anzeigers giebt die erfolgte Verlobung der Prinzessin Sophie von Preußen, der Schwester des Kaisers, mit dem Kronprinzen von Griechenland bekannt.
Durch die Ernennung des Herrn v. Bennigsen zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover erlischt dessen Mandat zum Reichstag. Er hat den 18. Hannöverschen Wahlkreis Stade=Bremervörde=Lehe=Geestemünde=Blumenthal vertreten, wird sich in diesem Wahlkreis aber, da er die Führerschaft der nationalliberalen Partei beizubehalten gedankt, wieder aufstellen lassen und natürlich auch wieder gewählt werden.
In offiziösen Korrespondenzen aus Berlin werden jetzt Zweifel daran ausgesprochen, daß der Entwurf des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches in der vorliegenden Fassung an den Reichstag gelangen werde. Vielmehr soll er an der Hand der inzwischen erschienenen Kritiken umgearbeitet werden.
Der Entwurf eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches für Deutschland, welchen seit vielen Jahren eine Reihe hervorragender Juristen ausgearbeitet hat, findet, wie bereits mehrfach erwähnt, viele Gegner und wird in seiner jetzigen Gestalt schwerlich zur Annahme gelangen. Einer der schärfsten Kritiker ist der Reichsgerichtsrath Bähr in Leipzig.
Der Text der von der Bischofs=Konferenz in Fulda beschlossenen Adresse an den Papst ist nunmehr von der "Kölnschen Ztg." veröffentlicht worden. Dieselbe enthält einen scharfen Protest gegen den Entwurf des neuen italienischen Strafgesetzbuches, der als ein Angriff auf die Freiheit der Kirche und der Rechte des päpstlichen Stuhles bezeichnet wird. Auch soll die Konferenz eine Adresse an Kaiser Wilhelm beschlossen haben.
In der königlichen Residenz zu München werden bereits die sogenannten reichen Gemächer für die Beherbergung des Kaisers Wilhelm, welcher bekanntlich anfangs Oktober zum Besuch des Prinzregenten dort eintrifft, instand gesetzt.
Der Kaiser von Oesterreich traf am Sonnabend 12 1/2 Uhr mittags zum Besuche der Kaiserin von Rußland in Gmunden ein und wurde am Bahnhof von dem Großfürst=Thronfolger und dem Herzog von Cumberland empfangen. Bei der Ankunft auf Schloß Cumberland empfing die Herzogin von Cumberland den Kaiser im Hauseingange, während die Kaiserin von Rußland demselben auf die Treppe entgegenging. Der Kaiser besuchte auch die Prinzessin von Wales. Um 1 Uhr vereinte die Fürstlichkeiten ein Diner, an welchem der Kaiser Franz Joseph, die Kaiserin von Rußland, die verwittwete Königin Maria von Hannover, der Großfürst=Thronfolger, die Großfürstin Xenia, die Prinzessin von Wales mit ihren drei Töchtern und das Herzogspaar von Cumberland mit ihren beiden ältesten Kindern theilnahmen. Der Kaiser kehrte um 3 Uhr nachmittags wieder zurück, während die Kaiserin von Rußland um 11 Uhr nachts abreiste. Kaiser Franz Joseph wurde von der Bevölkerung überall enthusiastisch begrüßt.
Dem ungarischen Reichstage wird sofort nach seinem Wiederzusammentritt ein Gesetzentwurf zugehen, welcher die Herstellung einer direkten Bahnverbindung mit der Herzegowina und dem Ausbau der bosnisch=herzegowinischen Eisenbahnnetzes bezweckt.
In Schweden wird gegenwärtig, insbesondere in Arbeiterkreisen, gewaltig für das allgemeine Stimmrecht agitirt. In Stockholm, Gothenburg und Malmö haben dieser Tage große Versammlungen stattgefunden, welche Beschlüsse in diesem Sinn angenommen haben.
Die beiden französischen Minister Floquet und Krantz sind in den letzten beiden Tagen in Hyéres und Toulon gewesen, wo sie gewaltige Reden gehalten haben. Sie scheinen beide aus dem Vollen zu schöpfen. Der Marineminister Krantz hat erklärt, die französische Flotte sei in jedem Augenblicke fertig, Frankreich wolle keinen Krieg, aber es werde sich auch von keiner Macht demüthigen lassen. Der Ministerpräsident Floquet ist der Ansicht, daß die Republik sich weder vor innerer noch vor äußeren Feinden zu fürchten brauche. Man bedürfe auch keiner Ausnahmemaßregeln, man brauche nur gerade vorwärts zu gehen, um sowohl die monarchische Restauration wie die Diktatur des Zufalls auf der Seite liegen zu lassen. Das heißt man: stolz gesprochen.
General Boulanger reist in der Welt umher und ist auf einer Reise nach dem Norden am Sonntag in Hamburg eingetroffen. Von dort aus will er sich nach Kopenhagen zur Ausstellung und dann nach Schweden begeben. Das Endziel der Reise ist St. Petersburg.
Der König von Serbien ist mit dem Kronprinzen von Toblach am Sonntag früh wieder abgereist um sich über Wien nach Abazzia zu begeben. Die Königin Natalie dagegen befindet sich in Bukarest bei ihrem Schwager, dem Fürsten Ghica. König Milan wünscht, daß die Verhandlung vor dem serbischen

[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 2]

Konsistorium noch 3 Monate verschoben werde, damit er noch einige Dokumente beibringen könne.


- Schönberg. Wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht glich der Einzug der Wombwell'schen Menagerie, der hier am Dienstag von statten ging. Schon stundenlang zuvor hatte Groß und Klein, die liebe Jugend voran, die Chaussee nach Lübeck besetzt, bei jedem Wagen, der aus der Ferne herankam, reckten sich die Hälse und spannte sich die Erwartung höher, die auf eine Probe gesetzt wurde, denn stundenlang mußten die Leute ausharren, bevor der erste der prächtigen Menageriewagen zu Gesicht kam. Aber wie wurden sie auch für das Warten entschädigt. Von 5 weißen Dromedaren gezogen, nahte als erster der langen Reihe der Musikwagen heran, auf dessen Bock die Thierbändigerin Miß Scherazado in elegantem Reitanzuge, zahlreiche Ordensdecorationen an der Brust, neben dem Thierbändiger Mr. Cooper Platz genommen hatte. Das auf den Wagen placirte Musikcorps der Menagerie begleitet mit einem lustigen Marsch den phantastischen Zug. Dem ersten Wagen, an dem außer den als Zugthiere dienenden, noch weitere Dromedare angekoppelt waren, folgte als zweiter ein mit drei indischen Elephanten bespannter Geschirrwagen, dem mehrere Lamas nachfolgten. In langen Reihen kamen dann die großen Käfigwagen herangefahren, voran der sogenannte Kassenwagen, (ein Kunstwerk eigene Art, wie es heißt, ein Geschenk der Königin von England), theils von 6, theils von 4 Pferden gezogen. Der Einzug ging ebenso wie der gleich darauf stattfindende Aufbau der Menagerie glatt von statten. Nachmittags 4 Uhr fand unter strömendem Regen die Eröffnung der Menagerie statt. Zu Hunderten strömten die Zuschauer herbei, diese hier seltene Sehenswürdigkeit zu schauen und bis 10 Uhr abends war der Circus nicht leer, dessen Besuch wir auf 1500 Menschen schätzten. Noch während der Nacht erdröhnte mehrfach der gewaltige Ruf der Löwen, die in dieser Menagerie in besonders schönen und zahlreichen Exemplaren vertreten waren. Am Mittwoch Morgen zogen die Wagen in derselben Ordnung, wie sie gekommen, weiter nach Rehna.
- Schönberg. Am 5. September wurde hier das diesjährige Missionsfest im Fürstenthum Ratzeburg gefeiert unter reger Betheiligung aus allen Gemeinden. Die Festpredigt in der Kirche hielt Herr Pastor Pistorius aus Schwerin, den Bericht der evangelisch=lutherischen Mission in Ostindien erstattete Herr Pastor Langmann. Ein gemeinsames Mittagessen vereinigte nach dem Gottesdienst zahlreiche Missionsfreunde im Boye'schen Lokale und Nachmittags war eine Feier im Garten, bei der mehrere die Mission betreffende Vorträge gehalten und einige geistliche Lieder gemeinsam gesungen wurden.
- In Freiburg i. Br. tagt gegenwärtig die 35. Generalversammlung deutscher Katholiken. Bis zum Sonntag waren etwa 2000 Theilnehmer eingetroffen, darunter Windthorst, Fürst Löwenstein=Wertheim, Fürst Isenburg=Büdingen u. a. m. Auch mehrere badische und preußische Abgeordnete sind zugegen. Am Sonntag Abend hielt Windthorst eine Rede, in welcher er betonte, daß man in Freiburg nicht zusammengekommen sei, um einen Kreuzzug zu predigen, sondern daß man friedlich gesinnt sei und nur das Bedürfniß fühle, zu bekennen, daß man fest stehe zum heiligen Stuhl. (Stürmischer Beifall.) Das Centrum sei der beste Vertreter der Religionsfreiheit; man solle stets mit offenem Visir kämpfen und fest zusammenhalten. Das Programm enthält 3 öffentliche und 3 geschlossene Generalversammlungen, sowie verschiedene Festlichkeiten.
- In allen Thälern des oberen und mittleren Erzgebirges hat es in der Nacht zum Donnerstag stark greift.
- In den Papieren Franz Lizts hat man soeben ein Oratorium gefunden, mit dem Titel "Via crucis" Das Werk soll bald veröffentlicht werden.
- Auch die neueste Spionen=Geschichte in Nizza hat sich bereits in Wohlgefallen und Gelächter aufgelöst. Herr v. Hohenburg hat keine Lebel=Patrone sondern nur eine Gas=Patrone, diese aber nicht gefüllt, also ein vollständig werthloses Ding unter Blumen nach Deutschland abzuschicken versucht. Solche Patronenhülsen sind auf jedem Manöverfeld zu finden, der Absender hätte ebenso gut einen Stein oder eine Muschel wählen können; sein ganzes Verbrechen besteht demnächst darin, daß er gesagt hat, die italienischen Soldaten gefielen ihm besser als die französischen. Das ist allerdings schlimm.
- Die Franzosen sind verrückt. Rochefort ist es wenigstens ganz sicher. Er meldet in seinem "Intransigeant," eine deutsche Gesellschaft habe 25 Kaffeehäuser in allen Vierteln von Paris gekauft, um die Spionage im Großen zu betreiben.
- Von der Kinderwiege zum Konservatorium ist vor Kurzem ein polnisches Kindermädchen Agnes D. aus Zinty Patok, gelangt, da dasselbe eine Stimme besitzt, die von den Warschauer Zeitungen als "phänomenal" bezeichnet wird. Die musikalische Welt erblickt bereits in den neu entdeckten Gesangstern eine zweite Patti. Angnes D. ist auf Kosten eines polnischen Grafen nach Mailand zu ihrer weiteren Ausbildung gesandt worden.
- Ueber London wird gemeldet, daß in ganz Neuseeland am Sonnabend Morgen eine heftige etwa halbstündige Erderschütterung verspürt worden ist. In Christchurch ist der Turm des Domes eingestürzt und mehrere andere Gebäude arg beschädigt worden. Die Einwohner, die ihre Häuser verlassen hatten, sind, nachdem die Gefahr vorüber war, wieder zurückgekehrt.
- Pferdekultus. Eine größere Anzahl englischer Sportsmen hat den Beschluß gefaßt, daß ihre Rennpferde an ihrem rechten Vorderfuße einen goldenen Ring tragen sollen, in welchen der Name des Thieres eingraviert ist. Man hat bereits an einigen berühmten Londoner Rennpferden derartige Ringe zu sehen bekommen. Es muß indes bemerkt werden, daß die Herren beschlossen haben, nur glatte Goldreifen, ohne jeden Schmuck von Brillanten, für zulässig zu erklären, damit nicht etwa ein solches Roß in Bezug auf Geschmeide wie irgend eine gefeierte Schönheit auf dem Rennplatze aussähe.
- Eine nette Gegend zum Landaufenthalt muß es noch immer dort unten in Indien sein. Nach einer offiziellen Statistik hat man daselbst während des letzten Jahres 245 Tiger, 640 Leoparden, 900 Wölfe, 170 Bären und 31 000 Schlangen getötet. Vor der Vernichtung all dieser Bestien fielen denselben 11 983 Personen zum Opfer.
- Wildgänse in Kalifornien. Im Sacramentothal in Kalifornien leiden die Weizenfelder durch die enormen Schaaren von Wildgänsen, welche dieselben verwüsten, so daß die Farmer gezwungen sind, die Felder zu bewachen. Die Wildgänse erscheinen in Flügen von Hunderttausenden, so daß ein Flug 50 Acres (gleich 20 Hektaren) zu bedecken vermag.
- Jay Gould ist nach den Vanderbilts der reichste Mann in Amerika. Er hat so viel Geld und Sorgen, daß er nachts nicht schlafen kann und will, um wieder schlafen zu können, sein Geld nicht ins Wasser werfen, aber sich vom Geschäft des Erwerbens ganz zurückziehen. Die Schlaflosigkeit hat ihn so traurig gestimmt, daß er sein Mausoleum und seinen Sarg hat anfertigen lassen, nicht nur für 30 oder 50 Mk., sondern für viele Tausende. Zur Probe schläft er schon manchmal drin.

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Anzeigen.

Die nachstehende

Strafverfügung.

Der Händler Daniel Rosenthal aus Neustadt in Mecklbg. gebürtig, wohnhaft in Güstrow, hat am 15. August d. Js. in hiesiger Stadt Hausir=

[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 3]

handel betrieben, ohne im Besitze eines Wandergewerbescheins zu sein.
Beweismittel sind:
1. die Anzeige des Gensdarmen Fürstenau hies.,
2. das Geständniß des Angeschuldigten,
3. das Zeugniß des Herbergswirths Hagen hies.
Es wird deshalb hiermit gegen den p. Rosenthal auf Grund der §§ 3,3 und 6,2 der Verordnung vom 19. December 1883, betr. die Erhebung einer Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen, eine an die Kasse der unterzeichneten Landvogtei einzuzahlende Geldstrafe von 50 - fünfzig - Mark, an deren Stelle für den Fall, daß sie nicht beigetrieben werden kann, eine Haftstrafe von 6 Tagen tritt, festgesetzt, auch werden die von ihm mitgeführten Waaren eingezogen.
                                                    An Gebühren - M. 31 Pfennig (Mecklenburg).
                                                    und an Auslagen - M. -Pfennig (Mecklenburg).
fallen dem p. Rosenthal - M. - Pfennig (Mecklenburg). zur Last, welche, nachdem die Straffestsetzung vollstreckbar geworden ist, an die Kasse der unterzeichneten Landvogtei bei Vermeidung der Vollstreckung einzuzahlen sind.
Findet der p. Rosenthal sich durch diese Straffestsetzung beschwert, so kann derselbe binnen einer Woche, von dem Tage der Zustellung an gerechnet, entweder eine Beschwerde an die Großherzogliche Landes=Regierung zu Neustrelitz ergreifen, oder bei der unterzeichneten Landvogtei oder bei dem Amtsgerichte zu Schönberg auf gerichtliche Entscheidung antragen.
Die Beschwerde ist bei der Großherzoglichen Landes=Regierung schriftlich oder bei der unterzeichneten Landvogtei schriftlich oder mündlich (zur Registratur) einzulegen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bei der unterzeichneten Landvogtei schriftlich oder mündlich (zur Registratur) oder bei dem Amtsgerichte zu Schönberg schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers anzubringen.
Schönberg, den 17. August 1888.

            Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
          U. Frhr. v. Maltzan.

H. Spieckermann.        

wird dem Händler Daniel Rosenthal aus Neustadt in Mecklenburg, da dessen zeitiger Aufenthalt unbekannt, hiemit öffentlich zugestellt.
Schönberg, den 3. September 1888.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
U. Frhr. v. Maltzan.

H. Spieckermann.        


In Sachen betreffend die beantragte Mortification der über die ad Fol. 4 c und 6 a der zweiten Hauptabtheilung des Hypothekenbuchs über die zu Schönberg belegenen Grundstücke der verwittweten Frau Schlachtermeister Hennings, Friederike geb. Hinzpeter, eingetragenen Kapitalien von resp. 32 Thlr. N2/3 z. v. und 50 Thlr. N2/3 sprechenden Hypothekenscheine wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protocoll sofort im Termin der Präclusiv=Bescheid erlassen und publicirt worden ist.
Schönberg, den 1. September 1888.

Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.        


Oeffentl. Zwangsversteigerung.

Mittwoch, den 12. September cr., Nachm. 4 Uhr sollen im Pfandlocale hieselbst

1, eine größere Partie Schulbücher, für Lehrer und Seminaristen geeignet,
2, eine Violine mit Kasten und
3, ein Tisch und 2 Rohrstühle
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 5. September 1888.

Staffelt, Gerichtsvollzieher.        


Oeffentl. Zwangsversteigerung.

Montag, den 10. September d. J. Vorm. 9 Uhr sollen in Schönberg

1, 2 fast neue Chaisewagen (Phaeton's) und
2, 1 Sopha und 1 Kommode

Staffelt, Gerichtsvollzieher.        


Torf=Auction.

Am Sonnabend, den 15. d. Mts., Morgens 9 Uhr, werde ich

100 Mille Formtorf

öffentlich meistbietend verkaufen. Kaufliebhaber wollen sich zur genannten Zeit bei mir einfinden.
Roduchelstorf d. 7. September 1888.

P. Bockholdt.        


Zum Einsetzen künstlicher Zähne

und ganzer Gebisse unter Garantie, sowie auch zum Plombieren und fast schmerzlosem Zahnziehen mit Zahnfleischbetäubung empfiehlt sich ganz ergebenst

                                                    W. Maack,
                                                              Zahntechniker.

NB. Reparaturen werden prompt ausgeführt. D. O.


2000 Pfd. Riesen=Roggen

(hiesiger diesjähriger Ernte) sind zu verkaufen. Von wem? sagt die Expedition der Anzeigen.


Ich beabsichtige meine Ländereien nebst Wiesen von jetzt an auf mehren Jahre im ganzen oder parzellenweise zu verpachten. Pächter wollen sich bei mir melden.

J. Voß, Tuchmacher.        


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Lübeck, Breitestraße 24.
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Reparatur-Werkst. Hohlschleiferei.
Neue Klingen, Korkzieher, Hefter werden eingesetzt, Kaffemühlen geschärft, Siebe eingebunden.
Neu - Anfertigungen
rasch und sauber.


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                                                    Emil Jannicke, Bandagist.


Baugewerkschule
Eckernförde.
Wintersemester: 30. Oct. - Vorcurs: Oct.
Kostenlose Auskunft: Die Direction O. Spetzlar.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 4]

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Wolff & Calmberg, Berlin, 22 Tempelhofer Ufer 22.
Niederlage: Apothekenbes. A. Montag in Schönberg i. M.


Zu dem am 16. und 17. September bei mir stattfindenden

Scheiben=Schiessen

nach guten Gewinnen erlaube mir hiermit ergebenst einzuaden.

Am Montag, den 17. September: Tanz
                          Gastwirth=Ww. Holst, Neue Welt.


Zu dem am Sonntag, den 9. und Montag, den 10. September bei mir stattfindenden

Scheibenschiessen

nach guten Gewinnen lade meine Freunde und Gönner ergebenst ein.

Am Montag, d. 10. September Ball.
Palingen.                                                     Gastwirth Oldenburg.


Am Sonntag, den 9. September
wird bei mir ein                                                    
Erntefest mit Tanzmusik
stattfinden, wozu ich hierdurch freundlichst einlade.
                                                    Gastwirth Sterly,
                                                    Selmsdorf.


Zur Tanz=Musik
am Sonntag, den 9. d. Mts. ladet ergebenst ein
                                                    H. Rebbin, Menzendorf.


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Beabsichtige die obere Wohnung zu Ostern 1889 anderweitig zu vermiethen.                          
                                                    Johannes Dettmann.;


Allen Bekannten und Freunden ein herzliches Lebewohl.                                                    
                                                    E. Leichert u. Familie.

Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 9. September.

        Frühkirche: Pastor Kaempffer.
        Vormittagskirche: Pastor Langbein.
           Amtswoche: Pastor Langbein.


Vom 1. Juni 1888: Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,3 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,3 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 10.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 70 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 7. September 1888.


Fest=Rede,
gehalten am 2. September zu Schönberg
von C. Liebenow.

                          Verehrte Festgenossen!
Nicht jeder Tag im Leben des Menschen gleicht dem andern; auf eine Reihe von Arbeitstagen folgt stets ein Feiertag, an dem der Mensch innere Einkehr bei sich halten soll; an dem er sich auf sich selbst besinnt, sein Thun und Handeln überschlägt, um, wenn er sich auf rechtem Wege findet, fortzufahren mit frischem Mut und frischer Kraft in seiner Arbeit. Solche Tage der inneren Einkehr giebt es im Leben des Einzelnen, giebt es im Leben der Völker. Heute ist Sedanfest, ein Feiertag für das ganze deutsche Volk; das zeigen die festlichen Kleider, das beweisen die Fahnen auf den Dächern und die Feuer von den Bergen leuchteten es durch die Nacht hin von Land zu Lande. Heute ist Sedanfest, ein Tag eingesetzt zur Erinnerung an einen Sieg, an einen Hauptsieg in dem großen Kriege, in dem erfüllet wurde ein Wunsch, gehegt von vielen Tausenden lange Jahre. - Achtzehn Jahre sind seit jenem Siege verflossen. Achtzehn Jahre sind eine kurze Frist in der Geschichte der Völker; achtzehn Jahre aber sind ein nicht unbedeutender Bruchtheil vom Leben des Menschen; und wenn wir uns umschauen auf diesem Festplatze, auf dem auch die Schulen versammelt sind, so ist die Zahl derer groß, die sie nicht zurückzählen. Sie alle kennen aus eigner Erfahrung das Vaterland nur, wie es jetzt ist. Und wenn wir die Vorgeschichte jenes Krieges in Betracht ziehen, und sie reicht weit zurück, und wenn wir fragen, wer von den Anwesenden sie bereits mit Bewußtsein und mit Verständniß für seine Zeitgeschichte durchlebt, so daß er sich ihrer genau entsinne, so sind vielleicht nur wenige hier, die sich dessen rühmen können. So lassen Sie uns denn den heutigen Tag feiern, wie alljährlich, indem wir Einkehr halten in die letzte große Periode des Lebens unseres Volkes der Jugend zur Lehre, den Alten zur Erinnerung an das Geschehene, uns allen zur Stärkung und Kräftigung unserer Gesinnung!
Verehrte Festgenossen! Wer ein Haus bauet, der suche einen festen Untergrund und mache das Fundament stark, so daß auch eine Wasserflut es nicht fortreiße; und baue die Außenwände dick und wähle schwere Balken, so daß auch ein Orkan die Wände nicht eindrücke, oder das Dach abhebe. Und wenn er es so gegen äußere Einflüsse geschützt, baue er es aus nach einem einheitlichen Plane, mache die Thüren im Innern breit und die Treppen bequem, auf daß die einander Begegnenden sich nicht im Wege sind. In einem solchen Hause ist gut wohnen und ein Geschäft betreiben! Und wenn es der Besitzer nur sonst nicht an Mühe und Arbeit fehlen läßt, wird er darin empor kommen, ein Vermögen erwerben und Ehre und Ansehen unter seinen Mitbürgern. Ein Geschäft läßt sich auch betreiben in einer Anzahl von Bretterhütten, wenn sie nur Raum bieten. Aber es ist nichts Einheitliches; alle Thüren führen nach außen und dürfen nicht zu groß sein, um die Kälte nicht hereinzulassen, und wo sich die eine öffnet, muß sich die andere schließen. Und das Holz der Bretter fault, und der Wurm nagt darin, und nicht endende Reparaturen absorbieren einen großen Theil der Kraft des Besitzers, so daß er schwerlich aufkommt gegen seine Konkurrenz im Kampfe ums Dasein. Und wenn einmal die Sturmflut kommt, spült sie das Ganze hinweg, daß nichts übrig bleibt, als die Stätte, wo es gestanden. So ist es im Kleinen; nicht anders ist es im Großen. Zerfallen blieb das deutsche Reich nach den Tagen gemeinsamer Aufraffung in den Freiheitskriegen. Einer Anzahl mehr oder weniger fester Bretterhütten gleich lagen die deutschen Staaten neben einander, nur lose zusammengehalten durch den Bund, dem durch ihre deutschen Besitzungen selbst außerdeutsche Souveräne angehörten. Eifersüchtig auf ihre Nachbarn sperrten sich die einzelnen, Handel und Wandel erschwerend, gegen einander ab durch Zölle und eine Mannigfaltigkeit der Maße und Münzen, von der man sich kaum noch einen Begriff machen kann. Im Auslande waren die meisten durch eigene Gesandte und Consuln vertreten; der deutsche Bundesrath hatte vollauf zu thun, die Zwistigkeiten der Einzelnen unter einander zu vermitteln. Wohl fühlte man im Volke das Unerträgliche dieses Zustandes, wohl drängte sich der Wunsch nach einem festeren Zusammenhalten in weiteren und weiteren Kreisen hervor, und indem der Wunsch die Hoffnung gebar, sang man das Lied vom Barbarossa, welcher kommen werde, das deutsche Volk zur alten Herrlichkeit zurückzuführen. Aber den Weg, der einzig und allein zur ersehnten Einheit führen konnte, kannte man nicht. - Es kam das Jahr 1848 mit seinen Unruhen. Aus den Volksversammlungen heraus glaubten viele, werde die deutsche Einheit erstehen. Es war ein Irrthum, der sich rächte. Mit leidenschaftlichem Geschrei wurde verhandelt. Von ihrem kleinen Standpunkte aus, der nur das Nächste übersehen ließ, suchte die Menge den eigenen Vortheil möglichst zu wahren; und anstatt sich zu beschränken und auf das mögliche Maß zurückzutreten, wuchsen die Wünsche, die ewig begehrenden, ins Unermeßliche. Die ganze Bewegung verlief resultatlos; ihre Auswüchse wurden gewaltsam unterdrückt, wobei, wie es nicht anders sein konnte, manches Berechtigte mit unterdrückt wurde. Die deutschen Einheitsbestrebungen aber erhielten in der Folge in den Augen vieler Regierungen einen solchen Beigeschmack von Demagogie und Umsturz zum Schlimmen, daß ein damals bekannter Minister den Ausspruch that: "Die kleinen Staaten würden lieber auswärtige Allianz suchen, als in eine Mediatisierung willigen". So war das Vaterland zerrissener, denn je, und während seine Freunde trauerten, seine Feinde sich freuten, diente es den Entfernteren und Gleichgültigen zum Spott! Da trat ein Mann auf, von dem niemand erwartete, daß er das deutsche Vaterland zur Einheit zu führen gewillt sei. Das war Bismarck. Er sah so ganz anders aus, als die Turner und Freiheitsmänner, von denen man damals alles Heil erhoffte. Die Partikularisten und Reaktionäre hielten ihn für einen der ihrigen; den übrigen erschien er als ein aus finsterem Mittelalter plötzlich Erwachter, der sich in die neue Zeit nicht zu finden vermöge. Und doch liest man jetzt mit Erstaunen seine Reden von damals, in denen er voraus sagte, wie es kommen müsse, und wie es gekommen ist, uns allen zum Segen. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen erkannte er: nicht aus tumultuarischen Volksversammlungen, nicht als ein Extrakt aus tausend verschiedenen Köpfen mit einem Schlage konnte die deutsche Einheit erstehen; nur in ernster Arbeit vieler Jahre nach einem einheitlichen Plane, wie ihn nur der Einzelne festzuhalten vermag, war es möglich, sie zu erringen. Nicht von unten her mußte sie kommen, sondern von oben! Ein Staat mußte die Führung übernehmen, der allen Eventualitäten gewachsen war. War's Deutschland Ernst mit seinen Einheitsbestrebungen, so durfte es selbst vor einer Zeit nicht zurückschrecken, in der die Kanonen das große Wort führten und alle anderen Stimmen übertönten. Niemand verstand damals seine Pläne, niemand wußte sie in ihrem vollen Umfange zu würdigen, außer einem Einzigen, der sie ganz zu den seinen machte, der nicht nur den Willen, sondern auch die Macht hatte, sie durchzuführen; das war der König Wilhelm von Preußen. Von der Höhe seines Thrones reichte der Blick dieses Monarchen weiter, als der der meisten seiner Unterthanen, son=

[ => Original lesen: 1888 Nr. 70 Seite 6]

derte er die wahren Ideen von den falschen, fand er mit Sicherheit die rechten Männer heraus und setzte sie an die rechte Stelle. So nahm er den Grafen Roon an seine Seite, sein Heer zu stärken; so erkor er den Schlachtendenker Moltke für seine Ziele, so hielt er den Ministerpräsidenten Bismarck fest auf seinem Platze, obgleich derselbe die Mehrheit der Volksvertretung gegen sich hatte. Wohl schmerzte dem König das Mißtrauen, welches ihm damals die Mehrzahl des Volkes entgegenbrachte, aber im Vertrauen auf seine bessere Einsicht hoffte er auch hier Liebe zu erndten, wenn erst der Erfolg die Richtigkeit seines Handels bestätigt hätte. Herr von Bismarck aber war ganz der Mann, unbeirrt durch die Meinung der Menge seinen eigenen Weg dahinzuschreiten; nicht ein fanatischer Parteihaß, nicht die Kugeln des Attentäters drängten ihn aus seiner Bahn. Erschien ihm doch der innere Kampf als der kleinere, den zu kämpfen es immer noch Zeit sei, der in sich selbst zerfallen mußte, wenn seine Gegner nicht blind waren. Seine ganze, gewaltige Kraft aber setzte er ein in die äußere Politik und furchtlos, der Zustimmung seines Königs gewiß, kündete er sie an für die nächsten Jahre, die Politik von Blut und Eisen. So kam es zum Kriege von 1864, in dem der Dänenkönig die Oberhoheit über deutsche Länder verlor; so kam das Jahr 1866, in dem die preußischen Waffen unvergängliche Lorbeeren erwarben; so entstand unter Preußens Führung der norddeutsche Bund, ein würdiger Vorläufer des deutschen Kaiserreichs und der Einheit. - Aber es gingen dem mächtigen Nachbarn die Augen auf! Bis dahin hatte der Kaiser der Franzosen, Napoleon, die deutschen Einheitsbestrebungen scheinbar begünstigt. Es gefiel ihm in den Augen seiner Zeitgenossen als ein Beschützer des Rechts und der Wünsche der Völker zu glänzen. Das gab seinen Thron eine kräftige Stütze bei sein eigenen, neuerungssüchtigen Unterthanen. Ein ebenbürtiges Nachbarreich aber dürfte er nicht dulden, er, auf dessen Neujahrsreden ganz Europa mit angehaltenem Atem lauschte. Und als nun gar die geheimen Verträge bekannt wurden, durch welche die süddeutschen Staaten gegen äußere Angriffe fest mit den norddeutschen zusammenzustehen sich verpflichtet hatten, da war kein Zweifel mehr möglich, wo das hinauswolle. Es blieb ihm daher keine Wahl: wollte er sich halten als Kaiser in Frankreich, so mußte er Frankreichs Ueberlegenheit darthun unbedingt; er mußte Rache nehmen für Sadowa, den Sieg bei Königgrätz, welcher den Ruhm der französischen Waffen zu verdunkeln drohte; er mußte die Flut erregen, den aufstrebenden Bau zu zerstören, so lange die Ecksteine noch nicht allzufest verankert schienen. Und so rüstete er sein Heer, und als ihm alles bereit schien, als alle Regimenter das neue Gewehr besaßen, das Chassepot, welches dem deutschen Zündnadelgewehr u. A. durch sein kleineres Kaliber überlegen war, zögerte er nicht länger. Ein Vorwand fand sich leicht; und es begann der große Krieg von 1870/71. - Wir sind jetzt gewohnt, den deutschen Soldaten als den ersten der Welt anzusehen, der einer Uebermacht auch von Franzosen gewachsen ist. Nicht ganz so war's damals. Noch bewahrte die französische Armee ihren alten Kriegsruhm, den sie unter dem ersten Napoleon erworben; noch galt Frankreich unbestritten als die erste Militärmacht. Wohl erhob sich ganz Deutschland wie ein Manu zum Aeußersten entschlossen, wohl ertönte an allen Orten die bis dahin wenig bekannte Wacht am Rhein, wohl hatte man die feste Zuversicht, daß Deutschland nimmer erliegen werde; aber auf deutschen Boden glaubte man, würden die Schlachten geschlagen werden, nach langer Zeit, nach vielen Wechselfällen des Krieges erhoffte man im Volke den endlichen Sieg zu erringen. - Inzwischen zogen die Truppen den Grenzen zu; auch durch unsere Stadt marschierten die Bataillone mit Trommeln und Pfeifen, mit klingendem Spiel, und auf der gerade eröffneten Eisenbahn rollten ununterbrochen lange Militärzüge, Mannschaften, Pferde, Kanonen und Kriegsmaterial aller Art befördernd. Niemand aber wußte wo die Truppen standen; alle Nachrichten über Truppenbewegungen waren verboten; und ungewisse Tage vergingen bis zur völligen Aufstellung der Heere. Und dann mit einem Male begann ein gewaltsames Ringen, wie es die Welt noch nicht gesehen. Mit schnellfeuernden Gewehren, mit sicher treffenden, gezogenen Geschützen, mit Festungskanonen riesigster Art, mit allen Mitteln zur Zerstörung von Gut und Leben ausgerüstet, welche die moderne Ingenieurkunst nur irgend ersonnen, rangen zwei mächtige Völker im furchtbaren Kampf mit einander. "Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen." Auch ein siegreicher ist es. Wohl denken wir, die wir damals zu Hause blieben, zunächst zurück an eine Reihe von Siegesfesten mit Illumination und Viktoriaschießen, mit patriotischen Reden und Gesängen; wohl ist es etwas Großes um die Begeisterung, mit der die waffenfähigen Männer hinauszogen, fürs Vaterland, für den eigenen Herd zu streiten; unsterblicher Ruhm ist ihr Lohn! wohl mag mancher Soldat frisch und fröhlich in den Kampf gegangen sein mit dem Gedanken:
          Kein schön'rer Tod ist auf der Welt,
          Als wer vom Feind erschlagen
          Auf grüner Heid' im freien Feld
          Nicht hör'n darf groß Wehklagen!
Aber hinter jedem Gefallenen steht daheim seine Mutter, und wenn sie fragt: Warum mußte gerade mein Sohn sterben, den ich in Schmerzen geboren, mit Mühen erzogen, und der die Stütze sein sollte meines Alters? wer will ihr diese Frage so beantworten, daß ihre Thränen versiegen? Wer will sie trösten die Bräute, die klagenden Gattinen? wer die Kinder beruhigen, die nach dem Vater schreien, der nimmer heimkehrt? - Und langsam in langen Zügen kamen sie zurück von den Schlachtfeldern, die Verwundeten. Ganz Deutschland verwandelte sich in ein großes Krankenhaus. Auch drüben auf jenem Platze standen damals in der Eile errichtete Baracken, ein improvisiertes Lazarett; und die Schulkinder zupften Charpie, das Blut der Wunden zu stillen. Und doch kamen viele um, weil es nicht möglich war, allen rechtzeitig Hülfe zu bringen. Und in Feindesland, wo der Kampf tobte, dort zerstampften die Hufe der Rosse die Saaten, Hab' und Gut ging in Flammen auf; und die in die Stadt fliegende Granate machte keinen Unterschied zwischen Soldaten, Greisen und Kindern.
"Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen; doch ist er gut, ist ein Geschick, wie sie."
Dem deutschen Vaterlande ward der Krieg von 1870 zum Heil! Der Krieg allein zeigte des Vaterlands Stärke bei festem Zusammenstehen unter einheitlicher Führung; der Krieg allein richtete aller Gedanken auf ein einziger Ziel; vergessen ließ er den Parteihaß, vergessen was Nord und Süd geschieden. Hinab in die Gräber zu den gemeinsamen Todten sanken die Sonderinteressen der Fürsten; unter ihm, der die Truppen zum Siege geführt, dessen höchstes Ziel es seit Jahren gewesen, sollten die deutschen Staaten fortan zu einem großen, einheitlichen Ganzen fest mit einander verknüpft sein! Im Feindesland, im Schlosse zu Versailles geschah die Huldigung, und über den rauchenden Schlachtfeldern stieg empor vor den klugen der erstaunten Welt der deutsche Kaiseraar in einer Kraft und einem Glanze, wie er kaum je erschienen. Heimwärts marschierten die Siegreichen Heere, an allen Orten mit Jubel begrüßt, und ein zog in seine Hauptstadt, jetzt die Hauptstadt des deutschen Reiches, der deutsche Kaiser!
Friedliche Tage haben seitdem wir gesehen. Unter des Siegreichen Kaisers Friedenspanier konsolidirte sich der stolze Bau, gegen außen geschützt durch starke Festungen und durch die mehrfach verstärkte lebendige Mauer deutscher Streiter. Stetig vollzog und vollzieht sich noch heute der innere Ausbau: ein Maß, eine Münze, ein Gesetz für alle Landeskinder. Der Handel erstarkte unter dem Schutze einer aufblühenden Flotte, und die deutsche Industrie begann ihren friedlichen Eroberungszug auf dem Weltmarkt. Selbst der Parteihaß erlosch in großen nationalen Fragen. Und wenn es auch heute noch Männer giebt von 48 her, von denen man sagt: sie haben nichts gelernt und nichts vergessen, die das Wort "Freiheit" mißbrauchend blind dem Parteiführer gehorsam sind, sie haben keinen

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Zuzug mehr und sterben aus; der deutschen Jugend von heute sprechen sie eine unverständliche Sprache. Und um alle Deutsche, die bürgerliche Ordnung hochhalten, die an Recht und Gesittung der Völker auf Erden noch glauben, schlingt sich fest und fester ein Band, gewoben aus der Hingabe zum gemeinsamen Vaterland, gewoben aus unverfänglicher Liebe zu dem jetzt verewigten Fürsten, der durch seine mit unvergleichlicher Thatkraft gepaarte, schlichte Geradheit Mißtrauen in Zutrauen zu wandeln verstand. Denn er, an Jahren weit über das gewöhnliche, dem Menschen beschiedene Maß hinaus, schaute - welche Schicksalsschläge ihn ferner auch trafen - mit ruhiger Klarheit herab auf die Entwickelung feines Reiches, Ehrfurcht gebietend den Seinen, Ehrfurcht gebietend den fremden Nationen, die nicht immer das neue Kaiserreich mit günstigen Augen betrachteten. Und als er in diesem Frühjahr den Kreis seines langes Lebens vollendete, bezeugte sein Beileid, wer Sinn hat für Edles und Großes, so weit die Erde civilisirte Völker trägt. - Die Feinde des Reichs freilich frohlockten im Stillen; nahe wähnten sie die Zeit des Zerfalls. Und traurig waren die Tage, die folgten, Tage voll doppelter Trauer! Denn der neue Kaiser der als Kronprinz die Truppen zum Siege geführt, der starke Held von Königgrätz, von Weißenburg und Wörth, er lag unheilbar auf dem Krankenbette. Hatte sein greiser Vater der Welt das Bespiel gegeben, wie man schlichten Sinn auch im höchsten Glücke bewahren soll, so blieb ihm nur übrig zu zeigen, wie der Held Schmerzen erträgt ohne Klagen, wie er das Leben, ohne zu murren, schwinden sieht zu einer Zeit, von der er geglaubt, daß sie ihm das eigentliche Leben erst bringen werde. Schon der hundertste Tag der Regierung des zweiten Kaisers sah ihn als Leiche! - Und wieder frohlockten die Feinde des Reichs; denn sein Nachfolger, zwar längst vermählt mit der Gattin voll deutscher Frauentugend, Vater blühender Prinzen, er erschien als der jüngste in der Reihe der deutschen Fürsten. Ihm sich unterzuordnen, glaubten sie, werde den übrigen schwer sein. Denn sie kannten sie nicht, die deutsche Treue, und wenn sie von ihr gehört hatten, hielten sie sie für eine Phrase, für leeren Schall. Doch schnell zerstörten die Fürsten den thörichten Glauben. Angethan mit den Insignien ihrer Würde traten sie bei der Versammlung des Reichstages auf die Stufen des kaiserlichen Thrones und bezeugten damit vor aller Welt, daß sie fest entschlossen seien, die beschworenen Verträge zu achten. Ist er der jüngste, der Enkel Kaiser Wilhelms, so ist er doch der erste nach dem Recht der Geburt; er ist der Kaiser! Und der junge Kaiser Wilhelm, sich seiner hohen Aufgabe wohl bewußt, mit männlichem Ernst ergriff er die Zügel der Regierung, sich stützend auf den Kanzler, der ein Riese unter den Diplomaten, unbekümmert um Haß und Liebe von Nationen, gleich wie der Recke Hagen im Nibelungenlied, nur seinem Fürsten zu dienen strebt. - Und so haben wir heute ein starkes geeinigtes Deutschland und an seiner Spitze einen Kaiser voll frischen Muthes, voll jugendlicher Kraft! Und er beschloß, sich zu zeigen den Nordlandsfürsten, und er sammelte seine Schiffe und fuhr über's Meer, und wer ihn sah, vergißt nimmer den Anblick. Da war kein Zweifel, wer der Reisende sei: das war der Kaiser! Panzerschiffe waren sein Schutz, die Kriegsflagge war sein Schmuck, und sein Gruß war der Donner der Geschütze! Und in nicht gar langer Zeit wird ihn das Dampfroß auf den Stahlschienen mit Windeseile durch die Länder führen hin zu den Bundesgenossen, die die vorausschauende Klugheit des Fürsten Bismarck uns geworben. Schon rüsten sich die Städte zu einem Empfang, wie sie ihn seit der römischen Kaiserzeit niemandem bereitet; schon bauen sie die Ehrenpforten, schon bestimmen sie die Fackelträger in übergroßer Anzahl, und Kinder und Enkeln werden sie's erzählen: "Ja, so war's! Dort stand er, uns allen sichtbar; von da aus hat er sich's angesehen, er, der mächtigste Fürst des mächtigen deutschen Reiches!" Und unsere Gedanken werden ihn begleiten; wir werden uns freuen über die Ehren, die er genießt, denn er genießt sie als Repräsentant Deutschlands, und wir alle haben Theil daran; und werden es nicht vergessen! Und wenn wir hinausziehen alljährlich zum Sedanfeste, werden wir uns erinnern an diese Zeit, an das Jahr 1888, und was es uns nahm, und was es uns brachte, das Jahr der drei Kaiser! Und werden uns freuen, daß wir geboren wurden in einem Lande, in dem die Treue über alles gilt, und zu einer Zeit, daß wir zeugen können von des Vaterlands Herrlichkeit und Größe, und werden davon reden! Und wenn die Tagesarbeit hinterher wieder alle unsere Gedanken in Anspruch nimmt, so soll's doch nachklingen in uns vom Sedanfeste her wie eine schöne Melodie, die wir gestern gehört und die uns nicht aus dem Kopfe will, was der Dichterfürst ausspricht mit den Worten:
      "An's Vaterland, an's theure, schließ dich an!
      Das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
      Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!
      Dort in der fremden Welt stehst du allein,
      Ein schwankend Rohr, das jeder Sturm zerknickt."
Und wollen dann fröhlich weiterschaffen in der Hoffnung, daß wir die Früchte unseres Thuns genießen mögen in Frieden unser Leben lang! Vielleicht ist's uns beschieden! Freilich, vielleicht auch nicht! Vielleicht geschieht's, daß in einer Nacht, in der alle zum friedlichen Schlummer sich legten, vom Alarmschuß geweckt der Trompeter aufsteht auf der Hauptwache und hinausbläst in die Finsterniß das Signal: "Das Ganze - Sammeln!" und alle Trompeter, so viele ihrer sind im deutschen Reiche, sie reißen die Fenster auf und blasen es nach, und über alle Schläfer hin dröhnt es mit Donnerton: "Das Ganze - Sammeln!" Dann wollen wir nicht zögern, an die Grenze zu eilen mit dem Gewehr in der Hand dahin, wo's noth thut; und wollen das Leben nicht höher schätzen als ein anderes irdisches Gut, uns vom Schöpfer verliehen, darüber hinaus gehen andere Erdengüter, das sind die Ehre und die Freiheit des Vaterlands! Mit solcher Gesinnung im Herzen rufen wir, wie wir es gewohnt sind am Sedantage: Das deutsche Vaterland von Nord bis Süd, von Ost bis West, es lebe hoch!


- Bei den preußischen Offizieren sind jetzt die "Wadenkneifer" völlig verschwunden; die Herren tragen jetzt Beinkleider von gefälligem Schnitt. Ebenso sind die Schnabelschuhe beseitigt, seitdem der Kaiser einen Offizier sarkastisch gefragt hat, ob er Plattfüße zu verbergen haben.
- Die Schwester des Generalfeldmarschalls Graf Moltke, welche an den Probst Bröker in Uetersen, Holstein, verheirathet ist, wird am 9. September mit ihrem Gatten die goldene Hochzeit feiern. Wie verlautet, würde der Feldmarschall zu diesem seltenen Feste nach Uetersen kommen.
- Die zum Manöver in der Straubinger Gegend und im bairischen Wald befindlichen Truppen entwickeln einen so kräftigen Durst, daß vielen Landbrauern schon das Bier ausgegangen ist.
- In Tegernsee wurde der achtzigste Geburtstag der Herzogin Max, der Mutter der Kaiserin von Oesterreich, feierlich begangen. Außer der Königin von Neapel waren die sämmtlichen Kinder und Kindeskinder der Jubilarin anwesend.
- Schweizer Blätter klagen, daß die vielen, fremden Arbeiter, namentlich die deutschen, sich in alle politischen Angelegenheiten der Schweiz hineinmischen und die einheimischen Arbeiter zu Hetzereien fortreißen. Diese Fremden seien, sagen sie, im einem Stück den Einheimischen überlegen, nämlich, im Mundstück, und darauf beruhe meist ihr verderblicher Einfluß.
- Der Londoner Hofbericht erklärt eine der unverschämtesten Aufschneidereien der Mackenzie=Reklame, das Gerücht, daß Sir Morell Mackenzies Pamphlet vor der Veröffentlichung der Königin von England zur Begutachtung unterbreitet werden soll, für falsch. Herr Mackenzie wird sein Pamphlet auf eigenes Glück in die Welt senden müssen, ohne sich mit dem Anscheine irgend einer Zustimmung von hoher Stelle decken zu dürfen.
- Das Chloroform, der große Wohlthäter der leidenden Menschheit, wurde im Jahr 1847 von den Aerzten Flourens und Simpson in die Praxis eingeführt und hat seitdem Unzähligen, die sich schwieri=

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gen Operationen unterwerfen mußten, Aengste und Schmerzen erspart. Todesfälle bei Anwendung von Chloroform sind verhältnißmäßig sehr selten; Geheimrath Dr. Bardeleben in Berlin hat bei 30 000 Chloroformirten nur 1 Todesfall erlebt. Große Vorsicht ist aber immer nothwendig.
- Einer der merkwürdigsten Sterne des Himmels zeigt sich im September dieses Jahres im hellsten Glanz. Er heißt Mira, der Wunderbare, bei den Astronomen, weil er lange Zeit gar nicht sichtbar ist, und steht im Sternbild des Walfisches.
- Die Einnahmen eines Stromers. Vor einigen Tagen, so wird aus Witten berichtet, ist hier in der Oderstr. das Taschenbuch eines Landstreichers gefunden worden, in welches der Inhaber seine Tageseinnahmen eingetragen hatte. Danach hat derselbe eingenommen in Geldern 7 Mk., in Kevelaer 4 Mk., in Goch (erster Tag) 5 Mk., (zweiter Tag) 12 Mk., in Cleve (erster Tag) 8 Mk., (zweiter Tag) 10 Mk., in Nymwegen (erster Tag) 2 Mk., in Nymwegen (zweiter Tag) 6 Mk. Das schlechteste Geschäft hat er in Emmerich gemacht, denn seine Tageseinnahme ist nur mit 1,50 Mk. verzeichnet. Man sieht aus den vorstehenden Aufstellungen, daß das Geschäft ein ganz vorzügliches gewesen ist und daß mancher brave Handwerker, der sich im Schweiße seines Angesichtes vom frühen Morgen bis zum späten Abend müht, nicht halb so viel einnimmt.
- Die Knaben in der Haushaltung. Der "Maldbote", ein Landblatt zu Medford Wisconsin, enthält folgende zeitgemäße Ermahnung, welche auch auf Knaben in Städte abwendbar ist: "Lasset auch die Knaben in der Haushaltung helfen." Wie oft sieht man eine arme, ermüdete Mutter sich im Hause herumschleppen und mühsam ihre Arbeit thun, während ein starker, kräftiger Junge behaglich in einer Sophaecke oder im Lehnsessel ruht. Warum sollte man ihn nicht dazu anhalten, anzufassen, womit er seiner Mutter die Arbeit erleichtern könnte, sei es durch Besorgung von Aufträgen, kleine Handreichungen oder dadurch, daß er ihr sonstige Gänge erspart? Wenn sie ihn rechtzeitig dazu angehalten hätte, würde er als großer Junge gewußt haben, daß es männlich sei, der ermüdeten Mutter zu helfen, und er würde bereitwillig und aus liebendem Herzen Acht geben, um zu erspähen, wieviel Dienste er während seiner Freistunden leisten könnte. Zudem würde dies für den Knaben einen dreifachen Nutzen haben, es würde ihn davor behüten, dumme Streiche zu begehen, würde ihn geschickt und sorgsam machen, ihm eine innige Theilnahme für seine Mutter und für seine zukünftige Frau einflößen, und ihn so zu einem weit rücksichtsvolleren Sohn und Gatten heranbilden.
- Der berühmte Orientalist Professor Zäncker erhielt eines Tages die Kopie einer Inschrift zugesandt, die ein Verehrer von ihm in einem mittelalterlichen Buch gefunden haben wollte. Der Einsender bat um Entzifferung der räthselhaften Inschrift und versprach, das alte werthvolle Manuskript einzuschicken, sowie er dasselbe von einem Verwandten, bei dem es sich befand, erhalten hätte. Die Inschrift lautete: "nenhi se theg eiw rosseforp rreh gat netug." Drei Tage lang zerbrach sich der Professor den Kopf, ohne einen Sinn herauszubekommen. Da geräth sein Söhnchen, ein Quartaner, in sein Studierzimmer und findet das Blatt mit der Inschrift auf Papa's Tisch. Nachdem er eine Weile die Schrift betrachtet, fragt er seinen Vater, seit wann er sich mit Rückwärtsschreiben beschäftige. "Wieso denn? fragt der Professor ganz erstaunt. "Nun," antwortete sein Söhnchen, wenn man das rückwärts ließt, heißt es: "Guten Tag, Herr Professor, wie geht es Ihnen?" Was kein Verstand des Verständigen sieht etc.
- Von Advokatenlist in Liebesangelegenheiten handelt folgende Geschichte, welche der "Weser=Zeitung" aus Paris mitgetheilt wird: Vor einigen Wochen war der deutsche Kaufmann Lebrecht in Begleitung seiner 17jährigen Tochter Magda nach Paris gekommen und hatte daselbst eine Privatwohnung in der Rue Varenues bezogen. Eine Treppe höher befand sich die Kanzlei des jungen Advokaten Léon Lampert, und nach mehrmaligen Begegnungen im Hausflur hatte sich der Franzose leidenschaftlich in das blonde deutsche Mädchen verliebt. Die Blicke der Kleinen verriethen, daß auch ihr der Mann nicht mißfalle, allein Herr Lebrecht, der die größte Antipathie gegen alles Fremdländische hat, verhinderte es, daß die jungen Leute auch nur ein Wort mit einander wechselten. Zu schreiben wäre gleichfalls vergeblich gewesen, denn der Portier hatte dem jungen Miether erzählt, daß der Papa alle Briefe sofort öffne. Der Doktor war trostlos, er glaubte, eine Verschlimmerung seiner Lage sei unmöglich, doch als er eines Morgens zwei große vollgefüllte Koffer aus der Wohnung Lebrechts tragen sah, fühlte er, daß sein früherer Zustand noch Seligkeit gewesen sei, denn jetzt sollte die Geliebte völlig aus seinem Gesichtskreis verschwinden. Der Doktor war sich der Ehrlichkeit seiner Absichten bewußt und schwor, um jeden Preis mit dem Mädchen zu reden, kein Mittel zu scheuen, um den Zweck zu erreichen. Er machte sich reisefertig, entschlossen, im Coupee der Beiden Platz zu nehmen, allein Herr Lebrecht winkte einen Condukteur heran und dieser sperrte ihn und sein Töchterchen gegen ein angemessenes Trinkgeld von den übrigen Mitreisenden ab. An der deutschen Grenze kam Lampert ein verzweifelter Gedanke; er trat ins Mauthaus, verlangte mit dem Vorstand zu sprechen, und sagte demselben: Ich halte es für meine Pflicht, Sie aufzufordern, den Herrn mit dem glattrasirten Gesicht und der Brille einer genauen Leibesuntersuchung zu unterziehen. Ich sage sonst nichts. Herr Lebrecht hatte bereitwillig dem Zollbeamten die Schlüssel seiner Koffer zur Verfügung gestellt, als man ihn aber ins Bureau spazieren hieß, wurde er wüthend und hieß seine Tochter, ihn einstweilen auf dem Perron zu erwarten. Er dachte in einem Augenblick zurück zu sein, doch hielt man ihn eine halbe Stunde fest. Als er zurückkam und sein Kind in eifrigem Gespräch mit dem Doktor sah, errieth er, wer ihm den schlimmen Streich gespielt hatte; rachedurstig kehrte er nach Paris zurück, ließ sein Gepäck allein nach Deutschland ziehen und verklagte den Advokaten auf Verleumdung; Dr. Lampert verantwortete sich dahin, daß er keineswegs behauptet habe, der Herr habe geschmuggelt, sondern einfach gerathen, den Herrn zu visitiren. "Indeß," meinte er, "auch deswegen bitte ich Sie um Vergebung. Ich kann die That nicht bereuen, die mein Glück begründet. Ihre Tochter sagte mir, daß Sie kein Tyrann seien und mir Zeit gönnen würden, Ihr Vorurtheil zu besiegen, um das Mädchen, das ich liebe, aus Ihrer Hand zu empfangen." Lebrecht wandte sich unwillig ab, allein er theilte dem Richter mit, daß er von der Klage abstehe, "denn," sagte er, "es wäre mir schlecht gedient, wenn der Doktor eingesperrt würde, mein dummes Kind wird mir sonst noch aus Schmerz darüber in der Fremde krank."
- Eine gute und billige Fütterung für Hühner giebt Schuster (Montabaur) in der "Ztschr. d. V. nassauischer Land= und Forstwirthe" an, wie er sie in seiner langjährigen Praxis mit dem besten Erfolg und fast ohne Verlust von Hühnern angewendet.
1) Täglich eine Mahlzeit gequellter Kartoffeln (im Winter warm, aber ja nicht heiß) ergiebt nach einem Durchschnittspreise von 2 Mk. für den Centner (10 Pfd. also 20 Pfg.) auf jedes Huhn, angenommen, daß dessen Kropf mit 50 g gefüllt wird, 2 Pfg. 2) Eine Mahlzeit Körnerfutter, das Pfd. 6 Pfg. (für das Huhn 80 g gleich 0,96 Pfg. rund 1 Pfg.); insgesammt 1,16 Pfg. Rechnen wir hiernach bei einer guten Rasse Hühner für ein Huhn nur 150 Eier jährlich, die besten Arten legen unter richtiger Pflege 200 und darüber, das Stück 5 Pfg., so erhalten wir eine Einnahme von 7,50 Mk., hiergegen eine Fütterungsausgabe von 4,38 Mk. somit einen Reingewinn von 3,12 Mk. Den Dung rechnet Schuster für die Unfälle. Nachzucht berechne er ebenfalls nicht, wie auch nicht den Erlös der jährlich zu verkaufenden oder zu schlachtenden Thiere. Als sehr gute Rassen, insbesondere Winterleger, empfiehlt er das Langschon, Hamburger und Italiener Huhn.


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