No. 71
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 11. September
1888
achtundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 1]

Kaiser Wilhelms Reiseprogramm steht nunmehr fest. Der Kaiser begiebt sich zunächst nach der Insel Mainau, wo er mit der badischen Regentenfamilie am 30. September den Geburtstag der Kaiserin Augusta feiert. Von da reist der Kaiser nach Friedrichshaven zum Besuch der Württembergischen Königsfamilie und von da über Lindau nach München zum Besuch des Prinz=Regenten. Von München geht's unmittelbar nach Wien und von da sogleich nach Rom zum Besuch des Königs. Zum Geburtstag seiner Gemahlin, der Kaiserin, am 22. Oktober wird der Kaiser nach Deutschland zurückkehren.
Kaiser Wilhelm wird zwischen den Manövern der Kavalleriedivision und den Korpsmanövern des Garde= und des III. Korps vom 10. bis zum 12. September sich nach Wilhelmshaven begeben, um den dortigen Flottenmanövern beizuwohnen. In der Nacht vom 12. zum 13. September trifft der Erzherzog Albrecht von Oesterreich, um den Manövern beizuwohnen, in Berlin ein. Zu demselben Zweck wird zur angegebenen Zeit auch der Großfürst Nikolaus von Rußland in Berlin erwartet.
Nicht nur Kaiser Friedrich, sondern auch Prinz Friedrich Karl soll interessante Aufzeichnungen und Tagebücher, letzterer namentlich aus den Kriegen von 1864, 1866 und 1870 hinterlassen haben. Man sagt, der regierende Kaiser habe angeordnet, daß sie möglichst bald, zum Theil noch zum 18. Oktober, dem Geburtstag des Kaisers Friedrich, veröffentlicht werden, damit nicht erst die späte Nachwelt, sondern die Mitwelt, die sie noch persönlich gekannt hat, sie kennen lernt. Der große Generalstab hat die Akten der Kriege ja auch nicht erst in den Archiven modern lassen, sondern hat mit der raschen Veröffentlichung seiner berühmten Werke über die letzten drei großen Kriege ein gutes Beispiel gegeben.
Bei der Ankunft Ihrer Majestät, der Kaiserin Friedrich in Homburg v. d. H. hat Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg=Strelitz Höchstderselben einen längeren Besuch abgestattet.
Graf Moltke erläßt folgende Danksagung: "Aus Anlaß des Sedantages sind mir so zahlreiche schriftliche und telegraphische Glückwünsche zugegangen, daß es mir unmöglich ist, dieselben einzeln zu beantworten. Ich bitte daher auf diesem Wege Allen, die meiner freundlich gedachten, meinen herzlichsten Dank aussprechen zu dürfen. Graf Moltke, Feldmarschall."
Staatsminister Graf Bismarck ist nicht nach England gereist, sondern befindet sich in Ostende im Seebad. Gegen Mitte dieses Monats wird derselbe bei seinem Vater in Friedrichsruh eintreffen.
Am 5. September sind es 40 Jahre gewesen, daß Preußen die Schaffung einer Kriegsflotte ernstlich in Angriff genommen hat, indem König Friedrich Wilhelm IV. eine Ordre erlassen hat, die als eigentliche Gründungsakte der Marine angesehen werden muß. Nachdem die Versuche aus der Sturm= und Drangperiode jener Zeit durch die Zentralgewalt in Frankfurt a. M. oder auf dem Weg freiwilliger Betheiligung die Mittel zu einer deutschen Kriegsflotte zu beschaffen, gescheitert waren, nahm Preußen diese Aufgabe auf, stellte seine Flotte unter den Schutz der eigenen Flagge und schuf die Grundbedingung für das Gedeihen derselben, eine feste auf Dauer berechnete Organisation.
Die Nordd. Allg. hat das Wort zu einer amtliche Erklärung. Das Blatt des Reichskanzlers schreibt nämlich: "Die stille Jahreszeit hat in verschiedenen Orten Nord= u. Süddeutschlands Gerüchte gezeitigt, wonach Aenderungen in der Organisation der Reichsämter und insbesondere die Loslösung einzelner derselben von der Person des Reichskanzlers geplant sein sollten. Alle diese Gerüchte und die sich daran knüpfenden Erörterungen sind nichts als die Gebilde einer müssigen Phantasie, von denen in amtlichen Kreisen niemals die Rede gewesen ist und auch niemals die Rede gewesen sein kann.
Die Ultramontanen sind außer sich, daß der Kaiser nach Rom geht, um dem König seinen Antrittsbesuch zu machen, sie sähen doch viel lieber, daß er dazu helfe, dem Papst den Kirchenstaat oder doch Rom zurückzugeben. Die katholische Generalversammlung in Freiburg will in Deutschland die Mönche wieder mobil machen; Ruché aus Mainz erklärt, die deutschen Katholiken würden nicht eher rasten, bis der letzte Kapuziner und Jesuit wieder auf deutschem Boden sein werde, und auch Windthorst wiederholte, alle Kapuziner und Jesuiten müßten wiederkommen.
Der bekannte Afrikareisende Gerhard Rohlfs ergreift jetzt in der "Kölnischen Zeitung" das Wort für eine Expedition zu Gunsten Emin Paschas unter deutscher Staatshülfe. Von Bagampo aus betrage der Weg bis Wadelai 1900 Kilometer, wovon 1500 auf deutschem Gebiet zurückzulegen seien. 100 Deutsche würden zu einer solchen Expedition genügen.
Der König von Schweden wurde bei seiner Rückkehr in Malmö enthusiastisch empfangen. Bei dem Frühstück zu Ehren des König hieß der Bürgermeister den König mit einem Toaste willkommen. Der König erhob sich, rühmte den überaus herzlichen Empfang, den er im Kaiserschlosse in der deutschen Reichshauptstadt gefunden, und hob hervor, daß der neugeborene Prinz nicht bloß seinen Namen, sondern lauter schwedische Namen erhalten habe. Der König schloß seine Ansprache mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den deutschen Kaiser.
Der päpstliche Hofstaat und die Offiziere der vatikanischen Garde sollen, wie "Polit. Korrespondenz" meldet, Befehl erhalten haben, sich für den 19. und 20. Oktober, auf das Zeremonien, das für den Empfang von Souveränen vorgeschrieben ist, vorzubereiten. Man scheint sich also im Vatikan für den Besuch des Kaisers einzurichten. Auch der preußische Gesandte beim Vatikan, v. Schlözer, wird nächstens in Rom zurückerwartet.
Von London aus steigt in Bezug auf Mackenzies Rechtfertigung alle paar Tage ein anderer Ballon auf. Jetzt heißt es, die Schrift werde den Titel tragen : "Die tötliche Krankheit Friedrichs des Edlen". Die Broschüre werde in Berlin bereits Mitte dieses Monats, in London aber erst gegen

[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 2]

Ende September im Buchhandel erscheinen. Erst wurde verkündigt, das Erscheinen solle in England und Deutschland gleichzeitig erfolgen.
Die kaiserliche russische Familie hat die geplante Reise nach Südrußland und dem Kaukasus angetreten und wird etwa acht Wochen von Petersburg fernbleiben. Diese Reise war auch die Ursache zum Ausflug der Czarin nach Gmunden. Die hohe Frau wünschte ihre Schwestern zu sehen, mit denen sie bekanntlich sonst alljährlich in Kopenhagen zusammenzukommen pflegte.
Rußland traut den Polinnen, die allzu verführerisch sind, noch immer nicht. Allen russischen Offizieren, die mit Polinnen verheiratet sind, ist erklärt worden, daß sie nur wie Ausländer in der Armee befördert werden würden. Alle polnischen Offiziere werden bis Ende dieses Jahres in das Innere Rußlands versetzt.
In Charkow verhaftete man eine große Anzahl von Nihilisten. Man argwöhne die Schreckenspartei werde von den extremen Panslawisten, denen die Politik des Czaren zu gemäßigt ist, unterstützt.
General Boulanger ist glücklich wiedergefunden. Die "Lanterne" hat ihn entdeckt; sie berichtet, daß er sich in der Nähe von Paris aufgehalten und dort noch nicht fortgekommen sei. Er mag auch ruhig dort bleiben!
General Boulanger hat manche Aehnlichkeit mit Napoleon III. Wie man einst in Frankreich rief: Ou est Lambert? so ruft man jetzt: Ou est Boulanger? Er sollte in Spanien, in Bremen, in Hamburg sein; er wird aber überall, wie die Krokodile in der Elbe bei Hamburg, dementirt, d. h. verleugnet. Trotz alledem glaubt man in amtlichen Kreisen in Paris, wie der "Kölnischen Zeitung" von dort geschrieben wird, daß Boulanger in der That in Deutschland gewesen sei, um den Fürsten Bismarck zu besuchen. Bismarck aber habe ihm die erbetene Unterredung verweigert, worauf Boulanger nach Frankreich zurückgekehrt sei.


- Schönberg. Am 10. September fand hier unter dem Vorsitz des Herrn Consistorialrath Präfcke aus Neustrelitz als Großherzoglicher Commissarius die mündliche Abgangsprüfung in der Realschule statt, welche zwei Abiturienten W. Schramm von hier und H. Hille aus Mölln bestanden haben. Schramm geht auf eine Realschule erster Ordnung, Hille wird Apotheker.
- Am 7. September Abends ereignete sich auf der Eisenbahn dicht bei Lübeck ein schrecklicher Unglücksfall. Der um 5.54 in Lübeck ankommende Mecklenburgische Schnellzug erfaßte beim Passiren des Geniner Weges das Gespann eines Wagens, wodurch beide Pferde getödtet wurden. Menschenleben sind glücklicherweise nicht zu beklagen. Von Augenzeugen wird über den Unglücksfall folgendermaßen berichtet: Der Anbauer Haß, sowie der Gärtner Rode kamen, mit Einfahren beschäftigt, die Geniner Straße entlang der Stadt zu. Kaum waren dieselben beim Bahnübergang angelangt, als der betr. Schnellzug heranbrauste. Haß, welcher vorauffuhr, gelang es noch, aus dem Bereiche des Zuges zu kommen. Die Pferde des zweiten Wagens, dem Gärtner Rode gehörig, wurden jedoch von der Locomotive erfaßt und mit fortgerissen. Glücklicherweise brach die Deichsel und wurde somit verhindert, daß der Wagen, auf welchem sich der 12jährige Sohn des Rode befand, von der Maschine erfaßt wurde. Trotzdem ist derselbe vollständig zertrümmert. Der junge Rode sprang vom Wagen und kam mit einer ziemlich leichten Verletzung am Arme davon. Die Pferde fand man ca. 1000 Schritte von der Unglücksstätte entfernt in der Wiese. Dieselben waren vollständig zermalmt und bot sich den Vorübergehenden ein schauderhafter Anblick. Die Locomotive war mit einer solchen Vehemenz gegen den Wagen gefahren, daß der Tritt derselben abgebrochen ist.
- Die Elephanten der Wombwell'schen Menagerie, die wir kürzlich hier in Schönberg so friedlich einherziehen sahen, haben in Gadebusch einen Bäckermeister an Leib und Leben gefährdet. Sie mußten nämlich, da sich die Thür des für sie gemietheten Stalles als zu klein erwies, unter dem überdachten Thorweg des Bäckermeisters Ehlert untergebracht werden. Trotz der Warnung und des Verbots des auf kurze Zeit sich von den Thieren entfernenden Wärters hatte sich Herr E. zu den Elephanten begeben und fütterte dieselben. Ob nun der eine Elephant nur futterneidisch auf den andern war, oder ob Herr E. denselben geneckt, lassen wir dahingestellt, denn plötzlich hatte der mit den großen abgestumpften Stoßzähnen versehene Elephant Herrn E. mit dem Rüssel gepackt, drückte ihn unsanft gegen die Wand und bohrte ihm den einen großen Zahn tief in die rechte Schulter. Das Gesicht und die rechte Seite arg erschunden, gelang es Herrn E. noch zu entfliehen, als der Elephant ihn fallen ließ und schon im Begriff war, ihn zu zertreten. Blutüberströmt gelangte Herr E. in seine Wohnung, wo er zusammenbrach. Der Direktor Edmond und auch ärztliche Hülfe waren schnell zur Stelle. Herr E., welcher sehr krank darniederliegt, wird, auch wenn er bald und glücklich von seinen Wunden geheilt wird, doch für längere Zeit arbeitsunfähig sein. Die Schuld an dem Unfalle trägt wohl Herr E. allein und wird daher an eine Entschädigung von Seiten des Menageriebesitzers nicht zu denken sein. - Einen ergötzlicheren Vorfall mit den Elephanten bot ein etwa elf Jahre alter Junge, welcher auf der Straße einen Elephanten mit Brotkrusten fütterte. Als des Jungen Brotvorrath zu Ende war, bot er in dreister Weise dem Elephanten seine Mütze dar, welche dieser schnell erfassend unter dem Geschrei des einen und dem Hurrah der übrigen sehr zahlreich versammelten Jungens in seinem großen Rachen verschwinden ließ.
- In der nächsten Sitzung der Medicinischen Gesellschaft in Berlin sollen von einem berliner Arzte, Herrn Dr. Louis Weigert die Resultate der Untersuchungen vorgelegt werden, welche derselbe seit einigen Monaten auf die Tödtung des Tuberkel=Bacillus in der Lunge durch Einathmen heißer Luft vermittels eines eigens von ihm construirten Apparates gemacht hat. Auf die festgestellte Thatsache begründet, daß dem Koch'schen Tuberkel=Bacillus in einer höheren Temperatur als 37,5 Grad Celsius die Lebensfähigkeit genommen wird, hat Dr. W. seine in hohem Grade schwindsüchtigen Patienten, an denen er seine Versuche anstellte, Luft einathmen lassen, die er allmählich bis auf eine sehr hohe Temperatur gebracht hatte. Die Resultate sollen, wie geschrieben wird, in ärztlichen Kreisen "das höchste Erstaunen hervorgerufen" und zu der Aeußerung Anlaß gegeben haben, daß nunmehr "die vollständige Heilung der Schwindsucht, der bekanntlich ein Fünftel der Menschheit zum Opfer fällt, nicht mehr problematisch sei". Mögen diese Hoffnungen sich erfüllen. Man darf weiteren Berichten mit Intresse entgegensehen.


Anzeigen.

Die nachstehende

Strafverfügung.

Der Händler Daniel Rosenthal aus Neustadt in Mecklbg. gebürtig, wohnhaft in Güstrow, hat am 15. August d. Js. in hiesiger Stadt Hausirhandel betrieben, ohne im Besitze eines Wandergewerbescheins zu sein.
Beweismittel sind:
1. die Anzeige des Gensdarmen Fürstenau hies.,
2. das Geständniß des Angeschuldigten,
3. das Zeugniß des Herbergswirths Hagen hies.
Es wird deshalb hiermit gegen den p. Rosenthal auf Grund der §§ 3,3 und 6,2 der Verordnung vom 19. December 1883, betr. die Erhebung einer Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen, eine an die Kasse der unterzeich=

[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 3]

neten Landvogtei einzuzahlende Geldstrafe von 50 - fünfzig - Mark, an deren Stelle für den Fall, daß sie nicht beigetrieben werden kann, eine Haftstrafe von 6 Tagen tritt, festgesetzt, auch werden die von ihm mitgeführten Waaren eingezogen.
                                                    An Gebühren - M. 31 Pfennig (Mecklenburg).
                                                    und an Auslagen - M. -Pfennig (Mecklenburg).
fallen dem p. Rosenthal - M. - Pfennig (Mecklenburg). zur Last, welche, nachdem die Straffestsetzung vollstreckbar geworden ist, an die Kasse der unterzeichneten Landvogtei bei Vermeidung der Vollstreckung einzuzahlen sind.
Findet der p. Rosenthal sich durch diese Straffestsetzung beschwert, so kann derselbe binnen einer Woche, von dem Tage der Zustellung an gerechnet, entweder eine Beschwerde an die Großherzogliche Landes=Regierung zu Neustrelitz ergreifen, oder bei der unterzeichneten Landvogtei oder bei dem Amtsgerichte zu Schönberg auf gerichtliche Entscheidung antragen.
Die Beschwerde ist bei der Großherzoglichen Landes=Regierung schriftlich oder bei der unterzeichneten Landvogtei schriftlich oder mündlich (zur Registratur) einzulegen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bei der unterzeichneten Landvogtei schriftlich oder mündlich (zur Registratur) oder bei dem Amtsgerichte zu Schönberg schriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers anzubringen.
Schönberg, den 17. August 1888.

            Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
          U. Frhr. v. Maltzan.

H. Spieckermann.        

wird dem Händler Daniel Rosenthal aus Neustadt in Mecklenburg, da dessen zeitiger Aufenthalt unbekannt, hiemit öffentlich zugestellt.
Schönberg, den 3. September 1888.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
U. Frhr. v. Maltzan.

H. Spieckermann.        


Oeffentl. Zwangsversteigerung.

Mittwoch, den 12. September cr., Nachm. 4 Uhr sollen im Pfandlocale hieselbst

1, eine größere Partie Schulbücher, für Lehrer und Seminaristen geeignet,
2, eine Violine mit Kasten und
3, ein Tisch und 2 Rohrstühle
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 5. September 1888.

Staffelt, Gerichtsvollzieher.        


Oeffentl. Zwangsversteigerung.

Sonnabend, den 15. d. Mts. Nachmittags 3 Uhr sollen beim Arbeitsmann Hagen in Torriesdorf

1, 2 Ferkel und
2, die auf ca. 50 Quadratruthen Ackerland ausgepflanzten Kartoffeln
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.

Staffelt, Gerichtsvollzieher.        


In der am 25. v. M. hier abgehaltenen ersten Versammlung der Berufsgenossenschaft für die Unfallversicherung der land= und forstwirthschaftlichen Arbeiter des Großherzogthums Mecklenburg=Strelitz sind die durch die §§ 9, 20, 25 und 6 sub 3 des Status vorgeschriebenen Wahlen beschafft, und sind gewählt worden:

I. als Vorstandsmitglieder resp. deren Ersatzmänner:

1. Herr Geheimer Legationsrath von Oertzen auf Leppin und
    Herr Graf von Bernstorff auf Beseritz als sein Ersatzmann.
2. Herr Syndicus Dr. Pries zu Neubrandenburg und
    Herr Lemcke auf Neddemin als sein Ersatzmann.
3. Herr Pächter Dierking zu Lockwisch in Ratzeburg und
    Herr Pächter Kaiser zu Stove in Ratzeburg als sein Ersatzmann.
4. Herr Oberförster Wentzel in Strelitz und
    Herr Forstmeister von Oertzen zu Glambeck als sein Ersatzmann.
5. Herr von Michael auf Gantzkow und
    Herr Graf von Schwerin auf Mildenitz als sein Ersatzmann.

II. als Mitglieder des Ausschusses zur Entscheidung über Beschwerden resp. deren Ersatzmänner:

1. Herr Oberamtmann Zarnekow zu Wanzka und
    Herr Oberamtmann Drewes zu Krickow als sein Ersatzmann.
2. Herr Amtmann Staeding zu Neuhof in Ratzeburg und
    Herr Schulze Stein zu Rieps in Ratzeburg als sein Ersatzmann.
3. Herr Pächter Schroeder zu Lüttenhagen und
    Herr Oberförster Grapow daselbst als sein Ersatzmann.
4. Herr Senator Brunn in Strelitz und
    Herr Cämmerer Hahn in Neubrandenburg als sein Ersatzmann.
5. Herr Siemers auf Gentzkow und
    Herr Pächter Bade zu Pleetz als sein Ersatzmann.

III. als Beisitzer des Schiedsgerichts:

1. Herr von Lücken auf Godenswege und
    Herr Dr. von Oertzen auf Rossow als sein Ersatzmann.
2. Herr Oberamtmann Cordua zu Zippelow und
    Herr Pächter Müller zu Rowa als sein Ersatzmann.

IV. als Mitglieder des Ausschusses zur Vorprüfung der Jahresrechnung:

1. Herr Oberforstmeister a. D. von Waldow auf Dannenwalde,
2. Herr Pächter Schultz zu Vorheide,
3. Herr Hufenbesitzer Brehm jun. zu Neubrandenburg.
Solches wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Neubrandenburg, den 5. September 1888.

Der provisorische Vorstand
der Berufsgenossenschaft für die Unfallversicherung der land= und forstwirthschaftlichen Arbeiter des Großherzogthums Mecklenburg Strelitz.


Torf=Auction.

Am Sonnabend, den 15. d. Mts., Morgens 9 Uhr, werde ich

100 Mille Formtorf

öffentlich meistbietend verkaufen. Kaufliebhaber wollen sich zur genannten Zeit bei mir einfinden.
Roduchelstorf d. 7. September 1888.

P. Bockholdt.        


Verlobungs=Anzeige.
Luise Kähler
Carl Dräger
Schönberg.


2000 Pfd. Riesen=Roggen

(hiesiger diesjähriger Ernte) sind zu verkaufen. Von wem? sagt die Expedition der Anzeigen.


Ziege Eine 3jährige Ziege
hat zu verkaufen                                           
Will, Wasserstraße 137.


Suche zum 1. November d. J.                          
ein junges Mädchen
zur Stütze der Hausfrau, welches schneidern kann.                          
                                                    Frau C. Hoffmann,
                                                    Lübeck, Hüxstraße 51.


1 bis 2 Fuder Klee
hat zu verkaufen                                                    Fr. Leumann.


Särge aus Eichen= und Tannen=Holz hält in großer Auswahl vorräthig und empfiehlt solche zu den billigsten Preisen.

Kiel & Rindfleisch.       


Pantoffel Cordpantoffel Frauengrösse à Dutz Paar m. gesteppt. Filzsohl. M. 3.90, m. imit. Lederaufl. M. 4.75 m. Rinderspaltleder M. 5, mit holzgenagelten Tuchsohlen M. 6.50 bis M.10, Tuchschuhe, Cordschuhe m. holzgenagelten Tuchsohlen M. 11 Holzsohlenschuhe liefert G. Engelhardt, Zeitz.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 4]

Ausstellung
von Geflügel, Blumen, Gemüse und Obst
am 30. September und 1. October d. Js.
zu Schönberg i. M.
im Saale des Gastwirths Freitag.

Zur Betheiligung an dieser Ausstellung laden wir hierdurch mit dem Bemerken ergebenst ein, daß zur Ausstellung nur selbstgewonnene Erzeugnisse des Gartens und Obstbaues gelangen sollen, und Jeder im hiesigen Fürstenthume theilnehmen kann.
Eine vorherige Anmeldung der auszustellenden Gegenstände ist nicht erforderlich, die Einlieferung derselben erfolgt im Saale des Hrn. Freitag am Sonnabend, den 29. September von Morgens 8 bis Abends 5 Uhr, abgeschnittene Blumen jedoch können noch am 30. September von Morgens 6 bis 8 Uhr eingeliefert werden.
Die Rückgabe der ausgestellten Sachen geschieht am Dienstag, den 2. October, von Morgens 8 bis 12 Uhr Mittags. Etwa in dieser Zeit nicht abgeholte Ausstellungsgegenstände können bis Freitag, den 5. October, Mittags, durch Vermittelung des Herrn Lundwall abgefordert werden, alle bis dahin nicht zurückgenommenen Gegenstände verfallen zum Besten der Kasse.
Eintrittskarten zum Besuche der Ausstellung kosten für Erwachsene 20 Pfg., für Kinder 10 Pfg. und werden an der Casse gelöst.
An Preisen werden vertheilt werden für Blumen 6 Geldpreise und 4 Diplome, für Obst 6 Geldpreise und 4 Diplome, für Gemüse 6 Geldpreise und 4 Diplome und für Geflügel 60 Mark Geldpreise und 20 Diplome.
Schönberg, den 9. September 1888.

Der Vorstand des Vereins für Geflügelzucht.


Geschäfts=Eröffnung.
Am heutigen Tage eröffnen wir hierselbst Sandstresse 19
unter der Firma
Gebr. Ballerstedt
ein Geschäft in
Damen-Kleiderstoffen & Confection,
und halten unser reichhaltiges, mit allen Neuheiten der Saison ausgestattetes Lager bestens empfohlen.
                                              &nbs                                                    
Gebr. Ballerstedt.


Zu dem am 16. und 17. September bei mir stattfindenden

Scheiben=Schiessen

nach guten Gewinnen erlaube mir hiermit ergebenst einzuaden.

Am Montag, den 17. September: Tanz
                          Gastwirth=Ww. Holst, Neue Welt.


Offerire wohlriechenden                                                    
Brenn- und Polir-Spritus
à Liter 50 Pfg.
H. Schrep.


Feine Eßkartoffeln
im October zu liefern empfiehlt billigst                          
                                                    Aug Spehr.


Dr. med. Weyh
homöop. Arzt.
Lübeck, Beckergrube Nr. 38.
Sprechstunde: 8 bis 10 und 4 bis 5 Uhr.


Zu Michaelis ist eine                                                    
Wohnung
zu vermiethen bei                                                      
                                                    H. Lohse in Rupensdorf.


Vom 1. Juni 1888: Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,3 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,3 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 71 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 11. September 1888.


Das Vermächtnis Kaiser Wilhelms.

Der "Reichs= und Staatsanzeiger" bringt in seinem am 31. August erschienenen Nummer folgenden Erlaß des Kaisers an den Minister des kgl. Hauses:
Die letztwilligen Aufzeichnungen Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I., Meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters, enthalten ein herrliches Zeugniß erhabener Seelengröße und edlen frommen Sinnes, dessen Kenntniß Ich Meinem Volk nicht vorenthalten will. Ich habe deshalb an dem heutigen, für Mein Haus bedeutungsvollen Tag beschlossen, den beikommenden Auszug aus diesen Aufzeichnungen bekannt zu geben, als ein Denkmal zur Ehre des Entschlafenen, als ein Vorbild für Mein Haus und für Mein Volk. Sie haben hiernach das Weitere zu veranlassen. Potsdam, den 31. August 1888. Wilhelm R.

Auszug aus den letztwilligen Aufzeichnungen Seiner Majestät des in Gott ruhenden Kaisers und Königs Wilhelm.

        I. Koblenz, den 10. April 1857.
                Im Glauben ist die Hoffnung!
                Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf Ihn, Er wird es wohl machen!
                Herr, Dein Wille geschehe im Himmel wie auf Erden!
Wenn diese Schrift in die Hände der Meinigen fällt, gehöre ich zu den Abgeschiedenen! Mögte es mir vergönnt sein in meinen letzten Lebensstunden, meinen Geist den Händen meines Gottes zu empfehlen! Mögte es mir vergönnt sein, von meinen Theueren mich Ueberlebenden, Abschied nehmen zu können! Sollte ein jäher Tod mich ereilen, so möge mein ganzes Leben eine Vorbereitung für das Jenseits gewesen sein! Möge Gott mir ein barmherziger Richter sein!
Ein viel bewegtes Leben liegt hinter mir! Nach Gottes unerforschlicher Fügung haben Leid und Freude in stetem Wechsel mich begleitet. Die schweren Verhängnisse, die ich in meiner Kindheit über das Vaterland hereinbrechen sah, der so frühe Verlust der unvergeßlichen, theuren geliebten Mutter erfüllte von früh an mein Herz mit Ernst. Die Theilnahme an der Erhebung des Vaterlandes war der erste Lichtpunkt für mein Leben. Wie kann ich es meinem heißgeliebten König und Vater genugsam danken, daß er mich Theil nehmen ließ, an der Ehre und dem Ruhm des Heeres! Seiner Führung, Liebe, seiner Gnade danke ich ja Alles, was er mir bis zu seinem Tod vertrauensvoll erwieß! Die treueste Pflichterfüllung war meine Aufgabe in liebender Dankbarkeit, sie war mein Glück! Dem König, meinem Bruder, der mir zugleich vertrauensvoller Freund ist kann ich nie hinreichend für diese Stellung zu ihm, dankbar sein! Wir haben schöne, aber auch schwere Zeiten zusammen durchlebt, die uns aber nur immer enger verbunden haben, vor allem die jüngsten Jahre, wo Verrath und Irrungen das theure Vaterland dem Abgrund nahe brachten. Seiner Gnade und seinem Vertrauen danke ich es, daß ich in Deutschland auf seinen Befehl, Ordnung und Zucht herstellen konnte, nachdem Er im eigenen Lande dies Beispiel gegeben hatte. Alle, die mit mir durch Freundschaft und Wohlwollen in Verbindung traten, und ihre Zahl ist nach Gottes Weisheit nicht gering gewesen, finden hier meinem heißen Dank und zugleich den letzten Dank für ihre Liebe, mit der sie mir begegneten. Viele sind mir in das Jenseits vorangegangen, wie wird unser Wiedersehen sein? Allmächtiger l Du kennst meine Dankbarkeit für Alles was mir hienieden Theueres und Schmerzliches begegnete! In Deine Hände befehle ich meinen Geist! Amen! Wilhelm.
        II. Berlin, den 31. Dezember 1866. Seitdem ich am 10. April 1857 meinen Abschiedsgruß meinen zu Hinterlassenden niederschrieb, hat das Schicksal mächtig in mein Leben eingegriffen. Die Vorsehung bestimmte in einer ungeahnten Weise über die letzten Lebensjahre meines theueren Bruders und berief mich noch bei seinem Leben zu seinem Nachfolger. Als Gott den vielgeprüften König und Bruder von seinem schweren Leiden gnädig erlöste, mußte ich den Thron der Väter besteigen. Gegen meine Neigung schritt ich zur Krönung, in tiefster Demuth, um Preußen mit seinen neuen Institutionen die irdische Macht zu vergegenwärtigen, die zu dessen Heil festbestehen müsse. Diese meine gewissenhafte Ueberzeugung hat mich geleitet und gestählt in den schweren Kämpfen, die ich mit jenen neuen Institutionen Jahre lang zu bestehen hatte. Diese Kämpfe haben mich tief erschüttert, weil ich Stand halten mußte gegen ein wirres Andrängen gegen jene irdische Macht, die ich nicht aus den Händen geben durfte, wenn Preußens Geschichte nicht aufgegeben werden sollte. Ich vergebe Allen die wissentlich und unwissentlich sich meinen, auf Gewissensüberzeugung begründeten Absichten zum Wohle des Vaterlandes, entgegensetzten, um die Macht der Krone zu schmälern, und die Herzen der Preußen derselben zu entfremden. Vergessen mögen meine Nachkommen es aber nicht, daß Zeiten möglich waren, wie die von 1861-66! In dem Jahre, welches heut schließt, hat sich Gottes Gnade in einer Art über Preußen ergossen, die für so viel Erduldetes reichlich entschädigt. In Demuth erkenne ich diese Göttliche Gnade, die mich ausersehen hat, in meinem vorgerückten Alter, eine Wendung der Verhältnisse herbeizuführen, die zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes bestimmt zu sein scheint. Das Werkzeug, so Großes zu erreichen, die Armee, steht unübertroffen in diesem Augenblicke vor der Welt. Der Geist, der sie beseelt, ist der Ausdruck der Gesittung, die eine sorgliche Hand meiner erhabenen Vorfahren der Nation anerzogen hat. Die Armee findet in allen ihren Theilen in dieser ernsten Scheidestunde des Jahres, meinen Herzensdank für die Hingebung und Aufopferung, mit der sie meinem Rufe folgte und vor meinen Augen siegte, ein Erlebniß für das ich Gott meinen demüthigsten Dank stammle! Aber ganz Preußen finde hier meinen Königlichen Dank für die Gesinnung, die es in diesem denkwürdigen Jahre an den Tag legte! Wo solche Vaterlandsliebe sich zeigt, da ist der gesunde Sinn vorhanden, der Nationen groß macht, und darum segnet sie Gott sichtlich! Meinen heißesten Dank finden alle hier, die mir halfen durch schwere Zeiten zu dem Lichtpunkt dieses Jahres zu gelangen. Möge Gottes Segen immer auf Preußen ruhen und Preußen sich dieses Segens würdig zeigen! Möge mein Sohn und seine Nachkommen solches Volk und solche Armee um sich sehen und durch besonnenes, zeitgemäßes Fortschreiten das Wohl und Gedeihen Beider sorglich fördern und Preußen die Stellung sichern, die ihm von der Vorsehung sichtlich angewiesen ist! Das walte Gott in Seiner Gnade! ! ! Mitternacht! 66/67. Wilhelm.
        III. 31. Dezember 1871.

1870-1871.
Gott war mit uns!
Ihm sei Lob, Preis, Ehre, Dank!

Als ich am Schluß des Jahres 1866 mit Dank erfülltem Herzen Gottes Gnade dankend preisen durfte für so unerwartet glorreiche Ereignisse, die sich zum Heile Preußens gestalteten und den Anfang zu einer Neu=Einigung Deutschlands nach sich zogen, da mußte ich glauben, daß das von Gott mir aufgetragene Tagewerk vollbracht sei und ich dasselbe nun in Ruhe und Frieden fortbildend, dereinst meinem Sohne Glück bringend hinterlassen würde, voraussehend, daß es ihm beschieden sein werde, die südliche Hälfte Deutschlands mit der nördlichen zu einem Ganzen zu einen. Aber nach Gottes unerforschlichem Rathschluß sollte ich berufen werden, selbst noch diese Einigung herbeizuführen, wie sie sich nach dem von Frankreich auf das frivolste herbeigeführten ebenso glorreichen als blutigen 7monatlichen

[ => Original lesen: 1888 Nr. 71 Seite 6]

Kriege - nunmehr darstellt. Wenn je in der Geschichte sich Gottes Finger sichtlich gezeigt hat, so ist dies in den Jahren 1866, 1870 und 71 geschehen. Der Deutsch=französische Krieg, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel herabfiel, einte ganz Deutschland in wenigen Tagen und seine Heere schritten von Sieg zu Sieg und erkämpften mit schmerzlichen Opfern Ereignisse, die nur durch Gottes Willen möglich waren. Dieser Wille stellte mir Männer zur Seite, um so Großes vollbringen zu sollen. Dieser Wille stählte die Gesinnung der Kämpfenden in Hingebung und Ausdauer und nie gekannter Tapferkeit, so daß an Preußens Fahnen und an die seiner Verbündeten sich unvergänglicher Ruhm und neue Ehre knüpfte. Dieser Wille begeisterte das Volk zu nie gekannter Opferwilligkeit, zur Linderung der Leiden die der Krieg unvermeidlich schlägt! Mit demüthig dankerfülltem Herzen preise ich Gottes Gnade, die uns würdig befunden hat, so Großes nach seinem Willen vollbringen zu sollen! Möge diese Gnade ferner uns zur Seite stehen beim Auf= und Ausbau des neu geeinten Deutschlands, zu dem erst der Grund gelegt ist und Frieden uns beschieden sein "die Güter in Demuth zu genießen," die in blutigen, heißen Kämpfen errungen wurden! Herr Dein Wille geschehe im Himmel, also auch auf Erden! ! ! Amen! Wilhelm.
        IV. Berlin, den 31. Dezember 1878, 1/2 11 Uhr Abends. Es gehet ein Jahr zu Ende, welches für mich ein Verhängnisvolles sein sollte! Ereignisse von erschütternder Art trafen mich am 11. Mai und 2. Juni. Die Körperlichen Leiden traten zurück gegen den Schmerz, daß Preußische Landeskinder eine That vollbrachten, die am Schluß meiner Lebenstage doppelt schwer zu überwinden war und mein Herz und Gemüth für den Rest meiner Tage finster erscheinen lassen! Doch muß ich mich ergeben in den Willen Gottes, der dies Alles zuließ aber zugleich seine Gnade und Barmherzigkeit walten ließ, da er mir nicht nur das Leben erhielt, sondern mich zu meinen Berufsgeschäften wieder fähig machte. So preise ich Gott für diese Seine Führung, in der ich gleich eine Mahnung erkenne, mich zu prüfen, ehe ich vor dem Richterstuhl des Allmächtigen erscheinen soll! Daher erkenne ich in den so sichtbar gewordenen Ereignissen eine Gnadenvolle Führung Gottes, die zum Guten führen soll, wie Alles, was von ihm in Leid und Freude uns trifft. Darum preise ich die Vorsehung für die schmerzensvollen Ereignisse des ablaufenden Jahres. Sie haben mir aber auch Erhebendes gebracht, durch die Theilnahme, welche mir von allen Seiten zu Theil wurde. Zunächst findet hier meine Gemahlin meinen heißesten Dank für ihre Liebe und Theilnahme, die sie mir, selbst leidend, schenkte, demnächst meine Tochter, die mit kindlicher Liebe mich pflegte und mir so wohl that. Alle Familienglieder nah und fern finden hier meinen liebevollen Dank für Alles was sie mir Theilnehmendes in der Schmerzenszeit bewiesen. Allen denen, die in so überraschender Weise meiner gedachten, gebührt hier mein inniger Dank. Und woher kam diese Theilnahme? Von wo anders als vom Allmächtigen, dessen Führung es wollte, daß ich in der Welt so gestellt ward, daß Seine Gnade sich jedermann einprägte, die über mir waltete. Und in dieser Waltung erkenne ich wiederum Seine Liebe und Barmherzigkeit, daß Er mich ausrüstete, Seinen Willen hier auf Erden zu vollführen und Er mich und mein Volk würdig fand, das übertragene Pfund zu verwalten. Also wiederum nur Gottes Gnade preise ich in Allem, was mir von Menschen in der Leidenszeit Gutes zu Theil ward. Aber nicht blos in dieser Leidenszeit zeigte sich diese Theilnahme, sondern jederzeit habe ich dieselbe in einem Maße empfangen, die weit über das Verdienst ging, mit dem ich jenes Pfund verwalten konnte. Die Menschen haben meine Schwächen und Fehler übersehen wollen; aber Der, welcher sie kennt, wolle mir dereinst ein barmherziger Richter sein, wo ich die Lehren und Weisungen des Eingeborenen Sohnes des Himmlischen Vaters nicht achtete! Herr Dein Wille geschehe im Himmel also auch auf Erden. Im Glauben ist die Hoffnung und die himmlische Liebe der Weg dahin! Amen! Wilhelm.


- Der 2000. Torpedo ist am vergossenen Sonnabend in den Spezialwerkstätten der Berliner Maschinenbau=Aktiengesellschaft vormals Schwartzkopff vollendet worden, eine staunenswerthe Leistung, wenn man erwägt, daß im Herbst des Jahres 1882 erst die Fabrikationsziffer 100 erreicht war. Der 2000. Torpedo ist, wie wir hören, für die holländische Marine bestimmt, trägt eine Sprengladung von nahe an 60 Kilogramm Schießwolle und erreicht die sehr bedeutende Geschwindigkeit von über 28 Knoten; wir wollen jedoch hier noch hinzufügen, daß in letzter Zeit bereits Torpedos für 120 Kilogramm Sprengladung gebaut worden sind, die, ein höchst beachtenswerther Fortschritt der Technik, mit über 30 Knoten laufen.
- 46 015 Fremde sind im Monat August in Berlin eingekehrt und zwar in Gasthöfen 34 221, Hotel garnis und Chambres garnis 5043, sonstigen Herbergen 6751. Es ist dies wohl die höchste Zahl der in Berlin in einem Monat abgestiegenen Fremden.
- Das Neueste ist in Berlin ein Zweikampf per Veloziped, der jüngst in Tegel sich wirklich abgespielt hat. Zwei Berliner Velozipedisten setzten sich in Positur und rannten mit ihren Rädern dermaßen zusammen, daß beide herunterfielen und ein Fahrrad zerschmettert wurde. Allerdings ein sehr theures Duell, das auch hier noch dem einen beinahe seine gesunden Knochen gekostet hätte.
- Pflichttreue eines Schutzmannes. Der Schutzmann W. in der Tegelerstraße in Berlin ist ein gar gestrenger Herr. Wenn er früh morgens die Straße betritt, läßt er seine Blicke prüfend umherschweifen, und keine Ungehörigkeit entgeht seinem Scharfblick. Da hörte er neulich ein rieselndes Rauschen, er späht umher und sieht, wie seine eigene Frau einen Eimer unreinen Wassers in den Rinnstein gießt. Seine erste Meldung vom Tag lautete: Die Schutzmannsfrau W. goß verbotener Weise einen Eimer unreinen Wassers auf der Straße aus." Die Folge war ein Strafmandat über 3 Mk., welche W. natürlich selbst bezahlte.
Auf der schlesischen Bahn fährt von Berlin aus seit einigen Abenden eine Lokomotive mit elektrischer Lampe bis Rummelsburg Probe. Der Strahl derselben beleuchtet die nächtliche Landschaft weithin. Die Lokomotive erzeugt das blendende Licht selbst.
- Die vom Reichstag beschlossene Errichtung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm I. ist so weit gediehen, daß dem Reichstag bei seinem Zusammentreten im Spätherbst bereits eine Vorlage zugehen wird. Es heißt auch, es Sei beabsichtigt, die Häuser an der Schloßfreiheit anzukaufen und zu beseitigen, um auf dem so gewonnenen Raum das Denkmal zu errichten. Es wird vorausgesetzt, daß die Stadt Berlin sich an den Kosten betheiligen werde.
- Die deutschen Schriftsteller waren in diesem Jahre zu schwierigen Berathungen in München versammelt. Doch gab's auch mancherlei Kurzweil und Mancher hat guten Stoff gesammelt und nicht nur im Hofbräu. Die Dampfschiffahrtgesellschaft führte sie auf den Starnberger See und Herr von Hallberger, der große Buchhändler, erinnerte sich, daß die Schriftsteller seine besten Kunden sind und gab ihnen in seinem Landhaus in Tutzing ein großes Kellerfest, zu denen die Gäste die Trinksprüche spendirten. Einer der Gäste war der Landrath Graf Wilhelm v. Bismarck.
- Von 6. bis 11. September tagen in München die deutschen Forstmänner.
- Auf der Düne von Helgoland, auf welche die Badegäste der Insel übergesetzt werden, um zu baden, liegt ein kleiner Gottesacker, in welchem die vom Meer ans Land geschwemmten Unbekannten bestattet werden. Die kleine Ruhestätte, deren Schutzbefohlene Niemand kennt, macht auf Jedermann tiefen Eindruck. Im Nordseebad Westerland ist eine ähnliche Heimathstätte Namenloser; auf dieser hat die Königin Elisabeth von Rumänien, der jüngste Badegast, einen mächtigen unbehauenen grauen Granitblock aufrichten lassen mit einer Marmortafel, welche die schöne Inschrift trägt:
        "Wir sind ein Volk, vom Strom der Zeit
        Gespült zum Erdeneiland,
        Voll Unfall und von Herzeleid,
        Bis heim uns holt der Heiland.
        Das Vaterhaus ist immer nah,
        Wie wechselnd auch die Loose,
        Es ist das Kreuz von Golgatha
        "Heimat für Heimathlose"."


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