No. 49
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. Juni
1888
achtundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 1]

Die Krönung Kaiser Wilhelms wird, wie die "National=Zeitung" berichtet, im Herbst d. J. in Königsberg stattfinden. Während des Sommers wird das Kaiserpaar wegen des Mitte August zu gewärtigenden freudige Familienereignisses nicht verreisen, nur dürfte der Kaiser, nachdem Prinz Heinrich und Gemahlin nach Kiel übergesiedelt sind, einen kurzen Ausflug dorthin machen.
Der Kaiser wird aus dem Marmor=Palais in Potsdam nach Berlin übersiedeln und dort im Königsschloß an der Spree residiren. Die kaiserliche Familie wird sodann diejenigen Räume bewohnen, welche König Friedrich Wilhelm IV. während seiner Regierung inne hatte. In vierzehn Tagen bis drei Wochen soll aber das Hoflager von dort nach Schloß Friedrichskron verlegt und den ganzen Sommer daselbst Aufenthalt genommen werden.
Die Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. wird auch den auswärtigen Höfen von Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden und England durch besondere Bevollmächtigte, und zwar ausschließlich durch Generäle angezeigt werden.
In Berlin gilt es als zweifellos, daß die Botschaft, welche Kaiser Wilhelm persönlich am Montag an den Reichstag richten wird, nicht allein eine friedliche Kundgebung für das deutsche Volk, sondern auch eine hochbedeutsame für ganz Europa sein werde. Auch glaubt man, daß Fürst Bismarck im Reichstag ähnlich wie beim Tod Kaiser Wilhelms Gelegenheit nehmen werde, nach der Ankündigung des Todes die politische Lage zu beleuchten. In parlamentarischen Kreisen scheint es festzustehen, daß der Reichstag eine Adresse an den Kaiser beschließen und nach zwei Sitzungen wieder geschlossen wird. Daß ihm legislatorische Aufgaben zugehen könnten, gilt für ausgeschlossen. Im preußischen Landtag wird sich alles wahrscheinlich ebenso abspielen.
Die Eröffnung des Reichstages soll am Montag unter großer Feierlichkeit vor sich gehen. Der große Vortritt bei Hofe, mit Hof=, Ober=Hof= und obersten Hofchargen wird dabei fungieren. Ueber dem Throne wird der Kaiserbaldachin von Goldstoff sich erheben, da Gelb die Kaiserfarbe ist, mit den eingestickten Reichsadlern. Zur Seite des Thrones werden die Krönungsinsignien ausgelegt sein. Außer den Ministern werden die ganze Generalität und die Wirklichen Geheimen Räthe der Feierlichkeit beiwohnen.
Ueber einen demnächstigen Gnadenerlaß des Kaisers Wilhelm weiß die "Voss. Ztg." zu berichten, daß derselbe sich genau an den Erlaß weiland Kaiser Friedrichs anschließen und die im letzteren Erlaß bezeichneten Begnadigungen auf alle Fälle ausdehnen werde, welche bis zum Regierungsantritt des jetzigen Kaisers rechtskräftig geworden sind.
Die Betheiligung der deutschen Fürsten an der Eröffnung des Reichstages ist darauf zurückzuführen, daß der Großherzog von Baden an sämtliche regierenden deutschen Fürstlichkeiten, sowie an die regierenden Bürgermeister der Hansastädte Einladungen gerichtet hat. Die Thronrede, so wird versichert, wird einen ausgesprochenen friedlichen und friedliebenden Charakter haben. Die Anwesenheit aller deutschen Fürsten wird dieser Friedenskundgebung einen ganz besonderen Nachdruck verleihen.
Von zuverlässiger und gewöhnlich gut unterrichteter Seite wird mitgetheilt, daß schon bei Lebzeiten des Kaisers Friedrich mit dem Herzog von Cumberland geführten Verhandlungen einen guten Abschluß gefunden haben. Der Herzog von Cumberland soll zu einem endgiltigen Verzicht auf Hannover bereit sein und danach als Herzog in Braunschweig seinen Einzug halten. Der sogenannte Welfenfonds würde ihm natürlich ausgehändigt werden, eine allgemeine Versöhnung der Familien würde stattfinden. Die Ernennung des Prinzen Albrecht zum Feldmarschall soll hiermit bereits in Zusammenhang stehen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß Kaiser Friedrich seinerseits die Meldung von dem Ableben Kaiser Wilhelms an den Herzog von Cumberland und an den Herzog von Nassau ebenso wie an alle regierenden Fürsten hat gelangen lassen.
Kaiser Friedrich hat nach der Post eine Menge Aufzeichnungen hinterlassen, die zum Theil noch aus San Remo datirt sind.
Auch in der Bundesrathssitzung am Freitag betonte der Reichskanzler die friedliche Lage und deutete an, daß in der Politik nach Innen wie nach Außen die Grundsätze festgehalten würden, welche bis jetzt bestimmend waren.
Das neue Schleppsäbelmodell für die Infanterie=Offiziere besteht aus einem leichten vernickelten Korbsäbel mit Eisenscheide, dessen Korbglocke denen der Husarensäbel ähnlich ist, jedoch abgerundete Parierstangen hat. Der Griff des Gefäßes ist mit Schlangenhaut bezogen, in den Narben mit Silberdraht bewickelt und mit einer ledernen Finger=Oese versehen. Die Klinge ist, ähnlich dem jetzigen Säbel der Füsilier=Offiziere, leicht gekrümmt.
Die vereinigten Ausschüsse der ungarischen Delegation haben den für Heereszwecke geforderten Credit von 47 Millionen Gulden einhellig genehmigt.
In Kopenhagen wird der Besuch des Kaisers Alexander von Rußland bereits im nächsten Monat erwartet. Wahrscheinlich wird sodann eine Begrüßung zwischen dem Czaren und Kaiser Wilhelm II. erfolgen.
- Schönberg. Die neuerbaute Kirche in Carlow wird am 5. Sonntage nach Trinitatis (1. Juli) durch den Herrn Superintendenten Langbein aus Neustrelitz eingeweiht werden; die Baubehörde wird der Herr Baurath Müschen aus Neustrelitz bei diesem feierlichen Akte vertreten.
Schönberg. Dem gestrigen Remontenmarkt war nur eine geringe Anzahl von Pferden zugeführt, wenn wir nicht irren, 12 Stücke die Ankaufskommission

[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 2]

hat nach flüchtigem Verweilen auf dem Sammelplatz denselben verlassen, ohne eines der Thiere einer näheren Besichtigung zu unterweisen. Ankäufe sind natürlich nicht gemacht. Ebenso soll es in Rehna gewesen sein, wie wir hören.
- Lübeck. Am letzen Montag als am Tage der Bestattung weiland Kaiser Friedrich III. waren die Mannschaften unseres Füselier=Bataillons dienstfrei und trugen Ordonnanzanzug. Als abends ein Rekrut in ziemlich angetrunkenem Zustande mit herabgelassener Schuppenkette die Kaserne betrat, wurde derselbe von zwei älteren Kameraden geneckt. Der Angetrunkene, ein Baier, zog das Seitengewehr und stach dasselbe einem seiner Gegner in die Brust. Letzterer wurde schwer verletzt in das Garnison=Lazareth gebracht. Die Verwundung ist eine lebensgefährliche. Die bedauerliche, im Rausche verübte That hat bei der militärischen Strenge für das ganze Bataillon unangenehme Folgen. Gestern Abend gegen 8 Uhr mußten die Kompagnien zum Appell heraustreten, und die Kriegsartikel wurden verlesen.
- Am Sterbetage des Kaisers Friedrich wurden bei dem Berliner Haupt=Telegraphenamt zusammen 36 695 Telegramme verarbeitet. Außerdem sind in Potsdam 1134, in Wildpark 177 Telegramme behandelt worden. Der Verkehr der Palais=Station Friedrichskron betrug 573 Telegramme mit 16 400 Worten. Der Fernsprechverkehr auf den Verbindungsleitungen von Potsdam nach Berlin umfaßte 1060 Gespräche. Am 18. Juni, dem Beisetzungstage, gelangten in Potsdam 736 Telegramme zur Behandlung.
- Während der 99 Regierungstage des heimgegangenen Kaisers sind 45 ärztliche Bulletins zur Ausgabe gelangt.
- Kaiser Friedrich hat in seiner Jugend nicht umsonst die Kunst Gutenbergs erlernt. Er hat das Interesse für die Presse sich immer bewahrt und die Presse hat es ihm gedankt. Als er einmal ein radikales Blatt bestellte und studierte, sagte ihm ein hoher Hofbeamter erschrocken: "Aber kaiserliche Hoheit, das ist ein ganz revolutionäres Blatt," worauf er antwortete: "Lassen Sie nur gut sein, mein Lieber. Was die Regierung denkt, weiß ich selbst; ich will auch wissen, was andere Leute denken."
- Im Kieler Hafen gerieth der Dampfer "Nord" gleich nach dem Ausfahren in Brand. Die Mannschaft, acht Mann, suchte sich in einem Boote zu retten, welches sofort umschlug, so daß die Insassen ertranken. Der Kapitän war an Bord des brennenden Schiffes geblieben und wurde von dem Dampfer "Storman" gerettet. Dann leistete der Dampfer "Baden" Hülfe, löschte den Brand und schleppte den "Nord" nach Friedrichsort. Derselbe ist gänzlich ausgebrannt. Der Steuermann wird auch vermißt, ob derselbe verbrannt oder ertrunken ist, ist nicht festgestellt. Es scheint, daß die Besatzung gegen den Befehl das brennende Schiff verlassen hat.
- In den Militärschießständen bei Schwedt wurde bei einer Schießübung ein Dragoner, welcher als Zeiger thätig war, in die Brust geschossen und starb schon auf dem Wege nach dem Lazarett.
- Der Jagdhüter Honselaer aus Kevelaer im rheinischen Kreise Geldern wurde am Sonntag im Walde mit zerschmettertem Hirnschädel erschossen aufgefunden. Man vermutet, daß ein Verbrechen von Wilderern, gegen die der unglückliche Jagdhüter, ein Mann von 65 Jahren, mit aller Strenge vorging, verübt wurde.
- Bei einem Bahnbau in Niederlahnstein mußte die Bahnverwaltung an dem Wege der Expropriation für einen gefunden und gepflegten Birnbaum ein Kapital von 2400 Mk. bezahlen, da eine solche Rente nachgewiesen werden konnte.
- In Putzig in Westpreußen wurde vor einigen Tagen ein Eber von 437 Pfund Gewicht geschossen.
- In Posen und Westpreußen entsteht gleichsam eine neue deutsche Provinz. Die deutsche Ansiedelungskommission hat bis jetzt mehr als 14 000 Morgen polnischen Landes angekauft, um es mit deutschen Landwirthen zu besetzen, die deutschen Geist, deutsche Sprache und deutsche Wirthschaftlichkeit pflegen.
- In Aachen steht die bekanntlich alle sieben Jahre stattfindende Heiligthumsfahrt bevor. Die Feier beginnt am 9. Juli und dauert bis zum 24. Juli. Die vier großen Heiligthümer werden von der Galerie des Münsters herab dem Volke gezeigt, auch ziehen die Gläubigen an den im Chor des Münsters ausgestellten Heiligthümern vorüber; außerdem werden täglich im Oktogon mit den Heiligthümern Kranke berührt, welche sich hierzu unter Vorlegung einer von ihren Pfarrern schriftlich abgegebenen und untersiegelten Empfehlung einfinden. Die vier großen Heiligthümer sind 1) das Kleid der Jungfrau Maria, 2) das Tuch, auf welchem der heil. Johannes enthauptet und in welches sein Leichnam eingewickelt wurde, 3) das Lendentuch des Erlösers, 4) die Windeln des Erlösers. Nachweislich sind die Aachener Heiligthümer zuerst im Jahre 809 öffentlich gezeigt worden, wie denn die Ueberlieferung berichtet, daß Karl der Große befohlen habe, die seiner Pfalzkapelle anvertrauten Heiligthümer alljährlich einmal dem Volke öffentlich zu zeigen.
- Franz Duncker, der früher viel genannte Buchhändler und Redakteur der "Volkszeitung," ist 66 Jahre alt, in Berlin am Schlag gestorben. Er gehörte der alten Fortschrittspartei an und wirkte für diese in seiner Zeitung im preußischen Landtag und im norddeutschen wie im deutschen Reichstag.
- Der wackere Locomotivführer Augustino, der in voriger Woche mit höchster Gefahr seines eigenen Lebens bei Capolago im Tessin ein Kind vor dem heranbrausenden Bahnzuge rettete, hat von mehreren Seiten und namentlich von der Gotthardbahn=Verwaltung ansehnliche Ehrengeschenke erhalten.
- Vier junge Neger aus Kamerun, welche im Geleit des Sekretärs der dortigen Regierung in Hamburg landeten sind zu ihrer Ausbildung bei westfälischen Handwerkern untergebracht worden; drei im Alter von 9-13 Jahren stehende Knaben sollen die Bäckerei und die Kochkunst erlernen, während dem vierten als Sohn und künftigen Nachfolger eines Dorfhäuptlings eine sorgfältigere Erziehung zutheil werden soll.
In Konstantinopel gab es am Beirams=Vorabend eine große Scene auf dem Finanzministerium, da weder die Beamten noch die Pensionäre befriedigt werden konnten. Finanzminister Mahmud Pascha wurde ab= aber nach wenigen Stunden wieder eingesetzt, da kein Nachfolger zu finden war. Am folgenden Tage gab es eine blutige Schlägerei im Jildizkiosk=Park zwischen albanesischen und arabischen Soldaten, aber ohne irgendwelche politische Bedeutung, worauf der Sultan sich Stunden lang eingeschlossen hielt.
- Bei einem militärischen Reiterfeste in Marseille, dem Ministerpräsident Floquet beiwohnte, wurde ein Artillerist, der vor der Mündung einer Kanone stand, als aus ihr ein Blindschuß abgefeuert wurde, buchstäblich in Stücke zerrissen. Floquet befahl sofort, daß das Fest abgebrochen werde.
Die italienischen Arbeiter in Frankreich sind fleißig und billig und die französischen Arbeiter sind eifersüchtig auf sie und erbittert: "sie nehmen uns das Brot." So giebt's bei den französischen Bahnbauten, Kanälen, Häfen fast überall Kampf; sie liefern sich blutige Schlachten, denen meist nur das Militär ein Ende machen kann. Ueber solche Schlachten wird soeben aus 6 bis 7 französischen Städten berichtet.
- Den Bürgermeister von Castagola (Schweiz) erfreute seine Gattin mit einem Familienzuwachs von sechs Kindern, darunter vier Knaben und zwei Mädchen. Sie wurden alle lebend geboren, starben jedoch in wenigen Sekunden.
- Kasernenblüte. Unteroffizier zu einem Einjährigen aus dem Kaufmannsstand: "Mensch Sie recken ja beim langsamen Schritt das Bein aus, als ob Sie einen Wechsel prolongieren wollten!"


- Schönberg. Die tief=ernsten Trauertage, die uns das Jahr 1888 durch den Tod der beiden ersten Deutschen Kaiser, des Kaisers Wilhelm und des jetzt verstorbenen Kaisers Friedrich, gebracht, erwecken die Erinnerung an die glorreiche Zeit, die unser deutsches Vaterland in den letzten Jahrzehnten gesehen und die diese beiden leider zu früh ver=
[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 3]storbenen Kaiser als Mittelpunkt hatten. Eine der vornehmsten dieser Erinnerungstage bildet die Enthüllung des Niederwalddenkmals am 28. September 1883. Es dürfte gerade jetzt von Interesse sein, den nachstehenden Originalbericht eines Augenzeugen zu lesen, der uns in dankenswerther Bereitwilligkeit für unsere "Anzeigen" zur Verfügung gestellt wird:

Bericht
des Präses der "Mecklenburg=Strelitzschen Krieger=Kameradschaft", als Deputirten zu der Enthüllungs=Feier des Niederwald=Denkmals am 28. Sept. 1883.
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Unter den vielen großartigen und erhebenden Eindrücken des glorreichen Jahres 1870/71 steht in meiner Erinnerung derjenige obenan, den ich empfing, als am 28. September 1870 die weiße Fahne auf dem Straßburger Münster die Uebergabe der Festung verkündete. Ich kam Nachmittags 5 Uhr von einem Besuche der Kranken einer am Rhein cantonnirenden baierischen Batterie zurück und blickte bewundernd auf den stolz in die blaue Herbstlust ragenden Bau, das Wahrzeichen deutscher Größe, welches durch der Franzosen Hinterlist uns entrissen, und nunmehr durch das geeinigte Deutschland wieder gewonnen werden sollte. Da mit einem Male fiel mir etwas auf, was ich vorher nicht gesehen hatte, etwas Weißes hoch oben auf dem Thurme: ich gab meinem Pferde die Sporen und als ich näher kam, sah ich deutlich die weiße Fahne, das Zeichen der Kapitulation, flattern! Ich konnte mich nicht halten, - laut aufjubelte ich in begeisterter Freude und jagte den Laufgräben zu. Ueberall erschallte derselbe Jubelruf: "Straßburg ist über!" Alte Landwehrmänner und junge Krieger, Officiere und Soldaten umarmten sich oder drückten sich die Hand: "Straßburg ist wieder unser!" Unbeschreiblich großartig und herzerhebend war die Scene! ein Gefühl der Freude, des Glückes und des Stolzes bewegte jedes deutsche Herz. Ich glaubte nicht, daß ich Schöneres und Erhabeneres jemals erleben könnte, und dennoch ist das geschehen. Noch größer, noch schöner, noch gewaltiger war der Moment, als 13 Jahre später an demselben Tage unser Kaiser, nachdem er das Denkmal auf dem Niederwald geweihet, seinen Sohn, den Erben seiner Krone, die Hoffnung des deutschen Reiches umarmte und küßte, und ein Jubelsturm vieler Tausenden die Lüfte durchbrauste, der den Kanonendonner übertäubte. Ich preise mich glücklich, daß es mir vergönnt gewesen, diesen Moment, diesen Tag zu erleben, daß ich zu denen gehört, die berechtigt und berufen waren, an dieser nationalen Feier Theil zu nehmen! Die Erinnerung daran wird als eine heilige mich durch mein ganzes Leben begleiten.
Lassen Sie mich versuchen, so unruhig mir auch, wenn ich daran denke, das Blut durch die Adern rollt, Ihnen, Kameraden, deren Vertretung mir dies Glück ermöglichte, in Ruhe ein Bild dieser Feier zu geben, und Ihnen zugleich meine Erlebnisse bei derselben mitzutheilen.
Zunächst einige Worte über die Geschichte, Entstehung und Ausführung des Denkmals. Schon gleich nach dem Frankfurter Frieden hatten patriotische Männer den Entschluß gefaßt, zur Erinnerung an die Großtaten unseres Volkes ein Denkmal zu errichten, das aller Welt verkünden sollte die Einigung Deutschlands und die Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreichs! Als passender Ort hierfür war der Niederwald bestimmt, jene waldige Höhe in der schönsten Gegend des deutschen Vaterlandes, welche die rebenbewachsenen Gelände des Rheinsgaus bei Rüdesheim krönt und zwar der Punkt, er die Aussicht bietet einerseits in das Nahe=Thal, durch welches vornehmlich im Jahre 1870 das deutsche Volk in Waffen gegen den Erbfeind zog und anderseits über die gesegnete rheinhessische Ebene bis zum fernen Wasgau, der nunmehr die Grenze bildet gegen das Franzosenland. Nachdem die Mittel zu dem Denkmal - über eine Million - aus allen deutschen Gauen reichlich geflossen, wurde am 16. September 1877 durch den Kaiser, viele deutsche Fürsten und deutsche Ehrenmänner der Grundstein gelegt, und innerhalb 6 Jahren das Denkmal vollendet. Das Standbild der Germania und die übrigen Bildnisse schuf der Dresdener Bildhauer Schilling, den Unterbau erdachte und führte aus der Architekt Weißbach und der Münchener Erzgießer v. Müller goß die Modelle Schillings in Erz. So stand denn Anfangs September d. J. das gewaltige Werk fertig da und harrte der Weihe. Ja, gewaltig in jeder Beziehung, was Größe und Schönheit anbetrifft! Auf einem über 80 Fuß hohen Unterbau von Granit mit zahlreichen Reliefs in Erz

(Fortsetzung in der Beilage.)

Anzeigen.

Antragsmäßig soll über die z Walksfelde sub Nr. I belegene Vollstelle c. p. des Schulzen Johann Brügmann daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Montag, den 2. Juli 1888,
Vormittags 10 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proklamirten Grundstück sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 21. April 1888.

Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.        


Ersparniß- u. Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist während des                          
Johannistermines
vom 24. Juni bis 1. Juli d. J.
an den Werktagen
von 8 bis 12 Uhr Vormittags
und
an den Sonntagen
von 6 bis 9 1/2 Uhr Morgens
geöffnet.                                                    
Schönberg, den 16. Juni 1888.                          
                                                    Das Directorium.


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indem ich auch für vorstehende Maschinen und Geräthe jede Garantie übernehme, empfehle dieselben zur freundlichen Abnahme.
Schönberg i. M., 15. Juni 1888.

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[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 4]

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Da mehrfach die Absicht kund gegeben ist, am 1. Juli nach der Einweihung der Carlower Kirche ein Mittagessen bei mir einzunehmen, so bitte ich ganz ergebenst, daß die Herrschaften, welche an diesem Mittagessen theilzunehmen gedenken, sich bis Donnerstag, den 28. Juni mit Anzahl der gewünschten Couverte bei mir melden wollen.

J. Krellenberg, Carlow.          


Geschäfts=Eröffnung.

Einem geehrten Publikum für Herrnburg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage ein

Barbier=Geschäft

eröffnet habe und bitte um geneigten Zuspruch.
Herrnburg, im Juni 1888.

                                                    Wilhelm Peters.
                                                    Barbier.

NB. Empfehle mich auch zur Anfertigung sämmtlicher Haararbeiten.


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                                                    Johs. Bockwoldt, Schmiedemeister.


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Vom 1. Juni 1888: Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,3 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,3 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Der Gesammtauflage unserer heutigen Nummer liegt ein Prospect des
                          Bankhauses G. Daubert jun.
in Braunschweig bei, worauf wir unsere verehrlichen Leser besonders aufmerksam machen.


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 49 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 26. Juni 1888.


(Fortsetzung von Hauptblatt.)

- unten die Uebergabe des Rufhorns, des Zeichens der Macht, vom Rhein an die Mosel, darüber die Gruppe des Kaisers mit seinen Feldherren, rechts und links der Abschied und die Heimkehr des Kriegers, über des Kaisers Reiterbild der Reichsadler, dann das eiserne Kreuz, die Bildsäulen des Krieges und des Friedens etc. - erhebt sich 35 Fuß hoch die Figur der Germania. Ein herrliches Weib von berauschender Schönheit der Gestalt und des Antlitzes, mit wallendem Haare, geschmückt mit der Eichenkrone, blickt sie stolz über den deutschen Strom und die deutschen Gauen nach Frankreich hinüber. Die Linke stützt sie auf das mächtige, in der Scheide befindliche Schwert: ein Zeichen, daß Deutschland den Frieden will, aber allzeit gewappnet ist, sein Recht zu vertheidigen: mit der Rechten aber hebt sie hoch über ihrem Haupte empor die deutsche Kaiserkrone, die Deutschlands Einigkeit und Kraft dem besten deutschen Manne auf das ehrwürdige Haupt gesetzt.
Der 28. September war der zur Feier bestimmte Tag! Nicht nur Rüdesheim und das gegenüberliegende Bingen, sondern der ganze Rheingau hatten sich würdig geschmückt. Von Frankfurt an fuhr der Zug durch eine ununterbrochene Feststraße. Alle Züge waren schon am Tage vorher überfüllt, und an ein Unterkommen in Rüdesheim und weiter Umgebung war nicht zu denken, wenn man nicht vorher bestellt hatte. Mir war das nicht möglich gewesen. Ich hatte mich erst am Montag vorher zur Reise entschlossen, als ich in einer Zeitung las, daß kein Vertreter von Mecklenburg's Krieger=Vereinen angemeldet sei. Daß des treuen Mecklenburgs tapfere Krieger an Deutschlands Ehrentage unvertreten sein sollten, schien mir ein Unding. Darum ließ ich alle Rücksichten fallen, telegraphirte nach Wiesbaden um eine Festkarte, erbat mir von den Präsidial=Kameraden in Neustrelitz eine Vollmacht und dampfte am Mittwoch ab. Da ich, wie vorauszusehen, in Rüdesheim kein Quartier fand, setzte ich nach einem tiefen Trunke edlen deutschen Weines über den Rhein und suchte einen Freund in Kreuznach auf, der mich auf das Gastlichste aufnahm. Von dieser Seite des Rheins, von Bingen aus, habe ich denn auch den ersten Theil der Feier, die Illumination am Vorabend mitgemacht. Dieselbe war feenhaft! Auf Meilen weit waren beide Ufer des Rheins alle 50 bis 100 Schritt mit brennenden Theertonnen besetzt, auf allen Höhen leuchteten Freudenfeuer, alle Gebäude in Rüdesheim und Bingen waren glänzend illuminirt und decorirt, auf dem Rhein schwammen Hunderte von erleuchteten Schiffen und Kähnen von verschiedenen Seiten warfen elektrische Flammen ihre blendenden Lichtkegel. Dabei überall Musik, Böllerschüsse auf dem Rhein, Gesang und Jubel bis in die sinkende Nacht.
Der Morgen des großen Tages ließ sich zuerst recht traurig an. Um 6 Uhr goß es, wie mit Mollen, allmählig aber wurde der Himmel gnädig und als ich um 9 Uhr an das Ufer des Rheins kam, war es das herrlichste Kaiserwetter. Ab und an zwar jagten noch dunkle Wolken über die Scene, aber die Sonne behielt doch die Oberhand und erhöhete den Glanz des Tages. Die Passage über den Rhein war mit Schwierigkeiten verknüpft, denn nur vier Dampfer vermittelten den Verkehr für die vielen Tausenden, und auf schwankendem überfüllten Nachen gelang es mir, die Feststadt zu erreichen. Hier hielt ich mich nicht lange auf, sondern suchte schleunigst die Höhe des Niederwalds und den Festplatz zu erreichen. In dicht gedrängten Schaaren pilgerten die Festgenossen hinauf, Alle in gehobener festlicher Stimmung, vor Allen die Krieger aus allen deutschen Ländern, denen ich mich anschloß. Es waren etwa 5000 Mitglieder von Krieger=Vereinen mit fast 400 Fahnen erschienen und über 100 Vertreter der größeren Verbände. Erstere standen theils rechts an der großen Freitreppe, theils zu beiden Seiten des Kaiserzeltes, letztere, mit ihnen auch ich, am Fuße des Denkmals unter der Statue des Krieges, ein Platz, wie er schöner nicht gedacht werden kann. Unmittelbar vor uns das Kaiserzelt, vor dem später der Kaiser stand, weiter abseits rechts und links das übrige Festpublikum. Zu unsern Füßen der Rhein und weiterhin die Aussicht, welche ich Ihnen oben beschrieben. Der Rhein belebt mit hundert und aberhundert Fahrzeugen, das jenseitige Ufer weithin schwarz besetzt mit einer Menschenmenge, die nach Hunderttausenden zählte. Ueber uns in stiller Majestät das erhabene, nur in seinem Mittel=Relief verhüllte Denkmal; um die ganze Fest=Versammlung ein breiter Truppen=Kordon verschiedener Regimenter und endlich im Hintergrund die uralten Eichen und Buchen des Niederwaldes. Allein der Anblick konnte das Herz schon trunken machen! Dazu die Feststimmung, die alle beherrschte, die Begrüßung Seitens bekannter und unbekannter Kameraden, von denen ich vor Allen den Vorsitzenden unseres Bundes, den prächtigen alten Oberst von Elpons nenne. - Die Stunden bis zum Beginn des eigentlichen Festes waren schon köstliche Festesstunden, obwohl es an und für sich kein Vergnügen war, zwei Stunden fast an eine Stelle gebannt zu stehen! Aber wenn man was sehen wollte, mußte man sich stramm daran halten. Mir gelang es, mich allmählig an die Barriere zu schieben, so daß ich das ganze nahe und ferne Bild von Anfang bis zu Ende ohne Hinderniß überschauen konnte. Es traf sich wunderbar, daß unmittelbar neben mir ein riesiger Württemberger Kamerad stand, er aus dem südlichsten, ich aus dem nördlichsten nichtpreußischen deutschen Lande. Wir wurden bald gute Freunde und bekräftigten unsere Freundschaft durch einen herzhaften Schluck aus seiner Feldflasche mit Schwarzwälder Kirschwasser.
Allmählig kamen auch die hohen Häupter zu Wagen an, erst die kleineren Lichter, dann die größeren. Abgeordnete des Reichstags, Ehrengäste, Minister, Generale deutscher Truppen. Von Allen wurde nur Einer mit lauten Hochrufen begrüßt, Moltke. Der alte Herr sah zwar nach seiner Art recht freundlich aus, dankte aber für die Ovation kaum durch ein leichtes Kopfnicken, man sagt, seiner Bescheidenheit sei diese ihm so häufig werdende Auszeichnung vor so vielen Andern nicht angenehm. Ein Anderer, der jedenfalls auch mit Jubel empfangen worden wäre, Bismarck, der beste von des Kaisers Mannen, wie Graf Eulenburg ihn nachher nannte, war leider durch Krankheit zurückgehalten. Von deutschen Fürsten kamen: der König von Sachsen, Prinz Luitpold von Baiern, Großherzog und Erbgroßherzog von Baden, die Großherzoge von Sachsen=Weimar und Hessen, u. A. Einer fehlte unter ihnen, dem wohl neben dem König von Sachsen die erste Stelle gebührt hätte, Großherzog Friedrich Franz II. Nur der Tod konnte den deutschen Fürsten und Feldherrn verhindern, seinen Ehrenplatz einzunehmen. Sein Fehlen war der einzige herbe Wehmuthstropfen in dem Becher der Freude!
Kurz vor 11 Uhr marschirte die Leib=Kompagnie des ersten Garde=Regiment heran, nahm rechts und links vom Kaiserzelte Aufstellung und besetzte mit ihren Riesen die Posten auf der Freitreppe. - Bald darauf erschien die Kronprinzessin mit der Großherzogin von Baden und der Prinzessin Victoria, auf's Herzlichste mit Umarmung und Kuß begrüßt von ihrem Aeltesten, dem Prinzen Wilhelm. - Immer gespannter wird die Erwartung - da, schlag 12 Uhr, erklingt vom Wege her die Fanfare! "Der Kaiser kommt!" noch ein Paar Minuten, das Trompeter=Korps und eine Schwadron der Bonner Husaren eröffnen den Kaiserzug, die Musik von 4 vor dem Denkmal aufgestellten Musik=Korps bläst die Fan=

[ => Original lesen: 1888 Nr. 49 Seite 6]

fare: "Wilhelm Kaiser", in die mit begeisterten Hochrufen Alle einstimmen, und in einem mit 6 prachtvollen Pferden bespannten Galawagen fährt Kaiser Wilhelm der Siegreiche, nach allen Seiten huldreich grüßend, ihm zur Seite sein Sohn, in den Festplatz ein. Mit jugendlicher Elasticität, leicht auf die Schulter des Kronprinzen gestützt, schwingt er sich aus dem Wagen und stellt sich vor dem Kaiserzelte auf; die bequemen und eleganten Sessel in denselben verschmähend und den Damen überlassend, wohnte er mit seinen Paladinen dem ganzen Weihefeste stehend bei.
Zunächst naheten sich ihm sieben weißgekleidete, mit den deutschen Farben geschmückte Jungfrauen, deren Sprecherin, das wunderschöne Frl. Hey'l aus Wiesbaden, ein Schwungvolles Gedicht von Emil Ritterhaus vortrug und einen riesigen Lorbeerkranz überreichte, vom Kaiser mit freundlichen anerkennenden Worten belohnt. Eine andere der jungen Damen, die älteste Tochter des Professors Schilling - nach allgemeiner Annahme das Modell zur Germania - und in der That, ihre wunderbar schöne Gestalt, das wallende Lockenhaar und die edlen Gesichtszüge ließen die Annahme gerechtfertigt erscheinen - hatte unterdessen der Kronprinzessin einen prachtvollen Blumenstrauß überreicht. Nachdem darauf die Herren des Komite's Sr. Majestät vorgestellt und vom Landes=Direktor Sartorius nach kurzer Ansprache die Erlaubniß erbeten worden, begann die eigentliche Feier, und zwar in der würdigsten Weise mit dem Choral: "Nun danket Alle Gott." Die Musik und die Gesangvereine intonirten und in tiefer Andacht sangen die vielen tausend Anwesenden mit. Ernst und weihevoll zogen die Töne über die Höhen und den deutschen Strom dahin, jedes Herz gemahnend, daß Gott vor Allem der Dank gebühre für die Großthaten, deren Gedächtniß heute gefeiert wurde. Ernst und weihevoll war die Stimmung, mit der die Festversammlung der nunmehr folgenden Festrede des Ober=Präsidenten von Hessen=Nassau, Grafen zu Eulenburg, folgte. In tiefem Ernste, oft mit mühsam unterdrückter Rührung kämpfend fast regungslos stand der Kaiser da, jeder Zoll ein Fürst und ein Soldat, zugleich aber ein warm und innig fühlender deutscher Mann! Welche Bilder mögen in diesem historischen Augenblicke, den zu erleben sein heißester Herzenswunsch gewesen, vor seinem Geiste vorübergezogen sein! Wie unendlich glücklich muß sich der vor allen Sterblichen von Gott begnadete Greis gefühlt haben - wie demüthig aber hat er zugleich sein Haupt vor dem Allmächtigen gebeugt! Zeuge dessen waren die einfachen, schönen Worte der Erwiederung, die er tief bewegt, aber mit klarer und kräftiger Stimme sprach:

"Wenn die Vorsehung ihren Willen zu mächtigen Ereignissen auf Erden kundgeben will, so wählt sie dazu die Zeit, die Länder und die Werkzeuge, um diesen Willen zu vollbringen. Die Jahre 1870/71 waren eine Zeit, in welcher ein solcher Wille geahnt wurde! Das bedrohete Vaterland erhob sich in Vaterlandsliebe wie ein Mann und das Werkzeug war das deutsche Volk in Waffen: seine Fürsten an der Spitze. Der Allmächtige führte diese Waffen nach blutigen Kämpfen von Sieg zu Sieg und Deutschland steht in Einheit in der Weltgeschichte da! Millionen Herzen haben ihre Gebete zu Gott erhoben und Ihm für diese Gnade ihren demüthigen Dank dargebracht und Ihn gepriesen, daß Er uns für würdig befand, Seinen Willen zu vollziehen! Aber für die spätesten Zeiten will Deutschland diesem Danke einen bleibenden Ausdruck geben! In diesem Sinne ist das vor uns stehende Denkmal entstanden, das nun enthüllt werden soll! Und mit den Worten, die ich hier bei der Grundsteinlegung sprach, welche nach den Befreiungskriegen 1813/15 in eiserner Schrift der Nachwelt mein Vater, wailand König Friedrich Wilhelm III. hinterließ, weihe ich dieses Denkmal: den Gefallenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung! Das walte Gott!"
Se. Majestät der sonst mit wenig Gesten spricht, machte bei den letzten Worten mit der rechten Hand eine lebhafte Bewegung nach dem Denkmal zu, die falsch verstanden wurde, denn sofort fiel der Kanonenschuß der das Signal zur Enthüllung geben sollte und die blauseidene Hülle, welche das Hauptrelief deckte, sank, während zugleich die auf dem jenseitigen Rheinufer postirten 3 Batterien Salven=Feuer gaben, tausend Böller knallten und alle Glocken läuteten. Das war freilich gegen das Programm, dem gemäß erst nach der Rede des Kaisers die Erlaubniß erbeten werden und darauf die Hülle fallen sollte. Aber es war eine Verbesserung des Programmes, denn nun wurden die erhabenen Weiheworte dem unverhüllten, in seiner ganzen Schönheit prangendem Denkmal zu Theil. Auch der Himmel zeigte sein Wohlgefallen darüber, denn in dem Augenblicke, wo das Denkmal frei dastand, ergoß sich ein breiter voller Strom goldenen Sonnenlichtes über das Denkmal und die ganze Festversammlung. - Jetzt trat jener wunderbare Moment ein, von dem ich vorhin gesprochen: Unter dem Donner der Kanonen und dem Geläute der Glocken wandte der Kaiser sich um, reichte dem Könige von Sachsen die Hand und umarmte und küßte seinen Heldensohn! Wie der Ausbruch eines Vulkans klang der Jubelsturm, der jetzt zum Himmel brauste, kein Auge blieb thränenleer und erschüttert stimmten Alle in unser Kriegs= und Siegeslied ein: "Es braust ein Ruf wie Donnerhall! Ich reichte dem Württemberger Kameraden, der neben mir stand, die Hand, um meine Rührung zu betäuben, mit den scherzhaften Worten: "Geben Sie mir die Tatze, alter Wüschteberger!" Er gab sie mir und quetschte die meinige, daß ich sie zurückziehen wollte. "Nein, i laß Sie nit, deutscher Bruder!" rief er und hielt mich fest, bis wir die Hände brauchten, um Helme und Hüte zu schwenken, als der Kaiser die Freitreppe hinaufstieg und, wie er vor unsere Front kam, uns mit Haupt und Händen herzlich begrüßte! Wie sah der alte Held frisch und jugendlich aus! Mit welchem Wohlgefallen schaute er auf uns, die Genossen seiner Siege, und freute sich unseres begeisterten Grußes! Auch diese gegenseitige Begrüßung stand nicht im Programm, war aber auch eine Verbesserung desselben, für uns natürlich die allerschönste.
Nachdem der Kaiser darauf noch das Denkmal unter Führung des Schöpfers desselben mit gewohnter Pflichttreue genau besichtigt hatte, verließ er gegen 1 1/2 Uhr den Festplatz, um die Ovationen in Rüdesheim, deren hervorragendste die Darreichung des Ehrentrunkes vom edelsten Rüdesheimer in einer als Riesenfaß gestalteten Ehrenpforte war, entgegenzunehmen. Ich eilte, sobald dies der furchtbare Trubel zuließ, ebenfalls nach Rüdesheim hinunter, um noch möglichst viel von den Festlichkeiten zu profitiren und vor Allem, um noch einmal den Kaiser von Angesicht zu sehen, und hatte auch noch die Freude, Ihm bei seiner um 3 Uhr erfolgten Abreise mit tausend deutschen Brüdern ein Abschiedshoch zurufen zu können.
Von den übrigen Erlebnissen des Tages, von dem Rhein=Korso, den Begegnungen mit treuen Kameraden, von der Begeisterung Aller ohne Unterschied der Parteien, die in dem Wunsche gipfelte: "Gott erhalte dem deutschen Vaterlande diesen Kaiser!" Ihnen noch mehr zu erzählen würde zu weit führen, nur von dem weihevollen Schlusse des Tages muß ich noch sprechen! Schlag 7 Uhr flammten auf 2 Seiten des Denkmals breite electrische Strahlenkegel auf, vereinigten sich auf demselben, und nun, während alles ringsum im tiefsten Dunkel lag, erglänzte Germania im blendend hellen Lichte weit in die Lande hinaus. Wie auf Kommando trat allgemeine Stille ein aber nur auf einen Augenblick, dann erscholl, als könne es nicht anders sein, mit einem Male wieder aus Aller Munde unser Siegeslied: "Die Wacht am Rhein!"
Ja lieb' Vaterland, magst ruhig sein! Das Flammenbild, die eine Hand am kraftvollen Schwerte die andere mit der unvergänglichen Kaiserkrone thront nicht blos am Ufer deines heiligen Stromes, sondern im Herzen jedes deutschen Mannes, und fester als Stein und Erz steht - das hat dieser Tag besiegelt - Deutschlands Einigkeit, Größe und Herrlichkeit in der Treue des deutschen Kaisers und des deutschen Volkes in alle Ewigkeit!


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