No. 48
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 22. Juni
1888
achtundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 1]

Die Proklamation Wilhelms II.

S. M. Kaiser und König Wilhelm II. hat zunächst eine Proklamation an sein preußisches Volk gerichtet. Für den 25. Juni, zu dem der Deutsche Reichstag nach Berlin zusammenberufen ist, steht dann eine Thronrede bevor, in welchem sich der neue Kaiser an das gesammte deutsche Volk wenden wird. Die am Montag in Berlin erschienene Proklamation hat folgenden Wortlaut:

An mein Volk!

Gottes Rathschluß hat über uns aufs Neue die schmerzlichste Trauer verhängt. Nachdem die Gruft über der sterblichen Hülle meines unvergeßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch meines heißgeliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden abgerufen worden. Die heldenmütige, aus christlicher Ergebung erwachsende Thatkraft, mit der er seinen königlichen Pflichten ungeachtet seines Leidens gerecht zu werden wußte, schien der Hoffnung Raum zu geben, daß er dem Vaterland noch länger erhalten bleiben werde. Gott hat es andere beschlossen. Dem königlichen Dulder, dessen Herz für alles Große und Schöne schlug, sind nur wenige Monate beschieden gewesen, um auf dem Thron die edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens zu bethätigen, welche ihm die Liebe seines Volkes gewonnen haben. Der Tugenden, die ihn schmückten, der Siege, die er auf den Schlachtfeldern einst errungen hat, wird dankbar gedacht werden, so lange deutsche Herzen schlagen und unvergänglicher Ruhm wird seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären.
Auf den Thron meiner Väter berufen, habe ich die Regierung im Aufblick zu dem König aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach dem Beispiel meiner Väter meinem Volk ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfart des Landes zu fordern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Recht ein treuer Wächter zu sein.
Wenn ich Gott um Kraft bitte, die königlichen Pflichten zu erfüllen, die sein Wille mir auferlegt, so bin ich dabei von dem Vertrauen zum preußischen Volk getragen, welches der Rückblick auf unsere Geschichte mir gewährt. In guten und bösen Tagen hat Preußens Volk stets treu zu seinem König gestanden; auf diese Treue, deren Band sich meinen Vätern gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als unzerreißbar bewährt hat, zähle auch ich in dem Bewußtsein, daß ich sie aus vollem Herzen erwidere, als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich stark in der Hingebung für das gemeinsame Vaterland.
Diesem Bewußtsein der Gegenseitigkeit der Liebe, welche mich mit meinem Volk verbindet, entnehme ich die Zuversicht, daß Gott mir Kraft und Weisheit verleihen möge, meines königlichen Amtes zum Heil des Vaterlandes zu walten.
Potsdam, den 18. Juni 1888.

Wilhelm.        


Von der Leiche Kaiser Friedrichs wendet sich heute der Blick dem neuen Kaiser zu und die Klage um den schwergeprüften todten Monarchen verstummt, um uns Zeit zu lassen, seinen Sohn und Nachfolger auf dem Thron der Hohenzollern als dritten deutschen Kaiser zu begrüßen. Eine Erbschaft, wie sie reicher und größer kaum gedacht werden kann, ist ihm in jungen Jahren schon zugefallen, möge es ihm an Muth und Kraft, möge es ihm an Geschicklichkeit nicht fehlen, dieses wahrhaft kaiserliche Erbe nicht nur zu erhalten, sondern fort und fort zu mehren damit er es dereinst, gleichwie seine Väter es verwaltet haben, seinen Kindern und Enkeln zurücklassen könne! Nicht nur ein großes Reich, ein wohlgeordneter Staat, in sich gekräftigt und nahezu unüberwindlich nach Außen, nein, mehr, weit mehr ist Kaiser Wilhelm II. zugefallen. In unverbrüchlicher Treue stehen die deutschen Fürsten um seinen Thron geschart und Millionen ergebener Herzen schlagen ihm von Liebe und Verehrung, von Hoffnung und Zuversicht, ja voll Begeisterung entgegen, und gerade das ist es, wofür Kaiser Wilhelm II. zu seinem Großvater und Vater nicht dankbar genug emporblicken kann. Sie, die beiden großen Todten, die beiden ersten deutschen Kaiser aus dem Haus der Hohenzollern, sie haben durch die von ihnen geübten Mannestugenden, durch ihre hohe Auffassung von den Pflichten eines Herrschers, sie haben durch ihre Freundlichkeit und Güte, durch ihre Gerechtigkeit und Fürsorge für das Wohl ihres Volkes, in allen Klassen und Schichten der Bevölkerung vom Höchsten bis zum Geringsten herab sich überall treue Anhänglichkeit und hohe Achtung erworben. Diese freudige Zusammengehörigkeit ist es, die für einen Herrscher, besonders in einem Staatenbund, wie das deutsche Reich einer ist, weit schwerer wiegt, als alle aus Furcht und Abhängigkeit hervorgegangene Macht und Größe.
Doch Kaiser Wilhelm II. ist der Sohn Kaiser Friedrichs und der Enkel Kaiser Wilhelms I. Wenn er bisher auf seinem Lebenspfad auch nur erst selten Gelegenheit gefunden hat, die ihm innewohnenden Eigenschaften zu bethätigen und sich als Kaisersohn zu zeigen, wir alle wissen, daß er aufgewachsen und erzogen ist in der strengen und doch so liebevollen Pflege eines ausgezeichneten Elternpaares, unterstützt von den tüchtigster Lehrern, überwacht von den sorgsamen Augen seiner Großeltern, daß er vorgebildet und angeleitet worden ist für den hohen Beruf, der seiner wartete, wie es gründlicher und zweckentsprechender nicht hätte geschehen können; so wissen wir also auch, daß er festhalten wird an den von seinen Vorfahren stets hochgehaltenen Grundsätzen, daß

[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 2]

mit einem Wort der Ehrgeiz ihn beseelt, sich als echter Hohenzoller und würdiger Nachfolger seiner Väter zu erweisen. Sind die Verhältnisse, unter denen Kaiser Wilhelm II. auf den Thron gelangt, auch schwierige, wartet im Innern des Reiches der Arbeit auch viel und hat die Lage nach außen hin sich in ihrem Ernst auch noch keineswegs gemindert, wir alle vertrauen dem jungen Kaiser und sind gewiß, daß seine Klugheit ihn den richtigen Weg führen und seine Hand stark genug sein wird, das Staatsschiff ungefährdet durch alle Fährlichkeit hindurch zu steuern. Mit Bestimmtheit wissen wir, daß Kaiser Wilhelm II. an dem von seinem Großvater geschlossenen und seinem Vater weitergeführten und neubefestigten Bündnissen festhalten, daß er mit allem Ernst bemüht sein wird, den Frieden zu hüten und weiter zu kräftigen, hat er doch kürzlich erst noch öffentlich betont, daß nichts ihm ferner liege als der Ehrgeiz, sich kriegerische Lorbeeren zu erwerben, und daß es ihn tief geschmerzt habe, daß man ihm kriegerische Absichten zugetraut hätte. Diese Verdächtigung hat der damalige Kronprinz Wilhelm mit den ernsten Worten: "Gott bewahre mich vor solchem verbrecherischen Leichtsinn" zurückgewiesen. Wir haben also nicht die geringste Veranlassung, in seiner Thronbesteigung eine Gefährdung des Friedens zu sehen und das um so weniger, weil unseren neuen Kaiser ebenso wie Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedlich III. das unbedingteste Vertrauen zu dem treuen Rathgeber der Hohenzollern, dem Fürsten Bismarck, dem Wächter des europäischen Friedens, beseelt. Aus vollem Herzen also dürfen wir rufen: Heil Wilhelm II., dem jungen deutschen Kaiser.
Die Trauerfeier, welche am 18., Vormittags 10 Uhr in Friedrichskron ihren Anfang nahm, war gegen 1 Uhr Mittags beendigt. Sie verlief programmmäßig. Oberhofprediger Dr. Kögel hob in seiner kurzen Ansprache hervor, wie in so kurzer Zeit das Vaterland zwei Kaiser verloren. Aber das Bewußtsein, daß dieser große bewundernswerthe Dulder nun ausgelitten von seinem unsäglichen Leiden, müsse die Leidtragenden und namentlich die opferwillige Gattin trösten: Gott habe an dem Verblichenen Seine Gnade groß werden lassen, indem er Ihn von solchen Leiden erlöste. Um 11 Uhr fand die Ueberführung der Leiche nach der Friedenskirche statt. Den ganzen langen Weg folgte dem Kaiserlichen Sarge zu Fuß der 88jährige Generalfeldmarschall Graf von Moltke! Der Greis ließ es sich nicht nehmen, seinem todten Kaiser das letzte Geleit zu geben. Der Reichskanzler Fürst Bismarck, welcher bekanntlich beim Leichenbegängnisse wailand Sr. Majestät Kaiser Wilhelm I. sehr leidend war und daher den Beisetzungsfeierlichkeiten nicht beizuwohnen vermochte, war auch heute durch Unpäßlichkeit verhindert, zu den Trauerfeierlichkeiten zu erscheinen. Auch Mackenzie war nicht im Zuge. Im übrigen ist alles ordnungsmäßig verlaufen.
Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist aus Gesundheitsrücksichten dem Leichenbegängniß fern geblieben. Wie ihn bei dem Begräbniß Kaiser Wilhelms I. der nunmehr verstorbene Kaiser Friedrich gebeten hatte, sich in seinem hohen Alter den Unbilden der Witterung nicht auszusetzen, so ist dies jetzt auch von Kaiser Wilhelm II. geschehen. Feldmarschall Graf Moltke befand sich dagegen im Leichenzug an der Spitze der Generalität. Als ungemein rührend wird der Augenblick geschildert, als vor dem Beginn der Feier in Schloß Friedrichskron die vier Söhne des Kaisers und die Prinzessin Feodora von Meiningen an den Katafalk geführt wurden, um Abschied von dem Großvater zu nehmen. Die kleinen Prinzen und die Prinzessin Feodora sahen den Zug von den Fenstern aus. In der Seitenloge der Friedenskirche befanden sich nur die regierende Kaiserin, die Prinzessin von Wales, sowie die Töchter des verstorbenen Kaisers. In dem Augenblick, als der Segen gesprochen wurde, brach die inzwischen durch Wolken verhüllte Sonne durch und beleuchtete hell den Kaiser und den König von Sachsen, was von überwältigendem Eindruck gewesen sein soll. Geregnet hat es während des Zuges nicht, aber der Himmel hing voll dunkler Wolken.


Anzeigen.

Gegen den Arbeiter August Sandell aus Carlskrona, zuletzt im Dienst beim Schulzen Bollow zu Campow, ist wegen Verdachts des Diebstahls, nachdem er sich von seinem Dienstorte heimlich entfernt hat, der Haftbefehl erlassen. Ich bitte alle Behörden, auf den p. Sandell zu vigiliren, ihn im Betretungsfalle zu verhaften und mich von der Verhaftung in Kenntniß zu setzen.

Signalement:

Sandell trägt einen Schnurrbart, hat ein schiefes Kinn, eine große Nase, dunkle Haare, blaue Augen, ist mittlerer Größe, etwa 25 Jahre alt, der Zeigefinger seiner rechten Hand ist verstümmelt. Bekleidet war er mit dunklem Sackrock, englischlederner Hose und blauer Mütze.
Schönberg, den 10. Juni 1888.

Der Amtsanwalt.
U. Fr. v. Maltzan.


Auctionsanzeige.

Wegen Verpachtung der Ländereien sollen am Sonnabend, den 23. Juni cr., Vormittags 11 Uhr, beginnend, bei der Hauswirthin Lohse in Herrnburg verschiedene Sachen, als namentlich:

2 Zugpferde, 5 Milchkühe, 8 Starken u. Kälber, 3 Bauwagen, 5 Pferdesielen, 2 Paar schottische u. 1 P. kleine Eggen, Pflüge, Reißer und sonstiges Ackergeräth sowie verschiedenes Haus= und Stubenmobiliar
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.

Staffeldt, Gerichtsvollzieher.        


Ersparniß- u. Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist während des                          
Johannistermines
vom 24. Juni bis 1. Juli d. J.
an den Werktagen
von 8 bis 12 Uhr Vormittags
und
an den Sonntagen
von 6 bis 9 1/2 Uhr Morgens
geöffnet.                                                    
Schönberg, den 16. Juni 1888.                          
                                                    Das Directorium.


Am Montag, den 25. Juni d. J., Nachmittags präcise 1 Uhr wird im Boye'schen Lokale die statutenmäßig festgesetzte II. ordentliche Haupt=Versammlung der

Schuhmacher=Innung

abgehalten, wozu alle Mitglieder hierzu freundl. eingeladen werden.
                          Tagesordnung:
1) Erhebung der 1/2jährl. Innungs=Beiträge.
2) Einschreiben von Lehrlingen.
3) Allgemeine Innungs=Angelegenheiten.
Schönberg im Juni 1888.

Der Vorstand.        


Geschäfts=Eröffnung.

Einem geehrten Publikum für Herrnburg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage ein

Barbier=Geschäft

eröffnet habe und bitte um geneigten Zuspruch.
Herrnburg, im Juni 1888.

                                                    Wilhelm Peters.
                                                    Barbier.

NB. Empfehle mich auch zur Anfertigung sämmtlicher Haararbeiten.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 3]

Berufsgenossenschaft

für die Unfallversicherung der land= und forstwirthschaftlichen Arbeiter des Großherzogthums Mecklenburg=Strelitz. Zu den Wahlen der Delegirten zur Genossenschaftsversammlung werden die von den Gemeinde=Behörden bestimmten Wahlmänner hiemit auf Grund des § 4,3 des Statuts vom 9. April 1888 (Beilage zu Nr. 18. des Officiellen Anzeigers) zum

Dienstag, den 10. Juli d. J.
Nachmittags 2 Uhr,

in die nachbenannten Wahllokale eingeladen. Die Wahlbezirke fallen mit den Grenzen der Amtsgerichtsbezirke zusammen. Die Zahl der in den einzelnen Bezirken zu wählenden Delegirten ist nachstehend bemerkt. Die Wahlmänner haben sich durch Bescheinigung der Gemeindebehörden zu legitimiren.

I. Bezirk Neustrelitz.
2 Delegirte.

Wahlvorstand: Herr Senator Kohrt=Neustrelitz.
Wahllokal: British Hotel in Neustrelitz.

II. Bezirk Neubrandenburg.
3 Deligirte.

Wahlvorstand: Herr Cämmerer Hahn=Neubrandenburg.
Wahlocal: Rathhaussaal in Neubrandenburg.

III. Bezirk Friedland.
2 Delegirte.

Wahlvorstand: Herr Graf von Bernstorff=Beseritz.
Wahllocal: Rathhaussaal in Friedland.

IV. Bezirk Woldegk.
2 Delegirte.

Wahlvorstand : Herr Graf von Schwerin=Mildenitz.
Wahllocal: Schützenhaus in Woldegk.

V. Bezirk Strelitz.
1 Delegirter.

Wahlvorstand: Herr Pächter Piper=Wutschendorf.
Wahllocal: Kolbatz'scher Gasthof in Strelitz.

VI. Bezirk Fürstenberg.
1 Deligirter.

Wahlvorstand: Herr Oberforstmeister a. D. von Waldow=Dannenwalde.
Wahllocal: Gründemann'scher Gasthof in Fürstenberg.

VII. Bezirk Stargard.
1 Delegirter.

Wahlvorstand: Herr Geheimer Legationsrath von Oertzen=Leppin.
Wahllocal: Deutsches Haus in Stargard.

VIII. Bezirk Feldberg.
2 Delegirte.

Wahlvorstand: Pächter Boldt=Bredenfelde.
Wahllocal: Plümecke'scher Gasthof in Feldberg.

IX. Bezirk Mirow.
1 Delegirter.

Wahlvorstand: Herr Pächter Scheel=Buschhof.
Wahllocal: Füllgraf'scher Gasthof in Mirow.

X. Bezirk Schönberg.
3 Delegirte.

Wahlvorstand: Herr Pächter Dierking=Lockwisch.
Wahllocal: Boye'scher Gasthof in Schönberg.

        Neubrandenburg, den 18. Juni 1888.

Der provisorische Vorstand.
von Waldow.


Sensen
Handgeschmiedete Gußstahlsensen,
sehr sauber gearbeitet, verkaufe zu billigsten Preisen unter Garantie                          
                                                    Johs. Bockwoldt, Schmiedemeister.


Fetten u. durchwachsenen Speck
bei Abnahme von 5 Pfund a Pfund 60 Pf.                          
empfiehlt                                                    H. Soltmann.


Neue Matjes=Heringe
empfiehlt                                                    W. Wieschendorf.


Sehr vorzügliche Sensen

ganz aus bestem engl. Gußstahl gearbeitet, habe wieder vorräthig und empfehle dieselben den herren Landleuten unter jeder möglichen Garantie.
Ferner halte auf Lager in großer Auswahl:

Dreschmaschinen, Kornrummeln, Harken, 3 u. 4schaarige Pflüge etc.

indem ich auch für vorstehende Maschinen und Geräthe jede Garantie übernehme, empfehle dieselben zur freundlichen Abnahme.
Schönberg i. M., 15. Juni 1888.

                                                    Achtungsvoll
                                                    J. Oldenburg.


Dem geehrte Publikum von Schönberg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage Herrn Handelsmann Heinr. Jabs in Schönberg eine

Bier=Niederlage

übertragen habe. Ich braue reines Malz-Bier und verwendte nur Wasser aus einem artesischen Brunnen dazu, welcher 225 Fuß tief aus der Erde kommt, also das Wasser gewiß rein sein muß.
Rehna, den 11. Juni 1888.

                                                    Hochachtungsvoll
                                                    Heinr. Jacobs,
                                                    Brauereibesitzer.


Bezugnehmend auf vorstehende Annonce wird es mein Bestreben sein, nur gutes Bier aus der Brauerei von Herrn H. Jacobs in Rehna unter folgenden Preisen zu liefern:
Doppelt=Malzbier 1/2 Flasche 8 Pfg.
Ganz=Bier 1/8 Hektl. 90 Pfg.
Halb=Bier 1/8 Hektl. 75 Pfg.
Um geneigten Zuspruch bittet

                                                    Heinr. Jabs, Handelsmann,
                                                    Siemzerstraße 162.


3500 Mark zu 4 %
gegen Hypothekenschein gesucht von                                                    
                                                    Rechtsanwalt Fölsch.


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                                                    W. Maack,
                                                              Zahntechniker.

NB. Reparaturen werden prompt ausgeführt. D. O.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 4]

Am Sonntag, 24. ds. Mts.
Concert
im Garten des Herrn Gastwirth Boye.
Wozu freundlichst einladen                                                    
                                                    die Vereins-Musiker.
Anfang Nachmittags 4 Uhr - Entré à Person 30 Pfg.
à Familie 50 Pfennige.
Abends: Feuer-Werk.


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Deutsche Frauen-Zeitung
erscheint wöchentlich dreimal. Redaction: Frau Rechtsanwalt E. Siebmann, Berlin W 35.

Inhalt. I. Theil: Das Wichtigste von den Tagesereignissen, für die Frauenwelt bearbeitet, Vermischtes, Humoristisches. II. Theil: Hauswirthschaftliche Artikel etc. in großer Zahl; Aufsätze, Märchen für die Jugend, Spielecke, interessanter Meinungsaustausch im Sprechsaal, Briefkasten. III. Theil: Feuilleton, enthaltend fesselnde Romane, Berichte über Theater, Kunst, Litteratur; Gedichte etc.

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                                                    W. Wieschendorf.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 24. Juni.

        Frühkirche fällt aus.
        Vormittagskirche: Pastor Langbein.
        Amtswoche: Pastor Langbein.


Vom 1. Juni 1888: Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,3 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,3 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 12.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 48 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 22. Juni 1888.


Durch letztwillige Verfügung Kaiser Friedrich's ist der Kaiserin Victoria das Schloß in Charlottenburg und das Kronprinzen=Palais in Berlin als Wittwensitz überwiesen.
Es verlautet, Kaiserin Victoria wolle bereits am kommenden Sonnabend Potsdam verlassen.
Der Wortlaut der Depesche in welcher Kaiserin Victoria der Kaiserin Augusta Mittheilung von dem Ableben Kaiser Friedriche machte, ist folgender:
"Um Deinen einzigen Sohn weint Diejenige, die s stolz und glücklich war - seine Frau zu sein - mit Dir, arme Mutter! Keine Mutter besaß solchen Sohn! Sei stark und stolz in Deinem Kummer! Er ließ Dich noch heute früh grüßen.
Victoria."
Daß Kaiser Friedrich auch Inhaber der Rettungsmedaille gewesen ist, dürfte nur wenig bekannt sein. Derselbe hat nach der Erinnerung der Altpreußischen Zeitung sich diese Medaille dadurch erworben, daß er den jetzt in Elbing lebenden Hauptmann a. D. v. Lossau, als dieser in Breslau beim 11. Regiment stand, in der dortigen Schwimmanstalt vom Tode des Ertrinkens rettete. Bekanntlich war Kaiser Friedrich ein vorzüglicher Schwimmer.
Als seiner Zeit die Königin von England zu Besuch im charlottenburger Schloß weilte, überreichte ihr Kaiser Friedrich persönlich den Hosenband=Orden und den Bath=Orden Kaiser Wilhelm's. Die Königin nahm diese Orden mitsammt den dazugehörigen Ketten etc. nach England mit, sandte sie jedoch wieder zurück, als sie vernahm, daß die übrigen fremdländischen Orden Kaiser Wilhelm's dem königlichen Tresor einverleibt worden sind. Als Kaiser Friedrich die unvermuthet angelangten Orden in seinem Zimmer bemerkte, schrieb er auf einen Zettel: "Wo kommen die englischen Orden des seligen Kaisers auf einmal her?"
Es ist vielfach aufgefallen, daß die Obduktion der Leiche Kaiser Friedrichs doch noch bewirkt worden ist, obwohl die Kaiserin Victoria und der Kaiser Wilhelm sich in dem Wunsche begegneten, die Sektion der Leiche möge unterbleiben. Wie nunmehr die Kons. Korrespondenz mittheilt, mußte das königliche Staatsministerium im Hinblick auf die Bestimmungen des königlichen Hausgesetzes, wonach unter allen Umbänden die Todesursache nach dem Abscheiden des Monarchen authentisch festgestellt werden soll, gegen die Unterlassung der Obduktion in bestimmteste Weise pflichtmäßigen Einspruch erheben, und demgemäß gab erst der Kaiser seine Einwilligung zur Vornahme der Sektion, welche sich auf diejenigen Theile beschränkte, die zu der betreffenden Feststellung erforderlich waren.
Kaiser Wilhelm II. hat nach seiner Thronbesteigung die erste persönliche Auszeichnung erfahren und zwar von Seiten des russischen Zaren. Der Kaiser von Rußland hat den Kaiser Wilhelm zum Chef des Petersburger Grenadier=Regiments ernannt. Die Thatsache der Auszeichnung und die Beschleunigung, mit der dieselbe eingetreten ist, wird überall bemerkt werden und überall wird man in ihr ein willkommenes Zeichen dafür sehen, daß der Thronwechsel in Deutschland die höfischen Beziehungen zwischen Berlin und Petersburg durchaus nicht beeinträchtigt hat.
Prinz und Prinzessin Heinrich haben aus Erdmannsdorf in Schlesien ihr gesammtes Gefolge und die Dienerschaft mit nach Potsdam gebracht, es scheint deshalb, daß das junge Paar vor der Hand nicht mehr dorthin zurückkehren wird.
Die Abfahrt Sir Morell Mackenzie's erfolgte am 19. Mittags 11 Uhr 56 Minuten von dem Bahnhof Friedrichstraße aus mit dem pariser Zuge. Nur Dr. Hovell und einige andere englische Herren gaben ihm das Geleit.
Aus St. Petersburg kommt aus zuverlässiger Quelle die Nachricht daß die Reise des russischen Kaiserpaares nach Kopenhagen zur Zeit fest beschlossen ist. Eine Aenderung des Planes würde nur im Fall "ganz außerordentlicher Ereignisse" eintreten. Der Zeitpunkt der Reise ist noch nicht endgültig festgesetzt.


- Neustrelitz, 15. Juni. Auf Allerhöchsten Befehl legt heute der Großherzogliche Hof wegen des Ablebens Sr. Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen auf sechs Wochen in den üblichen Abstufungen Trauer an.
- Lübeck. Der Wollmarkt ist hier im Ganzen glatt verlaufen, nachdem die Producenten gegen voriges Jahr in einen Abschlag von 10-20 % pro Centner willigten. Es wurde bezahlt für seine Wolle 125-140 M., für mittel Wolle 110-120 M., für Kluft=Wolle 100-110 M. Angefahren waren ca. 4800 Centner.
- Goldmünzen, 10= und 20=Markstücke, die das Bildniß Kaiser Friedrichs tragen, werden bereits wieder mit hohem Aufschlag gekauft, da sie bereits zu den seltenen Münzen gehören. Das Gleiche gilt von den Goldstücken, die die Jahreszahl 1888 und das Bildniß Kaiser Wilhelms I. tragen.
- Die Kosten der Ausschmückung der Straße "Unter den Linden" in Berlin bei dem Begräbniß weiland S. M. Kaiser Wilhelms I., soweit dieselben durch die Stadt Berlin getragen worden sind, also ausschließlich der für den Schmuck des Domes und der Privathäuser aufgewendeten Summen, stellen sich, wie die nunmehr erfolgte Abrechnung ergeben hat, auf 230,000 Mk. Welche Summen von Privaten aufgewendet worden, ist bisher nicht festzustellen gewesen.
- Der Fuhrmannssohn Johann Baeckler aus Crivitz, welcher angeschuldigt war, in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar d. J. auf der Schwerin=Crivitzer Chaussee a. allein oder in Gemeinschaft mit einem andern den Fuhrmann Bohnhoff aus Crivitz vorsätzlich getötet und diese Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt, b. mit Gewalt gegen die Person des Bohnhoff, durch welche der Tod desselben verursacht worden ist, demselben Geld in der Absicht weggenommen zu haben, sich dasselbe rechtswidrig anzueignen, ist am Sonnabend Nachmittag von dem Güstrower Schwurgericht zum Tode verurtheilt worden. Wegen der bei der That bewiesenen ehrlosen Gesinnung wurde auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt. Von den Geschworenen war nur die erste Frage, ob Baeckler des Mordes an Bohnhoff schuldig sei, mit "ja" beantwortet worden, während er von der Anklage des Raubes wegen Mangels an Beweisen freigesprochen ward.
- Bei Reparatur des durch einen Blitzstrahl beschädigten Kirchthurms in Gahma bei Lobenstein wurde dem Thurmknopfe ein im Jahre 1722 dort niedergelegtes Preisverzeichniß der Nahrungsmittel im reußischen Oberlande entnommen, woraus hervorgeht, daß die Lebensmittelpreise in einem Zeitraum von 166 Jahren um das fünffache gestiegen sind. Das Pfund Rindfleisch kostete damals 12 Pf. das Pfund Kalbfleisch 11 Pf., das Pfund Schweinefleisch 10 Pf., 5 Eier kosteten auch 10 Pf. Das Achtel Weizen kostete 14 Groschen, das Achtel Roggen 10 Groschen und das Achtel Hafer 5 Groschen.
- Weil sie nicht kochen konnte, ist in Frankfurt a. M. eine Frau bei einer Ehescheidungsklage für den schuldigen Theil erklärt und rechtsgültig geschieden worden. Kommt es auch nicht immer bei ähnlichen Fällen zur Scheidung, so tritt doch vielfach Eheverlassung mit ihren für beide Theile schlimmen Folgen ein. Um so günstiger wirken die Haushaltungsschulen für ausgeschulte, unbemittelte Mädchen, welche in die Kenntniß und Leitung eines

[ => Original lesen: 1888 Nr. 48 Seite 6]

einfachen Haushaltes einführen und denen neuerdings von privater Seite und von öffentlichen Körperschaften lebhafte Theilnahme zugewendet wird.
- Ueber den Empfang einer deutschen Pilgerkarawane bei Papst Leo XIII. veröffentlicht das Aachener "Echo der Gegenwart" einen bemerkenswerten Bericht aus Rom. Der äußere Eindruck der Erscheinung des Papstes wird, wie folgt, geschildert: "Die bekannte ehrwürdige Gestalt, weiß vom Kopf bis zu Fuß, weiß von Haar, weiß in der Kleidung. Er ist sehr gealtert, seitdem ich (der Berichterstatter) ihn vor vier Jahren sah, seine Haltung ist etwas mehr vornübergebeugt." Aus den Mittheilungen über Aeußerungen, welche der Papst gethan hat, empfiehlt sich Nachfolgendes der Beachtung: Sich an den Subregens Spannbrucker wendend, fragt er diesen, wo er her sei? Herr Spannbrucker: "Ich bin Subregens im Klerikalsemiar der Erzdiözese München=Freising." Der Papst: "Freising, wo am 11. Juni die bayrischen Bischöfe zusammenkommen." Der Subregens: "Ich bitte um Segen für die Konferenz der Bischöfe." Der Papst: Den bayrischen Bischöfen kannst du, mein Sohn, meinen Segen melden, auf daß auch in Bayern die Verhältnisse sich bessern und religiöser gestalten." Ein Priester ist Pfarrer bei Konstanz. Der Pfarrer: "Ich bin Pfarrer in der Diözese Freiburg in Baden." Der Papst: Ich bin nicht zufrieden mit den kirchlichen Verhältnissen in Baden. Man hat sehr schlechte Wahlen erzielt, ein liberaler Geist ist dort vorherrschend, und man hat die religiösen Orden nicht zugelassen. Es werden noch Unterhandlungen geflogen, und ich hoffe, daß Sie guten Erfolg haben werden." Im Weitergehen kam der Papst zu einem Pilger, der ihm in Deutsch sagte, daß er aus Trier sei. Man bedeutete dem Papst in Latain, daß der Herr ein Trierer sei. Der Papst; "Episcopus Korum, vir optimus et fortis." (Bischof Korum, ein ausgezeichneter und standhafter Mann.)
Der nächste Pilger war ein Buchdrucker aus Radolfzell. Er erklärte dieses selbst dem Papst in italienischer Sprache. Der Führer der Karawane, ein belgischer Pfarrer, setzte hinzu, daß dieser Herr eine katholische Zeitung drucke und verlege. Der Papst: "Dann arbeiten Sie recht eifrig gegen den Liberalismus."
- Die Schwarzen drüben in Brasilien sind nicht mehr Sklaven, sondern frei geworden, sie ziehen nun, gerade wie früher in den Vereinigten Staaten, mit Vorliebe nach den Städten. Die Landbesitzer und hauptsächlich die Kaffepflanzer suchen nach Ersatz, richten ihre Augen auf Deutschland und Oesterreich und haben mit Agenten die ihnen den Ersatz zuführen, neue lohnende Verträge abgeschlossen. Da es Pflicht der deutschen Presse, immer wieder darauf hinzuweisen, wie ungünstig in Brasilien die Verhältnisse für deutsche Einwanderer liegen. Auch in den südlichen Provinzen Brasiliens, wo sich kräftige und ertragsfähige deutsche Kolonien herausgebildet haben, ist gegenwärtig für Mittellose wenig Erfolg zu hoffen, indem an Arbeitern eine genügende Anzahl vorhanden ist. Wer dagegen mit einem nicht zu kleinen Kapital nach diesen Gegenden zieht, kann dort, falls er ein Anwesen zu kaufen vermag, erträglichen Lohn finden. Die Arbeitskraft allein hat aber auch da einen schweren Stand. Obendrein ist den Deutschen in Südamerika ein schlimmer Konkurrent entstanden in Gestalt des einwandernden Italieners. Derselbe lebt einfacher und weniger kostspielig als der Deutsche und arbeitet darum auch um einen geringeren Lohn. Zudem besitzt er nicht die Sehnsucht fast jedes Deutschen, durch die Arbeit ein selbstständiger Mann, durch Grundbesitz unabhängig zu werden; er bleibt einfacher Arbeiter und schickt sich leicht in die mißlichste Lage.
- Kaiserin Eugenie theilt die Neigung älterer Frauen, Liebespaare zusammen zu bringen. Prinzessin Lätitia, die Tochter des Prinzen Napoleon (Plon=Plon), und Prinz Amadeus von Italien sind ein solches Paar, aber der Mammon fehlte zur Ausstattung und zur Haushaltung; da schlug sich Kaiserin Eugenie ins Mittel, spendete ein paar Millionen Francs und im September soll die Hochzeit sein. Auch der Papst hat etwas spendiert, seine Erlaubniß zur Heirath, obgleich Braut und Bräutigam nahe verwandt sind.
- Die Heringsernte läßt sich gut an. In Kinsale in England wurden in einer Nacht 750 000 Heringe vortrefflicher Beschaffenheit gefangen. Den Ausschlag freilich giebt England nicht.
- Ein Opfer ihrer Schönheit. Die Bewohner der Stadt Genf wurden am jüngsten Sonnabend durch ein Mord=Attentat in Aufregung versetzt, dem eine junge schöne Dame zum Opfer fiel. Fräulein Clara Sottlin, eine reiche Triestinerin aus angesehener Familie, die seit kurzer Zeit mit Verwandten dort weilte und in einer vornehmen Pension Logis genommen hatte, ward am Nachmittag des genannten Tages von dem Studenten Louis Gormaz erschossen. Fräulein Sottlin war nach dem Diner auf die im ersten Stockwerk befindliche Terrasse getreten, um den Chören einer Musikkapelle zu lauschen, die im Garten heitere Weisen ertönen ließ. Plötzlich stand der Mörder an ihrer Seite und schoß ihr aus einem Revolver eine Kugel in den Kopf. Die junge Dame sank sofort als Leiche zusammen. Der Student richtete hierauf die Waffe gegen sich, verletzte sich jedoch nur leicht. Er wurde gefesselt und der Polizei übergeben. Louis Gormaz, der in Santiago in Chili geboren und dessen Vater eines der bevorzugten Mitglieder der südamerikanischen Kolonie in Paris ist, hat den Mord wegen nicht erwiderter Liebe begangen. Fräulein Sottlin war ihm ihrer außerordentlichen Schönheit wegen aufgefallen, und er hatte sich der Dame vergeblich zu nähern versucht.
- Wer sich nur zu helfen weiß! Der Kaufmann B. ging vor der Wohnung eines wohlhabenden Fabrikanten auf der Andrassystraße in Pest gerade in dem Augenblick vorüber, als eine schöne Frau, die am Fenster saß, durch eine unvorsichtige Bewegung ein Buch auf die Straße fallen ließ. B. hob natürlich sofort das Buch auf und beeilte sich, dasselbe seiner Eigenthümerin in das Zimmer zu überbringen. Er wollte sich sofort, nachdem er seiner Aufgabe als "ehrlicher Finder" entsprochen hatte, wieder entfernen, aber, er wußte selbst nicht wie, es hatte sich rasch ein lebhaftes Gespräch zwischen ihm und der schönen Frau entsponnen. Doch plötzlich schien es ihm, als ob die Dame des Hauses von einem heftigen Schrecken erfaßt sei. Sie eilte zum Fenster und rief: "Um Gotteswillen, mein Mann kommt!" Jetzt wurde auch B. verlegen. "Wenn mein Mann einen fremden Besuch findet, ist er gleich eifersüchtig", stammelte sie. Auf diese nicht gerade beruhigende Aufklärung wollte B. schleunigst Hut und Stock nehmen, woran er aber gehindert wurde. "Das ist zu spät. Sie begegnen schon meinem Gatten an der Thür und das wäre noch schlimmer. Bleiben Sie, ich werde Sie als den Arzt vorstellen, den ich wegen eines plötzlichen Unwohlseins, von dem ich befallen worden bin, habe rufen lassen. B. hatte nicht mehr Zeit, die ehrenvolle Promotion abzulehnen, der Gatte, ein Herr unbestimmbaren Alters, trat eben in den Salon. Der etwas von Eifersucht angekränkelte Ton, mit dem Herr S. den Fremden begrüßte, wich sofort, als die junge Frau mit einer passend modulierten leidenden Stimme dessen Anwesenheit erklärt hatte. "Die Sache hat nichts zu bedeuten," meinte beruhigend der junge Kaufmann, "die gnädige Frau braucht nur ein wenig Ruhe, es ist auch nicht nöthig, daß ich ihr etwas verschreibe." B. war glücklich, als er endlich im Vorzimmer war. Herr S. begleitete ihn dahin, fragte ihn nochmals eindringlichst, ob kein Grund zur Besorgniß vorhanden sei, und drückte ihm schließlich mit dankerfüllter Miene eine Fünfguldennote in die Hand. Was sollte B. thun? Um nicht aus der Rolle zu fallen, mußte er sie dankend einstecken.
- Der böse Trompeter. Kapellmeister erzählt im Kreis seiner Bekannten: "Denken Sie nur meine Herren, was mir heute passirt ist: Ich dirigiere in der Probe eine Ouvertüre und bemerke, daß mein erster Trompeter falsch einsetzt; ich sehe ihn scharf an, klopfe ab und beginne von vorn. An der nämlichen Stelle setzt der Mensch wieder falsch ein; ich fixiere ihn zum zweitenmal, da steht der Kerl auf und sagt: "Herr Kapellmeister, wenn Sie mich noch einmal so angucken, schmeiß' ich Ihnen die Trompete an den Kopf!" "Ungläubig", bemerkt einer der Zuhörer nach dieser Erzählung "was haben Sie denn da gethan?" "Na, ich habe ihn eben nicht mehr angeguckt!"


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