No. 60
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 05. August
1887
siebenundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 1]

Aus Gastein erfährt man, daß die Begegnung der beiden Kaiser bestimmt in Gastein selbst stattfinden werde. Kaiser Franz Josef von Oesterreich trifft am 6. August dort ein und wird im Hotel Straubinger Wohnung nehmen.
Nach den neuesten Wiener Nachrichten verließ Kaiser Franz Joseph am Montag Ischl und begab sich nach München und von dort zum Besuche der Kaiserin nach Bad Kreuth, wo sich der Monarch drei Tage aufhalten wird. Von Kreuth begabt sich der Kaiser direkt nach Gastein, wo er am 6. August um die Mittagsstunde eintreffen wird. Kaiser Franz Joseph wird nur 24 Stunden in Gastein verweilen und sich dann wieder nach Ischl begeben. Kaiser Wilhelm dürfte Mitte nächster Woche Gastein verlassen.
Fürst Bismark hat der großen Hitze wegen seine für diese Woche geplante Reise nach Kissingen um acht Tage etwa verschoben. Er bleibt vorläufig noch in Varzin. Dagegen sind die Equipagen für Bismark, 4 Wagen, 6 Pferde und 4 Diener schon am Montag von München abgegangen und seitens des Prinzregenten Luitpold von Bayern dem Reichskanzler für die Dauer seines Aufenthalts zur Verfügung gestellt worden.
Als der eigentliche Kernpunkt der gegenwärtigen Gesammtlage ist das Verhältniß zwischen Deutschland und Rußland zu betrachten. Wenn Deutschland mit Oesterreich=Ungarn und Rußland über die Erhaltung des Friedens einig ist, dann wird es keine andere Macht wagen, den Frieden zu stören; wenn aber Rußland mit den beiden anderen Kaisermächten gespannt ist, dann steht es um den europäischen Frieden nicht gut. In diesem Fall befinden sich die drei Kaisermächte heute. Es besteht eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen Rußland und Oesterreich=Ungarn über die bulgarische Frage, in welcher Deutschland bisher einen neutralen Standpunkt eingenommen hat. Diese Neutralität genügt Rußland nicht; Rußland verlangt von Deutschland, daß es seinen Einfluß auf Oesterreich=Ungarn dahin geltend machen soll, daß diese Macht Rußland in Bulgarien freie Hand läßt. Das ist ein unerfüllbares Verlangen, denn Oesterreich=Ungarn hat auf der Balkan=Halbinsel Interessen zu vertreten, welche ihm den Schutz der Selbstständigkeit Bulgariens, abgesehen von dem Vasallenverhältniß, in welchem dieses zur Türkei steht, zur Pflicht machen. Die panslawistische Partei rechnet Deutschland seine Zurückhaltung in der bulgarischen Frage zum Verbrechen an und giebt ihm Schuld, daß es bisher nicht gelungen ist, eine Rußland zusagende Regelung der bulgarischen Angelegenheit herbeizuführen. Seinem Aerger darüber macht Rußland durch eine Reihe deutschfeindlicher Maßregeln Luft.
In München ist am Montag die Kaiserin von Oesterreich aus England eingetroffen, und alsbald nach Bad Kreuth weitergereist. Seit König Ludwig II. im Starnberger See seinen Tod gefunden hat, geht die Kaiserin nicht mehr nach Possenhofen während sie sonst jedes Jahr 4 Wochen dort verweilte.
Die Berliner politischen Nachrichten bezeichnen die Behauptungen, daß die Gesundheit des Frhrn. v. Soden, Gouverneurs von Kamerun, so tief erschüttert sei, daß derselbe nicht mehr nach Kamerun zurückkehren werde und, um sich vom Sumpffieber zu erholen, nach Wiesbaden zur Kur gegangen sei, als vollständig aus der Luft gegriffen. von Soden habe seinen regelmäßigen Urlaub angetreten, wie ihn alle überseeischen Vertreter des Reichs erhielten. Er sei zum Besuche von Verwandten nach Wiesbaden gegangen und würde im Oktober nach Kamerun zurückkehren.
Die "Neue Wiener freie Presse" lenkt die Aufmerksamkeit auf den dänischen Kriegsminister und auf eine Rede, die derselbe kürzlich hielt und die von offenen und versteckten Drohungen gegen Deutschland förmlich durchtränkt sei. Gefährlich sei das dänische Revanche=Bedürfniß an sich nicht, aber als Anzeichen der europäischen Lage sehr beachtenswerth. Mit den Stimmungen, die am russischen Hofe herrschen habe man nirgends so enge Fühlung, wie in Kopenhagen, und welche Art jene Stimmungen sind, das zeige die Unverfrorenheit, mit welcher der dänische Kriegsminister den Haß gegen Deutschland kundgiebt.
Der 76jährige italienische Ministerpräsident Depretis, der hervorragendste italienische Staatsmann der Gegenwart und ein guter Freund Deutschlands, ist in seiner Vaterstadt Stradella am Freitag Abend gestorben. Der Tod des Ministers hat in ganz Italien tiefe Trauer erregt. In Rom waren an zahlreichen Häusern Trauerflaggen ausgehängt, die Börse war geschlossen, ebenso in Neapel. In Turin waren alle größeren Geschäfte geschlossen, in Messina die Theater. Das Leichenbegräbniß findet am Mittwoch Vormittag in Stradella in Piemont statt. Das Ministerium hat seine Entlassung gegeben, die Mitglieder werden aber wohl fast sämmtlich im Amte bleiben und der jetzige Minister des Innern, Crispi, wird wahrscheinlich Ministerpräsident, Cairoli an Stelle Depretis Minister des Auswärtigen. König Humbert ist nach Rom gekommen.
Der französische Mobilisirungsversuch scheint auch in Belgien zu beunruhigen. Ein Brüsseler Blatt meldet, daß die belgische Regierung, falls der französische Mobilisirungsversuch ein an Belgien angrenzendes Departement betreffe, gleichfalls einen Theil der Armee mobilisiren werde.
In einem Stück sind Russen und Franzosen, so unähnlich sie sich sonst sind, merkwürdig ähnlich. Wie 1870 die Franzosen uns Deutschen den Krieg ankündigten, uns überfielen und dann gewaltig aufschrien, als wir uns wehrten und uns nicht schlagen und Land und Leute abnehmen ließen, so verjagen die Russen deutsche Gutsbesitzer aus ihrem Besitz, schmähen, reizen und schaden uns auf alle Weise und schreien nun auch ebenso auf, weil wir uns revanchiren und ihre Werthpapiere veräußern

[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 2]

und deren Kurs drücken. Sind wir denn nur zum Gehudeltwerden da?
Ein Zweikampf zwischen Jules Ferry und General Boulanger steht in Aussicht. Boulanger hat vom französischen Kriegsminister die Erlaubniß erhalten, Ferry herauszufordern, und hat diesem bereits seine Zeugen zugesandt. Der Anlaß zu der Herausforderung bildet die Rede Ferrys in Epinal.
Ferry habe in seiner Rede Boulanger den "St. Arnaud des Tingel=Tangels" genannt, auch die Forderung angenommen, so daß am Mittwoch der Ehrenhandel ausgetragen werden kann.
Fürst Ferdinand von Bulgarien hat in Ischl dem Kaiser Franz Joseph seine Aufwartung gemacht und ist dann nach Wien zurückgekehrt. Auf eine Anfrage wegen der Abreise des Prinzen nach Bulgarien kam aus der Umgebung die Antwort, daß diese noch von verschiedenen Umständen abhängig sei.


- Neustrelitz, 2. August. Unser Bataillon rückt am 10. August in einer Stärke von 17 Offizieren, 411 Mann und 7 Pferden zum Manöver aus. Es wird vom 30. August bis 2. September in Treptow a. T. Quartiere beziehen, am 3. und 4. September in Peeselin, Hohenbüssow, Golchen, Tenzerow, Hohe=Brünzog und Hohenmocker, am 5. in Demmin, 7. und 8. in Schorrentin, Sarmstorf, Schwarzenhof, Schönenkamp und Warsow. Am 9. wie auch schon am 6. Biwack der ganzen Division. Am 10. und 11. nimmt das Bataillon in Neukalen Quartiere, marschirt am 12. nach Malchin, von wo es mit der Eisenbahn hierher befördert wird.
- Vom 1. Januar 1888 an soll nach dem neuen, jetzt vom Reichskanzler veröffentlichten Gesetz bei dem Befahren der Kunststraßen an allen Last= und Frachtfuhrwerken der Beschlag der Radfelgen eine Breite von mindestens 5 cm haben. Ausgenommen sind diejenigen Fuhrwerke, deren Gesammtgewicht einschließlich der Ladung nicht mehr als 100 kg beträgt. Das höchste zulässige Ladungsgewicht beträgt bei einer Breite der Felgenbeschläge von 5 bis 6 1/2 cm 2000 kg, 6 1/2 bis 10 cm 2500 kg, 10 bis 15 cm 5000 kg, 15 cm und darüber 7500 kg. Ladungsgewichte von mehr als 7500 kg dürfen nur dann, wenn die Ladung aus einer untheilbaren Last besteht nur unter Genehmigung der Straßenverwaltung und Innehaltung der von derselben gestellten Bedingungen transportirt werden. Für Fuhrwerke, welche vor dem 1. Januar in Gebrauch genommen sind, treten die Bestimmungen des § 1 erst vom 1. Januar 1893 in Kraft; bis dahin darf jedoch das höchste zulässige Ladungsgewicht für Fuhrwerke mit weniger als 5 cm breiten Felgenbeschlägen 1000 kg nicht übersteigen. Werden solche Fuhrwerke jedoch nach dem 1. Januar 1888 mit den neuen Rädern versehen, so treten die Bestimmungen von da ab in Kraft.
- Kaiser Wilhelm bei Tisch - unter dieser Spitzmarke weiß die "Wiener Allg. Ztg." Folgendes zu erzählen: jeden Morgen werden dem Kaiser drei vollständige Menus vorgelegt, von welchen der dasjenige, dem er den Vorzug giebt, mit einem Kreuze bezeichnet. Die ausgewählten Speisen kocht man in dreifacher Auflage und verkostet sie knapp vor der Speisestunde, damit nur die Suppe, die am kräftigsten, und nur der Braten, der am mürbsten, dem Monarchen vorgesetzt werden können. Der Kaiser hat ferner die seltsame Eigenschaft, daß man ihn bitten muß, noch zu essen.
- Ein Albumspruch des Fürsten Bismarck. Englische Blätter erzählen: "Eine junge Miß, die enthusiastische Gefühle für den Fürsten Bismarck hegt, bat denselben kürzlich in einem schwärmerischen Schreiben, er möge ihr in das mitfolgende Stammbuch einige Worte setzen. Die Miß meinte zum Schlusse, es wäre glückbringend für ihr ganzes Leben, ein Handschreiben des großen deutschen Mannes zu besitzen. Diesen Komplimenten konnte selbst der gegen Artigkeiten etwas abgestumpfte Reichskanzler nicht widerstehen, er sandte der jungen Engländerin ihr Buch zurück, nachdem er auf dessen ersten Seite die Worte geschrieben: "Hüten Sie sich stets, mein Kind, Luftschlösser zu bauen, denn das sind jene Gebäude, die am leichtesten errichtet und am schwersten demolirt werden können."
- Das Seeamt in Bremerhafen hat den Kapitän Pfeiffer vom Bremer Lloyd von einer Schuld bei der Strandung des Dampfers "Oder" freigesprochen. Er behält die Berechtigung zur Ausübung des Seefahrergewerbes, da aus seinem Verhalten ein Beweis für seine Unfähigkeit nicht hervorgegangen ist.
- Rosen auf Eis ist die neueste Errungenschaft dieser Hundstage in Berlin, wie man an einigen Blumenläden liest.
- Am Sonnabend Vormittag fuhr in Potsdam die Lokomotive eines Personenzuges durch Versagen der Vacuumbremse über die am Außenperron befindliche Drehscheibe hinweg bis auf das davor befindliche Pflaster und entgleiste mit drei Waggons. Sonstige Störungen sind nicht vorgekommen.
- Bei Weißenfels wollte am Donnerstag Abend ein Husarenoffizier, Lieutenant v. Versen, auf einem Spazierritte bei Eylau mit seinem Pferde die Saale durchschwimmen, wurde aber im Wasser vom Schlage getroffen und fand auf diese Weise einen plötzlichen Tod. Die Leiche desselben wurde noch in der Nacht geborgen und nach dem dortigen Militärlazareth übergeführt. Der Trauerfall erweckt allgemeine Theilnahme. Lieutenant v. Versen hatte kurz zuvor erst noch verschiedene Reiterkunststückchen ausgeführt, war auch u. a. auf einer gewöhnlichen Haustreppe in die Wohnung eines Kameraden hinaufgeritten und schloß den fröhlichen Tag mit mehrmaligem Durchschwimmen der Saale, wo dann beim 3. Male sein Leben einen so tragischen Abschluß fand.
- In Proschim bei Spremberg kam ein junges Mädchen dadurch ums Leben, daß sie beim Verzehren von Kirschen die Kerne verschluckt hatte. Am Abend stellte sich heftiges Unwohlsein und darauf Erbrechen ein und bei dem letzteren geriethen Kirschkerne in die Luftröhre, welche noch in derselben Nacht den Erstickungstod herbeiführten.
- Aus Rheinhessen schreibt man dem "Rheinischen Courier": Ein günstigeres Wetter für die Entwickelung des Weinstockes hat es seit Jahren nicht gegeben, und in einer ganzen Reihe von Weinbergen werden schon weiche Trauben gefunden, während Burgundertrauben sich schon zu färben beginnen; beides kommt schon zu Ende Juli nur selten vor. Man fand an einem Spalierweinstock 322 Trauben; ein noch größerer Segen wird von Niederflörsheim gemeldet: dort zählt ein solcher Stock über 600 Trauben, und in Castel zählt man an einem erst dreijährigen Rebstock 80 schon weiche Trauben.
- An den Kugelfängen des deutschen Schützenfestes wurden 130 Centner Bleikugeln ausgegraben und dafür 1700 Mk. gelöst.
- In Frankfurt a. M. hatte ein Ehemann mit seiner Ehehälfte während der Mittagszeit einen kleinen Streit. Die Ehefrau wurde heftig und warf ihrem Gatten eine Gabel an den Kopf. Die Gabel traf das Auge des Gatten so unglücklich, daß es buchstäblich ausgestochen wurde.
- Es ist noch nicht gelungen, die vom Coloradokäfer befallene, ca. 3 Hektar betragende Fläche in der Feldmark Malitzsch, Kreis Torgau, von dem schädlichen Insekt zu befreien, mit Ausnahme einer kleinen Fläche, die bereits mit Benzol begoßen worden ist. Es sind ca. 2000 Quadratmeter gereinigt worden, wozu ca. 700 Centner Rohbenzol gebraucht wurden.
- Wie die "Königsb. Ztg." erfährt, ist der Menschenverlust infolge der Kesselexplosion auf der Friedenshütte bedeutender, als bisher angenommen wurde. Es sind 13 Personen todt, 10 sehr schwer verletzt, leichter verletzt 43 Personen. Das Kesselhaus ist wie weggefegt; von den vier Heizern, welche gerade die Schicht hatten, ist nur einer - verkohlt - aufgefunden worden. Es ist nun bereits festgestellte Thatsache, daß das namenlose Unglück, das über das Hüttenwerk und die Friedenshütte hereingebrochen, nur die Pflichtvergessenheit der verunglückte Heizer verschuldet hat. Diese, vielleicht abgespannt und ermüdet von der Doppelschicht, der Wasservorrath in den Kesseln ist ausgegangen, die Kessel kamen ins Glühen und explodirten dann mit furchtbarer Gewalt. Die Detonation wurde bis auf eine Meile im Umkreise vernommen. Mit welch' furchtbarer Kraft die Kessel in die Luft flogen, geht daraus hervor, daß der größte Theil

[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 3]

eines der explodirten Kessel auf den Feldern bei Godullahütte gefunden wurde, das ist eine Entfernung von nahezu einer halben Meile. Die anderen Kessel liegen theils ganz und nur zerrissen und zerbrochen, theils in Stücken, aber auch andere große Eisentheile und ganze Mauerstücke in Menge auf 1000 bis 3000 Schritte um die Unglücksstätte herum.
- In Essen trafen 6 ältere Arbeiter ein, welche 16 Jahre in Paris gearbeitet hatten und jetzt entlassen worden sind.
- Die gefährliche Manipulation vieler Frauen und Mägde, das niedergebrannte Feuer im Herde durch einen Guß Petroleum wieder zu beleben, hat so viele Opfer schon gefordert, daß man glauben sollte, endlich sei man vorsichtiger geworden. Dem ist aber durchaus nicht so. In Köln hat soeben eine Dame wieder das erwähnte Experiment gemacht und sich dabei solche Brandwunden zugezogen, daß sie nach qualvollen Leiden nach einigen Stunden starb.
- Das Spielen mit Katzen ist nach Umständen sehr gefährlich. Vorige Woche spielte in Köln ein Bäckergeselle mit einer Katze, welche denselben dabei an der Brust leicht verletzte. Er beachtete die kleine Wunde nicht, bis vor einigen Tagen die Brust dick anschwoll. Der Arzt, welcher zu Rate gezogen wurde, konstatierte eine Blutvergiftung und der Patient mußte infolge dessen ins Hospital übersiedeln, wo er noch heute zwischen Leben und Tod schwebt.
- Gutes Bier! Ein Mitglied der Meraner Nationalkapelle, Herr C. Wolf, erzählt in der "Meraner Zeitung" seine Erlebnisse auf dem Frankfurter Schützenfest in lustig plaudernder Weise. In der Einleitung findet sich auch eine Bemerkung, die der Beobachtungsgabe und der Weltweisheit des Schreibenden alle Ehre macht. In seiner Schilderung der Eisenbahnfahrt heißt es nämlich: "Wenn man reist, wird man findig, und so hatten wir bald heraus, daß auf allen Stationen, an welchen ein fetter, dicker Stationschef stand, auch ein gutes Bier zu finden sei, und wir gingen in dieser Richtung nicht irre."
- Es wird in den Niederlanden kaum einen Platz geben, an welchem man im Verhältniß zu der Anzahl der Bevölkerung eine solche Menge Radfahrer findet, als in Beendam in der Provinz Groningen. Hausierer, die ihre Waaren umherbringen und feilbieten, ein Arzt, der seine Kranken besucht, Beamte, die sich in ihr Bureau begeben, Fabrikanten, Schüler, Kommis, die ihren Bestimmungsort aufsuchen, der fromme Prediger der evang. Gemeinde - Sie alle bedienen sich dieses modernen Fahrzeuges und wissen dasselbe auch trefflich zu handhaben. Der Radfahrersport steht überhaupt hier zu Lande in hoher Blüthe, namentlich seitdem Kiderlen aus verschiedenen internationalen Wettstreiten als erster Sieger hervorgegangen ist.
- Heiße Sommer. Im Jahr 627 war die Wärme in Deutschland so stark, daß die Quellen versiegten und eine große Menge Menschen vor Durst starb. 870 mußten die Feldarbeiten längere Zeit der Hitze halber eingestellt werden. 903 waren im Sommer die Wiesen wie vom Feuer verbrannt. 1000 versiegten die kleinen Flüsse, die Fische faulten, es entstand eine Pestillenz. 1022 und 1132 war die Hitze sehr arg, der Rhein trocknete im Ober= und Mittellauf fast aus. 1139 hatte Italien eine schreckliche Trockniß zu bestehen. 1260 fielen in der Schlacht von Bela mehr Menschen durch die Hitze als durch die Waffen. Die Sommer von 1277, 1303, 1304, 1615, 1705 waren enorm heiß. 1718 war gewaltiger Wassermangel. Es regnete den ganzen Sommer keinen Tropfen. 1779 starben in der Gegend von Bologna viele Personen vor Hitze. 1793 wurde im Juli die Hitze so unerträglich, daß die Pflanzen verdorrten, die Baumfrüchte vertrockneten. Fleisch faulte innerhalb einer Stunde. 1822, ein Erdbeben=Jahr, namentlich für Elsaß, herrschte große Hitze. 1832 war die Hitze von Cholera begleitet, welche namentlich in Westdeutschland und Frankreich viele Opfer forderte, in Paris allein 20,000. Seitdem sind wohl warme aber keine übertrieben heißen Sommer zu verzeichnen gewesen. Die größte Hitze brachten die Sommer von 1816, 1859, 1860, 1870, 1874.
- Um dem Fleische den üblen Geruch zu benehmen - den sog. Hautgout - ist ein einfaches Mittel der mangansaure Kali. Man löst in einem Liter recht reinen oder besser destellierten Wassers etwa 20 Gramm mangansaures Kali auf, welche Lösung sich bei gutem Verschluß der Flasche jahrelang, ohne zu verderben, aufbewahren läßt. Das Fleisch, welchem man den üblen Geruch benehmen will, lege man in ein Gefäß, übergieße dasselbe mit ganz reinem Wasser, so daß dieses das Fleisch gänzlich bedeckt. Dann bringe man von der bereiteten mangansauren Kaliauflösung, je nach der Größe des Fleischstückes oder des Wildes mehr oder weniger Tropen hinzu, bis das Wasser, in welchem das Fleisch liegt, eine röthliche Färbung bekommen hat. Man läßt nun das Fleisch etwa 15 Minuten ruhig in dem Wasser liegen, wobei dasselbe von außen eine weißliche Farbe annimmt, welche sich beim späteren Braten oder Kochen wieder verliert. Der üble Geruch ist dann vollständig verschwunden.
- Verwendung der Sägespäne. Sägespäne sind, wie die "Dresdn. landw. Presse" bemerkt, ein sehr vielseitig verwendbares und für manche Zwecke äußerst nützliches und bequemes Hausmittel. Ohne von der Verwendung der Sägespäne als Brennmaterial, besonders zur Erzeugung von Schmauchfeuer, als Streumittel für Viehställe, als Isolirmittel für zerbrechliche Gegenstände in Kisten etc. zu sprechen, Sei hier als minder bekannt auf die höchst nützliche Verwendung hingewiesen, welche die Sägespäne in der Gärtnerei finden. Für Gartenwege bilden Sägespäne, 6-8 cm. hoch statt Kies aufgeschüttet, den angenehmsten Bodenbelag und lassen niemals Unkraut aufkommen; für Spargelpflanzen geben sie statt Erde die bequemste, sauberste und ebenfalls eine unkrautfreie Auffüllung. Gleich geeignet sind sie zum Bedecken der Erdbeerbeete, um die Erde feucht zu halten und die Feuchtigkeit vor dem Ansanden zu behüten. Ferner kann man die Sägespäne benutzen, um im Frühjahre die Erde um Obstbäume vor zu rascher Erwärmung, mithin vor zu frühem Treiben und Blühen, oder umgekehrt im Herbste die Erde für andere Zwecke vor Frost zu bewahren.
- Als ein vorzügliches Mittel zur Vertreibung der Ratten ist in vielen Gegenden Deutschlands die jetzt blühende Hundszunge im Gebrauch. Diese Pflanze, kenntlich an den langen, Schmalen, behaarten Blättern und den kleinen, blauen Blüten, ist den Ratten sehr unangenehm und sie sollen die Orte verlassen, in denen sie auf die Hundszunge stoßen. Man steckt zu dem Zwecke die blühende Pflanze, nachdem man sie vorher zerquetscht hat, um den Geruch besser hervortreten zu lassen, in die Rattenlöcher oder legt sie an den von Ratten besuchten Orten aus. Da die Pflanze allenthalben wild vorkommt, wollen wir unseren Lesern wiederholt zu einem Versuch mit dem einfachen Mittel rathen.
- Zoologisches. Ein Knabe, welcher eine Taubensammlung besitzt, wandte sich jüngst an seine Mutter mit der Bitte, ihm einige Nickel zu schenken, um sich eine "Nonne" zu kaufen. Die Mutter, eine Ausländerin, die nur sehr wenig "gebrochenes Deutsch" spricht, also auch diese Bezeichnung einer Taubenart nicht kennt, frug ihren Sohn nun höchst naiv: "Sag' mal, Otto, ist die Nonne das Weibchen vom Dompfaff?"
- Engländer auf Reisen. Mann: "Mylady, schlagen Sie nach im Bädecker, wie diese Gegend hier aussieht." - Frau: "Yes! Hier steht's: Zauberisch schön."


Farbige Seidenstoffe v. Mk. 1,55 bis 12,55 p. Met. (ca. 2000 versch. Farb. u. Dess.) - Atlasse, Faille Française, "Monopol", Foulards, Grenadines, Surah, Sat. merv., Damaste, Brocatelle, Steppdecken- u. Fahnenstoffe, Ripse, Taffete etc. - vers. roben und stückweise zollfrei in's Haus das Seidenf.=Dépôt G. Henneberg (K. u. K. Hoflief.) Zürich. Muster umgehend. Briefe kosten 20 Pf. Porto.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 4]

Anzeigen.

Antragsmäßig soll über die zu Herrnburg sub. No. 14 belegene Büdnerei c. p. des Seilers Heinrich Kietzmann daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstück zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Sonnabend, den 6. August d. Js.,
Vormittags 10 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstück sowohl gegen den jetzigen als auch die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Meldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermin ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 20. Mai 1887.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.         


Torf=Auction
im Vitenser Forste
auf dem Woitendorfer Moore

am Dienstag, den 9. August 1887 unter den an Ort und Stelle zu verlesenden Verkaufsbedingungen, über:

500 Ruthen Baggertorf.

Die Auction beginnt Morgens 9 Uhr. Zusammenkunft bei der Hütte auf dem Woitendorfer Moore.
Rehna, den 2. August 1887.

Großherzogliche Forstinspektion.


Stadt Lübeck.

Am Sonntag, den 7. von Nachmittags 4 Uhr an und am Montag den 8. d. Mts:

Auskegeln von Federvieh.
6 Gewinne. Ein Satz von 3 Würfen 20 Pfg.
Zu demselben ladet ergebenst ein
                                                    J. H. Freitag.


Heilsteiner Mineralbrunnen.
Natürliches doppelt kohlensaures Mineralwasser
Bestes erfrischendes Tafelgetränk.
Grösster Export nach allen Ländern der Erde.
Vergleichende Analyse:

[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Vorräthig in allen Hôtels, Restaurants etc.
sowie in den besseren passenden Geschäften.
Die Hauptvertretung ist für hiesige Stadt und Umgegend zu vergeben.
                                                    Die Versandt-Direction des
                                                    Heisteiner Mineralbrunnens
                                                    Max Ritter Coblenz.


Von der Reise zurück                          
                          Dr. M. Marung.


Gesucht
500 Ctr. Johannisbeeren
für sogleich, ehe dieselben für den Versand zu reif werden. Körbe dazu werden geliefert.
Privaten zahle ich pro Pfund 5 Pfg.
An Händler pro Pfund 5 1/2 Pfg.,
Schwarze Johannisbeeren kosten das Pfund einen Pfennig
.
                                                    C. Egert.


Carbolineum

zum Anstreichen von Holz und anderer Gegenstände verwendbar und ist zum Schutze gegen Fäulniß, Schwamm und Verstockung.
In Viehställen dient es als Mittel gegen Ungeziefer und Infection durch Krankheiten, Seuche u. s. w., empfiehlt

W. Wieschendorf. Schönberg.


90 Ruthen Hafer
stehen noch auf dem Stamm zu verkaufen bei                                                    
                                                    Mathias Bade,
                                                    am Markt.


Wichtig für Damen!

Von meinen rühmlichst bekannten Wollschweißblättern ohne Unterlage, die nie Flecken in den Taillen der Kleider entstehen lassen, hält für Schönberg und Umgegend in bester Güte allein auf Lager:
Herr Wilh. Oldenburg. Preis per Paar 50 Pfennig, 3 Paare 1 M. 40 Pfennig. Wiederverkäufern Rabatt.
Frankfurt a./O. im Juni 1887.

                                                    Robert v. Stephani.


Gesucht
ein tüchtiges Mädchen
für Küche und Hausarbeit. Salair 120 M.
F. Siebels, Oekonom, Fischstr. 3 Lübeck.


Am Sonnabend, den 6. August sollen auf der Hoffeldmark Lockwisch von Morgens 8 Uhr ab Rappsschoten verbrannt werden.

G. Dierking.


Heute früh entschlief plötzlich meine liebe Frau und meiner Kinder treue Mutter

                                                    Anna Catharina Grevsmühl
geb. Wigger,

auf's Tiefste betrauert von mir und meinen Kindern.

                                                    H. Grevsmühl.

Schönberg, den 4. August 1887.
Die Beerdigung findet am Sonntag, den 7. August Nachmittags 4 Uhr statt.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 7. August.

Frühkirche fällt aus.
Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Amtswoche: Pastor Kaempffer.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 60 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 5. August 1887.


- Erschreckend ist die Zunahme des Irrsinns in Berlin. Sie ergebt sich aus den Berichten der städtischen Irrenanstalt in Dalldorf. Die Anstalt wies am 31. März 1883 1637 (812 Männer, 825 Weiber), am 31. März 1884 1799 (890 Männer, 909 Weiber), am 31. März 1885 1909 (957 Männer, 952 Weiber), am 31. März 1886 2845 (1466 Männer, 1379 Weiber) Geisteskranke auf. Einen sehr erheblichen Prozentsatz der aus der Stadtvogtei nach der Kgl. Charite gesandten Männer bilden die am Säuferwahnsinn Leidenden.
- Auf einer Tour durchs Erzgebirge wurde der Polytechnika Albin Horn aus Dresden vom Blitz erschlagen. Der Reisebegleiter Horns reiste tieferschüttert nach Dresden zurück.
- Die kleinen Badenser. Interessante anthropologische Ergebnisse haben die Untersuchungen des Generalarztes von Beck und O. Ammon über die körperlichen Eigentümlichkeiten der Gestellungspflichtigen und Mannschaften Badens ergeben. Danach hat Baden von ganz Süddeutschland die meisten kleinen Leute aufzuweisen, im Durchschnitt blieben die Badenser in der Körperlänge 4-5 cm hinter den Bayern zurück. In Baden wie in Bayern und Württemberg gedeiht die Körpergröße vorwiegend in den Gebirgsgegenden. Unter den Großen überwiegt der blonde Typus mit blauen Augen, weißer Haut und länglichen Köpfen, während die Kleinen meist brünett sind: braune oder grüne Augen, braune Haare, kurze Köpfe. Absolut schwarze Haare sind nur viermal beobachtet worden, völlig schwarze Augen existiren nach der Ansicht der Untersucher überhaupt nicht.
- Die Wittwe des Hans Markarts hat ihre Absicht, nach Paris zu gehen, um dort von neuem "das Tanzbein zu schwingen", schnell wieder aufgegeben und sich dafür in Ischl mit einem Wiener Advokaten verlobt, um mit diesem in Gemeinschaft ferner zu praktiziren.
- Papst Leo XIII. erhält zu seinem Jubiläum aus Wien ein massiv goldenes, mit Edelsteinen geschmücktes Kreuz, dessen Werth 100 000 Gulden beträgt. Der Kaiser hat 20 000 Gulden gespendet;
der Rest wurde von der Aristokratie aufgebracht. - John Taylor, das Haupt der Mormonen, ist in der Salzseestadt gestorben. John Taylor war der Nachfolger Brigham Youngs und seit dessen Tod - 1877 - Präsident der Heiligen vom "Jüngsten Tage". Der Verlust ihres Oberhauptes dürfte die Mormonen wegen ihres Konfliktes mit der nordamerikanischen Regierung gerade jetzt empfindlich treffen.
- Bienen als Gewitteranzeiger. In der "Natur" hat der Seminarlehrer Emmering die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Umstand gelenkt, daß das Verhalten der Biene das Herannahen eines Gewitters mit der größten Sicherheit verkünde. Schon Stundenlang vor einem Gewitter, selbst wenn noch kein Wölkchen am Himmel ist, zeigen sich die Bienen außerordentlich stechlustig und gereizt, während bei drohenden Gewitterwolken, wenn sich das Unwetter nicht in dieser Gegend entladen wird, die Bienen vollkommen ruhig sich verhalten und ungestört ihrer Beschäftigung nachgehen. Jahre lange Beobachtungen beweisen dem Genannten, daß weder Barometer noch Hygrometer in der Vorausbestimmung von Gewittern dieselbe Sicherheit zeigten, wie das Verhalten dieser Insekten.
- Was sind die Hundstage? Die Hundstage sind diejenigen Tage, an welchen der Berliner sagt: "Jotte, Jotte, sieht mir heut' die Sonne wieder 'mal durchs Brennmonocle über die Achsel an." -Wiener: "Machen's nur g'schwind d'Fensterln auf und die Thür'n - dös muß an Zug geben, daß der Kaffee a Eiskrusten kriagt." - Dresdner: "Gottschtrambach, nee härnse - heute schwitzt man sich reene zu een Knoploch 'naus und zu'n anern wieder 'nein - weeß Kneebchen!" - Münchener: "Daß d'Leit oalleweil über dera Hitze so g'raisonniern - a so an prächt'gen Durscht hoab i scho lang nit g'haabt."
- Also darum. "Wie, mein Herr, Sie kennen mich erst eine Stunde und sprechen mit mir schon von Liebe und Heirathen?"
""Oh, ich kenne Sie schon länger, liebes Fräulein, und zwar aus unserem Hauptbuche - ich bin nämlich Bankbeamter und bei unserer Bank hat ihr Papa Ihre Mitgift im Depot.""
- Antwort auf einen unleserlichen Brief. Ihr Geschreibsel kann ich mir auf eine andere verschaffen. Ich tauche einein Kater die vier Pfoten in Tinte, lasse vier böhmische Bettelmusikanten einen Walzer spielen und dazu den Kater auf Papier Polka tanzen!"


Ein Matador.
Erzählung und Sittenbild aus Peru.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)

[ => Original lesen: 1887 Nr. 60 Seite 6]

Ein Matador.
Erzählung und Sittenbild aus Peru.
(Nachdruck verboten.)
[Fortsetzung.]


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD