No. 37
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 11. Mai
1883
dreinundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 1]

Des heil. Pfingstfestes wegen erscheint die nächste Nummer der "Wöchentlichen Anzeigen" am Freitag den 18. Mai d. Js.


Bekanntmachung.

      Die ordentliche Sitzungsperiode des Schwurgericht bei dem Großherzoglichen Landgerichte zu Güstrow für das zweite Quartal dieses Jahres wird am

Dienstag den 5. Juni d. J.

eröffnet.
        Rostock, den 7. Mai 1883.

Der Präsident des Großherzoglichen Ober=Landes=Gerichts.
Dr. Budde.


      Nachdem der Eigenthümer des Schulzengehöftes zu Menzendorf darauf angetragen hat, den über seine Koppel führenden Kirchensteig von Grieben nach Lübsee aufzuheben und statt dessen einen stets in guter Ordnung zu erhaltenden Fußsteig neben dem von der Menzendorf=Griebener Landstraße nach Lübsee führenden Fahrweg herzustellen, und nicht allein die Pfarre zu Lübsee und die Einwohner der Ortschaften Grieben, Menzenberg und Zehmen ihre Einwilligung erklärt, sondern auch auf die in den Wöchentlichen Anzeigen Nr. 23, 24 und 25 erlassene Aufforderung kein Widerspruch erhoben ist, wird hierdurch der bezeichnete Kirchsteig aufgehoben und die fernere Benutzung desselben verboten.
      Schönberg, den 2. Mai 1883.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


Politische Rundschau.

Die Stimmung im Reichstage ist nicht glücklich. Es ist jene verdrießliche und gereizte Stimmung, wo Regierung und Parlament, Parteien und ihre Führer allerlei und ziemlich viel gegen einander auf dem Herzen und der Zunge haben, wo jeder dem andern sein Sündenregister vorhält, einer dem andern auf das Wort paßt, um ihn abzutrumpfen und etwas Unangenehmes an den Kopf zu werfen, mehr zur eigenen Erleichterung und Genugthuung als zur Klärung und Förderung der Sache. Ist's auch nicht wie in Ungarn und Frankreich, wo sich die Abgeordneten mit Pistolen schießen oder Degen kitzeln, so ist doch jede Sitzung mehr oder weniger ein scharfes Scharmützel, in welchem Richter mit ziemlich grobem Geschütz, Bamberger mit eleganteren Waffen kämpft. Es fehlen so viele Abgeordnete entschuldigt oder unentschuldigt, daß das Haus fast regelmäßig ausgezählt werden muß. Seit ein paar Tagen beriethen sie das Reichsetat 1884/85, aber nicht mit Freude sondern mit Seufzen und nur, weil es die kaiserliche Botschaft wünscht. Sie halten diese Berathung für verfrüht, vorzeitig, ungründlich und in mancherlei Beziehung bedenklich und "prägravierlich", wie einer sagte. Die Vorrede zu dieser ungewöhnlichen Arbeit war ziemlich lang und bitter, Bamberger hielt sie. Er vermißte die Gegenwart Bismarcks, der Reichstag kam ihm in seiner jetzigen Lage vor, wie die Feier einer Hochzeit ohne Bräutigam. Er klagte über die Gesetzentwürfe, die immer wieder vorgelegt würden, auch wenn sie mit der größten Mehrheit abgelehnt worden seien; das führe zum "Scheinparlamentarismus", schwäche die Wirksamkeit und das Ansehen des Reichstages; Regierung und Reichstag seien aber keine Gegensätze, Kaiser und Reichstag seien an einem und demselben Tage geboren, wenigstens im Sinne und Geiste des Volkes, sie leben und wirken zusammen, einer den andern tragend. Finanzminister Scholz antwortet schneidig, aber doch auch auf vieldeutige Worte sich steifend: Bamberger erstrebe eine parlam. Regierung, - eine solche sei der Uebergang zur Republik. Die Minister wollen eine kaiserliche Regierung und führten diese nach dem Willen des Monarchen, nicht nach der Mehrheit des Reichstages; die Schuld vieler Unannehmlichkeiten liege allein an den Uebergriffen des Parlamentarismus. Abg. Benda, zur Tagesordnung zurückkehrend, spricht sich im Namen der Nationalliberalen gegen die Gründlichkeit und Wahrheit 2jähriger Reichs=Etats aus. Schließlich wurde der Etat mit einigen Stimmen Majorität einer Commission überwiesen, die vor dem 25. Mai ihre Arbeit nicht beendet haben kann.
Die socialpolitische Commmission des Reichstags hat in ihrer letzten Sitzung einen das Grundprincip des Unfallversicherungs=Gesetzes berührenden Beschluß gefaßt, indem sie den Reichszuschuß einstimmig und den Arbeiterbeitrag mit Majorität ablehnte.
Der gelehrte Belgier Leon Donnat hat ausgerechnet, wie viel in den Hauptstaaten Europa's jeder Bürger für den Krieg und für den Unterricht zahlt. Darnach zahlt jeder Bürger in

Italien f. d. Krieg 9,05Frc.f. d. Unterricht0,80Frc.
Schweiz 5,80  5,00 
Dänemark 10,40  5,00 
Sachsen 14,15  4,00 
Holland 21,50  3,80 
England 22,25  3,75 
Bayern 14,15  3,00 
Preußen 14,15  2,90 
Belgien 8,10  2,75 
Württemberg 14,15  2,10 
Oesterreich 18,00  1,96 
Frankreich 25,85  1,85 
Rußland 12,23  0,16 
Der Redacteur der Neuen Deutschen Volks=Zeitung in Berlin, Herr M. Liebermann v. Sonnen=

[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 2]

berg beschuldigt die Führer der Fortschrittspartei in seiner Zeitung vom 17. April: "Diese Fortschrittspartei wolle durch allerhand Zwischen=Anträge die Berathung über die Regierungs=Vorlage, die Unfallversicherung der Arbeiter betreffend, verschleppen und nicht zum Abschluß kommen lassen bis - inzwischen Etwas einträte. Was dies Etwas sein soll, verbietet uns die Pietät auszusprechen", und setzt hinzu: Wenn die Herren der Fortschrittspartei mit der ihnen eigentümlichen eisernen Stirn die eben behaupteten Thatsachen zu leugnen versuchten, so bitte er, daß sie ihn verklagten, damit ihm Gelegenheit gegeben werde durch eidliche Zeugenaussage seine Behauptung zu beweisen.
Für das Etatsjahr 1884 - 85 sind im Haushalt des deutschen Reiches Matrikularbeiträge aufzubringen 102,593,340 M., 10,704,538 M. mehr als im Vorjahre.
Feldmarschall Moltke hat eine längere Reise in die Schweiz angetreten.
Als Nachfolger Schulze=Delitzsch's in der Anwaltschaft der Genossenschaften bezeichnet man Bürgermeister Nitzsche aus Rybnitz in Mecklenburg.
Das Pamphlet des Herzogs von Broglie auf Friedrich den Großen beweist, daß auch die größten und erhabensten Helden nicht sicher sind, vor einem Thersites, der ihren Glanz zu besudeln versucht. Doch bei dem übereinstimmenden Urtheile der Weltgeschichte erinnert das Buch des kleinen Herzogs, welcher in der Republik nicht mit den Füßen auf die Erde kommen kann, zu sehr an den Mops vor dem Monde und wird seinem Schriftstücke hoffentlich nicht die Ehre einer eingehenderen Kritik zu theil werden.
Die Anklänge an das Mittelalter mehren sich in unserer glorreichen und wissensreichen Zeit noch immer. Aus Trautenau in Böhmen wird gemeldet, daß die dortigen Deutschen infolge der fanatischen Haltung und ebensolchen Vorgehens der Geistlichkeit entschlossen seien von der katholischen zur protestantischen Kirche überzutreten. Der Bischof von Königgrätz hat kürzlich angeordnet, daß in der Trautenauer Decanatkirche künftig nur czechisch gepredigt werden soll. Nun besteht aber die Einwohnerschaft (etwa 10,000 Seelen) zu vier Fünfteln aus Deutschen. Die Frage entsteht nun gleich: wie wenn diese wirklich ihren Vorsatz ausführen? Die Antwort ist nicht schwer. Sie werden so lange drangsalirt werden, bis sie sich entschließen, auszuwandern; denn mit dem direkten Vertreiben geht es heutzutage nicht mehr so leicht wie zu den Zeiten der Waldenser, Salzburger und Hugenotten. Den Trautenauer Spinnern, Webern, Färbern, Papier= und Glasarbeitern braucht aber deshalb nicht bange um ihre Zukunft zu sein, sie sind fleißige und geschickte Leute und werden schon ihr Unterkommen und ihr Fortkommen finden.
Die Kronprinzessin Stephanie von Oesterreich sieht einem frohen Familienereigniß entgegen.
Die Krönungsfeierlichkeiten in Moskau werden in folgender Weise vor sich gehen. Am 10. Mai feierlicher Einzug des Kaiserpaares, am 11. die Fahnenweihe; die jeder Krönung vorausgehenden Fasten am 12., 13. und 14. Am 14. Uebertragung der Reichsinsignien, am 15. Krönung. An den folgenden Tagen Empfang der Glückwünsche und zwar am 16. Mai jene der Festlichkeiten, des diplomatischen Corps und der hohen Reichswürdenträger, am 17. jene der militärischen Spitzen und am 18. Mai diejenigen anderer Stände. Am Abend

Fortsetzung in der Beilage.


Anzeigen.

Zur Ausloosung der Geschworenen, welche für die am 5. Juni d. J. bei dem hiesigen Landgerichte beginnenden Sitzungen des Schwurgerichts in die Spruchliste aufzunehmen sind, habe ich auf

Donnerstag den 15. Mai 1883,
Mittags 12 Uhr

eine öffentliche Sitzung des Großherzoglichen Landgerichts in dem Sitzungszimmer der Civilkammer I. anberaumt.
Güstrow, den 8. Mai 1883.

Der Präsident des Großherzoglich Mecklenburg=Schwerinschen Landgerichts.
von Amsberg.


[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 0]Grevesmühlen, den 2. Mai 1883.

Großherzogliches Amtsgericht.

Zur Beglaubigung:       
Hintzelmann,             
Act.=Geh.       


Die von dem unterzeichneten Vereine beschafften Anpflanzungen und deren Einfriedigungen, auch die Bänke an den Chausseen sind durch Ruchlosigkeit und in kindischem Leichtsinn wiederholt arg beschädigt.
Wir richten an Alle, welche solchen Unfug zu bemerken Gelegenheit haben, die dringende Bitte, uns behilflich zu sein, weitere Beschädigungen durch strenge Warnungen zu verhindern, oder uns die Thäter namhaft zu machen.
Ueberhaupt bitten wir, uns dahin zu unterstützen, den Sinn für Beseitigung von Unzierden und Unreinlichkeiten an den Passagen in und um Schönberg zu wecken und zu mehren.
Schönberg den 2. Mai 1883.

Der Vorstand
des Verschönerungs=Vereins.


Hagelschaden-Versicherungs-Verein für Mecklenburg-Schwerin und -Strelitz zu Grevesmühlen.

Es wird hierdurch zur Kenntniß der Herren Vereins Mitglieder gebracht, daß die Districte in diesem Jahre von nachstehenden Herren vertreten werden:

1. District: Grevesmühlen.
          Vorsteher: Herr Möller=Parber,
          Substitut: Herr Major Görbitz=Löwitz.
2. District: Gadebusch=Hagenow.
          Vorsteher: Herr Förster Rochow=Zachun,
          Substitut: Herr Eisfeldt=Horst.
3. District: Parchim=Malchow.
          Vorsteher: Herr Quade=Malow,
          Substitut: Herr Baumann=Dietschow.
4. District: Güstrow=Sternberg.
          Vorsteher: Herr Schröder=Gr. Niendorf.
          Substitut: Herr Döhn=Holzendorf.
5. District: Neubuckow=Bützow.
          Vorsteher: Herr Uhthoff=Kl. Warin,
          Substitut: Herr Köster=Kleekamp.
6. District: Rostock=Tessin.
          Vorsteher: Herr von Walsleben=Kneese,
          Substitut: Herr Heucke=Cammin.
7. District: Malchin=Lage.
          Vorsteher: Herr Behn=Dehmen,
          Substitut: Herr Busch=Lüningsdorf.
8. District: Waren.
          Vorsteher: Herr Martens=Christinenhof.
          Substitut Herr von Hobe=Lansen.
Bis auf Weiteres ist der IX. District: das Herzogthum Strelitz, dem 8. District und der X. District: das Fürstenthum Ratzeburg dem 1. District beigelegt -
Die Formulare zu den Antragslisten sind heute unter Kreuzband an die Mitglieder abgesandt. - Statuten und Antragslisten sind von dem Unterschriebenen zu beziehen und wird bemerkt, daß keine Lege= und Eintrittsgelder gezahlt, die Schäden von den erwählten Taxanten festgestellt, für Oelfrüchte und Zuckerrüben keine erhöhten Beiträge erhoben, für Stroh und Taxkosten keine Abzüge gemacht, auch von den Beschädigten keine höheren Beiträge erhoben werden. Im Falle des Austritts finden keine Abzüge von der Entschädigungssumme statt und werden die Beiträge erst im November jeden Jahres erhoben.
Grevesmühlen den 20. März 1884.

der Secretair des Vereins      
Senator Freytag.           


[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 3]

Büdnerei.

Wegen Wegzuges soll die frühere Schäper'sche Büdnerei, belegen an der Landstraße von Thandorf nach Schlagsdorf, vom jetzigen Besitzer unter der Hand auf ca. 20 Jahre verpachtet werden. Dieselbe besteht aus den nöthigen Räumlichkeiten, großem Obstgarten und ca. 30 Scheffel gutem Acker, direct am Hause belegen, und kann dieselbe mit Acker oder auch getrennt in Pacht gegeben werden. Uebernahme sofort oder nach Uebereinkunft. Nähere Auskunft wird ertheilt auf der Büdnerei selbst, sowie in Boitin=Resdorf, Büdnerei Nr. 2.


Für Zahnleidende

Künstliche Zähne jeder Art, in Cautschouc, wie auch Platina=Gazegebisse (neu), werden stets unter Garantie geliefert, vom pract. Zahnarzt

                                                    Aug. Eduard Spelling
                                                    Lübeck,
                                                    Königstraße 670 I. Etage.


Es können auf hiesiger Standkoppel noch einige 20 Haupt=Weide=Vieh (Jungvieh, Füllen, Pferde) gegen Entrichtung von 20 M. pro Kopf vom 20. Mai bis 1. October d. J. Aufnahme finden. Anmeldungen nimmt entgegen der Voigt Hümpel zu Lütgenhof bei Dassow.
Den 1. Mai 1883.

von Paepke.       


Sommerkohl, Winterkohl,

Rothkohl, Würsingkohl, Kohlrabi, Porro, Levkoyen, Aster, chinesische Nelken, Phlox, Balsaminen empfiehlt

H. Upahl, Handelsgärtner.       

Meine Wohnung ist nicht mehr am Markt, sondern vor dem Marienthor Nr. 67.


Scillitin - Latwerge
gegen Ratten, ungefährlich für Hausthiere empfiehlt
                                                    die Apotheke zu Schönberg.


Scheibenschießen        Scheibenschießen.

Zum Scheibenschießen am 2. und 3. Pfingsttage, nach guten Gewinnen, ladet alle Freunde und Bekannte höflichst ein
Selmsdorf den 1. Mai 1883.

J. Michaelsen,       
Gastwirth.          


Scheibenschießen        Scheibenschießen.

Zu dem am 2. und 3. Pfingsttage bei mir stattfindenden Scheibenschießen nach guten Gewinnen lade alle Freunde und Gönner ergebenst ein.
Büchsen und Schießbedarf wird von mir gehalten.
Auf einen Satz von 3 Schüssen, der 1 M. kostet, fällt nur ein Gewinn.

Tretow, Demern.       


Am 2. Pfingsttage und dem darauf folgenden Tage

Scheibenschießen

und am letzten mit Ball verbunden ladet freundlichst ein

Schlagsdorf.                                                     A. Reimers.


Geflügelverein Schönberg.
Sonnabend den 5. Mai, Abends 8 Uhr
Versammlung im Vereinslocale

Mitglieder und sich dafür Interessirende ladet freundlichst ein

der Vorstand.       


Kampfgenossen-Verein 1870/71.
General=Versammlung.
Sonntag den 20. Mai Nachmittags 3 Uhr.
Schönberg, den 11. Mai 1883.                          
                                                    Der Vorstand.


Hiermit mache ich die Anzeige, daß ich von jetzt an Blumenkohl= und Sommerkohlpflanzen, später
      Blumen=Pflanzen
      Winterkohl=Pflanzen
      Wirsingkohl=Pflanzen
      Rosenkohl=Pflanzen
      Grünenkohl=Pflanzen
      Ober=Kohlrabi=Pflanzen
      Porro=Pflanzen
      Sellerie=Pflanzen
      Rothe Bett=Pflanzen
      Runkelrüben=Pflanzen
      und Steckrüben=Pflanzen
vorräthig halte

H. Brüchmann.               


Der sogenannte
Fenchelhonig
von L. W. Egers in Breslau

ist ein nach eigener Methode vorzüglich gereinigter Honig von exquisiter Qualité besonders feinem Aroma und Wohlgeschmack, der sich als Heilmittel gegen Hals= und Brust=Leiden, Katarrhe, Husten, Heiserkeit, Verschleimung, namentlich bei Hustenkrankheiten der Kinder einen Weltruf erworben hat. Derselbe ist kenntlich an Siegel, Namenszug und im Glase eingebrannter Firma von L. W. Egers in Breslau und echt zu haben in Schönberg bei Carl Sievers, Buchbinder.


Zahnschmerzen aller Art werden, selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei

Emil Jannicke, Bandagist.       


Herrn Gastwirth H. J. Heitmann zu Klocksdorf habe ich mit Heutigem eine Niederlage meines bekannten Selters= u. Sodawassers, sowie Brauselimonade übergeben, und bitte die geehrten Herren Wirthe und Abnehmer Ihren Bedarf, zu Fabrikpreisen, bei demselben beziehen zu wollen.

Hochachtungsvoll
Otto Bezzenberger.
Besitzer der Dom-Apotheke zu Ratzeburg.


Kösters Hotel.
am 2. Pfingsttage
Tanzmusik.
à Tanz 10 Pfennig.


[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 4]

Concert
am 1. Pfingsttage in Boye's Garten,
wozu ergebenst einladen                                                                              
                                                                              die Vereinsmusiker.
Entrée à Person 30 Pfennig.             Anfang Nachmittags 4 1/2 Uhr
Bei ungünstiger Witterung findet das Concert im Saale statt.
            Schönberg, den 7. Mai 1883.


Von Anfang Januar bis heute sind nachstehende Verluste bei unserem Verein angemeldet:

  1. Vom Hauswirth J. A. Lenschow=Grieben 1 Pferd 450 Mark
  2. Vom Hauswirth Törber=Vitense 1 Kuh 135 Mark
  3. Vom Büdner Fahrenkrug=Lüdersdorf 1 Pferd 200 Mark
  4. Vom Handelsmann Ohlsen hieselbst 1 Kuh 135 Mark
  5. Vom Ackerbürger Wulff vor Ratzeburg 1 Kuh 135 Mark
  6. Vom Hauswirth Bade=Ollndorf 1 Kuh 135 Mark
  7. Vom Hauswirth Beckmann=Cronscamp 1 Pferd 500 Mark
  8. Vom Hauswirth Wietfeldt=Ziethen 1 Kuh 120 Mark
  9. Vom Hauswirth Wigger=Grieben 1 Kuh 135 Mark
10. Vom Hauswirth Creutzfeldt Erben=Niendorf 1 Starke 100 Mark
11. Vom Schulzen Sterly=Zarnewenz 1 Pferd 500 Mark
12. Vom Hauswirth Boye in Campow 1 Kuh 135 Mark
13. Vom Hauswirth Lohse=Selmsdorf 1 Pferd 450 Mark

und werden unsere Mitglieder ersucht, zur Deckung dieser Schäden einen Beitrag von 80 Pfennig pro Versicherungssumme am

Montag den 28. Mai d. J., Morgens 10 Uhr

im Gasthause des Herrn Boye hieselbst einzuzahlen.
                           Schönberg den 10. Mai 1883.

Direktion des Viehversicherungs=Vereins im Fürstenthum Ratzeburg.
As. Ahrendt=Gr. Siemz.           Wilh. Heincke.


Ziehung am 22. Mai d. J.
13. Große Mecklb. Pferde-Verloosung zu Neubrandenburg.
Erster Hauptgewinn: 1 elegante Equipage mit 4 hochedlen Pferden und completem Geschirr im Werthe von 10000 M.
Zweiter Hauptgewinn: 1 Equipage mit 2 Pferden und completem Geschirr im Werthe von 4500 M.
Dritter Hauptgewinn: 1 Equipage mit 1 Pferde und completem Geschirr im Werthe von 1650 M.
ferner 51 edle Reit= und Wagenpferde,
sowie 900 sonstige werthvolle Gewinne.
Loose à 3 M. sind zu haben in den durch Placate erkentlichen Verkaufsstellen, sowie zu beziehen durch A. Molling, General=Debit in Hannover sowie durch die Hauptcollection von M. Löwenhaupt Söhne in Neubrandenburg.


Bestes russisches
Kron Sae Leinsaat
                          
empfiehlt billigstens
                                                    Aug. Spehr.


Allen Denen, die meinen lieben Mann und unseren Vater das letzte Geleite gaben unsern innigsten Dank.

Marie Schultze und Kinder.       


Kirchliche Nachrichten.
Erster Pfingsttag.
(Collecte für den Ratzeburger Missionsverein.)

     Frühkirche: Lehrer Steinführer.
     Vormittagskirche: Pastor Kämpffer.

Zweiter Pfingsttag.

     Vormittagskirche: Pastor Kämpffer.
          Amtswoche: Pastor Kämpffer.


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Course notirt v. d. Mecklenburgischen Bank.
Schwerin, Donnerstag den 10. Mai 1883.
Die Course verstehen sich incl. Zinsen und Provision.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 37 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 11. Mai 1883.


des 18. Galavorstellung, am 19. Mai Rücktransport der Reichsinsignien. Am 19. und 20. Galatafel, am 21. Volksfest. Am 22. aus Anlaß des Jahrestages der Kaiserin Marie Alexandrowna Besuch des St. Sergius=Klosters, am 24. Tafel, am 25. Ball, am 26. Einweihung der Erlöserkirche und am 28. Truppenmusterung. Am 29. Mai Rückreise nach St. Petersburg, woselbst die Deputirten der Stadt den Majestäten Brod und Salz entgegenbringen werden.
Was den Russen der Wutki, ist den Engländern der Brandy. Das Trinken greift in so erschreckender Weise um sich, daß Regierung und Parlament die Schließung der Branntweinkneipen an Sonntagen beabsichtigen.
Es hat sich herausgestellt, daß die Fenier in Irland bei ihren Verhandlungen ganz nach Art der mittelalterlichen Vehmgerichte verfahren. Es besteht zu diesem Zweck ein sogenannter Wachsamkeitsausschuß. Den Vorsitz habe ein Gentleman aus Manchester geleitet und es habe auch ein irisches Parlamentsmitglied zeitweilig beigewohnt.


Schönberg. Am Mittwoch Abend entlud sich hier das erste Gewitter in diesem Frühjahr nach einem sehr warmen Tage (der Thermometer zeigte 20 Grad R.). Dasselbe brachte jedoch nur sehr wenig Regen, zündete aber auf drei Stellen und zwar in Nieder=Büssau, in Vitense, wo das Schulzengehöft und in Gostorf, wo eine Scheune abbrannte.
- Der Herzog von Coburg hat eine Geschichte der Jahre 1848 und 1849 geschrieben, welche der Oeffentlichkeit übergeben werden wird. An der Redaction derselben soll der bekannte Wiener Professor Dr. Lorenz beteiligt sein. Der Veröffentlichung sieht man mit um so mehr Interesse entgegen, als der Herzog über die Unruhen des Jahres 1848 und über den Krieg 1849 in Schleswig=Holstein (Sieg bei Eckernförde) viele persönliche und interessante Mittheilungen zu machen in der Lage ist.
- Die Königin Victoria hätte beinahe ein großes Unglück sehr wider Willen angerichtet. Sie hörte die Lämmerheerden in England hätten sehr abgenommen und bedürften der Schonung. Sofort verbot sie ihrem Küchenmeister, Lammfleisch im königlichen Haushalt zu verwenden bis auf weiteres. Seitdem brachte kein loyaler Engländer Lammfleisch auf seinen Tisch und die Folge war, daß unter den Landwirten sich großes Jammern erhob; denn sie konnten kein Schaf mehr verkaufen. In den Zeitungen gab's viel Streit herüber und hinüber, bis die besser unterrichtete Königin ihr Verbot wieder aufhob.
Die Franzosen haben im Jahre 1882 viel mehr Zigarren und Tabak geraucht (und auch gekaut) als in den Vorjahren. Hoffentlich sind's Friedenspfeifen, die sie rauchen.
- Die Ermordung des Grafen Majlath. Man ist jetzt durch eine Magd den Verabredungen über die Ermordung Majlaths auf die Spur gekommen. Die Magd hat in einem Laden durch den im Majlath'schen Palast bediensteten Hausknecht Matthias Stock im Gespräche herausbekommen, daß sich Berecz und Sponga in Stocks Gegenwart über die Sache verabredeten. Berecz habe auf eine Sendung von 20,000 Gulden, welche Majlath zukommen werde, aufmerksam gemacht. Sponga habe die Schwierigkeit, den kräftigen Mann zu Zweien zu bewältigen, hervorgehoben, und Berecz darauf erwiedert, er werde für einen Helfer sorgen. Die Mörder verbargen sich im Badezimmer Majlaths, und sobald Berecz seinen Herrn entkleidet hatte, öffneten sie lautlos die Tapetenthür, fielen Majlath von rückwärts an, verstopften ihm den Mund mit einem Handtuch und warfen ihm eine lose Schlinge um den Hals. Dann hielten sie ihm ein Messer vor die Augen, und indem sie den Knebel aus dem Munde wieder entfernten, inquirirten sie den Ueberfallenen, wo die Kassenschlüssel verborgen seien. Majlath wollte Anfangs den Ort nicht angeben, allein die Angreifer quälten, stießen und schlugen ihn so lange, bis er sagte, wo die Schlüssel verborgen seien. Kaum war der Ort bezeichnet, so knebelten ihn die Thäter abermals und eilten, nachdem sie einen Wächter bei Majlath zurückgelassen, in's Arbeitscabinet. Allein sie bemühten sich vergeblich mit den Schlüsseln, da sie das Geheimniß des Schrankes nicht kannten. Sie kehrten wieder zu Majlath zurück, um dieses Geheimniß zu erfahren. Bei diesem Anlasse zog einer der Mörder die Schlinge so fest zu, daß der Unglückliche verschied. Sie begnügten sich daher mit der Brieftasche, die Sponga mit etwa 1200 Gulden zu sich steckte, worauf er sich über den Erker flüchtete. Sponga ist linkshändig, daher seine linke Hand durch das Seil abgeschürft erscheint.
- Das schöne Wort Wielands: "Alles Gute kündigt, gleich dem Lichte, sich selbst an, indem es da ist und nur wohlthätige Spuren hinter sich läßt!" hat sich bei keinem der anderen Wohlthätigkeits=Institute zutreffender bewährt, als bei dem der "Ferien=Kolonien," das im Jahre 1880 vom "Berliner Verein für häusliche Gesundheitspflege" ins Leben gerufen worden ist. Der Erfolg, in physischer und moralischer Beziehung, den ein vierwöchentlicher Aufenthalt in gesunder Landgegend, unter pädagogisch tüchtiger Aufsicht, auf die siechen Kinder vieler armer Berliner Familien geübt hat, ist in den zwei Jahren seit dem Bestehen der Ferien=Kolonien ein unerhofft großer, ja staunenswerther gewesen. Die 200 kleinen "Menschenblüthen", die in dem ungesunden Klima der Großstadt dahingewelkt wären, sind gesund in Blut und Gliedern und gekräftigt in den Nerven aus den Kolonien heimgekehrt! Und dieser Aufenthalt unter Leitung erfahrener Lehrer und in Gesellschaft gutgearteter Kinder hat außerdem in manchem Kinde, das zu Haufe unter dem Einfluß einer verderbten Umgebung verkommen wäre, einen Keim gesät, der dessen ganze Zukunft besser, viel sittlicher gestalten wird. Das Comite der Berliner Ferien=Kolonien ist unablässig bemüht auch in diesem Jahre das Unternehmen zu fördern. Es sollen 300 Kinder während der Ferienmonate in die bisherigen und neu zu gründenden Kolonien gesandt werden, und außer diesen Kindern, die, in Gruppen von 15-20 getheilt, unter der Führung eines Lehrers oder einer Lehrerin auf das Land ziehen, beabsichtigt das Comite kleinere Gruppen von siechen Kindern verläßlichen Personen und Kinderfreunden, die in gesunder Landgegend wohnen und sich dazu angeboten haben, anzuvertrauen.
Junger Spargel ließ in diesem Jahre lange auf sich warten, nun aber ist er doch erschienen und ziert unsere Tafel. Die Spargelkultur ist so alt wie unsere europäische Kultur überhaupt, vor 2500 Jahren aß man ihn in Alt=Griechenland, wie später in Italien, im Mittelalter wurde er vor allem in den Klostergärten gebaut. Daß der Spargel auch in der Mark Brandenburg vor 200 und mehr Jahren zur Regierungszeit des Großen Kurfürsten, der ein passionirter Küchengärtner war, gebaut wurde, wissen wir aus einem Gartenbuche, das des Kurfürsten Leibarzt, Dr. Elsholz, anno 1666 herausgegeben hat, und in dem er lehrte, "wie man die von Gott erzeugten Erdgewächse und Kräuter zur Erhaltung guter Gesundheit wohl gebrauchen und anwenden kann." "Der Küchengebrauch des dicken Gartenspargen - schreibt der Leibarzt - ist fürnehmlich dreierlei: Erstlich, wenn die Keiste fingerslang oder mehr herausgestoßen, so kochet man sie mürbe, und leget die Spargen ordentlich in eine Schüssel; alsdann machet es ab mit Baumöl oder Butter, essig, saltz und Pfeffer. Zum andern kann man sie kochen an einige Speisen wie Küchenwurzeln, insonderheit an Hühner, Lamb= und Kalbfleisch, wie auch an Hechte und Karpen. Zum dritten nimmt man die Spargen zum Arzneikraut." - Der Genuß des Spargels verlängert unser Leben, so behauptet ein passionirter Spargelesser Fontenelle, der sein eigenes Leben auf hundert Jahre (1657 bis 1757) gebracht hatte und der kurz vor einem großen Spargeldiner in Paris starb, das er dem Kardinal Dubois und der Madame de Teucin geben wollte.

[ => Original lesen: 1883 Nr. 37 Seite 6]

- Die Stadt Berlin ist seit dem 1. December 1880 um 80,000 Köpfe gewachsen und hatte am 1. Mai die Zahl von 1,200,000 überschritten.
- Die Verwaltung der Berlin=Anhaltischen Bahn hat die Eisenbahnwagenräder aus Papier, welche im vorigen Jahre probeweise zur Einführung gebracht wurden, so gut bewährt gefunden, daß die genannte Verwaltung nunmehr unbedenklich eine erhebliche Beschaffung derartiger Räder angeordnet hat. Krupp in Essen hat die Lieferung derselben übernommen. Dem Laien wird es schwer, die Papierräder von schmiedeeisernen Scheibenrädern, denen sie in ihrer äußeren Form gleichen, zu unterscheiden. Nur im Gewicht macht sich der Unterschied sehr bemerklich. Man sieht, wir leben halb im papiernen, halb im eisernen Zeitalter. Wenn wir nur auch unsere Grenzen und mancherlei anderes mit Papier hüten und schützen könnten!
- Mit den alten Bauernregeln ist es doch nicht ganz ohne. Nächst den beiden gestrengen Heiligen Pankratius und Servatius sind es die "vierzig Ritter" (9. März) die der Gärtner und Landwirth fürchtet. Wenn es nämlich an diesem Tage friert, so friert es noch 40 Tage hintereinander. In diesem Jahre traf dies wieder einmal ein. Wenn es seit jenem Tage auch nicht jeden Morgen Eis gab, so war es doch immer recht kühl und that einem eine warme Stube recht wohl. Ein schon wochenlang anhaltender, rauher, trockener Nordostwind hält die Vegetation zurück, die Saaten und Kartoffeln in der Erde lechzen nach einem warmen Regen und das Futter für das liebe Vieh beginnt rar zu werden. Unter diesen und mancherlei andern naheliegenden Umständen ist es leicht erklärlich, wenn der Landwirth vielfach nicht zur Fröhlichkeit gestimmt ist.
- In London besteht eine Gesellschaft zur Reform der Damenbekleidung. Dieselbe ist für Einführung der türkischen Damentracht (weite Hosen mit kurzem Ueberröckchen) und wird Mitte Mai eine vom Prinzen und der Prinzessin von Wales zu eröffnende Ausstellung abhalten. Preise von 5 bis 50 Pfd. Sterl. nebst silbernen und goldenen Medaillen sind für die besten Kleidungsstücke ausgesetzt, welche der Idee der Gesellschaft entsprechen.
- Man hüte sich auf der Reise von fremden Mitreisenden Blumen anzunehmen oder auch nur an dargebotene Blumen zu riechen. Eine Dame aus Braunschweig, die in letzterer Hinsicht von der Freundlichkeit ihrer Reisegefährtin Gebrauch machte, wurde alsbald von einer unüberwindlichen Schlafsucht befallen. Als sie auf der nächsten Station vom Schaffner geweckt wurde, war ihre Reisegefährtin verschwunden und, wie sie alsbald erfahren mußte, ihr wohlgefülltes Portemonnaie.
- Ein Schnell= und Dauerläufer, Namens V. Martin, genannt der Schwalbenmensch ist die Wette eingegangen, den Weg von Paris nach Nizza in dreizehn Tagen zu Fuß zurückzulegen. Er sollte am letzten Mittwoch Morgen Schlag acht Uhr vom Platz Notre=Dame aus seinen Lauf antreten und will am 15. d. M. in Nizza angelangt sein. Man hat die Entfernung von Paris nach Nizza den Landstraßenweg vorausgesetzt, auf 880 Kilometer berechnet. Das Recht, vorkommenden Falls wegkürzende Fußpfade einzuschlagen, hat sich V. Martin ausbedungen. Der Einsatz beträgt zehntausend Francs.
- Ein interessanter Bigamiefall beschäftigte die Strafkammer in Kassel. Der Metzgergeselle Bernhard Sommer, Israelit, geboren 1847 zu Osterspai am Rhein, war im Jahre 1874 zu Essen an der Ruhr in Condition und verheirathete sich dortselbst mit der ledigen Johanna Markus in Cöln. Diese Ehe war in den ersten Jahren eine ziemlich glückliche und entsprossen drei Kinder derselben. Später entstand jedoch anhaltend Zwist und Streit zwischen den Ehegatten, woran beide nicht ganz ohne Schuld waren. Im Sommer 1881 verließ Sommer heimlich seine Familie, solche in hilfloser Lage zurücklassend. Auf seinen Wanderungen kam er auch nach Bebra, trat dort bei einem Metzger, in Stellung, wurde mit den lokalen Verhältnissen bekannt und hatte es nach wenigen Wochen dahin gebracht, ein intimes Liebesverhältniß mit der Tochter des vermögenden Fruchthändlers Daniel Goldschmidt anzuknüpfen. Der Vater wollte weniger von dem Schwiegersohne wissen, jedoch die Mutter der Braut beschwichtigte alle seine Bedenken. Sommer verstand es so recht, seine Schwiegereltern zu bethören, er schwindelte ihnen vor, er habe von seiner in Fürth lebenden Mutter ein eigenes Haus zu erwarten und außerdem etwa 4000 M. in der Sparkasse in Oberlahnstein stehen. Ja, er reiste auch nach Oberlahnstein, um das Geld zu holen, schrieb jedoch von dort einen Brief an seine Braut, daß er das Kapital deshalb nicht bekommen hätte, weil eine einjährige Kündigung vorausgehen müsse. Eine vom Schwiegervater und von ihm geplante Reise nach den Eltern in Fürth unterblieb in letzter Stunde, da Sommer plausible Einreden zu machen verstand. Sommer reiste darauf nach Osterspai und schwindelte dort dem Bürgermeister vor, er müsse behufs Antritts einer Erbschaft einen Todtenschein seines Vaters und seinen eigenen Geburtsschein haben. Mit diesen Dokumenten ausgerüstet, erschien er vor dem Standesbeamten und gab die üblichen Versicherungen an Eidesstatt ab, worauf nach Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften die Ehe vollzogen wurde. Die rituelle Trauung vollzog der Rabbiner von Rotenburg und wurde die Hochzeit im Hause der Brauteltern mit üblichem Pomp gefeiert. So vergingen Monate, die jungen Eheleute lebten ganz glücklich und der Schwiegerpapa ließ es auch an nichts fehlen. In Erwartung des im März 1883 fällig werdenden Kapitals gab er seinem Schwiegersohne nach und nach Geld in ungefährem Gesammtbetrage von 600 M. Später reiste nun Sommer mit seiner Frau nach seinen Verwandten nach Fürth, welche nicht wenig erstaunt waren, am Arme des Angeklagten eine zweite Frau zu sehen, da ihnen von dem Ableben der ersten Frau nichts bekannt war. Sommer versuchte nun auch hier zu schwindeln, allein ohne Erfolg, vielmehr kam durch die gegenseitigen Auseinandersetzungen das Bigamieverbrechen ans Licht. Die Strafkammer hatte nun Sommer wegen Bigamie und Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt mit 1 1/2 Jahren Zuchthaus bestraft, wegen des Betruges aber auf Freisprechung erkannt, weil sie annahm, daß hierzu ein Strafantrag nöthig, weil der betrogene Goldschmidt ein Verwandter des Angeklagten sei. Infolge seitens der Staatsanwaltschaft eingelegter Revision entschied das Reichsgericht jedoch dahin, daß, da die zweite Ehe null und nichtig, Goldschmidt nicht der Schwiegervater Sommers geworden und daher wegen des Betruges ein Strafantrag nicht erforderlich sei. Die Strafkammer mußte deshalb nochmals über den Fall verhandeln, und erkannte wegen Bigamie, der falschen Versicherung an Eidesstatt und des Betrugs auf eine Gesammtstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten Zuchthaus, wovon jedoch 4 Monate durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt zu erachten sind. So berichtet der Hannov. Courier.
- In Estig bei Brück ließ sich der Lehrer Kann von dem Barbier Emmel rasiren. Er setzte sich auf den Stuhl, Emmel strich sein Messer auf dem Riemen, trat heran und schnitt dem Lehrer mit einem Zuge den ganzen Hals bis zum Wirbel durch. Man glaubte, er sei wahnsinnig, er sagte aber, er habe den Lehrer nicht leiden können und habe ihn umbringen wollen. Der geheime Grund soll Rache gewesen sein, der Lehrer würde ihm seine Tochter nicht zur Frau geben.
- Eine alte Frau mit einem Käfig voll Dompfaffen geht den Domberghinauf und ruft: "Domherrnvögel! Domherrnvögel!" Ein jovialer, gemüthlicher, wohlbeleibter Domherr schaut zum Fenster des Domcapitels heraus - lacht - ruft die Frau herauf und fragt sie: Was habt Ihr also da, liebe Frau? "Domherrnvögel, Hochwürden!" So? - Ja warum sagt Ihr denn Domherrnvögel? Frau (verschämt lächelnd): "O mein Gott, Hochwürden, - man heißt's halt so bei uns - weil's wenig pfeifen und viel fressen."
- Was, ich soll nicht musikalisch sein? Schon in meiner Kindheit hing mir der Himmel voller Geigen. Dann hörte ich oft den Brummbaß meines Vaters und wurde nach Noten geprügelt. Als ich später studirte, fiel ich mit Pauken und Trompeten durch, mein väterliches Erbtheil ging flöten, ich wurde Sänger und man pfiff mich aus - und nun soll mir trotzdem abgesprochen werden, daß ich musikalisch bin?


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ZVDD