No. 23
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 19. März
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 1]

Ein moralischer Notstand.

[] Unsere Zeit hat eine verzweifelte Aehnlichkeit mit derjenigen Periode in der Geschichte, welche den großen Weltstürmen vorausgehen pflegen. Wohin wir auch blicken mögen, überall begegnen unsere Blicke einem Zersetzungsprozeß, der seine Wirkungen im kirchlichen, staatlichen, gesellschaftlichen und gewerblichen Leben äußert. Die zersetzenden Kräfte sind unermüdlich an der Arbeit, die erhaltenden Kräfte dagegen scheinen zu schlummern und dies mit einer Sorglosigkeit, die nur auf einem Verkennen der Gefahren basiren kann. Alle Begriffe, die unsern Vorfahren als heilig galten , dürfen in der heutigen Freiheit ungestraft verhöhnt werden; das Niveau der Moral ist so tief herabgedrückt worden, der Begriff des Eigenthums wird von den Besitzenden als ein Privilegium zur Geringschätzung der Nichtbesitzenden, von den letzteren als eine Beschränkung ihres Menschenrechts angesehen. Die Religion und die Kirche werden von der Socialdemokratie und leider auch von einem nicht geringen Teil des liberalen Bürgerthums mit Spott und Verachtung behandelt und man ist beinahe auf dem Standpunkt angelangt, daß man sich einzustehen schämt, ein Christ zu sein. Der sociale Nothstand, die Wucherfreiheit und andere Dinge vervollständigen das trübe Bild, das sich dem sehenwollenden Beobachter zeigt.
Neben der Kirche ist die hauptsächlichste Bildungsquelle des Volkes die Presse, nicht allein die periodische, sondern die Erzeugnisse der Presse im Allgemeinen. Wenn die eben geschilderte moralische Notlage sich hauptsächlich in großen Städten einnistet, so liegt die Gefahr vor, daß es mittelst der Presse immer mehr und mehr verbreitet und verallgemeinert werde. Welche geistige Kost dem großen deutschen Volke in den ca. 40 Blättern der Socialdemokraten geboten wird, erkennt man nur, wenn man einzelne Nummern dieser Blätter selbst prüft. Wie in ihnen in niedriger, gemeiner Weise auf die Leidenschaften der ungebildeten Masse speculirt wird, so unglaublich ist es, wie diese geistige Nahrung von einem leider nur zu großen Theile des deutschen Volkes mit einem wahrem Heißhunger verschlungen wird. Und so geht es mit vielen anderen Drucksachen, die als Colportageschriften verbreitet werden.
Das ist ein bedeutender moralischer Nothstand, ihm abzuhelfen, genügt es nicht, dem Volke zu sagen, daß seine Schriften schlecht seien, sondern der Wiederaufbau des geistigen Lebens der Nation muß begonnen und die Jugenderziehung auch darauf gerichtet werden, daß das heranreifende Geschlecht jene elende Kost entrüstet zurückstößt.


Politische Rundschau.

Der Reichstag hat nach umfangreicher Debatte das Stellvertretungsgesetz angenommen. Wesentlich und besonders hervorhebenswerth ist dabei eine ziemlich lebhafte Polemik zwischen dem Reichskanzler und dem Abg. Lasker. Der Erstere wandte sich in sehr erregter Weise gegen den Führer der Nationalliberalen, von dem er sagte, daß er ihm mehr zu schaffen mache als irgend ein anderes Mitglied des Hauses. Später versicherte der Fürst, daß er Lasker nie als politischen Gegner betrachtet habe. Der Reichstag beschäftigte sich ferner mit einem Antrag auf Untersuchung der über den Gewerbetrieb in den Gefängnissen erhobenen Beschwerden. Der Abg. Bürgers begründete den Antrag und hob besonders hervor, daß es nöthig sei, den Gewerbebetrieb der Gefängnisse so einzurichten, daß er dem freien Gewerbetrieb keine unbillige Concurrenz mache und den höheren Zwecken des Strafvollzugs entspreche. Der Präsident Hofmann trat der Absicht des Antrages nicht entgegen, meinte aber, es sei wohl nicht nöthig, daß die Regierung noch eine solche Untersuchung anstellen lasse, nachdem der deutsche Handelstag eine solche bereits in die Hand genommen habe. Herr Hofmann fand damit aber keinen Anklang. Ein Antrag der Sozialdemokraten Fritzsche auf fast gänzliche Abschaffung der industriellen Arbeit in den Gefängnissen wurde abgelehnt und der Antrag Bürgers angenommen.
Da der Reichstag mit Rücksicht auf den bis zum 1. April festzustellenden Reichshaushalts=Etat nicht wohl länger als eine Woche seine Arbeiten unterbrechen kann, der preußische Landtag aber jedenfalls längere Zeit (die "Prov. Corr." nimmt 14 Tage an) zur Vollendung seiner Arbeiten gebraucht, so wird eine Vereinbarung zwischen den Präsidien des Reichstages und des Landtages über die Möglichkeit gleichzeitigen Tagens getroffen werden müssen. Man nimmt an, daß eine der beiden Körperschaften Abendsitzungen halten wird.
Nach einer Mittheilung des Direktors Michaelis hat im Februar die Einnahme aus dem Tabakzoll ein Mehr von 6 Millionen Mark in Folge der Tabaksteuervorlage ergeben. Diese Mehreinfuhr von Tabak beruht auf der Speculation, nach welcher sich die Tabakspreise mit Annahme der erhöhten Steuer ebenfalls wesentlich erhöhen müßten. Wie die Sache jetzt steht, darf man die Speculation als eine verunglückte betrachten.
Einer Meldung des Dresdener Journals zufolge wird sich der König von Sachsen nächsten Donnerstag zur Feier des Geburtstages des Kaisers nach Berlin begeben.
Die Generalversammlung des Vereins deutscher Eisenbahn=Verwaltungen, zu dem bekanntlich die Eisenbahnen im deutschen Reiche, in Oesterreich=Ungarn, Rumänien, Holland und Belgien gehören, wird am 29. Juli in Hamburg zusammentreten.
Die Nachrichten über das Zustandekommen des Congresses sind zwar ziemlich verschwommen, laufen aber alle darauf hinaus, daß man den Zusammentritt gegen Ende dieses Monats erwarten kann, wie es schon vor 14 Tagen die "Wiener Montagsrevue" ankündigte. So friedlich die Situation auch im Allgemeinen scheinen mag, finden sich am politischen Horizonte doch immer noch genug dunkle und trübe Punkte, aus denen sich Gewitter entwickeln können.

[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 2]

Der Rücktransport türkischer Gefangenen aus Rußland beginnt am nächsten Sonnabend und es sind bereits türkische Beamten nach Odessa abgereist, um denselben zu leiten. Am 26. d. wird die Yacht des Sultans "Pertem=Piele" nach Odessa abgehen, um Osman Pascha von dort abzuholen. Von den Gefangenen sollen 40,000 Mann nach Bosnien und der Herzegowihna übergeführt werden.
Als die Türken vor 415 Jahren Constantinopel erstürmten und dem oströmischen Kaisertum ein Ende mit Schrecken bereiteten, da wandelten sie die altberühmte Sophien=Kirche, die für den christlichen Orient etwa das war, was später die Peterskirche in Rom für das Abendland wurde, in eine türkische Moschee um, nahmen das weithin leuchtende goldene Kreuz vom Thurme und pflanzten als Zeichen der Sieger den Halbmond auf. Dieser Halbmond auf der Aja=Sophien=Moschee soll nun wieder dem Kreuze weichen. So soll es in dem geheimen Friedensvertrag der Russen mit den Türken stehen. Es ist schwer glaublich und auch die Quelle ist etwas trübe; denn diese Quelle ist der russische Diplomat Ignatieff, der unter seinen zünftigen Collegen den auszeichnenden Namen "der Lügner" führt, und man weiß, Collegen taxiren einander richtig.
Rußlands Appetit ist noch lange nicht gestillt. "Nicht die Sophien=Moschee, sondern die heiligen Stätten der heiligen Stadt (Jerusalem) des heiligen Landes üben einen unbeschreiblichen Zauber und eine unbeschreibliche Gewalt über jeden orthodoxen Russen (und auf jedes orthodoxe Kind, das glücklich mit dem Feuer einmal gespielt hat) aus. Westeuropa wird allerdings keinen Kreuzzug mehr machen, aber - Rußland ist über dieses Stadium (der Romantik) noch nicht hinaus." So läßt sich die offiziöse "Nord. Allg. Ztg.", die Rußland nicht gern etwas Bedenkliches nachsagt, aus Petersburg schreiben.
Ueber die ägyptische Frage wird wahrscheinlich noch vor dem Congreß eine Verständigung zwischen England und Frankreich erzielt werden. Dem Kongreß sollen dann die Reformen und Bürgschaften, die sie für die Sicherung des Suez=Canals und einer guten Verwaltung des Landes für nothwendig halten, vorgelegt werden.
Die Rumänen wollen sich mit Waffengewalt der Abtretung Bessarabiens an Rußland widersetzen. Die rumänische Regierung hat diesen Entschluß in einer Denkschrift den Pariser Vertragsmächten mitgetheilt. Es wird aber Rumänien wenig helfen. Man wird ihnen sagen: Ihr habt ohne uns zu fragen, an dem Krieg theilgenommen, nun müßt ihr euch auch das Schicksal gefallen lassen, das euch der Krieg auferlegt.


- Neustrelitz, 16. März. Wir sind erfreut, heute aus sicherer Quelle mittheilen zu können, daß auf der Nordbahn vom 1. April d. J. an täglich einmal von Berlin hierher und von hier nach Berlin ein Schnellzug ohne Aufenthalt an den kleineren Stationen und mit der für die übrigen (nicht secundären Eisenbahnen normirenden Fahrgeschwindigkeit abgelassen werden soll, welcher mithin die Strecke, irren wir nicht, in 2-2 1/2 Stunden zurücklegen wird. Vom 15. Mai ab wird sich derselbe bis Neubrandenburg erstrecken. Dagegen verlautet noch nichts über die Zeit der Abfahrt und des Eintreffens des Zuges an den beiden Endpunkten. N. Z.


Anzeigen.

In der Concurssache des Kaufmanns Ferdinand Seelig zu Schönberg ist, nachdem die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln getroffen, ein Liquidationstermin auf

Freitag, den 22. März c.,
Morgens 11 Uhr,

vor dem Großherzoglichen Justiz=Amte hieselbst angesetzt, zu welchem Alle, welche aus irgend einem Grunde Ansprüche und Forderungen an den Kaufmann Ferdinand Seelig zu Schönberg zu haben vermeinen, zwecks Anmeldung ihrer Ansprüche und Vorlegung ihrer schriftlichen Beweismittel unter dem hierdurch ein für alle Mal angedroheten Nachtheile der Abweisung von der vorhandenen Masse und des Ausschlusses mit ihren Beweismitteln, hiemit peremtorisch geladen werden.
Zugleich ist auch ein Termin auf

Freitag, den 3. Mai c.,
Morgens 11 Uhr,

vor dem hiesigen Justiz=Amte anberaumt zum Versuche der gütlichen Aufgreifung des Debitwesens und event. zur Prioritätsausführung, zu welchem die Seelig'schen Gläubiger unter dem ein für alle Mal angedroheten Nachtheile der Einwilligung in die Gerichtswegen zu machenden Vergleichsvorschläge - wobei etwaige Ablehnungen oder Fristgesuche von Bevollmächtigten nur im Falle einer auf Widerspruch gerichteten Specialvollmacht, bloße schriftliche Erklärungen aber überall nicht berücksichtigt werden können - und der Ausschließung mit der Prioritatsdeduction hierdurch geladen werden.
Den Seelig'schen Schuldnern wird hierdurch bei Strafe doppelter Zahlung aufgegeben, fortan nicht an den Cridar Seelig, sondern nur an das unterzeichnete Justiz=Amt oder an den zum interimistischen curator bonorum bestellten Herrn Senator Heinke zu Schönberg Zahlung zu leisten.
Schönberg, den 2. Januar 1878.

Großherzogliches Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     


Holz=Auction.

Am Dienstag den 26. März, Morgens 10 Uhr, sollen im Kruge zu Manhagen nachstehende Holzsortimente meistbietend bei freier Concurrenz gegen baar verkauft werden:

aus dem Manhäger Zuschlage:

  30 Rmtr. eichen Kluft 1. u. 2. Cl.,
  23 Fuder starkes eichen Durchforstholz zu Pfahlholz geeignet,
197 Rmtr. buchen Kluft 1. u. 2 Cl.,
  50 Rmtr. fichten Kluft,
    9 Fuder fichten Reiserholz,
  13 Fuder weiden Zaunbusch.
Nähere Auskunft ertheilt auf Anfrage der Herr Förster Solvie zu Manhagen bei Mölln i. L. und der Unterzeichnete.
Schönberg i. M., den 18. März 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.        


Holz=Auction.

Am Montag den 25. März, Morgens 9 Uhr, sollen beim Krüger Jabs zu Schlagresdorf nachstehende Holzsortimente meistbietend gegen baar verkauft werden:

1. aus dem Schlagbrügger Holze:

12 Stück kleine Fichtenblöcke,
29 Stück fichten Klassenbäume und Stangen,
30 Rmtr fichten Kluft und Knüppel;

2. aus dem Bahlen:

  60 Stück fichten Klassenbäume und Stangen,
100 fichten Schleete und Leiterbäume,
  40 fichten Hopfenstangen
100 Rmtr. fichten Kluft und Knüppel;

3. aus dem Garnseerholz u. Priestertannen:

    1 buchen Block,
  98 Stück fichten Klassenbäume und Stangen,
300 Stück fichten Schleete und Leiterbäume,
  35 Stück fichten Hopfenstangen,
100 Rmtr. fichten Kluft und Knüppel.
Schönberg, den 18. März 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.        


Am Montag den 25. März c., Mittags 1 Uhr, sollen im Kruge zu Campow an abgepfändeten Gegenständen in öffentlicher Auction gegen gleich baare Zahlung verkauft werden:

1 rothe Kuh, 1 Chatulle mit Aufsatz, 1 Lehnstuhl, 1 Spiegel, 1 Koffer, 1 großes Milchenschrank, 1 Rommel, 2 Sielen, 1 Phaeton.
Schlagsdorf, den 15. März 1878.

Krüger, Landreiter.     


[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 3]

Lohe=Verkauf.

Am Donnerstag den 21. März 1878, Vormittags 11 1/2 Uhr, soll zu Lübeck auf der Kriegsstube im Rathhause öffentlich meistbietend verkauft werden, die im Frühjahr 1878 zu gewinnende Eichen=Lohborke, und zwar:

im Schretstackener Forstrevier:

ca. 960 Tonnen in 2 Cavelingen,

im Poggenseer Forstrevier:

ca. 1610 Tonnen in 4 Cavelingen,

im Behlendorfer Forstrevier:

ca. 500 Tonnen in 2 Cavelingen,

im Israelsdorfer Forstrevier:
a. im Alt=Bauerhof und Israelsdorfer Bezirk

ca. 1110 Tonnen in 3 Cavelingen,

b. im Waldhausener Bezirk

ca. 300 Tonnen in 1 Caveling,

c. im Schattiner Bezirk

ca. 30 Tonnen in 1 Caveling,

im Schwinkenrader Forstrevier:

ca. 200 Tonnen in 1 Caveling,

im Kronsforder Forstrevier:
a. im Kronsforder Bezirk

ca. 510 Tonnen in 3 Cavelingen,

b. im Wülfsdorfer Bezirk

ca. 300 Tonnen in 2 Cavelingen,

zus. ca. 5520 Tonnen größtentheils von Eichhestern.
Die Verkaufsbedingungen werden vor dem Aufgebot verlesen.
Lübeck, im März 1878.

Das Finanzdepartement.     


Bekanntmachung. Die Hebung einer Armensteuer zum vollen Beitrag ist erforderlich, es werden demnach alle Zahlungspflichtigen des Schönberger Armendistricts hiermit aufgefordert, ihre Beiträge fördersamst einzuzahlen.
Schönberg, den 18. März 1878.

Die Armenbehörde.     


Kampfgenossen=Verein 1870/71.

Zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers am 22. d. M.

Theater und Ball

im Vereinslokale. Zur Aufführung kommt:

I. Die Uniform des Feldmarschall Moltke.
Ort der Handlung: Ein Elsäßisches Dorf nach einem statttgehabten Gefechte im Jahre 1870.
II. Nichte und Tante. Lustspiel in 1 Act.

Zu dieser Feier laden wir alle patriotisch gesinnten Freunde hiermit ergebenst ein.
     Entree für Nichtmitglieder:
          zum Theater à Person 50 Pfennig (Mecklenburg),
          zum Ball für Herren 1 M.

Kriegs=Dekorationen sind anzulegen.

Schönberg, im März 1878.

Die Committe.     


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aus der Bremer Superphosphat=Fabrik

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Den alleinigen Verkauf unseres

Löschkalkes

haben wir für Ratzeburg und Umgegend dem Herrn

Maurermeister A. Bartels

in Ratzeburg übertragen.
Lüneburg, den 1. März 1878.

Daetz & Comp.     

--------------

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Ratzeburg, den 1. März 1878.

A. Bartels.     


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Ratzeburg, den 1. März 1878.

A. Bartels.     


Ich beabsichtige meine im sog. Moor belegenen zwei Wiesen, ethes Kuhfutter, auf mehrere Jahre zu verpachten.

Schönberg.                                                    Johanna Creutzfeldt, Sabowerstraße.


Für die herzliche Theilnahme bei der Beerdigung unseres lieben Adolph sagen wir hiedurch unsern tiefgefühlten Dank!

Schönberg.                                                    H. Stüve und Frau nebst Kindern.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 4]

Sobald ein Kind hüstelt

oder sich katarrhalisch zeigt, muß es unter allen Umständen bei reiner Luft ruhig in der warmen Stube gehalten werden, es darf durchaus nicht in's Freie. Zumal zu einer Zeit, wo Keuchhusten oder andere Kinderkrankheiten herrschen, sollte dieser Rath um so gewissenhafter beobachtet werden. Dabei giebt man dem Kinde jede 2-3 Stunden einen Theelöffel L. W. Egers'schen Fenchelhonig am Besten lauwarm ein; die Besserung wird sehr bald zu merken sein. Die Kleinen nehmen den ebenso heilsamen als wohlschmeckenden L. W. Egers'schen Fenchelhonig mit wahrer Gier. Um nicht durch Nachpfuschungen getäuscht zu werden, nehme man davon Notiz, daß der echte L. W. Egers'sche Fenchelhonig, kenntlich an Siegel, Faksimile und im Glase eingebrannter Firma von L. W. Egers in Breslau, nur allein zu haben ist in Schönberg bei Buchbinder C. Sievers.


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Tesch's Restauration.

Am 22. d. Mts., als am Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers,

Restauration à la carte:
Krebs Suppe - Bouillon - Karpfen - Beefsteak - Cotelettes,

wozu freundlichst einladet

F. Tesch, Schönberg.     


Am 22. März, zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers,

Tanzmusik
bei                                                    Gastwirth Creutzfeldt in Carlow.


Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers, am 22. März,

Tanzmusik,
wozu einladet                                                     J. G. Staack, Schönberg.


Freitag den 22. März:
Tanzmusik

zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers.

Schönberg.                                                    Ergebenst

J. Köster Wwe.          


Am Freitag den 22. März, zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers,

freie Tanzmusik bei                                                     Gastwirth Kaven, Pogetz.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen17 M -Pfennig  bis 21 M 50Pfennig.
Roggen12 M 50Pfennig  bis 14 M 30Pfennig.
Gerste14 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.
Hafer12 M -Pfennig  bis 14 M -Pfennig.
Erbsen14 M -Pfennig  bis 17 M 50Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,20 .
Tauben d. St. M0,50 .
Hühner d. St. M1,30 .
Spickgans d. St. M2,90 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,70 .
Schweinskopf pr. 500 Gr. M0,45 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 7 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hiezu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 23 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 19. März 1878.


- Der Deutsche Juristentag wird in diesem Jahre in Lübeck seine Versammlung abhalten. Auf die Tagesordnung sind folgende Fragen gestellt: 1) Ist eine gemeinsame Prüfungsordnung für Richter und Anwälte nothwendig und wie ist sie eventuell zu gestalten? 2) Soll unter der Voraussetzung, daß die Zulassung der Rechtsanwaltschaft bei einem bestimmten Gerichte erfolgt, der hier zugelassene Rechtsanwalt die in der Civilprozeßordnung gebotene Vertretung auch bei den anderen Gerichten unbeschränkt oder unter welchen Beschränkungen übernehmen können? 3) Erscheint es angemessen, mit der Verheirathung die Rechtswirkungen der Großjährigkeit zu verbinden? 4) Ob und wie weit soll die Testirfreiheit mit Rücksicht auf eine Pflichttheilberechtigung eingeschränkt werden? 5) Soll nach dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuche das Eigenthum an einer beweglichen Sache durch Vertrag, sobald solcher abgeschlossen oder erst durch Übergabe der Sache erworben werden?
- Da die Anrechnung des Feldzuges 1870/71 als Kriegsdienstzeit immer noch zu Zweifeln Veranlassung gab, so hat das Kriegsministerium erklärt, daß unter "Frankreich" nicht das heutige Gebiet dieses Reiches zu verstehen, sondern jene Grenze maßgebend ist, wie sie vor Beginn des Krieges bestanden hat. Bei zweimonatigem dienstlichen Aufenthalt jenseits dieser Grenzlinie ist jedes Dienstjahr, in welchem ein solcher stattgefunden hat, den betreffenden Personen selbst dann als Kriegsjahr doppelt zu rechnen, wenn sie an keinem Gefechte etc. Theil genommen haben oder zeiteilig durch Krankheit, selbst durch Lazareth=Aufenthalt an Dienstverrichtungen behindert worden sind; auch Diejenigen, welche immobilen oder Ersatztruppen angehörend, diesen obenerwähnten Bedingungen entsprochen haben, erhalten diese Begünstigung.
- Von einem Begrüßungsbesuch bei dem Großfürsten Nicolaus in St. Stefano sind die türkischen Abgesandten Reouf Pascha und Mehemed Ali Pascha nicht besonders erbaut zurückgekehrt. Nachdem sie mit kalter Höflichkeit empfangen worden waren, fragte der Großfürst Reouf Pascha in etwas ironischer Weise, ob er den Krimfeldzug mitgemacht habe. An Medemed Ali, den Preußen, richtete der Großfürst lächelnd auf französisch die Worte: "Ich hoffe, General, daß Sie das Deutsche noch nicht vergessen haben, und daß man mit Ihnen in der Sprache Ihres Ex=Vaterlandes reden kann " Auf die bejahende Antwort Mehemed Ali's wurde dann eine kurze Unterhaltung in deutscher Sprache geführt. Außerdem erzählten die beiden türkischen Generale mit Unwillen, daß die christliche Bevölkerung von St. Stefano zu Ehren der Russen reich mit russischen Flaggen geschmückt und des Abends glänzend illuminirt haben. Großfürst Nicolaus wohnte in dem Hause eines reichen Armeniers und General Ignatieff bei dem reichen preußischen Kaufmann Schneider.
- Für das Militär ist in Mainz eine große Conservenfabrik mit einem Aufwande von 5 Millionen Mark gebaut worden, die u. a. Erbswurst im Großen liefert. Richter im Reichstage spottete darüber, die Brandenburger (3. Armeecorps) schienen förmlich verliebt in die Erbswurst, ihre Kameraden aber theilten diese Liebhaberei nicht. Da nahm sich der alte Moltke der Conserven=Fabrik an und versicherte, sie leiste der Armee nicht nur die größten Dienste im Kriege, sondern auch im Frieden bei allen größeren Uebungen, Manövern u. s. w. Die Conserven haben den großen Vortheil, daß sie diejenigen Elemente, Eiweißstoff und Kohlenhydrat, in solchen Verhältnissen enthalten, welche nothwendig sind zur Ernährung eines arbeitenden Mannes. Jede willkürlich gewählte Mahlzeit enthält von dem einen zu viel, von dem andern zu wenig, das erstere geht nutzlos verloren, das andere fehlt an der Ernährung. Die Conserven haben weiter den Vortheil, daß der Soldat auf mehrere Tage seine Verpflegung bei sich tragen kann und daß sie in sehr kurzer Zeit bereitet werden können. Wie oft kommt es vor, daß eine Truppe bei dem stundenlangen Abkochen anderer Nahrungsmittel allarmirt wird, den Inhalt des Kessels ausschütten und hungrig weiter marschiren muß. Die Conserven haben zwar den Nachtheil, daß sie theuer sind, "aber wenn man von einem Menschen die höchste geistige und körperliche Anstrengung fordert, dann darf er nicht hungern, im Felde ist keine Verpflegung zu theuer als die schlechte."
- Die "N. Fr. Pr." erzählt folgende kleine Geschichte : Vor etwa 48 Jahren standen auf dem Balkon einer römischen Villa in fröhlichem Geplauder zwei junge Leute, ein kleines Mädchen von 10 Jahren und ein schlanker Jüngling, der eben das zwanzigste Jahr erreicht hatte. Zu den Füßen der beiden lagen jene herrlichen Gärten ausgebreitet, deren Anblick uns nordische Barbaren zu berauschen pflegt. Das kleine Mädchen, dem man es ansah, daß es in vier oder fünf Jahren anfangen würde, eine ächt römische Schönheit zu sein, bemerkte plötzlich einige goldfarbige Orangen, welche aus dem dunkelglänzenden Laube blinkten. Sofort erwachte in der Evastochter das Verlangen nach den schönen Aepfeln. "Wie Schade!" rief sie ihrem schwarzlockigen Begleiter zu, "wie schade," daß diese Orangen unserm Nachbar gehören; die unsrigen sind noch nicht reif . . . Aber was thun Sie denn, Abbate? Der junge Mann im schwarzen Talar hatte sich vom Balkon herabgeschwungen, war gewandt über die niedere Mauer des Nachbargartens geklettert und wenige Augenblicke darnach lagen die goldenen Früchte im Schooße des schönen Kindes. Unter den adeligen Damen, welche in den letzten Tagen nach dem Vatikan fuhren, um Papst Leo XIII. zu huldigen, befand sich auch die greise Herzogin von Brascht. Der Papst empfing sie mit ausgezeichneter Artigkeit; hatte er sie doch als Kind gekannt. "Wissen Sie noch, Heiligkeit," sagte die Herzogin lächelnd, "wie Sie damals die Orangen für mich holten?" "Pst, pst, non si ne parla!" (Davon spricht man nicht) sagte Leo XIII. und legte die geheiligte Rechte auf den unfehlbaren Mund.
- Die Hungersnoth in China und Indien dauert noch immer an und wüthet namentlich in Schansi=si und dem Süden von Tschi=li. Nach amtlichen Angaben von Tseng, dem Statthalter der ersten Provinz, sind dort 3 bis 4 Millionen Menschen zu erhalten, und er räth die Vertheilung von Auszeichnungen, Aemtern etc. an besonders mildthätige Leute an, ein in China nicht ungewöhnliches Mittel, um Geld aufzutreiben. Die Noth ist schon so arg, daß Menschen ermordet und verzehrt worden sind. Andererseits sind auch die Fremden zurückhaltend mit ihrem Gelde, weil sie im vorigen Jahre schon bei der Hungersnoth in Schantung halfen, dann bei der in Indien, und weil sie über die Vernichtung der Wusung=Eisenbahn durch die chinesische Regierung, welche dieselbe angekauft und einfach aufgehoben hat, empört sind. - Ein Bericht aus Mysore (Indien) meldet, daß ein volles Viertel der dortigen Bevölkerung (nach der Zählung vom 14. November 1871 betrug dieselbe 5,055,412 Seelen), 1 1/4 Millionen Menschen, während der letzten Hungersnoth zu Grunde gegangen und 35 Procent der armen Classen verschwunden sind.
Mancher deutsche Richter probirt in aller Stille vor dem Spiegel und dem unbestechlichen Auge seiner Frau Gemahlin, wie ihm Talar und Barett zu Gesicht stehen. Es ist nämlich jetzt ziemlich sicher, daß Talar und Barett und ein paar ernste Falten im Gesicht die Amtstracht der Richter wer=

[ => Original lesen: 1878 Nr. 23 Seite 6]

den. Im preuß. Abgeordnetenhans hat die Regierung mit ihrer Meinung noch zurückgehalten, im Herrenhaus aber hat der Stellvertreter des Justizminister seine volle Zustimmung zu Talar und Barett erklärt. Aus Vorsicht wird man bei künftigen Anstellungen etwas mehr auf die Figur Rücksicht nehmen.
- In München ist ein Student an einer Säbelwunde, die er im Duell erhalten, gestorben.
- Die Teplitzer wollen dem Dichter Johann Gottlieb Seume ein Denkmal errichten und laden alle Freunde dieses ächt deutschen Mannes und berühmten Spaziergängers zu Beiträgen ein.
- In Frankfurt meldeten sich zu der Stelle eines Ausläufers 120 Bewerber. Das betreffende Geschäftshaus war von der wartenden Menge bis zur Entscheidung, wer das große Loos zöge, förmlich belagert.
- Die Deutsche Waschwiege ist ein neugeschaffener, dem Hoflieferanten Cohn zu Berlin (Hausvogteiplatz) patentirter Apparat, welcher den Waschmaschinen eine bedeutende Concurrenz bereiten dürfte. Die höchst einfach konstruirte und in jedem Waschfaß anwendbare Waschwiege verbindet mit der schnellen Arbeit und Leistungsfähigkeit der Waschmaschine, alle Vorzüge der Handwäsche, ohne deren Nachtheile mit sich zu bringen und die Wichtigkeit und Bedeutung eines solchen Apparates wird von der erfahrenen, sorgsamen Hausfrau nicht unterschätzt werden. Die Waschwiege ist im Wesentlichen für die große Hauswäsche bestimmt und eignet sich in gleicher Weise zum Waschen von grober und feiner Wäsche; der Preis derselben, 25 Mark pro Stück, ist ein mäßiger und ermöglicht deren allgemeine Beschaffung im Haushalt.
- In der englischen Armee besteht eine Einrichtung, daß für Trunkenheit in und außer dem Dienste eine Geldstrafe von 2 Shilling bis 1 Pfd. St. verhängt und der dadurch entstehende Fonds zu Geschenken an Leute von guter Führung verwendet wird. Es müssen in den letzten Jahren recht häufige Bestrafungen vorgekommen sein, denn vom 1. April 1869 bis 1876 sind im Ganzen 122,343 Pfd. St., jährlich also mehr als 17,000 Pfd. St. eingenommen worden. Im vorhergegangenen Jahrzehnt betrug die Summe der Strafgelder 110,000 Pfd. St., also jährlich 11,000 Pfd. St.
- In Frankfurt a. M. ist mißfällig wahrgenommen worden, daß das daselbst eingetroffene Storchenpaar seine vereinzelte Anwesenheit dazu mißbraucht, die Reiser von anderen Storchnestern zu stehlen und mit diesem Material das eigene auszubauen.
- Am vorigen Freitag Abends gegen 7 Uhr belästigten 2 im höchsten Grade angetrunkene, stromerartig aussehende Handwerksburschen die Bewohner eines Hauses in Königshofen mit ihrem Besuche, unter den rohesten Kundgebungen ein Almosen begehrend. Als man ihnen andeutete, daß es sich zieme, wenn man um eine Gabe bitte, höflich zu sein, um so mehr, da das Betteln verboten sei, erwiderten die Strolche, daß es beim Fechten nicht der Höflichkeit bedürfe, da Jeder Etwas zu geben verpflichtet sei und sie deshalb auch nicht eher fortgehen würden, als bis sie irgend etwas bekommen hätten. Nachdem man ihnen infolge dieses Benehmens die Thüre vor der Nase zugeschlagen, öffneten sie dieselbe dreimal und gaben den Bewohnern zu verstehen, daß sie sich vor drei Personen nicht fürchteten. Da man sich der "armen Durchreisenden" nicht erwehren konnte, so wurden Anstalten getroffen, die Gensdarmerie herbeizurufen, worauf sie eiligst die Flucht ergriffen.
- Würzburg. Eine Krankheit der Zeit. Kürzlich entrollte eine Gerichtsverhandlung gegen eine Kartenschlägerin ein ebenso beachtenswerthes, als abschreckendes Zeitbild. Nach dem Gange der Verhandlung scheint dieselbe ihr Geschäft im Großen getrieben zu haben, denn eine Zeugin sagte aus, daß bei der Kartenlegerin den ganzen Tag ein Zulauf gewesen wäre wie in einer Gerichtsstube. Als Zeugen waren Frauen und Töchter aus allen Ständen vorgeladen. Neben der Kartenlegerei trieb sie auch Sympathie und verkaufte geheime Arzneimittel für alle Krankheiten; die Arzneien erwarb sie käuflich in der Apotheke für 18 Pf., während sie kein Glas unter 20 Mark abgab. Ihre Hauptstärke besaß sie in Anwendung von Geheimmitteln bei Liebesverhältnissen, um die Treue des Geliebten wiederzugewinnen. Unter den Zeugen befand sich auch eine hohe Sechzigerin, die erst im vorigen Jahre die Hülfe der Angeklagten wegen Untreue ihres Liebhabers anging und sich dessen Wiedergewinnung nahezu 100 Mark kosten ließ. Die Angeschuldigte erhielt eine Gefängnißstrafe von 6 Monaten.
- Ein Elephant auf dem Centralbahnhofe in München brach Nachts aus dem Wagen und marschirte dem heranbrausenden Güterzuge entgegen; zum Glück gelang es, den Zug im letzten Augenblick zum Stehen zu bringen. So nebenbei richtete der Koloß, obwohl er sich sehr artig benahm, für 600 Mark Verwüstungen an.
- Mit Schmerzen. Ein biederer westfälischer Landmann kam nach der Provinzialhauptstadt Münster. Er war von Zahnschmerzen befallen und hatte heldenmüthig beschlossen, kurzen Prozeß zu machen. Der Zahnarzt gab auf des Bauern Frage, was das Ausziehen koste, die schmerzhafte Antwort: "mit Schmerzen 10 Sgr., ohne Schmerzen 15 Sgr." Sogleich entschied sich der sparsame Bauer für den billigeren Preis. Die Geschicklichkeit des Arztes ließ ihn aber sehr wenig Schmerzen fühlen und da stieg ihm der Gedanke auf, er solle übervortheilt werden. Er legte seine 10 Sgr. zornig auf den Tisch und rief: "Ick hebbe met Piine akkordeert." (Ich habe die Prozedur mit Schmerzen bedungen.)
- Harpagon übertroffen. Kürzlich - erzählt der Pariser "Sport" - verlor auf einer Soiree bei einem reichen Amerikaner ein Landsmann desselben einen Hemdknopf, welcher aus einem auf 12,000 Fr. bewertheten Solitär bestand. Nachdem sich die eingeladenen Gäste zurückgezogen hatten, wurde das ganze Haus durchsucht, jedoch vergeblich. Der Verlustträger, welcher sich natürlich zuletzt entfernte, ging fort, ohne seine üble Laune zu verbergen. Am nächsten Morgen fand ein Stallknecht beim Reinigen des Hofes und der Einfahrt in letzterer den kostbaren Stein, welcher wahrscheinlich in die Kleidgarnitur einer Dame gefallen war und von derselben beim Einsteigen in den Wagen ebenfalls verloren wurde. Der Hausherr war von dem Funde hocherfreut und schickte augenblicklich den Finder zu dem untröstlichen Eigenthümer des Juwels. Dieser empfing den Diamant mit sichtlicher Freude, legte ihn sorgfältig in eine Lade seines Schreibtisches und griff dann in seine Tasche, aus welcher er zwei Cigarren zog und sie dem ehrlichen Finder anbot. Derselbe zog sich zurück, indem er sich für den Amerikaner schämte und erzählte zu Hause sein Erlebniß, das auch bald seinem Herrn zu Gehör kam, welcher den Diener sogleich rufen ließ. "Hast Du die Cigarren schon geraucht? " sagte er zu demselben.. - "Nein, mein Herr." - "Ich gebe Dir 500 Fr. dafür." - "Wahrhaftig?!" - "Hier ist die Summe. Du bist ein ehrlicher Bursche und ich muß wohl eine Prämie dafür zahlen. Dich im Dienst zu haben. Nun aber kehre zu Herrn X zurück und sage ihm: Mein Herr! Ich habe meinem Herrn von der Güte erzählt, welche Sie mir gegenüber hatten; aber er fürchtet, daß Sie vielleicht heute sich zu rauchen versagen müssen, um jene beiden Cigarren einzubringen. Er hat mir daher befohlen, Ihnen dieselben zurückzustellen." "Soll ich auch von den 500 Fr. erzählen?" - "Kein Wort! Geh!" - Der Diener ging, entledigte sich seines Auftrags und kehrte mit folgendem Billet des Amerikaners zurück: "Geehrter Herr! Ich bin sehr glücklich, wieder im Besitz meines Diamanten zu sein. Ich habe deren sechs, welche eine so schöne Garnitur bilden; deshalb war ich über den Verlust völlig trostlos. Was die Cigarren anbelangt, konnte ich dieselben wohl Ihrem Diener geben, da ich von dieser Sorte 5000 Stück in meinem Schranke habe. Empfangen Sie etc." - Der Schreiber dieses Briefes besitzt, wie hinzugefügt werden muß, mehr als 200,000 Livers Rente und ist unverheirathet.


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