No. 17
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. Februar
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 1]

Politische Rundschau.

Am Sonnabend vergangener Woche berieth der Reichstag in erster Lesung über den Etat für 1878/79, wobei Präsident Hofmann darlegte, daß in diesem Zeitraum ein Mehr von 28 Mill. Mk. erforderlich sei, welches durch die beantragten neuen Steuern aufgebracht werden solle. Am Dienstag vergangener Woche stand die Interpellation über den Orientkrieg auf der Tagesordnung, welche der Reichskanzler in seiner offenen Weise beantwortete und wobei er seinen recht deutschen Standpunkt klarlegte. Am Freitag stand die Tabakssteuer auf der Tagesordnung, die ihrer prinzipiellen Bedeutung wegen zu einer sehr umfangreichen Debatte führte, Fürst Bismarck griff schließlich in dieselbe ein und präcisirte seine Ansicht dahin, daß er die vorgeschlagene Steuer nur als einen Uebergang zum Tabaksmonopol betrachte. Er sprach die Hoffnung aus, daß der Reichstag diese Vorlage nicht in einer Commission begraben und daß ferner die Session nicht vorübergehen werde, ohne daß der Reichstag zu diesen Fragen eine ganz klare und sichere Stellung eingenommen hat, nicht blos durch eine directe oder indirecte Ablehnung der Vorlage, sondern etwa in Gestalt einer Resolution oder eines Antrages aus dem Schooße des Reichstages, damit die Regierung einen festen Leuchtthurm hat, dem sie zusteuern kann, oder den sie vermeiden muß, um nicht zu scheitern.
Der "Staatsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Feststellung des Staatshaushaltsetats für das Jahr vom 1. April 1878/79. Der Etat schließt in Einnahme und Ausgabe mit 713,857,764 Mark ab, darunter 73,287,993 Mark an einmaligen und außerordentlichen Ausgaben.
Bezüglich der Stellvertretungsvorlage verlautet, daß eine Stellvertretung des Reichskanzlers nur in den Fällen eintreten soll, die der Competenz des Reiches unterstehen, also bezüglich der Post und Telegraphie, der Marine, Elsaß=Lothringen, und des Eisenbahnwesens; die Militärverwaltung ist ausgeschlossen.
Die Reichsregierung hat den Unregelmäßigkeiten, welche bei den letzten Reichstagswahlen vorgekommen, eine lebhafte Beachtung zugewandt. Es sind Erhebungen nach allen Richtungen hin erfolgt, und infolge dessen die Bundesregierungen aufgefordert worden, für ihre Staatsgebiete Vorsorge dahin zu treffen, daß bei künftigen Wahlhandlungen die bisher wahrgenommenen Mängel vermieden, und die maßgebenden Bestimmungen in korrecter Weise ausgeführt werden.
Die Stellvertretungsvorlage ist im Bundesrathe zur Annahme gelangt und bereits dem Reichstage zugegangen.
Die sogenannten Achtschillingsstücke (Sechstel=Thalerstück) sollen nach Beschluß des Bundesrathes am 1. Juni außer Curs gesetzt werden.
Die Socialdemokraten scheinen mit ihrem Massenaustritt aus der Kirche in Berlin ein klägliches Fiasko gemacht zu haben. Wie man hört, sind bis jetzt in den Parochien der Arbeitervorstädte, welche z. B. 20-40,000 Seelen zählen, in der einen 20, in der größten 50 Austritte vom Gericht angezeigt worden, in anderen Gemeinden sollen nur 4, 8 und 11 Austritte erfolgt sein. - Jedenfalls ist das kein "Massenaustritt" in einer Stadt von über 1 Mill. Einwohner.
Trotzdem Oesterreich=Ungarn verschiedene offiziöse Kundgebungen des Vertrauens in den friedlichen Ausgang der Konferenzverhandlungen veröffentlicht und dem kursirenden Gerüchte über eine bevorstehende österreich=ungarische Mobilisirung widersprochen hat, werden doch gewisse Maßregeln ergriffen, um auf alle Fälle gerüstet zu sein. So ist dem siebenbürgischen General=Commando die Ordre zugegangen, in den nächsten Tagen die Einberufung der Reservisten der in Siebenbürgen dislocirten Abtheilungen der gemeinsamen Armee und der Urlauber der Honvedarmee zu veranlassen. Aus Klausenburg wird berichtet, daß in den militärischen Kreisen große Bewegung herrscht; man erwartet stündlich die Mobilisirungs=Ordre. Man hat schon den Bau von Baracken für das Militär begonnen und bei den Eisenbahnen wird emsig gearbeitet. In der Citadelle in Klausenburg sind massenhaft Patronen (an 5 Millionen Stück) aufgehäuft. Falls die Mobilisirung angeordnet werden sollte, werden in kurzer Zeit 100,000 Mann concentrirt sein. Die Mobilisirungs=Ordre wird die Behörden vollkommen vorbereitet finden. Alle Vorbereitungen sind schon seit Monaten getroffen. Nach Berichten der "Köln. Z." wird der Einmarsch österreichischer Truppen in Bosnien und die Herzegowina in nächster Zeit sicher erwartet.
Die Berichte aus England drehen sich sämmtlich um die Bismarck'sche Interpellationsbeantwortung, um die angestrengten Arbeiten in den Arsenalen, um die Debatten im Parlament, die dort Tag für Tag durch den Stand der Orientkrise hervorgerufen werden. Obgleich England am meisten rasselt, ist die deutsche Tagespresse doch übereinstimmend der Meinung, daß von jener Seite für die Verallgemeinerung des Krieges nichts zu befürchten sei; die englische Politik hat es schon So weit gebracht, daß man ihr gegenüber nur ein verächtliches Achselzucken hat.
Ob sich die Friedenszuversicht, welche Fürst Bismarck in seiner Orientkrisen=Rede zur Schau trug, erfüllt, hängt von dem Ausgang der Schachparthie ab, die England und Rußland am Bosporus mit einander spielen. Tag um Tag erfolgt dabei ein neuer, überraschender Zug; so ist denn neuerdings die Spannung zwischen den beiden Mächten wieder im Wachsen, wozu nicht wenig die Absetzung Server Pascha's beiträgt, welche erfolgte, weil der Genannte mißliebige Aeußerungen über England gemacht hatte. Die Friedensverhandlungen sollen nach Londoner Berichten ins Stocken gerathen sein; die Türkei verweigert die Unterzeichnung der Dokumente, weil Rußland die Abtretung der Flotte verlange.
Aus Washington wird mitgetheilt, daß am 16. d. durch Majoritätsbeschluß des Senats die sog. Silberbill angenommen worden ist. Dieselbe anerkennt die Silberdollars als gesetzliches Zahlungsmittel mit nominellem Werth bei allen öffentlichen und privaten Zahlungen, ausgenommen die Fälle, wo die Zahlung contractlich ausdrücklich anders festgesetzt wurde, und ermächtigt weiter den

[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 2]

Staatssecretär, monatlich Silber im Werthe von nicht weniger als zwei, und nicht mehr als vier Millionen Dollars zu Münzzwecken anzukaufen. Innerhalb des Repräsentantenhauses, dem die Bill am 18. d. zugestellt wurde werden noch Anstrengungen gemacht, eine Modification der Bestimmung, durch welche die Silberausprägung auf monatlich 4 Millionen Dollars festgesetzt wird, herbeizuführen.


- In München ist das Geläute zur Mittagsstunde für den verstorbenen Papst polizeilich untersagt worden, da dasselbe nur für Mitglieder des königlichen Hauses stattzufinden habe.
- Seit Peter oder Pierre Reichensperger für die Robe (Talar) als Amtstracht der Richter so entschieden eingetreten ist, nennen ihn seine Kollegen, die Reichsboten, Robespierre.
- Anleihen stehen auf der Tagesordnung und glücklich, wer noch Credit hat. Auch auf der Tagesordnung der Stadt Berlin steht eine Anleihe von 35 Millionen Mark.
- Die aus Europa nach Australien eingeführten Biene sollen schon nach den ersten Jahren aufhören, für den Winter zu sorgen und Honig zu sammeln, weil sie das bei dem immerwährenden Sommer in jenen Gegenden wahrscheinlich nicht mehr für nöthig halten.
- In Grimisat bei Sitten verschied letzthin eine 114 Jahre alte Frau, an deren Todtenbette ihre 86jährige Tochter, deren Sohn mit seiner verheiraten Tochter und diese mit ihrem Kinde sich befanden.
- Die Einjährig=Freiwilligen in München zählen einen hochwürdigen Herrn zu ihren Kameraden: einen wirklichen Franziskanermönch, der mit Berechtigungsschein in einem dortigen Regiment sein Jahr abdient. Er wohnt in einem Kloster seines Ordens am Lehel, hat sich aber allen militärischen Uebungen zu unterziehen.
- Der sogenannte Fischerring des Papstes, von dem aus Anlaß des Ablebens Pio Nono's wieder öfter die Rede war und der in der ersten Versammlung der Cardinäle nach seinem Tode zerbrochen wurde, hat seinen Namen von der Abbildung, die derselbe trägt. Er zeigt nämlich den Fischzug Petri. Die Päpste tragen ihn zum Andenken daran, daß es ein Fischer war, dem Christus die Leitung seiner Kirche anvertraute und daß sie dessen Nachfolger sind. Von jeder Gnadenbezeigung, welche in der Form eines Breve bewilligt wird und mit einem Siegel versehen ist, das den heiligen Petrus zeigt, sagt man, sie sei unter dem Fischerringe verliehen. Der erste Ursprung dieses Gebrauches reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Vordem bedienten sich die Päpste des Fischerringes nur zum Siegeln geheimer Correspondenzen doch scheinen sie in späterer Zeit von diesem Gebrauche abgegangen zu sein, denn man findet nach Callixtus III. auch Breves, welche mit dem Fischerring untersiegelt sind. Derselbe besteht aus Gold und auf der Platte ist außer dem hl. Petrus als Fischer auch der Name des regierenden Papstes als Umschrift eingegraben. Bisher lieferte immer die Stadt Rom den neuen Fischerring.


Mordprozeß Thürolf.

Im vergangenen Jahre wurde Berlin in kurzen Interwallen durch drei Blutthaten in Aufregung versetzt; die Posamentierkrämerin v. Sabatzky und der Tischlergeselle Lude wurden ermordet und der Geldbriefträger Killmer bei der Ausübung seines Berufs in einem Hause der Taubenstraße überfallen und schwer verwundet. Es war im letzten Falle offenbar auf einen Raubanfall abgesehen. Killmer hatte am Hinterkopf einen ziemlich gefährlichen Stich bekommen, hatte aber noch Geistesgegenwart genug, den fliehenden Angreifer zu verfolgen und dessen Festnahme zu veranlassen. Der Verbrecher war ein Tischlergeselle Namens Thürolf. Im Laufe der gegen ihn wegen des Raubanfalls auf etc. Killmer geführten Untersuchung stellten sich die mannigfachsten Verdachtsmomente ein, daß Thürolf auch der Mörder der Sabatzky und des Lude sei; so fand man bei ihm einen Schraubenschlüssel, der genau in die Kopfwunde des ermordeten Lude paßte und über dessen Erwerb Thürolf die widersprechendsten Angaben machte. Auch war Th. von verschiedenen Personen und unmittelbar vor und nach dem an Lude begangenem Morde im Grunewald, wo dasselbe passirte gesehen und weiter hat er eine dem Lude nachweisbar gehörende Uhrkette bei einem Berliner Rückkaufshändler versetzt. Der Indicienbeweis bezüglich des Salatzky'schen Falles stand dagegen auf schwachen Füßen, sodaß die Geschworenen die Ueberzeugung von Thürolfs Schuld daran nicht zu gewinnen vermochten. Thürolf wurde vergangenen Freitag wegen des Raubanfalls gegen den Briefträger Killmer zu 15 Jahren Zuchthaus und wegen des Mordes des Tischlergesellen Lude zum Tode verurtheilt.


Anzeigen.

Antragsmäßig soll über das vor Schönberg an der Lübecker Chaussee belegene, der Schönberger Schützenzunft gehörige Schützenhaus c. p. ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Sonnabend, den 2. März 1878,
Vormittags 11 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheile hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamierten Grundstücke sowohl gegen die jetzigen als auch gegen die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Schönberg, den 8. December 1877.

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     


In das hiesige Handelsregister, betr. das Handelsgeschäft des Kaufmanns Julius Schweigmann zu Schönberg, ist heute Fol. XXVII Nr. 40 eingetragen:

Columne 3: "Die Firma "Julius Schweigmann" ist, da der Kaufmann Julius Schweigmann zu Schönberg sein Handelsgeschäft aufgelöst hat, erloschen."

Schönberg, im Fürstenthum Ratzeburg, den 16. Februar 1878.

Das Handelsgericht.
v. Arnim.

A. Dufft.     


Auf Antrag Dris Ph. W. Plessing für den hiesigen Auctionator Adolph Aemilius Sigismund Schmidt werden alle Diejenigen, welche außer dem Imploranten

1) an einen, auf den Namen von Hinrich Retelstorff, (al. Redelstorf) zu Rieps ausgestellten angeblich durch Imploranten von dem Vollhufner Hinrich Retelsdorff in Rieps käuflich erworbenen, und in den Büchern der Staatsschuldenverwaltung der freien und Hansestadt Lübeck aufgeführten Stadtkassenbrief vom 11. Juli 1809 über 1500 Courant Mark termino Johannis mit 3 % Loos No. 811 und 812, von welchem am 15. November 1877 1000 Mark (Lübeck) Crt. zur Auszahlung im Johannis=Termin 1878 ausgeloost sind,
2) an einen auf den Namen von Joachim Retelstorf in Rieps vom Finanz=Departement der freien und Hansestadt Lübeck ausgestellten, ebenfalls durch Imploranten von dem Vollhufner Hinrich Retelstorff in Rieps käuflich erworbenen Schuldschein vom 15. April 1845 über 370 Courantmark termino Weihnacht zu 2 1/2 % No. 70 Loos No. 1453 1454,
Rechte und Ansprüche zu haben vermeinen, aufgefordert, und schuldig erkannt, diese Ansprüche binnen doppelter sächsischer Frist, vom Datum dieses Proclams, also spätestens am 4. April 1878 im Stadt= und Landgerichte hieselbst, - Auswärtige durch einen hier wohnhaften, gehörig legitimirten Bevollmächtigten geltend zu machen, unter dem Rechtsnachtheile, daß sie widrigenfalls mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen, und die Stadtkasse, bezw. Schulden=Regulirungs=Commission ermächtigt und

[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 3]

angewiesen werden soll, den auf den sub 1, gedachten Stadtkassenbrief ausgeloosten Betrag von 1000 Mark (Lübeck) Crt. an den Imploranten auszuzahlen, sowie den Rest auf denselben umzuschreiben, den sub 2' genannten Schuldschein gleichfalls auf den Namen des Imploranten umzuschreiben.
Lübeck, den 4. Januar 1878.

Das Stadt= und Landgericht.
Zur Beglaubigung      Funk Dr., Act.


Holz=Auction.

Am Sonnabend den 2. März, Morgens 10 Uhr, sollen in den Lauer Tannen an Ort und Stelle
     ca. 45 Fuder kiefern Durchforstholz von Hopfenstangen= bis Schleetstärke
bei freier Concurrenz meistbietend gegen baar verkauft werden. Kaufliebhaber wollen sich auf dem durch die Tannen führenden Hauptwege zur gedachten Zeit einfinden.
Schönberg, den 25. Februar 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Holz=Auction.

Am Montag den 4. März, Morgens 9 Uhr, sollen beim Gastwirth Lenschow zu Selmsdorf nachstehende Holzsortimente meistbietend verkauft werden

aus dem Heidenholze:

ca.    80 Stück eichen Wagendeichseln,
          7 Stück buchen Nutzholzblöcke
          9 Rmtr. eichen Kluft und Knüppel,
          9 Rmtr. buchen Kluft (Felgenholz),
      113 Rmtr. buchen Kluft 1., 2. und Knüppel,
        11 Fuder starkes eichen Durchforstholz,
ca. 100 Fuder buchen Durchforstholz und Zweigholz,
Schönberg, den 25. Februar 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.     


Am Dienstag den 5. März, Morgens 10 Uhr, sollen in der am Heidenholze belegenen Maack'schen Holzkoppel bei Lockwisch folgende Holzsortimente an Ort und Stelle verkauft werden:

14 Rmtr. buchen Kluft und Knüppel, 8 Fuder starkes buchen Durchforstungsholz, 5 Fuder Zweigholz, 2 Rmtr. eichen Kluft, 2 Rmtr. eichen Knüppel, 3 Fuder starkes eichen Durchforstungsholz, 1 Fuder eichen Zweigholz, 2 Rmtr. aspen Kluft, 3 Rmtr. fichten Kluft und Knüppel, 3 Rmtr. ellern Kluft und Knüppel, 4 fichten Blöcke, 7 eichen Blöcke und 1 kirschen Block.
Lockwisch, den 25. Februar 1878.

Die Maack'schen Curatoren         
G. Creutzfeldt.                 
J. Lenschow.                  


Holz=Auction

Mittwoch den 27. Februar d. J. sollen im Törber Holze, Vitenser Forste, meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden:

Eichen=Drümme zu Bau= und Nutzholz,
Eichhester zu Nutz= und Pfahlholz
Eichen=Klafterholz, zum Theil für Böttcher brauchbar,
1 Rüster Drumm zu Bohlen,
Buchen=Klafterholz,
Buchen=Zweigholz,
Haseln=Zaunbusch.
Die Auction beginnt Morgens 10 Uhr und wollen Käufer sich auf dem Landwege im Törber Holze einfinden.
Vitense, den 18. Februar 1878.

L. Wiegandt.     


Die

Auction

über das zur Kaufmann Seelig'schen Concursmasse hieselbst gehörige

Manufactur- & Modewaaren-Lager

wird am Dienstag den 26., Mittwoch den 27. und event. Donnerstag den 28. Februar d. J. fortgesetzt.
Schönberg, den 25. Februar 1878.

Staffeldt, Landreiter.     


Es wird hiemit zur Kenntniß gebracht, daß die Pferde= und Füllen=Auction des Viehzucht=Vereins der Artlenburger Elbmarsch und Umgegend zu

Hohnstorf a./d. Elbe gegenüber Lauenburg

am Montage den 19. August u. f. d. J., Morgens 10 Uhr, und die Rindvieh= und Schweine=Auction des Vereins am Donnerstag den 19. September u. f. d. J., Morgens 11 Uhr, abgehalten werden sollen, gegen Baarzahlung bei der Casse des Vereins.

Lüdersburg (Poststation Hohnstorf a./d. Elbe)
im Februar 1878.

Der Präsident des Vereins     
v. Sporcken.            


Unterzeichneter empfiehlt 20 bis 30 Schock durchgewinterte Sommerkohlpflanzen, Trauer=Eschen Weiden, hoch und halbstämmige Rosen, Perl , Wachs= und Mooskränze, sehr geschmackvoll; auch empfehle mein reichhaltiges Lager von Gemüse= und Blumensämereien, sowie später Gemüse und Blumenpflanzen.

                          Hochachtungsvoll
                          H. Upahl, Handelsgärtner.
                          Schönberg.


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Wertheim am Main.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 4]

Bilanz
der
Mecklenburgischen Lebensversicherungs- und Spar-Bank
in Schwerin
pro ultimo Januar 1878.

[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Schwerin, im Februar 1878.

Mecklenburgische Lebensversicherungs= und Spar=Bank.
C. A. Schwerdtfeger, Director.
C. L. F. Soltau, General=Agent.


Die Mecklenburgische
Lebensversicherungs= und Spar=Bank
in Schwerin

schließt Lebensversicherungen, Leibrenten=Versicherungen, Kapital=Einlage=, Darlehns= und alle sonstigen Geld=, Inkasso= und Commissions=Geschäfte durch das unterzeichnete Bureau zu den vortheilhaftesten Bedingungen ab. Die Geschäfts=Prospekte (Nr. I. für Lebensversicherungen, Nr. II. für Leibrentenversicherungen, Nr. III. für Spar=Bank=Geschäfte) sind bei derselben unentgeltlich zu entnehmen und wird jede gewünschte nähere Auskunft bereitwilligst ertheilt.

Bureau der Mecklenburgischen Lebens=Versicherungs= und Sparbank in Schönberg.
W. Stephan.        W. H. Schacht.


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Zur Nachricht!

Die von mir beabsichtigten Gastvorstellungen in Schönberg finden wegen zu hoher Steuer=Ansprüche einer pp. Gewerbe=Commission zu Neu=Strelitz nicht statt.

Ergebenst           
Carl Waldmann.     


Verkauf einer Landstelle
in der Nähe Lübecks,

70 Tonnen Aussaat, sehr guten Boden mit fast neuem Inventar. Kaufpreis 22,000 Thaler. Anzahlung nach Uebereinkunft. Näheres: Gastwirth Holst, zur "Sonne", Lübeck.


Hierdurch machen wir bekannt, daß wir mit Erlaubnis des Herrn Oberförsters Hottelet dessen Revierjäger Klennloff den Schutz über unsere Buschkoppeln übertragen haben.
Kl. Siemz, den 18. Februar 1878.

                          Für die Hauswirthe der Schulze,
                          C. Kähler.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen17 M -Pfennig  bis 21 M 50Pfennig.
Roggen12 M 50Pfennig  bis 14 M 30Pfennig.
Gerste14 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.
Hafer12 M -Pfennig  bis 14 M -Pfennig.
Erbsen14 M -Pfennig  bis 17 M 50Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,10 .
Hasen das St. M3,00 .
Hühner d. St. M1,30 .
Spickgans d. St. M3,00 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,75 .
Schweinskopf pr. 500 Gr. M0,45 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 6 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hiezu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 17 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 26. Februar 1878.


- In voriger Woche ging ein Pulverzug von 28 Eisenbahnwagen unter militärischer Bedeckung vom Rhein nach Rußland, wofür die Transportkosten 15,000 Mark betrugen.
- Es kommen jetzt chemisch behandelte Meerschaum=Pfeifenköpfe in den Handel, auf denen sich, sobald sie angeraucht werden, ein kleines Bild oder eine Inschrift zeigt.
- Wie seltsam und auffallend zuweilen die Rollen, welche den Menschen vom Geschick zugetheilt sind, sich ändern und wechseln, wird drastisch in einer der "Voss. Ztg." aus Madrid zugegangenen Privatmittheilung bezüglich der Krönungsfeste in der spanischen Residenz illustrirt. Die betreffende Episode aus jener Mittheilung lautet: Bei dem Feste der Herzogin v. Bailen sah ich einen stattlichen hohen Militär, welcher von den vornehmsten Herren und Damen umkreist war, denen er erzählte, daß er, etwa 1832, einige Zeit unter Don Carlos in Spanien gefochten habe, gefangen genommen, nach Madrid gebracht und von dem aufgeregten Volke, als vermeintlicher Carlist, während er doch nur Soldat gewesen sei, welcher die dortige Kriegführung habe kennen lernen wollen, nicht eben schmeichelhaft empfangen worden sei etc. - Und wer war dieser mit Ordenssternen geschmückte, von dem höchsten spanischen Adel in seinen Palästen gefeierte Militär - der Kaiserlich deutsche Krönungsbotschafter General v. Goeben. - Einige Tage darauf war ich bei dem Feste des Herzogs Fernan Nunez. Und als ich die Prachtgemächer durchstreifte, traf ich in einem ganz verlassenen abgelegenen Glashause einen Herrn, auf einem Fauteuil sitzend, in Zeitungslectüre vertieft, einen Herrn in schwarzem Frack, während die ganze vornehme Welt in mit Goldstickereien und Ordenssternen reich geschmückten Uniformen und Hofkostümen glänzte, einen Herrn, welchen alle Welt mied, einen Herrn, der sich von aller Welt zurückzog, einen Herrn, der, aller Orden, Ehrenzeichen und Würden verlustig erklärt zu lebenslänglichem Gefängnisse verurtheilt worden, aber aus demselben entwichen war, - und wer war dieser stille, ich könnte sagen todte Mann dort im öden Glashause - der vor wenigen Jahren noch mächtige Marschall von Frankreich - Bazaine. - Und warum war er hier? - als Mann seiner Frau! - Welche Wendung des Schicksals! - Der preußische General, der ehemalige in Madrid übel angesehene carlistische Gefangene, war hier als gefeierter deutscher Krönungsbotschafter, und der früher so gefeierte, mächtige und einflußreiche, inzwischen einsam, ja gemieden von aller Welt, gestürzte, degradirte und zum Tode verurtheilte Marschall von Frankreich eben nur als Mann seiner Frau!
- Revolver=Portemonnaie. Oscar Frankenau in Nürnberg hat, wie der Arbeitgeber berichtet, ein Portemonnaie erfunden, welches nicht allein zur Aufbewahrung des Geldes, sondern auch im Nothfalle zur Vertheidigung desselben gegen Räuber dienen kann. Das Portemonnaie besteht zu diesem Zwecke aus zwei Abheilungen, von welchen die eine die gewöhnlichen Fächer zur Aufnahme des Geldes enthält, während in der anderen Abteilung ein kleiner vierläufiger Revolver liegt. Der Drücker dieses Revolvers kann für gewöhnlich in dem Bügel des Portemonnaies verborgen sein, läßt sich aber durch eine einfache Fingerbewegung herunterschlagen, sodaß er senkrecht zu dem Bügel zu stehen kommt und in dieser Stellung zum Losfeuern der Waffe dienen kann. In der einen Seitenwand des Bügels ist eine durch Klappe verschließbare Oeffnung angebracht, welche dem Geschoß den freien Austritt gestattet. Diese Oeffnung wird mit Hülfe einer Stange und Feder durch die Klappe so lange verschlossen gehalten, als der Drücker in dem Bügel verborgen ist, sobald aber letzterer zum Fertigmachen der Waffe niedergeschlagen wird, zieht die nicht mehr gehaltene Feder die Klappe von der Oeffnung weg. Die ganze Revolvorrichtung ist außerordentlich wenig compendiös, sodaß das Revolver=Portemonnaie nicht viel umfangreicher ist als gewöhnliche Portemonnaies. Die Patrone, welche zur Verwendung kommt, ist freilich klein, und das Geschoß fliegt nicht weit, wird aber mit hinreichender Kraft fortgeschnellt, um eine Aufforderung: "la bourse ou la vie," wenn auch nicht im Sinne des Angreifers, nachdrücklich Folge leisten zu können. Das Revolver=Portemonnaie ist in den meisten europäischen Staaten und auch in Amerika patentirt.
- Gegen Diphteritis, diese mörderische Kinderkrankheit, soll sich nach Versuchen, welche Medicinalrath Dr. Fiedler in Dresden anstellte, feuriger spanischer oder portugisischer Wein als sehr wirksam erweisen. Heute sind wir in der Lage, ein zweites Mittel anzugeben, vor dessen Anwendung wir jedoch rathen einen Arzt zu consultiren: Ein Correspondent der "Victoria=Zeitung" schreibt: "Sollte Jemand in seiner Familie von Diphteritis - (brandige Rachenbräune) befallen sein, so erschrecke er nur nicht zu Sehr, denn sie ist leicht und schnell zu heilen. Als vor einigen Jahren diese Krankheit in England herrschend war, begleitete ich den Doctor Field auf seinen Touren, um Zeuge zu sein von seinen sogenannten "Wunderkuren," welche er mit gutem Erfolg verrichtete, während die meisten Patienten der anderen Aerzte dahinstarben. Das Mittel, welches so schnell wirkte, war einfach. Er nahm nichts weiter als gestoßenen Schwefel und eine Federspule. Damit heilte er die Patienten fast ohne Ausnahme. Er warf einen Theelöffel voll Schwefel in ein Weinglas voll Wasser und rührte den Schwefel mit seinem Finger, anstatt des Löffels, weil der Schwefel sich sonst mit Wasser nicht schnell verbindet. Wenn dann der Schwefel gut gemischt war, gab er ihn zum Gurgeln, und in zehn Minuten war der Patient meist außer Gefahr. Schwefel tödtet jede Art von Schwämmen an Menschen, Thieren und Pflanzen in wenigen Minuten. Anstatt das Gurgelwasser auszuspucken, empfiehlt er das Verschlucken desselben. In außergewöhnlichen Fällen, wenn der Grad der Entzündung das Gurgeln nicht erlaubte, blies er den Schwefel durch eine Federspule in den Hals und ließ erst gurgeln, nachdem die entzündete Haut zusammengeschrumpft war. Wenn der Patient durchaus nicht mehr gurgeln kann, so nehme man eine Feuerkohle, streue etwas Schwefel darauf und lasse ihn den Dampf, doch mit Vorsicht, einathmen. Auch ist es gut, das Zimmer mit Schwefeldunst insoweit zu schwängern, daß der Patient noch ohne Beschwerde und Gefahr einathmen kann.


Ein moderner Eulenspiegel.

In dem Häusermeer der britischen Hauptstadt, das von jeher überreich gewesen an einheimischen und fremden menschlichen Originalien, starb vor Kurzem in einem kleinen, aber sehr zierlich ausgestatteten Hause zu Islington ein Mann, dessen Leben, das an siebenzig Jahre gedauert, nahezu nicht viel mehr als eine Reihe von Späßen gewesen.
Jaques Millot hatte unter verschiedenen Namen gelebt. So als François Turbot in Baden=Baden, als Anatol d'Ange in Brüssel, als George Dubois in Ostende, und noch in seinem Testamente hat er darum gebeten, seinen wahren Namen vor der Oeffentlichkeit geheim zu halten.
Dieser französische Eulenspiegel war Musiker aber ohne es zu seinem Lebensunterhalte nöthig zu haben. Seine Späße waren daher keine Reclame. Er spielte fast alle Instrumente, das Waldhorn aber geradezu als Virtuose, und hierin soll er in Bezug

[ => Original lesen: 1878 Nr. 17 Seite 6]

auf die Reinheit des Tones, gefühlvollen Vortrag und Kraft gegen das Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre ohne würdigen Rivalen gewesen sein, da er auf diesem schwierigen Instrument so zu sagen "das Unmögliche leistete" und Musikstücke vortrug, in denen man deutlich einen Prim, eine Seconde und zur selben Zeit eine Begleitung hörte. Aber auch seine musikalischen Fähigkeiten dienten nur seinen Späßen. So besuchte er Märkte in kleineren Städten Frankreichs und ließ sich in das Marktgewühl einen Wagen nachfahren, auf dem sich nicht nur fast alle Musikinstrumente kleineren Umfanges befanden, sondern auch ein Piano. Hatte sich nun eine Volksmenge um ihn gesammelt, so spielte er der Reihe nach alle Instrumente, und am Ende des Concerts warf er, anstatt Geld von der Menge entgegenzunehmen, solches unter sie aus. Natürlich war dies die Veranlassung, daß fast alle Marktbuden von den Käufern verlassen wurden und die Geschäft schlecht gingen, bis der Spaßmacher sich entfernt hatte.
Als er zum ersten Male nach London kam, setzte er in kurzer Zeit fast alle dortigen Friedensrichter in Thätigkeit. Eine seiner Lieblingsunterhaltungen war, des Morgens mit einem Toilettenkästchen unter dem Arme seine Wohnung zu verlassen, zu einer Cabstation zu gehen und sich dort einen Wagen zu nehmen. Darin suchte er nach irgend einem der öffentlichen Plätze, wobei er stets die besuchtesten von London auswählte. Dort angekommen, wurde Halt gemacht und der Kutscher gebeten, die Hemmkette an eines der Räder zu legen. Unser Spaßmacher zog hierauf in dem Cab seinen Rock aus, und ging dann daran, sein Toilettenkästchen auszupacken. Ein kleiner Spiegel wurde an dem Vordertheile des Wagens aufgehangen und nun begann der Fahrgast sich einzuseifen und mit aller Sorgfalt zu rasiren. Er beobachtete es gar nicht, wenn zuerst einige kleine Jungen sich neugierig neben dem Wagen drängten, und er fühlte sich erst befriedigt, wenn er das Centrum eines dichten Volksgewühls bildete, dessen Theilnehmer nicht selten nach Tausenden gezählt werden konnten. Natürlich schritt die Polizei ein wegen Störung des Verkehrs, der Spaßmacher wurde arretirt und zum Friedensrichter gebracht. Hier lautete seine Vertheidigung gewöhnlich: Dieses London sei so dunkel und nebelig, daß er zum Rasiren nirgends als auf offener Straße genügend sehe, und da er sich dazu nicht auf einen Eckstein oder auf die Stufen vor einem Hause setzen könne, so verwandele er ein Cab in sein Ankleidezimmer, was nicht nur genial, sondern eine sehr intelligente Art und Weise sei, seines überflüssigen Bartwuchses ledig zu werden. Dieser Vertheidigung folgt nichtsdestoweniger immer eine Geldbuße, welche der Uebelthäter mit stillem Vergnügen bezahlte, um einige Tage später wieder einen anderen Friedensrichter in Amtsthätigkeit zu setzen.
Auf seinen Reisen auf dem europäischen Continent bestand das Hauptvergnügen Jaques Millots darin, den Zollbeamten das Leben sauer zu machen. Kam er in irgend einem Lande an, das sich nicht zu den Principien des Freihandels bekannte, so hatte er stets eine Menge Gepäck, und mit einem wahrhaft schauspielerischen Talente suchte er ostensibel zwei Koffer , einen ungeheuer großen und einen kleineren, den Blicken der Zollbeamten zu entziehen, blos um deren Neugier umsomehr zu steigern. Da gab es denn in der Regel sofort eine um so größere Amtsstrenge. Der große Koffer wurde geöffnet und man fand einige tausend alte - Pantalons=Stege oder wie die Wiener sagen: "Strumpfen," die jetzt aus der Mode gekommen sind. Und darunter befanden sich nicht zwei gleiche, aber zusammengedrückt waren sie, wie wenn es mit einer hydraulischen Presse geschehen wäre, und mit den riesigsten Anstrengungen vermochten die Zollbeamten die Masse "Strumpfen" nicht wieder in den Koffer hineinzubringen, so colossal er war. Inzwischen lärmten Hunderte von Passagieren über die Verzögerungen, die sie erlitten, während der Spaßmacher ruhig auf die Plage sah, die er verursacht. Aber noch war der kleinere Koffer zu öffnen, und hier erwarteten die Zollbeamten zuverlässig Contrebande. Man verlangte die Schlüssel. Der humorvolle Reisende zog aus jeder seiner Taschen einen gewichtigen Schlüsselbund, aber keiner der Schlüsseln paßte, bis endlich die Beamten ihre Geduld verloren und drohten, den Koffer zu erbrechen. Dann fragte der Besitzer des seltenen Koffers ruhig den zornigen Beamten, ob er verheirathet sei.
"Was soll die Frage hier? war die unwillige Entgegnung.
"Ich möchte Ihnen nur, falls Sie verheirathet sind, den Rath ertheilen, daß Sie, ehe Sie den Koffer öffnen, nach Hause gehen, Ihrer Frau die Hand schütteln, Ihre kleinen Kinder küssen und Ihr Testament machen, - denn in dem Koffer sind Klapperschlangen. Ich reise nie ohne sie."
Natürlich ließ der Beamte den Koffer augenblicklich stehen, es wurde zum Amtsdirektor geschickt, der schlau genug war, einzusehen, daß er es mit einem Spaßmacher zu thun habe. Als der Beamte zurückkehrte, fragte er hochtrabend:
"Wie viel Schlangen haben Sie, Herr?"
"Nur Sechs," war die Antwort, "sehen Sie selbst nach."
"Ah, nur sechs," Der Direktor sagt, sechs Schlangen sind zollfrei, erst für sieben wird Steuer gezahlt. Außerdem bin ich beauftragt, Ihnen mitzutheilen, daß Sie binnen fünf Minuten mit Allem - mit Ihren Strümpfen und Schlangen - das Zollamt zu verlassen haben, widrigenfalls Sie mit Gewalt an die Luft gesetzt werden."
"Und wer wird meine kostbaren Pantalons=Stege einpacken, eine Sammlung, die in der Weltgeschichte nicht ihresgleichen hat? Das Gesetz giebt mir ein Recht auf alle meine Sachen. Sie nahmen sie heraus - bringen Sie dieselben wieder zurück in den Koffer. Ich habe die schönste Zeit meines Lebens mit der Auffindung dieser Stege zugebracht. Aber ich bin in den grausamen Händen der Justiz und habe Niemanden, meine Rechte zu vertheidigen, außer diesem hier - meinem Verfechter!" - und damit entblößte er seinen Kopf, den ein auffallend hoher Hut überragte unter welchem jetzt auf seinem Scheitel ein schneeweißer kleiner Bantam=Hahn sichtbar wurde.
Dieser erhob sich, schlug mit den Flügeln, krähte drei Mal, dann wurde der Hut wieder über den Hahn aufgesetzt, und der Spaßmacher verschwand.
Geheimnißvolles Verschwinden war überhaupt sein Lieblingsvergnügen. Oft humpelte er als schwacher Greis in öffentliche Badehäuser und miethete eine Bade=Cabine. Nach dem Bade ließ er seine Kleider an dem Haken an der Mauer hängen, zog sich heimlich mitgebrachte moderne Kleider an und verließ die Bade=Anstalt tänzelnd als junger Gentleman, nachdem er die Cabinetthür verschlossen und den Schlüssel versteckt hatte. Nach einer Weile kehrte er ganz anders gekleidet wieder in die Bade=Anstalt zurück und fragte ängstlich nach seinem Vater, der vor einer Stunde hier gewesen sein müsse, er schien furchtbar erregt, und in der nächsten Minute war der Tumult fertige Die Bade=Cabine des Greises wurde erbrochen, und zum Entsetzen Aller fand man da nur seine Kleider, aber nicht den alten Mann. Der Spaßmacher sprach leise einen Verdacht aus, ließ Winke fallen über ein Gerücht, daß zwischen dem Badehause und einer benachbarten Wurstfabrik eine geheime Verbindung bestehe, und behauptete, es gäbe auch Badewannen, deren Boden eine Versenkung habe. Die ganze Stadtgegend wurde alarmirt. - "Die Kleider sind da, aber wo ist mein armer alter Vater!? rief der Spaßvogel ein um's andere Mal pathetisch. Die Polizei tritt ein, da verschwand er, aber lange wollte Niemand das Bad besuchen und die nahe Wurstfabrik erlitt großen Schaden. Alle Leute hatten große Furcht, etwas von dem verschwundenen Greise zu essen.
Jaques Millot ist nun ein sehr "stiller Mann" geworden, der unter einem einfachen Grabsteine abgeschlossen hat mit allem Humor des menschlichen Lebens.


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ZVDD