No. 75
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 25. September
1877
siebenundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 1]

Politische Rundschau.

Deutschland. Ein Ereignis von großer Wichtigkeit, dessen volle Bedeutung aber noch nicht erkannt werden kann, ist die Zusammenkunft des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck mit dem österreichischen Kanzler Grafen Andrassy in Salzburg, die vom Dienstag bis zum Donnerstag voriger Woche gedauert hat. Daß der Hauptinhalt die orientalische Frage gewesen sei, liegt auf der Hand; was verschiedene Blätter aber über die wirklichen Resultate der Kanzlerkonferenz wissen wollen, beruht auf Erfindung. Wir erwähnen von den verschiedenen Vermuthungen nur, daß Fürst Bismarck dem Grafen Andrassy gerathen haben soll: da Rußland sich zu schwach erwiesen habe, die Türkei niederzuwerfen und dem abscheulichen Türkenregiment in Europa ein Ende zu machen, so möge nun Oesterreich in den Kampf eintreten und seine politische wie seine Kulturaufgabe, die mehr im Osten liege, erfüllen. Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß dieser Rath, falls er wirklich ertheilt ist, nur ein ernst gemeinter sein könnte, wenn Fürst Bismarck zugleich versprochen hätte, unterdeß Ungarn mit einem starken deutschen Heere zu besetzen und die Magyaren im Zaum zu halten, deren lächerliche Begeisterung für die "türkischen Brüder" sie schon jetzt rein toll macht und deren Fanatismus sofort in wilde Empörung ausbrechen würde, sobald Oesterreich nur entfernt Miene machen wollte, die Türkei zu bekriegen. - Fürst Bismarck ist am Freitag, den 21. Sept. mit seiner Familie von Gastein in München eingetroffen und hat nach dreiviertelstündigem Aufenthalt die Reise nach Berlin mit seinen beiden Söhnen fortgesetzt, während seine Frau Gemahlin sich mit ihrer Tochter nach Tölz begeben hat.
Wie verschiedene Zeitungen melden, ist nunmehr die Zurückberufung des Panzergeschwaders aus dem Mittelmeere beschlossen; die Rückkehr desselben wird in der ersten Hälfte des Octobers erwartet. Dasselbe wird im Mittelmeere durch ein solches aus kleineren Schiffen ersetzt, welches aus der Corvette "Hertha", Kanonenboot "Albatros", dem Kanonenboote 1. Klasse "Meteor" und dem Aviso "Pommerania" besteht.
Von der russischen Regierung werden am Rhein große Massen Pulver angekauft. So ist dem "Fr. J." zufolge in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag voriger Woche wieder aus den Etablissements der vereinigten rheinisch=westfälischen Pulverfabriken ein großer, 20 Doppel=Waggons starker Pulver=Transport von 4000 Zentnern auf der Köln=Gießener Bahn nach Rußland abgegangen Es soll dies schon der vierte Transport dieser Art sein.
Die "Pos. Ztg." enthält aus Thorn folgende Mittheilung: "Seitens der russischen Oberbeamten wird gegenwärtig eine äußerst freundliche Haltung den deutschen Staatsangehörigen gegenüber beobachtet; besonders gegen die Beamten des diesseitigen Staates ist das Verhalten äußerst zuvor= und entgegenkommend. Viele Grenzunzuträglichkeiten haben aufgehört, deren Beseitigung unser Landrath Hoppe in mehreren Conferenzen mit den russischen Behörden lange vergeblich erbeten hatte.
In Bremen hat sich die Gewerbekammer für den Eintritt Bremens in die Reichszolllinie erklärt während die Vertreter des Handels denselben bekämpfen.
Frankreich. Der Präsident der französischen Replik, Marschall Mac Mahon, hat das gleichzeitig mit dem Ausschreiben der Wahlen erwartete Manifest in 15 Millionen Exemplaren drucken und jedem Franzosen ins Haus schicken lassen. In vertrauenerweckender Weise verspricht derselbe darin seine Handlungen und Absichten, sowie die Eventualitäten der bevorstehenden Wahlen. Besonders wichtig ist, daß der Marschall, auch wenn die Wahlen gegen seinen Wunsch, also im radicalen Sinne, ausfallen, doch auf seinem Posten bleiben will, "um mit der Unterstützung des Senates die konservativen Interessen zu vertheidigen."
Spanien. Die Vermählung des Königs Alfons mit seiner Cousine, der Infantin Mercedes, der Tochter des Herzogs von Montpensier, soll im Monat Februar stattfinden, nachdem auch die Königin Isabella nun ihre Einwilligung gegeben hat.
Vom Kriegsschauplatz ist heute gar nichts zu berichten. Die blutigen Kämpfe um Plewna, am Schipkapas und an der Jantra werden fortgesetzt, ohne daß doch auf der einen oder anderen Seite bisher wesentliche Erfolge errungen worden wären.


- Rußland hat bei einer Berliner Fabrik 65000 Zelte bestellt, in vier Wochen zu liefern. Die Fabrik wird gern liefern, aber sich baare Zahlung ausbitten. Sie denkt an die Fabrik Müller. Diese lieferte Conserven an die russische Armee, mußte aber bald neue schwer und mit großem Verlust anzubringende Rubelscheine in Zahlung annehmen und endlich das Geschäft einstellen, da die Zahlungen gänzlich stockten.
- Aecht amerikanisch ist ein Gebrauch, der nach und nach in den Neu=Englandstaaten sich einheimisch macht. Daselbst findet man in den meisten Sommerhotels Zöglinge der verschiedene Collegien und höheren Unterrichts=Anstalten der Nachbarschaft als Clerks, Köche, Aufwärter und Köchinnen, da eben zu dieser Zeit die Collegien für zwei bis drei Monate geschlossen sind. Es macht allerdings einen für europäische Begriffe sehr komischen Eindruck, Studenten der Medicin, Rechtswissenschaft u. s. w. als Aufwärter und Clerks, Schülerinnen höherer Lehranstalten als Stubenmädchen zu finden; hier aber sieht man nichts darin, daß diese auf solche Weise sich die Mittel zu weiterem Studium erwerben, und merkwürdiger Weise sollen die Reisenden mit diesen Dilettanten viel zufriedener sein, als mit den eigentlichen professionellen Aufwärtern.
- Den Maurern und Zimmerleuten in Preußen kann man's nicht verdenken, daß sie große Verehrer der neuen Gerichtsorganisation sind; denn die nöthigen Neubauten sind auf 12 Millionen Thaler veranschlagt und ein paar Millionen laufen immer noch hinterdrein. Die Zeit ist etwas knapp, da die Gebäude bis zum 1. October 1879 fix und fertig stehen müssen.
- Moser überreichte seiner Tochter an ihrem Hochzeitstage sein Lustspiel "Ultimo" als Mitgift Dasselbe hat bis jetzt 50,000 Mark an Tantiemen

[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 2]

eingetragen und wird's in wenigen Jahren auf 100,000 bringen.
- Brigham Young, der Mormonen=Prophet in Utah, hat 2 Mill. Dollars hinterlassen und ein Testament, daß seine 17 Frauen und 65 Kinder, die ihn überlebt haben, sich darein theilen sollen.
- Ein Sackträger in Frankfurt fand die mit 6000 Mark gefüllte Brieftasche eines Lederhändlers und bekam 20 Pfennig Trinkgeld. Also Ihr Herz ist auch von Leder? fragte er.
- In Namslau sind zwei Arbeiter beim Reinigen und Ausbessern von tiefen Brunnen erstickt. Sie hatten vergessen, daß in der Tiefe sich tödtliche Gase entwickeln, die zuerst beseitigt werden müssen.
- Es klingt unglaublich und ist doch wahr, daß zwei Realschüler von 17 und 19 Jahren aus Dresden die Mörder der jungen Wirthin auf Hohenbogen im Bayerischen Walde sind. Sie sind beide bereits verhaftet und geständig, ihr unglückliches Opfer durch Revolverschüsse in den Kopf und Leib getödtet zu haben. Es scheint ihnen um Reisegeld zu thun gewesen zu sein; denn mehrere Wandschränke waren geöffnet; die arme Wittwe hütete gerade allein das Haus.
- Eine große Gansheerde gerieth neulich vom Feld in den Wald und vergiftete sich fast bis zum letzten Stück durch das Fressen von Pilzen. Man müßte den Gänsen die Pilzkunde beibringen; andere Thiere schützen sich durch den Instinkt, Gänse aber bleiben Gänse.
- Eine recht heitere Scene spielte sich, nach der Tribüne, in diesen Tagen in einem der bedeutensten Bankgeschäfte in Berlin ab. Eine alte Frau vom Lande erschien dort Nachmittags mit einer Anweisung, um einige Tausend Mark zu erheben. Als sie in das Comptoir eintrat, blieb sie sichtlich erschreckt über die Menge der Leute und die Großartigkeit der Lokalität stehen. Ein junger Mann fragte nach ihrem Begehr, worauf sie erwiderte, sie wolle Geld holen. Er wies sie an den Cassirer. Von diesem nunmehr befragt, gab sie die Summe an, die sie zu erheben hatte, war aber nicht zu bewegen, ihren "Schien", wie sie sich ausdrückte, herauszugeben. "Erscht tellen Se man det Geld up, denn sollen Se ok den Schien hebben", das war ihre stete Erwiderung, bis sie schließlich ärgerlich wurde und mit den Worten: "Hier sind so viele Düren (Thüren), wenn ick em den Schien gebe, denn geiht he ut de Düre un kümmt nicht widder. He soll schon talen (zahlen)!" sich entfernte. Nach kurzer Zeit kehrte sie in Begleitung eines Schutzmannes zurück. Allen Zuredens ungeachtet blieb sie auch jetzt noch bei ihrer Weigerung, den "Schien" herzugeben, bevor sie ihr Geld in der Tasche habe. Am nächsten Tage kehrte sie mit einer anderen Person zurück und verlangte wieder das Geld, ohne indessen den Schein auszuliefern. Endlich, nach langem Zureden, ließ sie sich bewegen ihren Schein herauszuholen; sie trat zwei Schritte vom Zahltisch zurück, faßte den Schein an der einen Ecke, während ihr Begleiter die andere Ecke erfaßte, und so ausgebreitet hielten sie dem Cassirer das Papier hin, der nun unter Heiterkeit des Personals zahlte und den Schein dann in Empfang nahm.


Anzeigen.

Zum öffentlich meistbietenden Verkaufe des der Stadt Schönberg gehörenden, in der Wasserstraße hieselbst sub. Nr. 63 belegenen massiven Wohnhauses ist ein Termin auf

Mittwoch, den 21. September c.,
Vormittags 11 Uhr, von uns angesetzt.

Kaufliebhaber werden hiedurch aufgefordert, sich zur angesetzten Zeit in der Rathsstube einzufinden, die Verkaufsbedingungen werden im Termine verlesen, sind aber auch vorher bei uns einzusehen.
Schönberg, den 9. September 1877.

Der Magistrat.


Bekanntmachung.

Die Schulden=Regulirungs=Section beabsichtiget in Gemäßheit des Rath= und Bürgerschlusses vom 10. Mai 1875 an der Ausloosung theilnehmende Obligationen der alten Anleihen, sowohl der freiwilligen, wie der contributionsmäßigen, von den Mindestfordernden anzukaufen.
Offerten mit Angabe der Loosnummern und des Betrages der einzelnen Stücke, sowie des Zinsfußes und des Zinsverfalltages, sind bis zum 30. dies. Mts. versiegelt und mit dem Vermerk "Verkaufsofferte" bei Senator Schroeder hierselbst einzureichen.
Lübeck, den 1. September 1877.

Schulden=Regulirungs=Section.     


Der am 24. Mai 1855 hieselbst geborne Johann Friedrich August Carl Brandt, Sohn des früher allhier wohnhaft gewesenen Kaufmanns August Brandt, angeschuldigt, sich dem Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres dadurch entzogen zu haben, daß er ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen, wird auf Grund der Verordnung vom 23. December 1870 zu seiner Vernehmung auf

Sonnabend, den 15. Decbr. dss. Jahres,
Vormittags 11 Uhr

hiedurch vorgeladen unter dem Nachtheile, daß er im Falle seines Nichterscheinens in dem anberaumten Termine dem Befinden nach des angeschuldigten Vergehens für überführt wird angenommen und gegen ihn auf die gesetzliche Strafe wird erkannt werden.
Rehna. den 10. September 1877.

Großherzogliches Stadtgericht.


Torf=Auction.

Am Sonnabend, den 29. Sept., Morgens 9 Uhr soll mit dem meistbietenden Torfverkauf auf dem Rünzer Moor fortgefahren werden.
Schönberg, den 24. September 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.        


Gestern wurden durch die Geburt einer kräftigen Tochter hocherfreut
Teschow, den 20. September 1877.

H. Ihlenfeld u. Frau.     


Allgemeine
Gesellen-Krankenkasse

Der vierteljährige Beitrag von Michaelis bis Neujahr wird am Sonntag, den 30. September Nachmittags 3 Uhr im Lokale des Herrn Gastwirth Krüger hieselbst erhoben.
Die Mitglieder werden ersucht, möglichst zahlreich zu erscheinen, wegen Wahl eines Altgesellen.
Schönberg, im September 1877.

Der Vorstand.     


Für zwei Leute steht noch zu Ostern eine

warme Wohnung
zu vermiethen. Zu erfragen in der Exped. d. Bl.


Korn= u. Kartoffel=Säcke.

Stück 1 M. 12 Pfennig (Mecklenburg). 1 M. 25 Pfennig (Mecklenburg). 1 M. 35 Pfennig (Mecklenburg). 1 M. 75 Pfennig (Mecklenburg). 2 M. 12 Pfennig (Mecklenburg).
Dutz. 12 M. 50 Pfennig (Mecklenburg). 14 M. 25 Pfennig (Mecklenburg). 15 M. 50 Pfennig (Mecklenburg). 20 M. - Pfennig (Mecklenburg). 24 M. - Pfennig (Mecklenburg).
empfiehlt in sehr guten Qualitäten.
Schönberg.

Aug. Creutzfeldt.     


Reifenbiegemaschinen, sowie auch amerikanische Pulver  für Schmiede und Schlosser zum Schweißen von Gußstahl und Gußeisen, halte vorräthig

Ludw. Warncke - Mölln i. L.     


Filz=, Jagd= und Seidenhüte

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Heinr. Schäding     
in Schönberg.       


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Herren= und Knabenmützen

     empfiehlt

Heinr. Schäding     
in Schönberg.       


[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 3]

Vom 24. März bis heute sind nachfolgende Schäden bei unserer Gesellschaft angemeldet:

  1) vom Schulzen Völkner zu Mechow ein Pferd 400 M.
  2) vom Büdner Homberg=Schwanbeck ein Pferd 100 M.
  3) vom Hauswirth Oldenburg=Selmsdorf ein Pferd 200 M.
  4) vom Hauswirth Kröger=Lockwisch eine Kuh 135 M.
  5) vom Hauswirth H. Meier=Mahlzow eine Kuh 120 M.
  6) vom Büdner Ollmann=Klocksdorf ein Pferd 100 M.
  7) vom Arbeitsmann Maaß=Selmsdorf eine Kuh 135 M.
  8) vom Bäckermeister Retelsdorf hier ein Pferd 500 M.
  9) vom Bäckermeister Hagen hier eine Kuh 135 M.
10) vom Förster Blank=Schlagbrügge eine Kuh 135 M.
11) vom Arbeitsmann Kähler Wwe.=Torriesdorf eine Kuh 135 M.
12) vom Hauswirth Oldenburg=Schlagsdorf ein Pferd 600 M.
13) vom Hauswirth Fick=Lüdersdorf eine Kuh 135 M.
14) vom Hauswirth Nehls=Kleinfeldt eine Kuh 135 M.
15) ungedeckt aus voriger Hebung 400 M.
Es kommen hinzu:
16) vom Schulzen Wittfoth in Duvenest ein Pferd 275 M.
17) vom Ackerbgr. Spehr hier eine Kuh 135 M.
und werden unsere Mitglieder ersucht, zur Deckung dieser Schäden einen Beitrag von 80 Pfennigen pro 100 M. Versicherungssumme am

Dienstag den 2. October d. J., Morgens 10 Uhr,

im Boye'schen Gasthause hieselbst einzuzahlen.
Wir haben mit der gegenwärtigen Hebung so lange (sechs Monate) gezögert, um auch in diesem Jahre nur einen dreimaligen Beitrag nöthig zu haben.
Schönberg, den 17. September 1877.

Direction der Viehversicherungs-Gesellschaft im Fürstenthum Ratzeburg.


Durch den Empfang der neuen Waaren ist mein Lager in allen Fächern von

Tuch=, Manufactur= u. Modewaaren
sowohl Herren= als Damen=Artikel

jetzt so schön sortirt und die Preise den augenblicklich günstigen Conjuncturen entsprechend so billig gestellt, daß ich allen Anforderungen zu genügen im Stande bin und auch bei Bedarf bestens empfohlen halte.

Eduard Levissohn     
in Rehna.           


Die noch vorräthigen, von J. Schweigmann übernommenen Waaren habe zum

Ausverkauf

gestellt, und verkaufe dieselben um gänzlich damit zu räumen

! zu jedem nur irgend annehmbaren Preise !

Zum Ausverkauf kommen unter Andern:
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! 1 Parthie Rester !
Der Ausverkauf befindet sich vom Hauseingang links.
---------------------------------------------

Gleichzeitig empfehle ich mein in jeder Beziehung aus das reichhaltigste, completirte Lager, und bin ich durch äußerst günstige Einkäufe im Stande, den mich beehrenden Kunden bei guter Waare sehr billige Preise zu stellen.

     Schönberg.
                                                     Ferdinand Seelig.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 4]

Fritz Reuter's sämmtliche Werke.
Volks=Ausgabe in 7 Bänden oder 28 Lieferungen.
Preis jeder Lieferung nur 75 Pf. (7 1/2 Sgr.)
~~~~~~~~~~~

Um dem längst geäußerten Verlangen des Deutschen Volkes zu entsprechen, haben wir von sämmtlichen Werken Fritz Reuter's neben der bisherigen Ausgabe in 15 Bänden a 3 M. eine Volks=Ausgabe in 7 Bänden oder 28 Lieferungen zu dem billigen Preise von 75 Pf. für die Lieferung veranstaltet. Der Preis der neuen Gesammt=Ausgabe beträgt also noch weniger als die Hälfte des bisherigen Preises. Trotzdem haben wir weder Mühe noch Kosten gespart, diese Volksausgabe nach sorgfältiger Vorbereitung als eine wesentlich verbesserte und in recht guter äußerer Ausstattung erscheinen zu lassen. Zu dem Zwecke wurde nicht nur der Text, so weit möglich, nach den Original=Manuscripten des Verfassers auf's Genaueste revidirt und, so weit bei der gebotenen Schonung der Eigenthümlichkeiten der Reuter'schen Orthographie thunlich, nach bestimmten Gesichtspunkten geregelt, sondern es wurde auch eine reichhaltige Wort= und Sacherklärung unter jeder Seite hinzugefügt, um auch Denjenigen die genußreiche Lectüre der Reuter'schen Werke möglich zu machen, welche mit der plattdeutschen Sprache wenig oder gar nicht vertrauet sind.
Die Volksausgabe der sämmtlichen Werke Fritz Reuter's erscheint vom 1. October d. J. ab monatlich in 2 Lieferungen a 75 Pf., so daß die vollständige Ausgabe in 14 Monaten, also Ende November 1878 in den Händen der Abnehmer sein wird. Wird dieselbe sonach als Ganzes im nächsten Jahre Vielen ein willkommenes Weihnachtsgeschenk bieten. So wird sie doch auch vor Weihnacht d. J. schon hinlänglich vorgeschritten sein, um auch dann schon als Festgeschenk auftreten zu können; um so mehr, als der Inhalt der einzelnen Bände so gewählt und zusammengestellt ist, daß schon die ersten Bände einen mannigfaltigen Schatz Reuter'scher Dichtungen, jede als abgeschlossenes Ganze, enthalten. Der Inhalt aller 7 Bände ist nämlich folgendermaßen geordnet:

I. Band (1.-4. Lieferung). Vorwort und Einleitung. - Fritz Reuter's Leben und Werke. - Ausgewählte Briefe von Fritz Reuter. - Läuschen un Rimels, 1. Theil.
II. Band (5.-8. Lieferung). Läuschen un Rimels, 2. Theil. - Ein gräflicher Geburtstag. - Memoiren eines alten Fliegenschimmels. - Kein Hüsung - Urgeschicht von Mecklenborg.
III. Band (9.-12. Lieferung). De Reis' nach Belligen.
- Woans ick tau 'ne Fru kamm. - Ut de Franzosentid. - Briefe des Herrn Inspektors Bräsig. - Die Reise nach Braunschweig.
IV. Band (13.-16. Lieferung). Hanne Nüte. -Ut mine Festungstid. - Gedichte.
V. Band (17.-20. Lieferung). Dörchläuchting. - De mecklenburgischen Montecchi un Capuletti oder de Reis' nah Konstantinopel.
VI. Band (21.-24. Lieferung.) Schurr=Murr. - Eine Heirathsgeschichte. - Ut mine Stromtid, 1. Theil.
VII. Band (25.-28. Lieferung.) Ut mine Stromtid 2. und 3. Theil.
Das Format der Volks=Ausgabe ist ähnlich dem der Ausgabe in 15 Bänden, der Druck etwas compresser, aber klar und deutlich auf gutem glatten Papier.
Geschmackvolle Einbanddecken werden vorbereitet und sind später durch alle Buchhandlungen zu beziehen.
Um den Abnehmern schon in der zuerst erscheinenden Lieferung etwas von Fritz Reuters Werken selbst zu bieten, haben wir uns entschlossen, die Ausgabe mit dem Anfang von "Läuschen un Rimels", 1. Theil, zu eröffnen. Heft 2-4 des I. Bandes enthalten, in nachstehender Reihenfolgen den Schluß von "Läuschen un Rimels" I., "Vorwort und Einleitung", die Biographie (Fritz Reuter's Leben und Werke") und "Ausgewählte Briefe des Dichters".
Die Abnahme einer Lieferung verpflichtet zur Abnahme des ganzen Werkes. Einzelne Lieferungen werden nicht abgegeben. - Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen entgegen.

Wismar, Rostock und Ludwigslust, im Sept. 1877.

Hinstorff'sche Buchhandlung.     


Rohrsitze
werden eingeflochten à 80 Pfennig bei                          
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Schönberg, 1877.

Heinrich Creutzfeldt.     


Zur Saatzeit empfehle ich
Thorner Breitsäemaschinen und Universalsäemaschinen, sowie Radelreinigungsmaschinen (Trieure) - die das Korn, unter Garantie, von jedem Unkraut und Steinen total reinigen; es stehen solche in mehreren Größen zur Probe aufgestellt bei

Ludw. Warncke - Mölln i. L.     


Zur Kartoffelernte empfehle

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die das Aufnehmen der Kartoffeln um die Hälfte erleichtern in verschiedenen Arten auf Lager bei

Ludw. Warncke - Mölln i. L.     


Ich warne einen jeden, meiner Frau ohne baare Zahlung etwas verabfolgen zu lassen, indem ich für keine Zahlung hafte.

Rottensdorf.                                                     A. Roy.


Gefunden

wurde in Schönberg ein Portemonnaie mit Geld u. s. w. Der sich als rechtmäßiger Eigenthümer Ausweisende kann dasselbe gegen Erstattung der Insertionskosten zurückerhalten in der Exped. der Anzeigen zu Schönberg.


Hals= und Brust=Kranke

muß ich vor den vielen unreellen, oft sogar schädlichen Nachpfuschungen des von mir erfundenen

L. W. Egers'schen Fenchelhonigs

nachdrücklich warnen. Daher wolle man beim Kauf meines gegen Husten, Heiserkeit, Verschleimung Katarrhe, besonders auch bei Kinderkrankheiten seit nunmehr 17 Jahren vieltausendfach bewährten Fenchelhonigs vor Allem darauf achten, daß jede Flasche meine Firma im Glase eingebrannt tragen, mit meinem Siegel geschlossen und auf dem Etiquette mit meinem Namenszug versehen sein muß. Uebrigens ist meine Verkaufsstelle in Schönberg bei Buchbinder C. Sievers.

L. W. Egers in Breslau.
Erfinder des Fenchelhonigs.


Nachdem ich von meiner Entbindung, Gott sei Dank, so weit wieder hergestellt bin, kann ich jetzt meinen Geschäften wieder nachgehen.
Schönberg.

Marie Eckmann,     
Hebamme.         


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen19 M -Pfennig  bis 25 M -Pfennig.
Roggen13 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Gerste15 M -Pfennig  bis 16 M -Pfennig.
Hafer13 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.
Erbsen14 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,30 .
Hasen d. St. M3 - 4 .
Enten d. St. M1,60 .
Hühner d. St. M1,40 .
Kücken d. St. M0,70 .
Tauben d. St. M0,40 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 5 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 75 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 25. September 1877.


Weltumstürzler.

In der belgischen Stadt Gent hat vom 9. bis 12. Sept. eine Versammlung von 45 Revolutionären aus aller Herren Länder stattgefunden, die sich den Namen "Socialistischer Weltcongreß" beilegte. Radicale, Socialisten, Communisten, Collectivisten, Individualisten, (Anarchisten, Autoritarier), Bakunisten, Internationale und wahrscheinlich noch die Anhänger anders benannter Parteien mit mancherlei Schattirungen waren hier vertreten und theilten sich in verschiedene Lager. Stellt man sich vor, daß auf dem Congreß mindestens ebenso viele Sprachen gesprochen wurden, so wird man bereits einen leisen Begriff von dem babylonischen Charakter desselben erhalten. Die Verwirrung, welche in Gent herrschte, tritt aber erst dann deutlich in die Augen, wenn man sich die Mühe nimmt, die Debatten jener Herren nachzulesen. In denselben wimmelt es von Anklagen, Verleumdungen, Vertheidigungen und Entschuldigungen, von paradoxen Behauptungen und Gemeinplätzen, von unverständlichen Anträgen und himmelstürmenden Beschlüssen, von Kriegserklärungen und Weltverbrüderungen, von "kleinbürgerlichen Utopien" und andren Confusionen. Von den geistreichen Wendungen, zu welchen die Debatten Anlaß gaben, erwähnen wir - und zwar, um dem Congreß in keinem Falle Unrecht zu thun, nach einem socialistischen Blatte - den folgenden Weisheitsspruch eines Hauptredners: "Der Communismus ist Gemeinschaft und Regierung, und der Anarchismus ist Gemeinschaft und Anarchie." Ein Italiener behauptete, der Staat sei für die autoritären Socialisten, was der Gott in der Natur. Man habe Gott abgeschafft und in der Natur gehe alles seinen Gang; wenn man den Staat abschaffe, werde auch alles seinen Gang von selbst gehen. Derselbe meinte, daß bei einer Revolution das Volk von den Revolutionären nicht "geleitet," sondern blos "beeinflußt" werde. Von den Beschlüssen erwähnen wir den folgenden: "In Erwägung, daß, so lange das Land und die übrigen Arbeiterinstrumente, welche die Grundlage des Bestehens der Gesellschaft bilden, von einzelnen Individuen oder Klassen in Besitz genommen oder als Privateigenthum monopolisirt werden, die ökonomische Unterdrückung der Masse des Volkes mit ihren nothwendigen Folgen: dem Elend und der Aushungerung fortdauern muß, erklärt der Congreß: Es ist nöthig, daß der Staat, welcher das ganze Volk vertritt und umfaßt und innerhalb dessen die freien Communen organisirt sind, Eigenthümer des Landes und der übrigen Arbeitsinstrumente werde." Welchen Namen soll man einer Versammlung beilegen, die sich nicht scheut, von einer Aushungerung der Massen des Volkes zu sprechen und zur Beseitigung derselben die Plünderung der Grundeigenthümer und Arbeitgeber verlangt? Hätte der Congreß nicht Schon durch seine Zusammensetzung, durch die Namen seiner Mitglieder Farbe bekannt, er würde durch diesen Beschluß kundgethan haben, daß zwischen der heutigen Gesellschaft und Männern solcher Grundsätze das Tischtuch zerschnitten ist.


- Der General=Feldmarschall Graf Moltke hat - wie der "Bonner Ztg." aus Köln mitgetheilt wird - am 12. d. M. mit seinen beiden Adjutanten, Oberst de Claer und Hauptmann v. Burt, die Druckerei der KölnischenZeitung" besichtigt. Nachdem er sich die Zimmer der Redaction besehen und mit dem Senior derselben, Herrn Brüggemann, einige Worte ausgetauscht hatte, betrat er den großen Setzersaal, in welchem gerade das ganze Personal in voller Arbeit war. Während er durch die Reihen der Regale schritt, und bald bei diesem, bald bei jenem Kasten dem Setzer zuschaute, waren sechs Mann beschäftigt, in aller Geschwindigkeit einen Satz herzustellen, der dem berühmten Gaste frisch aus der Presse überreicht werden sollte. Binnen fünf Minuten war das Werk fertig gesetzt, corrigirt und mittelst der Rolle gedruckt. Das erste Exemplar wurde dem Feldmarschall überreicht, worauf auch das ganze Gefolge mit Abdrücken versehen wurde. Der Gruß, den der Oberst de Claer unter allseitigem Beifall laut vorlas, lautete folgendermaßen:

Dem Generalfeldmarschall Herrn Grafen Moltke
am 12. September 1877.

     Heil und Dank Dir, Schlachtenleiter,
        Daß Du auch bei uns erschienst
     Und auch unsere wackern Streiter
        Inspicirst und ihren Dienst.
     Ja, die kleinen Bleisoldaten
        Sind, verhunderttausendfacht,
     Wohlgeführt und wohlberathen,
        Auch 'ne respectable Macht.
     Täglich zieht ihr Kriegsgeschwader
        Tapfer aus zum Geisterstreit,
     Ihre großen Hinterlader
        Schießen tausend Meilen weit.
     Schau' im Kasten hier die Letter!
        Einzeln ist sie wohl ein Zwerg,
     Doch im Chor ein Sieg'sgeschmetter:
        Freiheit Licht und Guttenberg!
                                     Die Typographen
                    der M. DuMont=Schauberg'schen Officin
                                            in Köln.

- Drei deutsche Generale in Rußland treten plötzlich in den Vordergrund: die Generale v. Kotzebue, Kauffmann und Tottleben. Als man in Petersburg den Krieg wider die Türkei plante, fragte man den General Kotzebue, ob er die Armee kommandiren wolle. Er antwortete, nur dann, wenn ich mit 600,000 Mann marschiren kann. - Unverschämter Deutscher, sagten die Altrussen am Hofe! 600,000 Mann gegen die Türken! rein lächerlich, - Von Kotzebue war nicht mehr die Rede; sie thaten's billiger und - schlechter, wie Reuleaux sagt. - Im Kaukasus steht General Kaufmann, auch ein Deutschrusse, ein guter General von Ruf, ein tüchtiger Organisator und Verwalter und ein gewissenhafter, unbestechlicher Mann. Und das ist die Hauptsache; denn er soll jetzt Generalintendant an der Donau werden und dazu gehört eine geschickte, starke und reine Hand, damit die armen Soldaten nicht halb erfrieren, verdursten und verhungern, eine Hand, wie sie bis jetzt gefehlt hat. Kaufmann hat das Geschichtchen von den famosen Berliner Unterjacken schon gelesen und wird den russischen Armeelieferanten die Jacken klopfen. Die Geschichte ist diese. Ein russischer Lieferant bestellt in Berlin 60,000 wollene Unterjacken, jede Jacke für 2 Thaler. Ein vorwitziger Berliner sah sie und rief: Hurrje, diese Jacken sollen die Soldaten geliefert bekommen? Sie zerreißen ja im Anziehen! - Sie sollen ja auch nicht angezogen, sondern nur geliefert werden, antwortete der Lieferant unverfroren. - Einer der Hauptlieferanten für die russische Armee sitzt in Bukarest, lebt wie ein Fürst und wer mit ihm Geschäfte machen will, muß seinen beiden französischen Tänzerinnen oder Sängerinnen die Hände nicht nur küssen, sondern auch vergolden. Das thun denn auch die Geschäftsleute und für die armen Soldaten bleibt nicht viel übrig. - Für den alten Moltke, wenn er dem Kaiser Alexander geborgt würde, gäbe er gleich eine Million. Seine Generale haben zwar auch den Moltke studirt, aber das Examen ist schlecht ausgefallen. Sie haben sogleich eine Hauptregel Moltke's, mit der man Schlachten gewinnt, nicht kapirt: daß man immer, wo man schlagen will oder muß, mit überlegener Anzahl zur Stelle sei: sie waren fast immer unterlegen. Das Schlimmste aber war, sie haben oft

[ => Original lesen: 1877 Nr. 75 Seite 6]

mit papiernen Regimentern gekämpft, das heißt mit Regimentern, die zwar vollständig auf dem Papiere, aber sehr unvollständig auf dem Schlachtfelde standen.
- Wie Kaiser Wilhelm mit den ihm zur Entscheidung vorgelegten Todesurtheilen verfährt. Des Kaisers seltene Gewissenhaftigkeit ist bekannt und folgender Beitrag, der zugleich einen Beweis von der großen Arbeitslast des Kaisers liefert, wird Jedermann interessiren. Der Kaiser hat sich einen Kalender anfertigen lassen, auf welchem alle frohen Ereignisse, die ihn und seine Familie einmal betroffen haben, alle besonderen Glücksfälle und alle Gnadenerweisungen Gottes verzeichnet sind. Der Kalender liegt stets auf seinem Arbeitstisch und darunter werden die meist sehr umfangreichen Actenstücke geschoben, welche Todesurtheile enthalten. Darunter ruhen sie oft lange; denn der Kaiser geht nur ungern daran. Wenn der hohe Herr dann aber einmal Abends seinen Kalender zur Hand nimmt und ein besonderes frohes und glückliches Ereigniß für den Tag verzeichnet findet, dann nimmt er ein Todesurtheil hervor und begiebt sich an die Arbeit. Er setzt sich auf einen Stuhl so hoch, daß seine Füße nicht bis auf den Boden reichen und ohne Lehne, daß er sich nicht anlehnen und etwa einschlafen kann. Und dann beginnt er zu lesen und liest das Actenstück, so umfangreich es auch sein mag, vom Anfang bis zu Ende, Wort für Wort, ohne Unterbrechung durch, wie spät es auch darüber wird. Der Eindruck der Verhandlungen soll in ihm durch nichts gestört werden und nach Beendigung des Lesens trifft er sofort seine Entscheidung. Der Kaiser hat bekanntlich seit längerer Zeit kein Todesurtheil unterzeichnet.
Die Ernte in den Ver. Staaten ist in diesem Jahr eine besonders ergiebige gewesen. Mais ist überall gerathen und wird wohl in manchen Gegenden im Westen theilweise die Stelle von Holz oder Kohle als Heizungsmaterial ersetzen müssen, wie dies schon häufig geschehen. Gemüse werden in colossalen Massen auf die Märkte gebracht, so daß selbst bei den niedrigen Preisen die Zufuhr die Nachfrage bei Weitem übersteigt. Man hofft auf ein großes Ausfuhr=Geschäft in Getreide und erwartet, daß sich in Folge dessen Handel und Wandel wieder heben wird.
- Ein neues Wunder hat sich in Trier ereignet. Der Zug nach dem Gnaden= und Wunderorte Marpingen hatte sich verspätet. Hunderte von frommen Pilgern drängten nach den Wagen und der Schaffner drängte am meisten - zum raschen Einsteigen. Die hinterste der frommen Pilger war eine arme Gelähmte, sich an zwei Krücken daher schleppend. Rasch, rasch! rief der Schaffner schon pfiff's. Da nahm die Gelähmte ihre Krücken unter den Arm wie einen Regenschirm, rannte über den Perron, war mit einem Satze in den Wagen und der Zug brauste von dannen.
- Von einem über den Tod seiner Kinder wahnsinnig gewordenen Vater erzählt das neue Berliner Tageblatt: Ein Arbeiter in Lichterfelde hatte in der vergangenen Woche das Unglück, seine drei Kinder vom Tode hinweggerafft zu sehen. Wie er das Letzte derselben am Donnerstag zu Grabe getragen hatte, verfiel er mit einem Male in Stumpfsinn, der zeitweise in Tobsucht ausartete, die arme Frau wußte in ihrer Verzweiflung keinen anderen Rath, als ihren Ernährer zur Heilung nach der riesigen Charite befördern zu lassen. Den Transport dorthin übernahm die Polizei. Tief ergreifend war der Ausblick, wo der Wahnsinnige auf dem Steglitzer Bahnhof ins Coupee gebracht werden sollte. Fest und unbeweglich blieb er vor der Waggonthür stehen, indem er mit lauter Stimme ausrief: "Ohne meine Kinder fahre ich nicht, sie sind wieder lebendig geworden, bringt sie mir erst. Ihr wollt sie noch einmal lebendig begraben." Kein Zureden, keine Beruhigung half, der Arme mußte von mehreren Männern mit Gewalt in den Wagen gebracht werden.
- Wurst wider Wurst. In dem ersten Hefte des zweiten Jahrganges der Nürnberger "Zeitschrift für deutsche Culturgeschichte" beschreibt Professor Wachsmuth in Leipzig die Zustände Hildesheims, wie sie vor etwas längerer Zeit denn einem halben Jahrhundert gewesen und wie sie der Verfasser zum Theil noch aus eigener Anschauung kannte. In der Schilderung des Selbstgefühls eines "Hilmenschen Börgers" seiner Obrigkeit gegenüber erzählt er: Ein Non plus ultra dieser Art von Selbstgefühl wurde von einem Fuhrmann Teigler ausgeführt, der die Rollen eines Schalksnarren der Stadt spielte und wegen seines kecken Unwillens bekannt war. Eines Nachts ruft er seinem Knaben: "Junge stah up!" heißt ihn sich ankleiden, führte ihn zum Hause des Bürgermeisters, pocht dessen Leute aus dem Schlafe und begehrt, bei dem Bürgermeister vorgelassen zu werden. Man weckt diesen: Teigler tritt ein, begrüßt ihn und spricht nun zu seinem Buben die klassischen Worte: "Sieh', dat is dat Recht von en Hilmenschen Börger, dat hei in aller und jeder Thit den Borgemeister sprechen kann. Nichts vor ungut, Herr Borgemeister." Darauf geht er mit einem: "Gute Nacht" von dannen. Das blieb denn freilich nicht ungeahndet. Einige Tage nachher wurde er durch ein Commando Stadtsoldaten nach dem Rathhause geholt und in den sogenannten bürgerlichen Gehorsam gebracht; hier mußte er ein paar Tage bei Wasser und Brod sitzen und wurde dann mit der Bedeutung entlassen, er möge nun seinem Sohne ebenfalls deutlich machen, was für Befugnisse einem Hildesheimer Bürgermeister zuständen.
- Ein wundervolles Büchlein ist betitelt: "Neues Laienbrevier des Häckelismus" von Reymond, welches die Darwin'sche und Häckel'sche Theorie von der Abstammung des Menschen in Reimen behandelt und den gelehrten Herren manchen geistvollen Hieb versetzt. Der Verfasser ist ein äußerst feiner Kopf, der dem Humor in der Wissenschaft zu seinem Rechte verhilft. Wir theilen das Capitel von den Nerven für die Leser mit:
     Wir kommen jetzo zu den Nerven:
     Da bitt' ich sehr, sich einzuschärfen:
     Die Nerven ziehen sich wie ein Strick
     Vom Hirn herunter durch's Genick.
     Und weiter noch bis zu den Lenden
     Und spalten sich an allen Enden.
     Man kann nach Anlag und Verbreitung
     Mit einer Telegraphenleitung
     Vergleichen sie, die im Hotel
     Vermittelt den Verkehr so schnell.
     Man drückt gefälligst auf den Knopp:
     Gleich kommt im Frack und im Galopp
     Ein Kellner mit erhitzten Waden
     Und fragt: Befehlen Euer Gnaden?
     Mit unsern Nerven geht es gleich!
     Auf jeden Stoß, auf jeden Streich,
     Auf jeden Rupf auf jeden Knuff,
     Auf jeden Stupf, auf jeden Puff,
     Auf jeden Muck, auf jeden Druck
     Gibt's 'nen "Sensiblen" Nervenzuck,
     Und dieser rapportirt ad hoc
     Den Vorfall nach dem obern Stock.
     Hier wird im selbigen Moment,
     Ein Nerv, den man "motorisch" nennt,
     (Dem Kellner ähnlich, den ich Euch soeben zeigte zum Vergleich)
     An Ort und Stelle kommandirt,
     Wo er das Nöthige arrangirt.
     Die Nerven geben viel zu schaffen
     Versagen gleich dem Telegraphen
     Den Dienst und geh'n von selber los;
     Dann heißt's "Monsieur ist heut nervös",
     Doch wenn es gar Madam betrifft
     Da nähm' ich lieber Fliegengift -
     Weßhalb ich Jedem freundlich rath':
     Nimm' keine Frau, die Nerven hat!
     In dieser Hinsicht nach den niedern
     Gasträ'n und Protozoen=Brüdern
     Mit Neid, o Mensch, hinunterschau:
     Die haben weder Nerv' noch Frau!


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