No. 36
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 07. September
1860
dreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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Neustrelitz, 1. Sept. Die heutigen Nachrichten über das Befinden Sr. Königlichen Hoheit des allerdurchlauchtigsten Großherzogs sind nicht ganz befriedigend. Seine Königliche Hoheit haben eine unruhige Nacht gehabt. - Vom 4. Die neuesten Nachrichten über das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des allerdurchlauchtigsten Großherzogs lauten augenblicklich wohl etwas besser, doch nicht beruhigend. Seine Königliche Hoheit haben die letzte Nacht etwas geschlafen und nicht über Schmerzen geklagt.
- Ein Rückblick auf die Geschichte der letzten Jahre zeigt, daß die Bedeutung Preußens für Europa gestiegen ist. Derselbe Staat, der noch vor zwei Jahren im Rath der Großmächte fast gar nicht mitzählte, ist für den Augenblick fast der wichtigste der fünf großen Staaten geworden, sein erstes entschlossenes Eingreifen in die schwebenden Processe Europas hat die Sachlage wie mit einem Schlage verändert, die Ränke Frankreichs sind gekreuzt, seine Fortschritte aufgehalten, die unheimliche gewitterschwüle Stimmung, welche dadurch hervorgebracht wurde, daß jede der Großmächte mißtrauisch und beobachtend den andern gegenüberstand, scheint ihrem Ende nahe; die erste Bürgschaft für den Frieden Europas, Allianzen der Mehrzahl bereiten sich vor. Das Berliner Kabinet ist vom Auslande respectirt, dem Prinzregenten kommen nicht nur die Aufmerksamkeiten seiner Mitfürsten von allen Seiten entgegen, er wird auch fast in ganz Europa wie ein aufgehender Stern besprochen, er ist gerade jetzt vielleicht der populärste aller Souveräne.
- Kaiser Napoleon hielt auf seiner jetzigen Rundreise in Lyon eine Rede, deren kurzer Sinn war: Der Friede wird nicht gestört werden, geht an eure Arbeit!
- Was gegenwärtig in Neapel vorgeht, hat wenig Beispiele in der Geschichte. Obgleich man seit Monaten auf dies Alles vorbereitet war, so kann man doch nicht sein Erstaunen unterdrücken, wenn man die Demoralisirung sieht, die allenthalben in diesem Königreich zu Tage tritt. Ein solches Beispiel hat selten ein Heer gegeben, das solche ungefährliche Gegner wie Garibaldi gefunden. In Neapel sieht man ein trefflich bewaffnetes Heer sich auflösen und die Flucht ergreifen vor einer fünffach kleineren Schaar, der es an Vielem gebricht, was jenes in Ueberfluß besitzt, die aber das Eine hat, was jenem abgeht: Ausdauer und Muth. Daß aber die Generale selbst in den König dringen, seine Sache aufzugeben, daß die Officiere selbst das Beispiel liefern, wie wenig ihnen an ihrer Fahnenehre liegt, das ist beispiellos in der Geschichte der modernen Heere. Die Empörung macht reißende Fortschritte, immer mehr Truppen fallen ab. Ein steigender Schrecken herrscht trotz äußerer Ruhe in Neapel, revolutionäre Aufrufe werden ohne Hinderniß vertheilt und die Verwirrung wächst mit jedem Tage. Land= und See=Officiere haben in Masse ihre Entlassung eingereicht. Die Generale haben in einer Conferenz beschlossen, dem König zur Abreise zu rathen.
- Die ersten französischen Truppen sind unter dem General d'Hantpoul, in Syrien angekommen. In Damascus ist die Ordnung wieder hergestellt; die energischsten Maßregeln sind getroffen, um diesen Zustand während der Aburtheilung und Hinrichtung der Schuldigen auf dem Schauplatz ihrer Verbrechen zu erhalten. Der Häuptling, der zu den Metzeleien aufgestachelt hat, ist festgenommen und in Ketten gelegt worden. 107 der Angeschuldigten sind auf der Stelle gehängt, andere 60 erschossen und 751 nach Konstantinopel geschickt. Unter den Gehängten sind mehrere aus den ersten Familien von Damascus.
- Der preußische Handwerkertag, welcher in Berlin zusammengetreten ist, hat den Unwillen der liberalen Presse in hohem Grade auf sich gezogen. Schon die bisherigen Berathungen der Versammlung zeigten klar, ein wie tiefer Gegensatz zwischen den Anschauungen der praktischen Fachmänner und den liberalen Reformbestrebungen ihrer theoretischen Lehrmeister besteht. Die Forderung der schrankenlosen Gewerbefreiheit, mit welcher ein beim letzten preußischen Landtage eingebrachter Antrag den Handwerkerstand in Preußen beglücken will, hat eine Gegenbewegung hervorgerufen, die vor Allem den thatsächlichen Beweis liefert, daß im Handwerk noch ein Kern gesunder conservativer Gesinnung vorhanden ist, und daß die Gewerbtreibenden nicht gemeint sind, ihre bessere Erkenntniß von dem, was ihnen frommt, blendenden Zeitlosungen, die eigentlich den engherzigsten Sonderinteressen der Speculation entstammen, zum Opfer zu bringen. Nicht weniger lehrreich wird es für die Urheber des erwähnten Antrags sein, daß mehrere Redner es ihnen dankten, den Handwerkerstand aufgerüttelt zu haben zur richtigen Würdigung und Erhaltung des Guten, was seit 10 Jahren von ihm oft vernachlässigt sei. Daß in Fragen wie die vorliegenden die Wahrung genossenschaftlicher Interessen auch manche einseitige Richtung nimmt und manchen einseitigen Ausdruck findet, liegt in der Natur der Verhältnisse. Jedenfalls wird aber durch die jetzigen Berathungen des Handwerkertages über die wirkliche Stimmung in den gewerblichen Kreisen ein aufklärendes Licht verbreitet, welches nur dazu dienen kann, von

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reformerschen Mißgriffen auf dem Gebiete der Gewerbegesetzgebung abzuhalten.
- Leipzig und die Umgegend ist am 27. Aug. von einem furchtbaren Hagelwetter heimgesucht worden. Das Wetter dauerte nur 10 Minuten, wirkte aber fast wie ein Bombardement; denn die Hagelstücke fielen wie Hühnereier, viele wogen 6 bis 8 Loth. In Feld, Wald und Garten ist die Verwüstung fürchterlich. In der Stadt sind 2900 Straßenlaternen zertrümmert, Brockhaus Druckereigebäude zählt 1900, die Post 700, die Börse 500 zerbrochene Scheiben. Das Glas ist um die Hälfte gestiegen. Obgleich in Leipzig regelmäßig Glas im Betrage von über 100,000 Thaler auf Lager sich befindet, werden doch diese Vorräthe den Bedarf bei weitem nicht zu decken im Stande sein. Man kann sich hieraus einen ungefähren Begriff von dem Umfang der allein an den Scheiben angerichteten Verwüstung machen. Der Schaden, welchen dieses Unwetter der Stadt Leipzig allein zugefügt hat, wird auf mehr als eine halbe Million Thaler geschätzt.
- In Schwerin kamen in voriger Woche mit der Eisenbahn zwei russische Hengste von Petersburg an, um über Hamburg nach Paris abzugehen. Es waren prachtvolle Thiere, namentlich aber zeichnete sich ein Schimmel durch Stärke und Größe und eleganten Bau aus. Die begleitende Mannschaft, von den rothen Husaren, waren stattliche Leute mit ächt russischem Typus; alle trugen die Krimmedaille, eine in der That für einen Besuch in Paris sehr passende Decoration. Die Leute waren mobil und unterhielten sich im Waggon auf der Fahrt von Rostock hierher in lebhafter Weise; Schade nur, daß die gemüthlichen Russen der deutschen Sprache nicht mächtig waren und sich ihren Mitreißenden nur durch Zeichen verständlich machen konnten. Als sie eben unter einander in eifrigem Gespräch begriffen sind, nimmt ein von Doberan nach Schwerin zurückkehrender Musikus sein Instrument, die Trompete, heimlich vor und beginnt die russische Volkshymne zu blasen. Die Russen horchen auf, die heimathlichen Klänge ergreifen sie mächtig, sie springen von ihren Sitzen auf und augenblicklich haben sie den Musiker umringt, der ihnen nun in meisterhafterweise ihre Nationalmelodie vorträgt. Man versteht ihre lebhaften Aussprüche nicht, nur der Name Alexander ist verständlich und der Ausdruck der Verehrung und Liebe, mit dem sie ihren Kaiser nennen. Dieser an sich unbedeutende Vorfall charakterisirt die Russen besser als lange Abhandlungen: Liebe zum Vaterlande, Liebe zum Kaiser ist ein charakteristischer Zug des ganzen russischen Volkes. (N. C.)
- Von dem höchsten und seltensten Besuche in Berlin hat jüngst nur eine Zeitung berichtet, vielleicht weil er einem Handwerker gegolten hat. Der lag Morgens im 3. Stockwerk unter dem Dache im Schlaf, da klopfte es, aber am Fenster. Er rieb sich die Augen und rief herein! Herein spazierte durch's Fenster ein Unbekannter im Hemd. Gut'n Morgen, woher? - Schön Dank, nicht weit, nur vom nächsten Dachfenster. Der Exekutor pochte schon früh Morgens unverschämt an meine Thüre und faßte Posto; da empfahl ich mich stillschweigend durch's Fenster und über's Dach und nun bin ich hier. Sie entschuldigen meinen s. z. s. Anzug, ich hatte wenig Zeit zu wählen. Mag dem Herrn drüben an meiner Thüre Zeit und Weile lang werden! - Mittags war sie ihm zu lang geworden, die neuen Nachbarn sahen ihn aus der Vogelschau über die Straße sich entfernen.
- So weit sich bisjetzt übersehen läßt, werden in diesem Jahre einmal die Hageln=Versicherungs=Gesellschaften ziemlich, durchweg mit einem günstigen Resultate abschließen. Wenigstens ist die Zeit, in der nach gewöhnlichem Verlauf der Witterung bedeutende Hagelschäden zu erwarten sind, für dieses Jahr wohl vorüber und die bisher entstandenen Schäden sind ganz außerordentlich gering.
- Ueber das Dampfpflügen schreibt man aus England, daß dasselbe dort immer größere Ausdehnung gewinne. Besonders hat der Mangel an Arbeitern diese Cultur befördert. Mehrere hundert Dampfpflüge sind bereits in Thätigkeit - 50= bis 60,000 Pferdekraft Dampfmaschinen arbeiten für den Landmann - und man berechnet bei besserer Arbeit die Ersparung dabei auf 40 Procent. Die Landwirthe, welche mit Dampfkraft pflügen, haben zwei Drittel ihrer Pferde abschaffen können; daneben wird durch Benutzung des Dampfpfluges eine sehr bedeutende Zeitersparniß gemacht. Die hohen ersten Anschaffungskosten eines Dampfpfluges betragen 3= bis 5000 Thaler und werden dadurch erleichtert, daß eine solche Maschinerie von mehreren Landwirthen benutzt werden kann. Die Anwendbarkeit und Zweckmäßigkeit der Einführung der Dampfkraft beim Ackerbau in Deutschland wird hauptsächlich wie hier von der dortigen Höhe der Arbeitslöhne und den Kosten der Pferde, sowie der Futterpreise abhängen.
- Ein Orkan nebst Sturmfluth an der schleswigschen Westküste in der Nacht vom 23. August haben an vielen Stellen Schiffstrümmer angetrieben. Unweit Helgoland trieb ein Fahrzeug ohne Masten umher, eine Galeas war bei Höier aufs Land geworfen und es gewährte Morgens als die Ebbe eintrat, einen traurigen Anblick, die große Masse von todten Pferden und Schafen, von Kleidungsstücken, Bettzeug, Tischen, Tonnen etc. zu sehen, mit welchen die Dossirung des Deiches überstreut war. Eine Anzahl deutscher Arbeiter, welche am Deiche bisher beschäftigt waren und das Meer nie in voller Wuth gesehen hatten, wurden von solchem panischen Schrecken ergriffen, daß sie eiligst ihre Bündel geschnürt und sich nach ihrer Heimath zurückbegeben haben. Auf den höher gelegenen Feldern hat der Sturm viel Getreide ausgepeitscht.
- Nicht nur das nördliche Deutschland ist von dem vielen Regen heimgesucht, sondern auch aus dem mittlern und südlichen, weiter aus Dänemark, Schweden und Finnland, England, Holland, Belgien, Frankreich, der Schweiz überall dieselben Klagen, wenn es auch nicht in allen Gegenden gleich schlimm ist.
- Was aus alten Kleidungsstücken wird. Ein Engländer sagt hierüber: Nichts geht verloren, der elegante Anzug der Dandis, die Toilette der feinsten Damen werden über das Meer verschifft, um dort neuen Effect zu machen und neue Bewunderung zu erregen. Die einfachen bürgerlichen Kleidungsstücke gehen nach den vereinigten Staaten, wo die deutschen Auswanderer sie mit Freuden kaufen, als wenn sie ihnen eine Erinnerung böten an das Europa, welches sie für immer verlassen haben. Die Uniformen und Epauletts finden im südlichen Amerika sichern Absatz. Diese Völker lieben den Flitterstaat, die Tressen und die Gold= und Silberstickerei mit wahrer Leidenschaft. Da es aber in den Tropengegenden mehr Lorbeeren als Schneider, in den Armeen mehr Officiere als Soldaten und so viele Generale giebt, daß man sie nicht zählen kann, so kann man sich leicht einen Begriff davon machen, wie gesucht alle Uniformen dort sind. Für alte Hüte ist in Haiti der Hauptmarkt. Es ist die größte Eitelkeit der Schwarzen, einen in Europa gefertigten Hut auf seinen Wollkopf zu setzen, namentlich einen weißen. Auf die Façon kommt es gar nicht an. Schmutzige getragene Handschuhe werden gereinigt, parfümirt und dann nach den Philippinen oder Jamaica geschickt. Alter Kirchenschmuck, alte goldgestickte Chorröcke verkaufen sich am besten in Brasilien und Chile, wo es sehr viele Priester giebt. Der Handel mit diesen alten Kleidungsstücken ist viel bedeutender als man glaubt, namentlich von Frankreich aus. Kein Schiff segelt von Havre ab, ohne eine Menge Kisten mit diesem Artikel mitzunehmen, und selbst in altem Schuhzeug werden noch bedeutende Geschäfte gemacht. Die feinen weißen Damenschuhe, welche während einer Ballnacht den kleinen Fuß einer hübschen Französin geschmückt haben, endigen erst in Amerika ihre Existenz, und Massen von Stiefeln und gröberen Schuhen werden mit bedeutendem Gewinn in Australien und Californien verkauft.


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Türkische Leichenbestattung und religiöse Ideen der Türken über den Tod.

Stirbt ein Muselmann, so darf seine Frau den Leichnam nicht mehr berühren, denn er ist durch Gott von ihr geschieden; der todte Körper wird dann in eins der bei jedem türkischen Kirchhofe befindlichen Leichenhäuser gebracht, und es werden ihm dort unter gewissen Ceremonieen Hände, Füße und Gesicht mit Wasser abgewaschen, hierauf in die Ohren, Nasenlöcher, den Mund, auf die Augen, unter die Armhöhlen, in die Hände, unter die Fußsohlen u. s. w. Watten gestapft, damit durch den etwa auslaufenden Speichel oder Schweiß keine neue Verunreinigung vorkomme. Alsdann wird der Körper in einen an beiden Enden offenen Leinwandsack genäht und in den Sarg gelegt nachdem vorher der Kopf bis auf einen Büschel Haare am Scheitel glatt rasirt war. Ist der Sarg geschlossen, der wie eine Todtenkiste der Juden aussieht, so springt der Imam (Priester) auf denselben, tritt heftig darauf herum und ruft den Todten bei seinem Namen, indem er oft die Worte wiederholt: "Besinne Dich, verwirre Dich nicht!" Aus dem Leichenhause wird dann der Verstorbene in sein Grab gebracht; die Frauen werden im Sarge mit beerdigt, weil bei ihnen zwar Unsterblichkeit vorausgesetzt wird, aber sie nicht in das Paradies kommen; die Männer werden jedoch am Grabe, wo zur Vertreibung der bösen Geister vorher ein Feuer angezündet worden, aus dem Sarge genommen und auf ein Brett in die Gruft gelegt. Diese letztere ist oben gewölbt, damit der Körper Raum zum Sitzen habe, wenn er nach dem Glauben der Türken vor Eintritt ins Paradies den Prüfungen zweier Engel ausgesetzt wird. In der ersten Nacht kommt der Teufel (Scheidan) in der Gestalt einer Schlange und bohrt sich vom Kopfe bis zum Fußende durch das Grab, dann kommen die beiden Engel, ergreifen den Todten bei dem Haarbüschel, ziehen ihn aus dem Sacke, setzen ihn zwischen sich und fragen ihn: "Wer ist Dein Herr?" Läßt sich der Todte dann irre machen und antwortet: "Mein Herr bist Du!" so fällt er der ewigen Verdammniß anheim; darum lauten noch die letzten Ermahnungen des Imams: "Verwirre Dich nicht!" Der Todte soll nämlich antworten: "Mein Herr ist Gott!" -
Mit dem Auffüllen des Grabes geht das Leiden der Todten an. Die Gruft drückt nach der Idee der Türken nämlich dergestalt auf die in ihr enthaltenen Körper, daß alle Milch, die sie von ihrer Mutter eingesogen haben, ihnen aus der Nase strömen soll. Hat der Todte die Prüfungen der Engel aber bestanden, so wird ihm die Grube täglich leichter, wie man sich ja auch im Leben an Alles gewöhnt, und schließlich fühlt er den Druck gar nicht mehr. Am 40. Tage fällt die Nase ab. Wer dann den Schmerzensschrei des Todten hören könnte, würde vor Angst gleich umfallen. Aber die Hinterbliebenen können dem Verstorbenen den Schmerz sehr erleichtern, wenn sie am 40. Tage in aller Frühe Lockma (eine Oel= oder in Oel gesottene Mehlspeise) an alle Freunde, Verwandte und Nachbarn austheilen; demselben Schmerzensschrei soll der Todte auch von sich geben, wenn er aus der Hausthür von seinen Angehörigen getragen wird; aber der barmherzige Gott, der wohl weiß, daß die Menschen dies nicht ertragen könnten, hat ihre Ohren verstopft, so daß sie den Schrei nicht hören. Die Türken tragen ängstlich Sorge dafür, daß die Gräber nicht entweiht, und die Stellung der Körper nicht verrückt werde, weil sie glauben, daß ein Theil des Körpers als Kern der künftigen Auferstehung unverwest bleibe. Welcher Theil es aber ist, darüber schweben die Geistlichen der Türken selbst noch im Zweifel.
Zu den besonderen Auszeichnungen eines türkischen Kirchhofes gehören auch die Grabsteine, die fast ausschließlich von Marmor sind. Sie sind zu einer rohen Abbildung der menschlichen Gestalt geformt, mit einem durch einen Turban bedeckten Haupte, dessen Gestalt die Würde und den Rang des Verstorbenen bezeichnet. Auf der Brust befindet sich eine arabische Inschrift mit dem Namen des Todten, ohne irgend eine Erwähnung seiner Tugenden und Vorzüge, da die Türken nie eine solche Lobrede dulden. Die Steine auf den Gräbern der Weiber haben keine solche Auszeichnung,
nur eine Lotosstaude schmückt sie, und der Kopf ist ähnlich einem Nagelkopfe geformt, eine Allegorie, die auf die Unsterblichkeit der Frauen, aber auch auf ihre geringen geistigen Fähigkeiten hindeuten soll. Ungeachtet des Zweifels den man über diesen Gegenstand hegt, glaubt man doch andererseits wieder, es sei den lebenden Frauen erlaubt, mit den Verstorbenen sich zu unterhalten und demselben Dienstleistungen und Gefälligkeiten mancherlei Art zu erweisen. Man sieht daher oft auf den Kirchhöfen Frauen vor einem Grabe, wo sie diese vermeintlichen Pflichten erfüllen. Ein anderer Aberglaube der Türken ist folgender: Nahe am jüngsten Tage werden die Muselmänner zur Erde, die Giaurs (Ungläubigen) aber in Stücke zerhauen werden. Ein Jahr vor dem Erscheinen des Messias wird ein großer Nebel aufsteigen, durch den die Gläubigen wie durch den Schlaf zum Tode übergehen werden; die Giaurs aber werden stärker und gesünder sein, wie vorher. Auf den Steinen derer, die vor Gott als gerecht bestehen, wird mit goldenen Buchstaben: "Es gibt nur einen Gott!" stehen, damit der Messias die Gerechten von den Ungerechten unterscheiden kann. Dann wird ein schwerer Tag über die Ungläubigen hereinbrechen, und nachdem Alles gestorben, wird der Messias das Paradies und die Hölle vollfüllen. Außer der Feuerhölle haben die Türken noch eine Eishölle; dort liegt denn die arme Seele so lange und friert, bis auch der Körper zusammgefroren ist. Dann kommt der Satan mit einem ungeheuer großem Hammer und zerschlägt den Körper wieder in viele Tausend Stücke, wie man Salz auseinander klopft.
Die türkischen Kirchhöfe bieten einen eigenthümlichen Anblick dar. Gewöhnlich liegen sie auf Bergen; das dazu verwendete Land verräth nicht die geringste Bearbeitung; Unkraut und Buschwerk wuchert überall, wie die Natur es schafft, und nur die von türkischen Kirchhöfen unzertrennliche Cypresse ist vielfach angepflanzt. Die Grabsteine stehen in der größten Unordnung durch einander und sehr enge, bisweilen nicht zwei Fuß von einander, und ähneln eben so vielen Klippen, die aus einer Wasserfläche aufsteigen. Für die alten orthodoxen Türken scheinen die Kirchhöfe eine Art Ressource zu sein, und täglich sieht man Gruppen derselben zwischen den Gräbern auf einem Teppich sitzen, ihren Tschibuck rauchen und Kaffee trinken, so daß man ein Tabackscollegium vor sich zu sehen glaubt.


Regenhöhe zu Schönberg,
für die Monate in Pariser Linien, für die Jahre in Zollen ausgedrückt.

18531854185518561857185818591860Mittel.
Januar172018231911111817
Februar2320  820  411142816
März25  625  21915323019
April27  7142616  5361017
Mai12333522  738123424
Juni47202425  913226228
Juli453638383949122836
August253722511241355234
September1719  52312104519
Oktober20232416  817  816
November  8111523  9162715
December  723223016142422
Jahr23232125142022 1/222

Am 2ten September c. (Sonntag) betrug die Regenhöhe dieses einzigen Tages schon 1 1/2 Zoll.


[ => Original lesen: 1860 Nr. 36 Seite 4]

Anzeigen.


Vorladungen.

Auf Imploriren des Landgerichts=Procurator Dr. Witt als gerichtlich bestellten Güterpflegers des insolventen Hofpächters Heinrich Christian Hopp zu Lauerhof befindet sich hieselbst ein öffentliches Proclam angeschlagen, wodurch alle Gläubiger und Schuldner des insolventen Hofpächters Heinrich Christian Hopp zu Lauerhof, wie auch diejenigen, welche zu dessen Vermögen gehörige Gegenstände aus irgend einem Rechtsverhältnisse, namentlich pfandweise in Händen haben, aufgefordert und schuldig erkannt werden, innerhalb 12 Wochen, vom Tage der Affixion dieses Proclams angerechnet, also spätestens am 19. October 1860, die Gläubiger, und zwar Auswärtige unter Bestellung eines hiesigen Actenprocurators, bei Strafe des Ausschlusses von der Concursmasse sich mit ihren Forderungen im Actuariate des Landgerichts zum Professionsprotocolle anzumelden, die Schuldner bei Strafe der abermaligen Zahlung ihre Schulden beim Güterpfleger Dr. Witt zu berichtigen, die Inhaber von zur Masse gehörigen Gegenständen demselben davon bei Verlust ihrer Rechte genaue Aufgabe zu machen.
Lübeck im Landgerichte am 20. Juli 1860.

In fidem.                           W. Gädeke Dr.


Verkaufsanzeigen.

Am Montag den 17. d. M. sollen im hiesigen Kruge in öffentlicher Auction gegen sofortige Baarzahlung verkauft werden:

1 eich. Koffer, 1 eich. Lade, 1 eich. Schrank, 1 große Säge, 1 silb. Taschenuhr, 29 Pfund Flachs, Betten, 23 Bolzen flächsen und heeden Leinen, sehr gut erhaltene Manns= und Frauen=Kleidungsstücke und sonstige Haus= und Küchen=Geräthe.
Die Auction beginnt Morgens 9 Uhr.
Carlow den 5. September 1860.

                                                    Struck.


Bekanntmachung.

Da die unter'm 8. März d. J. verkündigte Armensteuer nicht hinreichend befunden ist, den Anforderungen zu genügen, so werden die Bewohner des Schönberger Armendistricts hiermit aufgefordert, den vollen Beitrag noch einmal an die resp. Armenvorsteher ehestens zu zahlen.
Schönberg den 6. September 1860.

Die Armenbehörde.


Vermischte Anzeigen.

Verlobungs-Anzeige.
Marianne Hennings.
Johannes Woisin.
Verlobte.
Schwerin.                                                     Schönberg.


Die Landmeister der Rademacher werden ersucht, sich am Montage vor Michaelis, den 24. September dem Quartalstage, im Amte einzufinden, um wegen nothwendiger Rücksprache zu verhandeln. Zugleich haben dieselben die noch rückständigen Quartalsgelder zu entrichten.

                                                    Die Aeltesten der Rademacher.


Am 12. d. M. werde ich mit einigen zwanzig

anderthalbjährigen dänischen Füllen

bei der Gastwirthin Groth in Schönberg und am 13. und 14. d. beim Gastwirth Robrahn in Carlow sein, die ich den geehrten Landleuten zum Ankauf bestens empfehle.

                                                    Pferdehändler Krumsee in Carlow.


Sehr schöne neue Fett=Häringe
                          bei                                                    Fr. C. Schlebusch.


Einem geehrten Publikum hiesiger Stadt und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mich hieselbst als Instrumentenschleifer etablirt habe und empfehle mich mit allen in mein Fach einschlagenden Arbeiten, reelle und billige Bedienung versprechend.

Schönberg.                                                      Joachim Peters,
Hinterstraße Nr. 81.


Am Montag den 17. und Dienstag den 18. September

Scheibenschießen auf der Maurinmühle
nach 15 verschiedenen werthvollen Gewinnen.
Preis für einen Satz von 3 Schüssen: 16 Schilling (Mecklenburg),

(Gute Büchsen stehen zur Benutzung bereit, indeß ist es Jedem gestattet, auch mit eigener Büchse zu schießen.)
Um recht zahlreichen Besuch bittet

                                                    M. Hintze,
                                                    Pächter der Stover u. Maurien=Mühle.


Am Montage und Dienstage den 17. und 18. September d. Js. findet

Scheibenschießen

bei mir statt, zu welchem ich Freunde und Schießliebhaber ergebenst einlade.
Duvennest den 6. Septbr. 1860.

                                                    A. Wittfoth.


Backtafel für die Stadt Schönberg

Weizen=Milch=Brod. Pfd. Loth.   Pfd.   Loth.
Ein 2 Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eine Dreilings=Semmel, soll wägen -   5
Ein Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod desgleichen -   2 1/2
Ferner:
fünf große Milch=Semmel oder für 2 Schillinge -   5
fünf kleine Milch=Semmel oder für 1 Schilling -   2 1/2
Roggen=Brod von gebeuteltem Mehl, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eines halben Dreilings werth, soll wägen:
ein 8 Schillings=Brod 4   5
ein 4 Schillings=Brod 2   2 1/2
ein 2 Schillings=Brod 1   1 1/4
Grob Hausbacken=Brod ohne Aufbrod:
ein 8 Schillings=Brod 6 16
ein 4 Schillings=Brod 3   8
ein 2 Schillings=Brod 1 26

Schönberg, den 5. September 1860.                          
                                                    Bürgermeister und Rath.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.

In der Woche vom 30. August bis 6. Septbr.

Geboren: D. 4. Septbr. dem künft. Schulzen Grevsmühl in Retelsdorf eine T.
Gestorben: D. 4. Sept. Heinrich Badstein, Hauswirth in Petersberg.
Copulirt: D. 4. Sept. Johann P. E. Hagen, Schlossermeister hies., und Maria Frieder. Car. Charl. Jenß aus Silz.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 5. September 1860.

Weizen 2 Taler (Mecklenburg)   2-  8 Schilling (Mecklenburg),     Wicken - Taler (Mecklenburg) - - - Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1 Taler (Mecklenburg)   6-10 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen 1 Taler (Mecklenburg)   1-  4 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 49-50 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 23-24 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 36-40 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 22-23 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg)   4-12 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 17-18 Mark (Lübeck)
Butter 10 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln, d. Faß 6 u. 7 Schilling (Mecklenburg).


(Hiezu: Officieller Anzeiger No. 8.)


Redaktion, Druck und Verlag von L. Bicker.

[ => Original lesen: 1860 Nr. 36 Seite 5]

Wappen

Extra=Blatt

zu den

Wöchentlichen Anzeigen

für das

Fürstenthum Ratzeburg.

Schönberg, den 8. September 1860.

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Soeben geht uns folgende Trauer=Nachricht durch ein Extrablatt der Neustrelitzer Zeitung zu:

"Es hat dem allmächtigen Gott gefallen, gestern Abend um 10 Uhr Seine Königliche Hoheit den Allerdurchlauchtigsten Großherzog,
    Herrn Georg Friedrich Carl Joseph,
unsern vielgeliebten Landesherrn, durch einen sanften Tod aus dieser Welt abzurufen. Seine Königliche Hoheit ist ohne jeglichen Todeskampf, 81 Jahr und 25 Tage alt, im 44. Jahre Seiner segensreichen Regierung, im Schweizerhause zu Serrahn gestorben.

Neustrelitz, den 7. September 1860."

 

Vignette

 

(Druck von L. Bicker in Schönberg.)


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