No. 8
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 24. Februar
1860
dreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1860 Nr. 8 Seite 1]

- Papst und Kaiser wechseln ungemein viele Briefe, stehen aber noch in dem Stadium, wo man sich beharrlich mißversteht. Der Kaiser betheuert in jedem Briefe oben, unten und in der Mitte, der Papst habe keinen wohlmeinenderen Freund als ihn und der Papst antwortet jedesmal mit seinem Segen für seinen irrenden Freund. - Der ganze Handel kommt davon her, daß die hohen Herren den Rath eines dritten diplomatischen Herrn nicht beachtet haben. Ein Besuch, sagte der, thut mehr als zehn Briefe. Hätte der Papst den Besuch in Paris nicht unterlassen, so brauchte er jetzt keine Briefe zu schreiben und zu lesen. - Italien gleicht einem rauchenden Vulkane, der jeden Augenblick Feuer und Flamme speien kann. Die Gerüchte, namentlich aus Rom, Neapel und Venedig, werden mit jedem Tage düsterer. In Rom hat das Volk die strengen französischen Policei=Maßregeln und drohenden Tagesbefehle mit Unmuth aufgenommen.
- Pariser Frauen haben dem Papste hunderttausend Franks in 100 Goldstücken in einer prachtvollen goldenen Schale als ihren Peterspfennig verehrt. Dabei thaten sie das Gelübde, von jetzt an die Hälfte ihres Nadelgeldes für den Papst zu sparen.
- Die Savoyarden, nach deren Gebirgslandschaft die französische Politik der natürlichen Grenzen Gelüste trägt, sind ihrem Nahrungszweige nach allerdings mehr Franzosen als Piemontesen. Nicht weniger als Sechszigtausend Savoyarden leben als Rauchkehrer, Schuhputzer, Musikanten, Murmelthier=Besitzer, Maurer und Steinbauer in Paris und ebensoviel im übrigen Frankreich, wenigstens in den Wintermonaten. Munterkeit, Ehrlichkeit, Nüchternheit und Sparsamkeit bringen sie aus ihrer Heimath und nehmen diese Tugenden nebst gefülltem Geldbeutel aus dem modernen Babel wieder nach Hause zurück.
- Die Napoleons oder Bonapartes haben eine große Verwandschaft, aber Kaiser Napoleon hat sich um sie mit wenigen Ausnahmen so wenig bekümmert, wie sie früher um ihn. Das ist anders geworden. Alle die Vettern bis ins zehnte Glied drängen sich um ihn und er zieht sie an sich. Der kleine spitzfindige Thiers erklärt das so: "Es giebt bald eine große Beute zu theilen und die Bonapartes haben immer eine gute Nase gehabt.
- Der Kaiser von Marokko hat bei der spanischen Regierung wegen der Friedensbedingungen anfragen lassen. Spanien ist einem friedlichen Arangement nicht abgeneigt; es verlangt Abtretung des eroberten Gebiets und Bezahlung der Kriegskosten abseiten Marokko's. Marschall O'Donnell betreibt die Vorbereitungen zur Fortsetzung des Krieges lebhaft.
- Ein Berliner Juwelier arbeitet an der Silberausstattung für die Tochter des Sultans, die sich mit dem Vicekonig von Egypten verheirathet. Die Bestellung ist ein Tafelaufsatz, bestehend aus 28 Dutzend großen und 24 Dutzend kleinen silbernen Tellern, 24 Dutzend großen Messern und Gabeln, 18 Dutzend kleinen, 12 Dutzend großen und 12 Dutzend kleinen Löffeln im Werth von 250,000 Thalern.
- Die Königin Viktoria und der Prinz Gemahl haben ihrem ersten Enkel in Berlin dieser Tage ein eben so kostbares wie prachtvolles und künstlerisch vollendetes Pathengeschenk zugehen lassen; es ist ein goldener Kelch mit Schale, deren viele Verzierungen reich mit den werthvollsten Diamanten besetzt sind. Die Widmung ist in englischer Sprache und enthält die Worte: "Königin Victoria und Prinz Albert ihrem Enkel Friedrich Wilhelm Victor Albert zur Erinnerung an den 5. März 1859." (Tauftag.)
- In Lübeck wird am 1. März ein Pferdemarkt auf dem gewöhnlichen Platze vor dem Holstenthore stattfinden.
- Bei den inländischen Feuer=Versicherungs=Anstalten beider Großherzogthümer Mecklenburg sind in Allem ungefähr für 120 Millionen Thaler Werth versichert. - Wie es heißt, wird zur Herstellung einer telegraphischen Verbindung zwischen Waren und Röbel ein unterseeischer Telegraph durch die Müritz von zwei Meilen Länge gelegt werden. Röbel auf der einen Seite mit Ludwigslust, auf der andern Seite mit Neustrelitz telegraphisch verbunden, wird dann die gerade Linie für den Depeschenverkehr in der Richtung von Hamburg nach St. Petersburg bilden.
- Der N. C. schreibt aus Mecklenburg: Die Saaten zeigen noch immer eine gesunde, grüne Farbe, haben also von dem veränderlichen Winterwetter bis dahin nicht gelitten. Namentlich steht der Roggen sehr stark, und dies ist wohl zumeist eine Folge der diesmaligen Kleinheit der zur Saat verwandten Körner, wodurch veranlaßt wurde, daß mehr derselben auf dieselbe Fläche gesäet wurden, wie sonst gewöhnlich, trotz der desfalls angewandten Vorsichtsmaßregeln. Bis jetzt ist dadurch kein Nachtheil entstanden und kann allerdings eine günstige Frühjahrswitterung aus diesem dichten Stand der Saat eine reiche Ernte produciren. Auch der Weizen steht gut, und ebenso zeigen die Oelfruchtsaaten noch ihre grüne Farbe als Zeichen völliger Gesundheit. - Die Kornpreise behaupten noch im=

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mer ihren alten Stand, und es nicht wohl anzunehmen, daß sie im Frühjahr heruntergehen werden. Der Roggen lohnt, einzelne kleine Ausnahmen abgerechnet, im Allgemeinen schlecht, und je mehr Stroh er gebracht hat, desto geringer ist sein Körnerertrag pro Fuder. Wie bei uns, ist es in dieser Beziehung nun so ziemlich im gesammten Deutschland, Dänemark etc., und dazu kommen, nach einer im Durchschnitt doch nur mäßigen Kartoffelernte, auch noch die Klagen über das Faulen der Kartoffeln und den geringen Spiritusgehalt, also auch geringen Nährwerth derselben. Da nun auch in England und Frankreich und weiter in Amerika keine ausgezeichnete Weizenernte stattgefunden hat, die Ernte Rußlands und Polens gleichfalls nur mäßig ausgefallen ist, so muß man aus allem diesen schließen, daß sich eher ein Steigen als Fallen der Kornpreise in Aussicht stelle. - Das Wasser in unsern Flüssen, Bächen und Seen ist ziemlich gestiegen, hat indessen den alten Normalstand noch bei Weitem nicht wieder erreicht. Auf den Wassergehalt der Brunnen, besonders der tieferen, bleibt indeß die in letzter Zeit gefallene Feuchtigkeit fast wirkungslos.
- In Breslau starb ein Herr Sonnefeldt, 111 Jahre alt, rüstig bis zum letzten Athemzug. Er sah schier jünger aus als sein 75jähriges Söhnlein.


Der Schlehdorn.

Wer ihn kennt, auch dann kennt, wenn die Blätter den lauernden Dorn verdecken, der geht ihm aus dem Wege, denn Jedermann fürchtet sein heimtückisches Zerren am Kleide, welches ihm der Wind schadenfroh in das Garn treibt. Und dennoch giebt es im Jahr eine Zeit, wo wir Alle erwartungsvoll nach ihm blicken, wo wir den vom Spaziergange Heimkehrenden fragen: "Blüht der Schlehdorn noch nicht?" Und wenn wir dann selbst hinausgehen und sehen schon von Weitem, daß das schwarzbraune Verhau seines steifen Gezweiges sich mit dem lockeren Blüthenschnee zu umweben beginnt, dann athmen wir freier, als fühlten wir uns nun erst von der letzten Fessel des Winters befreit. So erblicken wir in dem Schlehdorn geradehin einen Gewährsmann des Frühlings. Er nimmt nicht eher Antheil an demselben, bis dieser wirklich da ist. Und dann lauert er noch mit seinen weißen Argusaugen hinaus in das neue Regiment, ob auch Alles sicher sei. Dann erst nimmt er Theil am junggewordenen Leben; denn die Blättchen seiner Blüthen sind bereits abgefallen, wenn er endlich seine grünen Blätter hervortreibt und zu schaffen beginnt für seine ungenießbare Frucht, für deren Geschmack herb und sauer noch Schmeichelnamen sind. Die heiße Herbstsonne, welche den Saft der Trauben zum süßen Most klärt, vermag nichts über den Sauertöpfischen. Unversucht geht der naschhafte Knabe an den dunkelblauen Kugeln vorüber, welche sich an den bereits halbentlaubten Zweigen ihm darbieten. Er kennt sie und fürchtet einen zweiten Versuch. Was aber die Wärme nicht vermag, das erzwingt endlich zuletzt doch noch der Frost. Wenn beinahe kein Blatt mehr an den Bäumen hängt und längst Niemand mehr nach Früchten sucht, dann verschrumpfen die endlich doch noch genießbar gewordenen Schlehen unbeachtet am kahlen Zweige.
Starr und ungelenk erheben sich seine Glieder nur wenig über den Boden; hundert Mal nimmt er einen Anlauf, um mit freudig grünenden Zweigen wenigstens einen tüchtigen vollen Busch aus sich zu machen, aber hundert Mal fehlt es ihm wieder an der Kraft der Ausführung. Wo man Menschen und Thiere abhalten will, da ist er der verscheuchende Wächter. Kein Schaf kommt ungerupft am Dornenbusch vorüber, es muß ihm einen Tribut zahlen, und nachher kommen die Grasmücke und das Rothschwänzchen und sammeln die Wollflocken, um ihr Nestchen damit auszufüllen. Er behauptet trotz aller Mißhandlungen seinen Platz mit unverwüstlicher Beharrlichkeit. Alljährlich treibt er seine knorrigen Wurzeln, immer tiefer eingreifend in den Boden, und so wird er nicht selten seinem Herrn unbequem, indem er auch dessen Pfleglinge überwuchert und unterdrückt. Da kommt dann wohl im Frühjahre der Sohn desselben heraus an die Dornhecke, wenn deren steifes Gezweig noch unverhüllt dasteht, um sich einen Spazierstock auszuersehen. Es ist eine Kunst, ohne Wunden an Kleid und Händen dem auserkornen, durch seine stramme Geradheit lockenden Schosse an den Leib zu kommen. Er wird aber dann noch nicht abgeschnitten. Der Knabe ist ja erst 12 Jahr und den Stock will er nach der Confirmation bei seinem ersten Gange als junger Weltbürger führen und will auch damit Aufsehen erregen. Ein alter Schäfer hat ihn gelehrt, wie dies zu erreichen. Mit kluger Berechnung und ja nicht unterschätzend denkt er sich, wie groß er selbst nach zwei Jahren und wie groß auch sein Spazierstock sein müsse. Auf diese ansehnliche Länge wird auch sein Schoß glatt ausgeästet. Nachdem dies saure Stück Arbeit vollbracht ist, kommt nun des alten Schäfers Kunst. In regelmäßigen Reihen werden den Schoß entlang von unten nach oben geführte, etwa messerrückentiefe Einschnitte gemacht und allemal etwas aufgeklafft; es bleibt dem Knaben nur noch die Sorge, daß ein anderer Knabe diesen schönen Stock finden könne, ja finden müsse. Aber wird sich auch des alten Schäfers Kunst bewähren? Er hatte gesagt, die oberen, wohlweislich nicht abgeschnittenen Zweige des Schosses würden nun die zwei kommenden Jahre den von ihnen gebildeten Saft unter der Rinde abwärts schicken, und so würde sich aus jedem Schnitt eine wullstförmige Narbe bilden. Der Alte hatte Recht, wie alte Schäfer in ähnlichen Dingen oft Recht haben. Der Knabe wird in zwei Jahren einen recht schönen Stock von dem Schlehdorn erhalten und von seinen Kameraden viel darum beneidet werden.


Was der Mensch ißt.

Nirgends herrscht mehr Mannigfaltigkeit, als in der Nahrung der verschiedenen Völker und in ihren Lieblingsgerichten. Ein Italiener begnügt sich mit einer Handvoll Brod und Trauben und ein Hindu nimmt dann und wann zwischen Sonnenaufgang und Untergang einen Löffel voll Reis; dagegen kann ein Eskimo 20 Pfund Fleisch in einem Tage verschlingen und ein russischer Tatar ißt in 24 Stunden 40 Pfund. Capitain Cochrane erwähnt sogar in seinen Reisen eines solchen, der in der genannten Zeit das Hinterviertel eines starken Ochsen und dazu noch 20 Pfund Fett nebst einer verhältnismäßigen Quantität geschmolzener Butter als Getränk verzehrte; drei Leute desselben Stammes - der Jokuten - halten es für eine Kleinigkeit, ein ganzes Rennthier auf einen Sitz bis auf die blanken Knochen zu verzehren. In London und in Newyork kommt täglich auf einen Kopf im Durchschnitt ein halbes Pfund Fleisch, in Paris nur ein Sechstel und in den Dörfern und auf dem Lande in Frankreich ein noch kleinerer Bruchtheil; indessen auch eines Irländers Knochen und Muskeln entstehen nur aus Kartoffeln und nicht aus Fleisch, und der kräftige Bergschotte baut seine gigantischen Glieder aus Suppe, Kohl und Whisky. Fleischnahrung ist also nicht absolut nothwendig, auch nicht für Nordländer, zumal wenn sie es verstehen, mit chemischem Instinct hinreichende Ersatzmittel zu finden und die Stoffe einzeln sich einzuverleiben, welche in einem rechtschaffenen Stück Rind= oder Hammelfleisch vereinigt sind.
Nahrung ist unter uns gar ungleich vertheilt. Hier ist ein armer Mann, der seinen Kindern niemals so viel geben kann, sich satt zu essen; dort der reiche, der mit allen erdenklichen Delicatessen sich überfüllt. Auf der einen Seite Lazarus mit nie gestilltem Hunger, auf der andern "der reiche Mann." Mannigfaltiger aber noch als die Menge ist die Art. Ohne Grenzen sind die wunderlichen Leckereien der verschiedenen Völker. Für die Neu=Braunschweiger (Nord=Amerika) hat die weiche

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Schnauze eines Musethiers einen ganz besonderen Reiz. Hai=Finnen und Fischmagen, noch nicht ausgebrütete Enten und Hühnchen, Seeschnecken und Vogelnester - alles das steht bei den Chinesen hoch im Preise. Die Eskimos schwelgen in Talglichtern, für sie eine ausländische Dilicatesse, und der Abyssinier betrinkt sich in rohem Fleisch und Blut, die in ihrer Art ebenso berauschend sind, als gebrannte Wasser. In Paris war man jüngst toll auf Pferdefleisch und auf der Ausstellung von 1855 zeigte und verkaufte Brocchieri deliciöse Kuchen, Pasteten und Bonbons von Ochsenblut; Fleisch=Zwieback, in Texas für den Gebrauch der amerikanischen Marine gefertigt, war ebenfalls ausgestellt; er sah aus wie hellbräunlicher Zuckerkuchen und ein einziges Pfund davon enthält fast mehr Nahrungsstoff als fünf Pfund einer gewöhnlichen Fleischspeise. Taschen=Bouillon ist ein anderes Beispiel; auch hier steht die nährende Kraft außer allem Verhältniß zur Masse. Die Siamesen trocknen das Fleisch der Elephanten, so wie Deutschland sein Rind= und Schweinefleisch in den Rauch hängt. Cuba füttert seine Sclaven mit getrocknetem Fleische, das in enormen Quantitäten aus Buenos=Ayres und den Vereinigten Staaten eingeführt wird, ein Handel, der durch ganz Amerika lebhaft und mit Vortheil betrieben wird und sich auch bis nach Europa ausdehnt, das für seinen Theil eine hübsche Menge davon consumirt.
Die wunderlichsten Beispiele von Feinschmeckerei bietet aber wohl der hohe Norden. Robben=Speck und dazu das noch wiedergekäute Futter eines Rennthieres als Beiessen oder Salat, Walfischhaut, in Würfel geschnitten und süß wie Cocosnuß, Walfisch=Gaumen, noch mit dem Fischbein dran, fast wie Rahmkäse duftend und Tuski=Zucker genannt - das waren einige Hauptgerichte eines Tuski=Bankets. Bei einem Feste, das mehrere vornehme Grönländer gaben, kam halb rohes und fauliges Robbenfleisch, fauliger Walfischschwanz, eingemachte Krähenbeeren, gemischt mit dem Darmsaft eines Rennthieres, und abermals eingemachte Krähenbeeren mit Fischthran auf den Tisch. Wallroß ist ein gutes Essen, es schmeckt wie grobes Rindfleisch, und Wallroßleber roh ist ein Gericht, bei dem man poetisch schwärmen kann. Gefrorener Seehund ist ein ausgezeichneter Imbiß auf Reisen, und wenn er faulig wird, nachdem er den ganzen Sommer über mit Gras bedeckt gelegen hat, ist er ein beliebtes Winteressen. Aus Rennthiermagen bereitet man eine Speise, "nerakuk" oder das Eßbare genannt; man schickt davon seinen Nachbaren oder guten Freunden, wie man dies bei uns mit feinem Wild oder Früchten thut. Die Eingeweide eines anderen Thieres, vermischt mit frischem Thran und Beeren, sind ein anderes Lieblingsessen, und für den Winter machen die Grönländer Moosbeeren ein mit Angelica und Eiern in jedem Brütestadium, Alles zusammen in einen Sack von Seehundsfell geworfen, der dann mit Fischthran vollgefüllt wird. Ein Eskimo verzehrt sogar gelegentlich seinen Schlitten, wenn derselbe aus getrocknetem Lachs, in zwei Häute genäht, gemacht ist und die Querstäbe aus Rennthierknochen bestehen. Dies ist nicht so wunderbar, als es aussieht und als wenn wir etwa einen Einspänner verspeisen wollten; höchst sonderbar freilich mag es aussehen, wenn eine Reisegesellschaft aussteigt und sich daran macht, ihr eigenes Fuhrwerk aufzuzehren! Rennthier ist des Eskimo höchster Genuß - wenn er's haben kann, und gar gefrorenes Rennthierfleisch, roh gegessen, schmeckt ihm besser als das herrlichste Wildpret, das je eine Tafel zierte.
Sowohl in Nord= wie in Südamerika gelten fette Schildkröten, gegen Ende des Sommers gefangen, für eine ausgesuchte Leckerei und die Eier derselben in einer pergamentähnlichen Haut - sie haben keine wirkliche Schale - haben stets ihren Werth. Die Hiccatee, Neu=Hollands merkwürdige schlangenhalsige Landschildkröte, besitzt eine Leber, welche zu Pastete verwendet, die berühmte Straßburger Gänseleberpastete gänzlich aus dem Felde
schlagen würde. Die abschreckend häßliche, schuppige, dämonisch aussehende Kropfeidechse weist sich bei dem Versuche als werthvoller aus, als ihr Aussehen es verspricht; geschickt zubereitet ist ihr Fleisch wie Hühnerfleisch und ihr Geschmack wie der der Schildkröte; doch wenn einer ihrer Pfoten zufällig aus der Schüssel heraussieht, erinnert dieselbe mit so erschreckender Wahrheit an einen pygmäenartigen Alligator, daß mancher herzhafte Europäer, und fürchtete er auch nichts anderes unter der Sonne, doch vor diesem Anblick erschrecken würde. Uebrigens ist diese Eidechse ein ganz vorzügliches Essen, denn sie schmeckt wie alles Mögliche, wie Huhn oder Kaninchen, wenn sie gedämpft und stark gewürzt wird, wie die Schildkröte, wenn sie so, wie diese es sein soll, zubereitet wird, wie Hase, wenn man eine Suppe daraus macht; selbst ein vorzügliches Gericht falschen Kalbs=Fricassee's kann man daraus bereiten, wenn man Citronen=Creme und durchwachsenen Speck hinzuthut. Sie gehört zu den weißen Fleischsorten und ihre kleinen, weichschaligen, delicaten Eier sind mit nichts an Reinheit und Feinheit des Geschmacks zu vergleichen. Die Eier der meisten Reptilien sind wunderbar schmackhaft.
Kaimans und Krokodile, Eidechsen und Frösche, alle werden gegessen, und gern gegessen von gewissen Leuten. Das wahre Krokodil schmeckt wie Kalb, während einige andere Arten einen starken Moschusgeschmack haben, der Einem allerdings übel machen kann; andere dagegen schmecken wie ein saftiges junges Schwein, eine dritte Art wie Seekrebse und wiederum andere haben einen so durchdringenden Fischgeschmack, daß er völlig widrig wird. Im Ganzen also liefern die Krokodile eine Speise von sehr zweifelhafter Güte und man muß sich hüten, zu rasch zuzugreifen. Vom Alligator sagt man, daß er stärkende Eigenschaften besitze; in Manilla wird er zu hohen Preisen verkauft, und die Chinesen greifen begierig darnach zur Bereitung ihrer schrecklichen gallertartigen Suppen. Den Alligator selbst hat man in Bezug auf Geschmack mit Spanferkeln verglichen, seine Eier aber haben einen moschusartigen Beigeschmack.
Die Australier verschlingen selbst die allergiftigsten Schlangen, und Leute, welche dieselben gekostet haben, behaupten, sie schmeckten wie Aal; im Allgemeinen aber hat das Schlangenfleisch Aehnlichkeit mit dem der Kälber. Vor alten Zeiten war Schlangenbrühe für die noch von der Nacht der Unwissenheit verfinsterte Welt Das, was Schildkrötensuppe für uns ist, und noch immer wird Schlangen=Gelee in Italien als ein Stärkungsmittel betrachtet. Die Jäger haben ein Gericht, das sie gern essen, obwohl es nur aus einem Ragout von Klapperschlangen besteht. - Die Franzosen sind dafür bekannt, daß sie Frösche lieben, auch behaupten letztere stets einen hohen Preis auf den Märkten in Newyork, wo man sowohl den großen Ochsenfrosch, der mitunter ein halbes Pfund wiegt, als auch den kleinen grünen Frosch feil bietet, dessen Hinterschenkel eine so große Aehnlichkeit mit dem delicatesten Hühnerfleisch haben, wenn sie in den Restaurants von Paris und den Hotels von Wien mit weißer Sauce zugerichtet werden. Natürlich gehen die Frösche in China nicht frei aus, wo man eben Alles verschlingt, was Fleisch und Blut hat; die abscheulichen Neger in Surinam verzehren vollends die noch abscheulichere, im höchsten Grade ekelhafte surinamsche Kröte.
Zu den Schlangen und Fröschen könnte man hier die Affen und Papageien rechnen. Die Bewohner Afrikas sind niemals mehr entzückt, als wenn sie einen zarten jungen Affen, möglichst schön in der Erde gebraten, zur Mittagstafel haben können. Die Affen von Rio Janeiro werden auf den dortigen geringeren Fleischmärkten verkauft. Der große rothe Affe, der schwarze Spinnenaffe und der Brüllaffe werden sämmtlich von den verschiedenen Völkern gegessen, in deren Ländern sie vorkommen. Affe schmeckt wie Kaninchen und soll eine nahrhafte und angenehme Speise sein.


[ => Original lesen: 1860 Nr. 8 Seite 4]

Anzeigen.


Verkaufsanzeigen.

Unter den bekannten Bedingungen sollen am Mittwoch den 29. Febr. im Garnsee=Holze meistbietend verkauft werden:

  4 Faden buchen Knüppelholz,
62 Faden buchen Olm,
1 1/2 Faden birken Knüppelholz,
1 1/4 Faden tannen Kluftholz,
2 1/4 Faden tannen Knüppelholz,
und wollen Käufer sich Morgens 10 Uhr am Schlagbaum des Garnsee einfinden.
Schönberg den 23. Februar 1860.

                                                    Danckwarth.


Bekanntmachung.

Am Montag d. 27. Februar d. J., von Morgens 9 Uhr an, soll auf der Bäck, im Hause des wailand Kupferschmiedsgesellen Spolert, dessen Nachlaß, als:

Ein Kleiderschrank, ein Sopha, drei Koffer, Komode, Spiegel, Tische, Stühle, Bettstellen, Betten, Leinenzeug (neu), Säcke, Küchenschrank, Küchenbort, 16 Stück kupferne und messingene Kessel, Töpfe und Kaffeekannen, zinnerne Schüsseln, Porzellan= und irdenes Küchengeräth, Holz, Torf und allerlei sonstige Sachen
öffentlich meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden.
Domhof den 9. Februar 1860.

                                                    Bedele.


Vermischte Anzeigen.

Landwirthschaftlicher Club
im Hause des Herrn August Spehr
am Mittwoch den 8. März 1860.


Von den berühmten Waldwoll=Unterhemden, Strümpfen, Mützen, Oel und Seifen gegen Gicht und Rheumatismus habe ich jetzt auch Lager; ferner empfehle ich englisches Leinen, Maschinen=Garn, Gummi=Galoschen in allen Sorten, mit und ohne steife Kappen, so wie fertige Mäntel und Mantillen. für Confirmanden billige Tuche und Kleiderzeuge aller Art; Paramattas und Orleans von 6 Schilling (Mecklenburg) an, Double=Shwals von 2 Taler (Mecklenburg) an.

                                                    Ludwig Creutzfeldt.


Neue, sehr breite Brokatbänder zu 11 und 12 Schilling (Mecklenburg) die Elle, schwarze, seidene, geblümte Bänder, schwarze Orleans zu 6 und 8 Schilling (Mecklenburg), sehr feine zu 10 Schilling (Mecklenburg) die Elle, schwarze Tücher zu billigen Preisen, so wie zur Aufräumung zu sehr heruntergesetzten Preisen eine Parthei halb= und ganzseidene Schürzen. - 6/4 breite, echte Kattune, couleurte Paramattas u. dgl. m. empfiehlt bestens

                                                    Moritz Stein in Ratzeburg.


Glanzvolle Seidenzeuge (Satin de Chine) von 18 Schilling (Mecklenburg) an, 6 bis 8/4 Mixed Lustre, Paramatta und Orleans schwarz und couleurt von 4 Schilling (Mecklenburg) an, 6/4 Cattun von 3 Schilling (Mecklenburg) an, 12/4 weiße Piqué=Bettdecken von 3 Mark (Lübeck) 4 Schilling (Mecklenburg) an, 5/4 weiße Piqué=Decken von 14 Schilling (Mecklenburg) an, Bettdrell von 6 Schilling (Mecklenburg) an, abgepaßte Röcke von 1 Mark (Lübeck) 4 Schilling (Mecklenburg) an bis 7 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg), Baumwollen=Strickgarn von 1 Mark (Lübeck) an, bei

                          J. H. Sommer,
                          Beckergrube, Fünfhausen=Ecke No. 136.
                          in Lübeck.


Für Confirmanden

empfehle ich schöne schwarzblaue Tuche, Buckskins und Düffels zu Besonders billigen Preisen.
Auch erhielt ich Sendungen von den neuesten

blanken und schwarzen Bändern.

Ein Parthei Double=Shawls und Umschlagetücher zu heruntergesetzten Preisen.
Um fleißigen Besuch bittet

                                                    J. Burchard.

Rehna, Februar 1860.


Staffholz, Speichenholz, Felgen und Armhölzer sind jederzeit vorräthig

                                                    bei H. Wulff
                                                    in Einhaus bei Ratzeburg.


Ein vor einigen Jahren neu erbautes, in Lübeck belegenes, sehr nahrhaftes Branntweinbrennerhaus nebst Amt soll in Folge Sterbefalls baldmöglichst preiswürdig verkauft werden.
Näheres bei

                                                    G. W. Wessendorff
                                                    in Lübeck.


Ich bin gewilligt, mein an der Schweriner Chaussee, neben dem Hause des Arbeitsmanns Vitense belegenes Ackerstück zu 3 Hausplätzen zu verkaufen, und fordere Kaufliebhaber auf, sich dieserhalb an mich zu wenden.
Schönberg den 16. Februar 1860.

                                                    Webermeister J. P. Threms.


Backtafel für die Stadt Schönberg

Weizen=Milch=Brod. Pfd. Loth.   Pfd.   Loth.
Ein 2 Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eine Dreilings=Semmel, soll wägen - 19
Ein Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod desgleichen -   9 1/2
Ferner:
fünf große Milch=Semmel oder für 2 Schillinge - 19
fünf kleine Milch=Semmel oder für 1 Schilling -   9 1/2
Roggen=Brod von gebeuteltem Mehl, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eines halben Dreilings werth, soll wägen:
ein 8 Schillings=Brod 4   9
ein 4 Schillings=Brod 2   4 1/2
ein 2 Schillings=Brod 1   2 1/4
Grob Hausbacken=Brod ohne Aufbrod:
ein 8 Schillings=Brod 6 24
ein 4 Schillings=Brod 3 12
ein 2 Schillings=Brod 1 22

Schönberg, den 23. Febr. 1860.                          
                                                    Bürgermeister und Rath.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.

In der Woche vom bis 16.-23. Februar

Geboren: D. 20. dem Schustermeister Nevermann hies. eine todte T. - 4 unehel Kinder.
Gestorben: D. 22 Jochen Wilhelm Meerpahl, Schustergesell hieselbst, 29 J. alt.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 22. Februar 1860.

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 20-26 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 28-36 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 50-55 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 42-46 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 40-45 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 21-22 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 34-38 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 20-21 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg)   4-10 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 15-16 Mark (Lübeck)
Butter 9 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln, d. Faß 5 u. 6 Schilling (Mecklenburg).


Redaktion, Druck und Verlag von L. Bicker.


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