No. 33
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 13. August
1858
achtundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1858 Nr. 33 Seite 1]

- Der vielbesprochene Besuch hat stattgefunden; am letzten Mittwoch, den 4. August, fuhr die Königin Victoria von England von Osborne aus nach Cherbourg, den Kriegshafen an der Kanalküste Frankreichs, dessen großartige Erweiterung schon Napoleon I. beschlossen hatte und die nun im entsprechenden Maßstabe vom jetzigen Kaiser Frankreichs ausgeführt worden ist. Sämmtliche Kanonen im Fort und der im Hafen liegenden Schiffe donnerten in drei Salven bei der Ankunft der Königin auf der Rhede von Cherbourg. Der königl. Jacht gingen zwei Fregatten voran; zwei Linienschiffe und mehrere Jachten folgten ihr. Der Kaiser begrüßte die Königin auf ihrem Schiffe. Er hatte eine längere Unterredung mit ihr und bewog sie, ein Frühstück in seiner Residenz während des Cherbourger Besuchs, der Seepräfectur, anzunehmen. In Cherbourg war eine solche Masse Menschen zusammengeströmt, daß man nicht begreift, wie Alle Nachts Unterkunft fanden. Die Masse von Bauern und Provinzbewohnern, die von allen Punkten des Departements herbeigeströmt waren, bildete einen gar zu seltsamen Contrast mit den vielen Tausenden eleganter Pariser und mit dem Glanze und der Pracht, die überall entfaltet war. Abends erglänzten alle Straßen und Quais in einem Feuermeer; die Forts waren mit Feuern erleuchtet, und die 5= bis 600 Schiffe, welche auf der Rhede lagen, waren mit Tausenden Lichtern bedeckt. Am 5ten vereinigte ein Diner die gekrönten Häupter mit einem Theil ihres Gefolges an Bord des französischen Admiralschiffes Bretagne. Am 6. machten der Kaiser und die Kaiserin der Königin von England ihren Abschiedsgesuch und diese traf am 7. mit ihrem Gefolge wieder in Osborne ein. - Am selben Tage, Mittags 12 Uhr begaben sich der Kaiser und die Kaiserin, begleitet von den Marschällen, Ehrendamen und einem imposanten Gefolge, nach dem Kriegshafen. Ihre Majestäten stiegen mit dem Gefolge in das Bassin Napoleons III. hinab, und nachdem in eine Aushöhlung des Felsens die Denkmünzen und Medaillen über den Bau der Festung eingesenkt waren, stiegen der Kaiser nebst Gefolge wieder herauf. Der Bischof segnete das Bassin. Die Artillerie=Salven erdröhnten und dann folgte die Einlassung des Wassers; das Meer stürzte sich mit gewaltigen Wogen in das Bassin. Von allen Seiten ertönten die enthusiastischsten Rufe und Vivats der auf mehr als 100,000 Menschen geschätzten Menge. - Am 8. August, Nachmittags 2 Uhr, schifften sich der Kaiser und die Kaiserin auf der "Bretagne" zur Weiterreise nach Brest ein.
- Die Königin Victoria hat darauf verzichtet, sich zu ihrer Besuchsfahrt in Cherbourg von einer Flotte begleiten zu lassen. Man soll ihr hinterbracht haben, die englischen Matrosen hätten sich für diesen Fall vorgenommen, mit den französischen anzubinden. Um sich nun ihren Aufenthalt durch solche Zwischenfälle nicht verleiden zu lassen, habe die Königin befohlen, daß nur zwei Linienschiffe sie begleiten sollten.
- Der General=Gouverneur in Indien hat eine Proclamation erlassen, in welcher er allen denen, welche während der letzten 12 Monate unmittelbar bei der Ermordung christlicher brittischer Unterthanen betheiligt waren, wenn man ihrer habhaft werden kann, keine Begnadigung gestattet, und sind der Strafe verfallen, welche die Gesetze jedes civilisirten Landes über viehische und durch keine Beleidigung hervorgerufene Niedermetzelung ungerüsteter, wehrloser und unschuldiger Menschen verhängt. Allen denen, welche dergleichen Mördern ein Asyl gegeben, soll das Leben geschenkt, jedoch sollen sie nach den Gesetzen bestraft werden. Allen denen endlich, welche sich vor dem 30. September ergeben, soll ihr Leben gewährleistet werden. - Von England aus erfolgen noch fortwährend neue Truppensendungen nach Indien.
- In Peking herrscht eine große Aufregung unter der Bevölkerung. Der Kaiser von China hat die Hauptstadt verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Man fürchtet, daß jeden Augenblick die Westmächte die Stadt stürmen und bereitet sich zum Widerstand.
- Bei dem Könige von Preußen haben sich Anzeichen von Podagra eingestellt, was die Aerzte für eine günstige Wendung des bisherigen Leidens erkennen.
- Das kühne Unternehmen einer Telegraphen=Verbindung zwischen Irland und Amerika ist jetzt, nach vielen vergeblichen Versuchen, endlich glücklich zu Stande gebracht. Die telegraphischen Signale zwischen beiden Endpunkten gehen leicht von Statten, und lassen nichts zu wünschen übrig. Die Actien der Gesellschaft, welche dieses Unternehmen ausgeführt hat, sind binnen wenigen Tagen auf 800 bis 1000 Pf. St., für 100 Pf. St. Nennwerth, gestiegen! Der Gewinn für den Verkehr Europa's und Amerikas wird gewiß nicht geringer sein, als der für den Geldbeutel der Actionaire.
- Der Herzog Wilhelm von Mecklenburg, Bruder des Großherzogs von Mecklenburg=Schwerin, ist kürzlich aus den Vereinigten Staaten in London eingetroffen und gedenkt nach Deutschland zurückzukehren, nachdem er seit mehreren Jahren fremde Erdtheile, namentlich einen Theil von Afrika und Nordamerika bereist hat.

[ => Original lesen: 1858 Nr. 33 Seite 2]

- Die preuß. Regierung hat mit Frankreich einen Vertrag abgeschlossen, betreffend die Auslieferung der Pferde, Waffen und sonstigen Staatseffekten von Deserteurs.
- Die kirchliche Feier des St. Johannistages und des St. Michaelistages wird nach einer Verordnung des Senates fortan in Lübeck nicht mehr begangen werden. Somit werden diese Tage dort auch nicht mehr zu den allgemeinen Festtagen zählen.
- Frankreich bringt, nach den Aufnahmen der Regierung, in einem Mitteljahre 44,990,696 Hectolitre (1 Hectoliter = ca. 100 Flaschen) Wein hervor. Nach den jetzigen Aussichten wird in diesem Jahre die Weinernte im Durchschnitt wenigstens ein Drittel größer sein.
- Mexiko ward am 19. Juni durch ein Erdbeben heimgesucht, das sich über 120 Meilen weit erstreckt hat. Die erlittenen Verluste der Hauptstadt selbst werden auf 5-6 Mill. Doll. geschätzt.
- Von weiter Meeresfahrt war nach vielen Jahren ein Seemann endlich wieder einmal in seiner Vaterstadt Genua angekommen. Sein erster Gang sollte zum Grabe seiner Mutter sein, die er nicht mehr am Leben zu finden glaubte. Ihm wurde aber ein unerwartet fröhliches Wiedersehen zu Theil, denn unter den Bekannten und Verwandten, die seiner am Ufer harrten, befand sich auch seine 109 Jahr alte Mutter, vollkommen frisch und gesund. Er hob sie in einen Wagen und ließ sie wie im Triumph durch die Stadt fahren, er selbst ging in seiner Seemannstracht neben dem Wagen her und erzählte den Leuten, welch ein großes Glück ihm zu Theil geworden sei.
- Am 1. August fuhr auf der Elberfelder Eisenbahn in einem Waggon dritter Classe ein Wirth, der sich zum Zweck der Verherrlichung eines Festes einiges Feuerwerk mitbrachte. Er hatte den unverzeihlichen Leichtsinn, die gefährlichen Stoffe in seiner Rockstasche zu führen; durch die Reibung während der Fahrt entzündet sich der Stoff, und mit Entsetzen sahen die im nämlichen Coupé sitzenden Personen einen Feuerregen aus den Kleidern jenes Passagiers sich ergießen. Im Nu entflohen sie dem Waggon, und es gelang ihnen zum großen Glück, sich ungefährdet auf das Trittbrett zu postiren. Sofort wurde gebremst, und der Zug hielt; der brennende Passagier wurde mit Wasser übergossen und kam mit leichten Brandwunden davon.


Auswanderung und Heimkehr.

In einer reichen Gegend des südlichen Niedersachsens, wo leider der Segen der alten Hofesverfassung längst schon nicht mehr gegolten und wo der heilige Erdboden nur allzuoft wie feile Waare aus einer Hand in die andere geht, lebten auf einer kleinen, hübsch abgerundeten Besitzung Joseph Wagemann und Therese, seine Ehefrau. Der Letzteren Vater hatte das Haus erbaut und die Ländereien zusammengekauft von dem baaren Nachlaß eines Mutterbruders, der Krämer in einem Marktflecken gewesen. Alte Erinnerungen mithin hingen nicht an der Stelle, aber das Andenken an die Arbeit und Mühe verstorbener Eltern, die unter des Herrn Segen ehrlich und rechtschaffen gearbeitet.
Etwas abseit von dem umbuschten Dorfe Althof, davon man nicht viel mehr als den spitzen Kirchthurm sah, lag, vom Fahrweg durch ein grünangestrichenes Heck getrennt, das Haus mit Stallung und Scheune; der Grashof mit seinen jungen, schon reichliche Früchte tragenden Obstgarten, der Gemüsegarten mit hübschen Blumenrändern waren sorglich gepflegt, und Wiese, Weide, Korn und Flachsfelder ringsum im besten Stande. Das Haus war wohnlich gebaut und sehr sauber gehalten, Keller und Speicher waren wohlgefüllt; wer hätte anders gedacht, als daß Joseph und Therese eine fröhliche Ehe führen sollten? In Eintracht sah man sie allsonntäglich zur Kirche gehen, in Eintracht am Werkeltage arbeiten. Fuhr er sein Heu, seine Feldfrüchte zur Stadt, so begleitete sie ihn bis auf die waldige Berghöhe, wo man die Thürme des Domes sehen und ihr Läuten hören konnte, und kam Abends ihm dahin entgegen; ging sie mit Butter und Eiern, ausgewähltem Obst oder jungem Gemüse zur Stadt, so trug er ihr die Körbe bis an die schöne Stelle und harrte ihrer dort Abends; - wenn ihnen nach siebenjähriger Ehe auch keine Kinder bescheert wurden, war nicht der blitzäugige Kaspar da, das fünfjährige Kind von Josephs frühverwittweter Schwester, und konnte der nicht dereinst als Sohn aufkommen, und das hübsche Erbe weiter führen zu Gottes Ehre und der Menschen Wohlgefallen?
Es wäre Alles schön und gut gewesen im neuen, weiß angestrichenen und rothgedeckten Hause bei Althof, aber, wo keine Sorgen sind, da kommen die Gedanken, treiben, ziehen und ängsten den Menschen, daß er unruhig um sich sieht, das Eigen zu verachten beginnt und mit Beharrlichkeit auf das sieht, was in der Ferne liegt.
Joseph nun dachte nur immer an Amerika und wie herrlich es dort sei; wenn er zur Stadt gewesen, brachte er sich allerlei Bücherkram mit, saß und studirte des Sonntags Nachmittags, und machte am Werkeltage früher Feierabend, um nur zu diesen lieben Büchern zu kommen. Wer ihn zuerst darauf gebracht, hat schwere Schuld auf sich geladen; vielleicht aber war es nur sein eigen unruhig Herz, angelockt durch die großen rothen und gelben Bogen, die überall an den Straßenecken zu finden sind: "Für Auswanderer." Was erst ein unbestimmter Gedanke gewesen, ward nach und nach, - ungefähr im Laufe von zwei Jahren - Vorsatz und Wille. Wie hat die Therese gekämpft und gebetet und geweint; aber sie mußte bald einsehen lernen, daß sie gegen ihren Mann nicht länger streiten könne, und daß der Frieden der Ehe verloren ginge, wenn sie ferner sich weigerte über's Meer zu ziehen in eine fremde Welt. Der wohlmeinende Geistliche selbst hatte, nachdem er vergeblich sich gemühet, dem Joseph die Sache auszureden, endlich zur Nachgiebigkeit ihr gerathen, sprechend, die Erde sei überall des Herrn und auf dem Meere könne kein Härlein von ihrem Haupte fallen ohne seinen Willen. - Mit seiner Schwester zudem hatte Joseph schon Rücksprache genommen; sie sollte folgen mit dem blitzäugen Kaspar, sobald dieser aus der Schule gekommen. Ob er sein Erbe in der Landdrostei Hildesheim, oder im Staate Illinois empfing, war das nicht einerlei? und letzteres muthmaßlich zehnmal bedeutender: hier ein kleiner Grundbesitzer, mit zwei Pferden, zwei Ochsen und fünf Kühen; dort ein großer Herr, der mit Sechsen fahren könne, über weite Länderstrecken und unermeßliche Herden geböte und auf der ganzen Welt Niemanden über sich, Viele aber unter sich habe. - Therese war übertäubt, nicht überzeugt. Das Kirchlein in Althof, daneben die Gräber ihrer Eltern lagen, den schönen Dom in der Stadt konnte sie nicht mitnehmen, und das Häuschen, darin sie geboren, der Kirschbaum, an ihrem Tauftage gepflanzt, war ihr lieber als aller Glanz des Reichthums und alle Ueppigkeit der Natur in der fremden neuen Welt. Aber sie hat geschwiegen, sie hat ihre Thränen still an's Herz gebunden und die bänderreiche niedersächsische Bauernmütze, - das einzige dort von der alten schönen Tracht Verbliebene, - ungern vertauscht mit modischen Kopfbedeckungen, als sie ihre Ausstattung für die neue Welt machte. Ein Holzhändler, dem der Platz für sein Geschäft gelegen war, hatte Haus und Hof und Ländereien, Vieh, Geräthe, Kornfrüchte, Kartoffeln und Heu, kurz Alles in Bausch und Bogen gekauft und mit 7500 Taler (Mecklenburg) baar bezahlt. Dreizehnhundert Thaler war Joseph's väterliches Vermögen, welches er zu seiner Uebersiedelung aufnahm; ein Gleiches besaß die Schwester Josephs, Kaspar's Mutter, und diese bat ihn sehr, er möge es auch mitnehmen, - was jedoch Therese zu verhindern wußte. Es war ihr schon Angst, um das viele eigene Geld. Ein Trost war es ihr, daß der Holzhändler Enken und die Kleinmagd zu

[ => Original lesen: 1858 Nr. 33 Seite 3]

behalten und auch auf die Bäume ein gutes Auge zu haben versprach. Sonst war ihr der Abschied sehr ungetröstet, und der letzte Kirchgang, der Abschied all der lieben Althöfer brach ihr fast das Herz. - Und als sie, in Gesellschaft von Kaspar und seiner Mutter, die bis Bremen "die Lustfahrt" mitmachten, den Dampfzug bestiegen, hüb es vom Dom zu läuten an, als letzter Gruß der Heimath. Da hat Therese noch einmal so recht von Herzen sich ausgeweint; dann ist sie still und ruhig gewesen und in allen Dingen ihrem Ehemann freundlich zur Hand; er hat auch nie ein Wort des Vorwurfs von ihr gehört, und als sie so krank geworden auf dem weiten entsetzlichen Meer, wo sie durch das Gebrause des Windes und der Wogen immer das Domsläuten zu hören vermeinte, bis endlich sie in Newyork gelandet sind; - ein Meer von Häusern und ein Wogen von Menschen, beängstender wie das der Fluth, ist ihr da verwirrend und betäubend entgegengetreten, und gezittert hat sie und gebebt; ihr Mann aber hat ganz wohlgemuth zu einem Agenten, der ihm empfohlen, sich begeben.
Fünf Jahre später sitzt Therese, gealtert, abgemagert, bleich auf der waldigen Berghöhe, wo sie früher so oft mit ihrem Mann sich getroffen; sie erwartet ihn auch jetzt; treue Anhänglichkeit hat den Wohlstand überlebt und umgrünt jetzt Arbeit und Mühe. Schwere Körbe stehen neben ihr; ach, es ist nicht mehr die Fülle ihres ländlichen Haushalts, die sie zu Markte trägt; Therese, in Wohlstand geboren und erzogen, ist Botenfrau geworden und trägt, seit sie vor zwei Jahren verarmt zurückgekommen, Tag für Tag schwere Lasten auf dem Rücken und in den Armen, für Andere. Joseph hat einen Kutscherdienst bekommen; so haben Beide ihr tägliches Brod gefunden im Schweiße ihres Angesichts; manchmal wird ihnen auf ihren Wegen ein flüchtiger Gruß, selten aber eine ruhige Stunde des Beisammenseins. Joseph ist in der Stadt, sie hat ein Stübchen in Althof. Täglich geht sie und häufig fährt er an der Stätte ihres ehemaligen Wohlstandes vorüber. Eben jetzt trägt sie, unter vielen andern Dingen, süße Kirschen von ihrem Taufbaume im Korbe, aber nicht zum Verkauf: der gute Holzhändler hat sie ihr geschenkt, und sie nimmt diese dem Kaspar mit, dessen zehnjähriger Geburtstag eben heute ist. Der Erbe der großen Besitzung in Illinois hat Lust und Aussicht nach vollendeten Schuljahren bei einem Zimmermann in die Lehre zu kommen; Gott Lob nur, daß seiner Mutter 1300 Thaler nicht mitgenommen und mitverloren waren! - Jetzt kommen die bekannten Schimmel die Berghöhe heran, der gütige Besitzer erlaubt Joseph, anzuhalten und abzusteigen; so bekommt er sein Theil von den schönen saftigen Früchten von dem Baume, der einst sein Eigenthum war.
Herr Wagemann sieht einigermaßen amerikamüde und nicht so klar aus den Augen, wie seine Frau, doch scheint er ihr herzlich zugethan und eine Viertelstunde des Zusammenseins vergoldet den Getrennten lange schwere Tage voll Arbeit und Mühe.
Als die Schimmel das leichte Wägelein hinweggezogen, bleibt Therese mit gefalteten Händen sitzen und preiset Gott, der die Begegnung ihr gegönnt. Grade da erschallen die Glocken des Domes in hellen, durch die stundenweite Entfernung gedämpften Tönen und sie denkt, wie viel leichter es ihr doch jetzt um das Herz sei, als da sie den Scheidegruß ihr nachgerufen, der ihr als das Grabgeläute ihres Erdenglücks erschollen.
Es hatten drei kurze Jahre genügt, das ganze Vermögen der Eheleute ihnen zu entnehmen und dem Wohlstande der Vereinigten Staaten einzuverleiben. So geht es Manchen - aber die Wenigsten kehren zurück; wie Mancher, der in Deutschland seinen auskömmlichen Besitz hat und mehr als den haben wollte, mag verkümmern schon in den Jammerhöhlen Newyorks; Andern glückt's oft in überraschendem Maße; gebe Gott nur, daß nicht dabei das theuerste Gut von allen, das Seelenheil, gefährdet worden. Wie und in Folge welcher Umstände es den Wagemann'schen Eheleuten so gänzlich mißglückt hat, ist nicht die Absicht dieser kurzen Skizze darzulegen. Weder Schuld noch Untüchtigkeit, noch Unverstand konnte ihnen zur Last gelegt werden. Beide waren fleißig und körperstark, verstanden jede Arbeit der Landwirthschaft, konnten gut schreiben und rechnen; Beide sprachen bei der Heimkehr, die sie mit dem allerletzten Rest ihrer irdischen Habe ermöglicht hatten, sogar mit einiger Geläufigkeit Englisch; einen allerdings mit dem Verlust ihres ganzen Wohlstandes theuer erkauften Vorzug.
Therese aber versichert, sie sei jetzt in ihrer Armuth, auf ihren mühevollen Botenwegen in Schnee oder Gluth, in Regen oder Staub, unendlich viel glücklicher, als sie auch im größesten Wohlstande in Amerika jemals hätte sein können. Hier habe man, so ungefähr sagte sie, vollen, festlichen Sonntag mit Geläute, Orgelspiel und allen schönen Gottesdiensten, und Kirchen, denen man es gleich ansehen könne, daß sie in ferner grauer Zeit von frommen Vorfahren zur Ehre Gottes erbaut wären. In Amerika hätten die Kirchen ebenso ausgesehen, als ob sie zu allem Andern eben so gut paßten, wie zum Gottesdienst, und gerade das sei am meisten ihr zuwider gewesen in Illinois.


Anzeigen.


Auf Antrag des ehemaligen Erbpächters Johann Timmermann vom Hammer bei Mannhagen werden alle Diejenigen, welche an seine vormalige, nunmehr von dem Erbmüller Adolph Capell daselbst käuflich erworbene, auf dem Hammer belegene Erbpachtstelle dingliche Rechte zu haben vermeinen, hiemit aufgefordert, solche in dem zu diesem Zweck auf

den 10. September d. J.

angesetzten Termin anzumelden, widrigenfalls sie für immer damit ausgeschlossen sein sollen.
Schönberg den 1. Juli 1858.

                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     Reinhardt.


Vermischte Anzeigen.

Statt jeder besonderen Meldung:
Elise Bühmann.
Ludwig Plettner, Assessor.
Verlobte.
Neustrelitz den 7. August 1858.                                                    


Verkauf
von Musikinstrumenten und Noten.

Wegen Aufgabe meines Privilegiums beabsichtige ich zu verkaufen,
sogleich: Drei Contrabässe, zwei fast neue Ventil=Waldhörner, Wiener Bauart, mit Kasten; eine Tenor= und eine Baß=Posaune; mehrere Violinen; eine Bratsche; zwei Klappenhörner; - ferner an Musikalien: mehrere 8= und 10=stimmige Ouvertüren, Violin=, Clarinetten=, Flöten=, Horn= und Trompeten=Soli's, 8stimmige Es-Harmonien, 10stimmige gut eingebundene Tanzbücher (neue Tänze).
Zum 1. October dieses Jahres: ein C-Piccolo, zwei Ventil=Trompeten, zwei C- und ein F-Cornet, einen F-Baß (Tuba), Es-, D-, C-, B- und A-Clarinetten, drei Cello's, eine D-Flöte mit C-Fuß, eine Terz=Flöte mit vier Klappen, ein paar alte Inventions=Waldhörner mit sämmtlichen Bögen; - sowie an Musikalien: Duetten, Trio's, Quartetten, Quintetten, zwei Parthien 8stimmige Harmoniemusik (neuere Piecen), verschiedene Tänze.
Und wollen Kaufliebhaber sich an mich wenden.

                                                    G. Holbeck, Stadtmusicus.

Rehna den 2. August 1858.


[ => Original lesen: 1858 Nr. 33 Seite 4]

Den 31. August
Ziehung des Großherzoglich Badischen Eisenbahn=Anlehens
vom Jahr 1845.

Die Hauptgewinne desselben sind: 14mal fl. 50,000, 54mal fl. 40,000, 12mal fl. 35,000, 23mal fl. 15,000, 55mal fl. 10,000, 40mal fl. 5000, 58mal fl. 4000, 366mal fl. 2000, 1944mal fl. 1000, 1770mal fl. 250.
Der geringste Preis, den mindestens jedes Obligations=Loos erzielen muß, ist fl. 45 oder Thlr. 25. 21 Sgr. Pr. Cour.
Obligations=Loose, deren Verkauf überall gesetzlich erlaubt ist, erlassen wir zum Tages=Cours, nehmen aber solche auf Verlangen sofort nach genannter Ziehung weniger Thlr. 2 Pr. Crt. oder 24 fl. 3. 30 kr. wieder zurück.
Es haben daher auch unsere resp. Abnehmer, welche jetzt schon gesonnen sind, uns Ihre Obligations=Loose nach erwähnter Ziehung wieder zu erlassen, anstatt des vollen Betrags nur den Unterschied des An= und Verkaufpreises von fl. 3. 30 kr. oder Thlr. 2 Pr. Crt. für jedes zu verlangende Obligations=Loos einzusenden. (NB. Bei Uebernahme von 13 Obligations=Loosen sind nur fl. 42. oder Thlr. 24. Pr. Crt. zu zahlen, gegen Einsendung von fl. 87. 30 kr. oder Thlr. 50 Pr. Crt. werden dagegen 30 Obligations=Loose überlassen.)
Ziehungslisten sofort franco nach der Ziehung.

                                                    Stirn & Greim,
                                                    Staats=Effekten=Handlung
                                                    in Frankfurt a./M.


6000 Ellen

neue, schöne, echte Kattune empfing ich soeben und empfehle mich damit bestens, sowie ich um gefällige, fleißige Benutzung meiner Probekarten freundlichst bitte.
Schönberg, August 1858.

                                                    Ludwig Creutzfeldt,
                                                    Siemzerstraße.


Die Imker hiesiger Gegend ersuche ich freundlichst, mir ihr leeres Bienenwerk zukommen zu lassen. Gutes, noch nicht ganz schwarzes Bienenwerk, auch wenn Bienenbrot darin ist, bezahle ich mit 20 Schilling (Mecklenburg).
Schönberg den 4. August 1858.

                                                    D. Hempel, Lehrer.


Garten=Ballons
in sehr hübschen Mustern und Farben
                          empfiehlt                                           J. P. Bade.


Bei Unterzeichnetem steht eine fast noch neue, große Schneidelade zum Verkauf.

                                                    Siesage, a. d. Bek.


Unterzeichneter wird mit einem Transport
Hannöverscher Racefüllen

am 28. August beim Herrn Gastwirth Seeler in Sahmkow eintreffen, solche am 30sten daselbst und am 31sten beim Gastwirth Boye in Schönberg zum Verkauf stellen, wozu Liebhaber ergebenst eingeladen werden.

                                                    Beckmann.

Jesar, August 1858.


Gußstahl=Sensen
von vorzüglicher Güte
empfiehlt                                                     Fr. C. Schlebusch.


Fleckwasser
für
Weißzeug.

Es reinigt die Wäsche auf eine unschädliche Weise von Obst=, Wein= und anderen Flecken, indem man, nachdem das Zeug rein gewaschen, von diesem Wasser auf die Flecke gießt und es dann wie gewöhnlich mit kochendem Wasser stehen läßt.
Auch giebt es gelb gewordener Wäsche eine blendende Weiße und eignet sich bei ungünstiger Witterung zum Zimmertrocknen bei obigem Verfahren ganz besonders.
Die Flasche zu haben für 4 Schilling (Mecklenburg) bei

                                                    J. P. Bade.


Da das Ausschneiden der Gräben und Wasserlöcher auf meinem Felde überhand genommen hat, auch sonstige Felddiebstähle häufig vorkommen, habe ich dem Holzwärter Solvi die Beaufsichtigung übertragen und werde Jeden, der von demselben hiebei betroffen wird, gerichtlich belangen.
Mechow d. 28. Julius 1858.

                                                    H. Stamer.


Am Sonntag, den 15. August, Abends 7 Uhr, findet in dem Locale des Herrn Gastwirths Boye ein

Concert

statt, bestehend in der Aufführung

"die Gesellenfahrten,"
gedichtet von Julius Otto jun., in Musik gesetzt von Ernst Jul. Otto sen.;

enthaltend die Lieder:

  1) Wanderlied,
  2) Handwerk hat einen güldnen Boden,
  3) Tanzlied,
  4) Minnelied,
  5) Schlosserlied,
  6) Das treue deutsche Herz.
                   ---------
  7) Das Lied von der rothen Nase.
  8) Feierabend.
  9) Das Lied vom Wein.
10) Quodlibet,
11) Die blaue Mütze,
12) Vaterlandslied,
wozu der unterzeichnete Verein seine verehrten Gönner und Freunde ergebenst einladet.
Das Eintrittsgeld ist zum Concert à Person nach Belieben.
Nach Beendigung des Concerts findet noch Tanz statt.

                          Der hiesige Männergesang=Verein.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.
Vom 6.-12. August

Geboren: D. 9. eine unehel. Tochter vor Schönberg.
Gestorben: D. 6. Hans Hinrich Freitag, Büdner zu Petersberg, 78 J. a., Altersschwäche. - D. 11. Anna Carol. Bollow, Arbtsm.tochter zu Petersberg, 6 Monate a.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 11. August 1858.

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 24-28 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 24-28 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 50-52 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 42-46 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 42-44 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 27-28 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 40-44 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 26-27 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg)   4-16 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 16-18 Mark (Lübeck)
Butter 12 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln neue d. Faß 5 Schilling (Mecklenburg).
Dampfmehl aus Rothes Fabrike No. 0. 24 Mark (Lübeck), No. 1. 22 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg), No. 2. 16 Mark (Lübeck) für Netto 200 Pfund.
Grobe Kleie 3 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg). Rollmehl 4 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg).


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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