No. 30
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 23. Juli
1858
achtundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1858 Nr. 30 Seite 1]

- Die Ankunft der Königin von England und des Kaisers Napoleon in Cherburg ist auf den 4. August festgesetzt. Man erwartet, daß die Königin zum Besuch ihrer Tochter, der Prinzessin Friedrich Wilhelm, auf Schloß Babelsberg eintreffen und von dort aus auch Berlin besuchen wird. - Von Hamburg wird eine Lustfahrt nach Cherbourg projectirt vermittelst Dampfschiff, wenn sich 200 Theilnehmer dazu finden. Dasselbe wird 4 Tage in Cherbourg bleiben, den Passagieren während dieser Zeit freien Aufenthalt am Bord gewähren, auch bei den Seefestlichkeiten mit den Passagieren in See stechen und gegen den 10. August wieder in Hamburg eintreffen.
- Die dänische Rückantwortung an den deutschen Bund in der Herzogthümer=Angelegenheit verspricht die Außerkraftsetzung der holsteinischen und der Gesamtverfassung und erklärt seine Bereitwilligkeit zur Unterhandlung über die Herstellung eines bundesmäßigen Rechtszustandes in Holstein.
- In Ludwigslust sind der Graf von Paris und der Herzog von Chatres, Söhne der verewigten Herzogin Helene von Orleans, eingetroffen. Sie haben bereits in Begleitung der verwittweten Frau Erbgroßherzogin am großherzogl. Hofe zu Schwerin Besuch gemacht.
- Se. k. Hoh. der Erbgroßherzog von Mecklenburg=Strelitz sind mit dem Erbprinzen Adolph Friedrich über Berlin nach London gereist.
- Der Großherzog von Oldenburg nebst Familie traf am 18. in Lübeck ein und begab sich bald darauf nach Eutin, woselbst dieselben längere Zeit verweilen werden.
- Der franz. Moniteur meldet, daß Frankreich und England gemeinschaftlich Maßregeln treffen werden, um wegen des barbarischen Acts zu Jeddah glänzende Genugthuung zu erlangen. Die türkische Regierung hat sich beeilt, einen General mit 2000 Mann zur exemplarischen Bestrafung der Schuldigen abzusenden. Den Grund zu diesem mörderischen Blutbade erblickt man in dem seit einiger Zeit unter den Arabern immer grimmiger werdenden Christenhasse, welcher sogar durch Missionare aus Indien befördert werden soll. - Die Gährung hat sich in allen Gegenden, die sich unter dem unmittelbaren Einfluß von Mekka befinden, verbreitet. In den Moscheen von Mekka ist die Metzelei von Jeddah gefeiert worden. Die Nachricht von der Ermordung der Christen erfüllte die zahlreichen Bewohner von Mekka mit teuflischer Freude. Jeddah ist der Hafen, wo die zahlreichen türkischen Pilger landen, die sich zum Grabe des Propheten begeben. Der Sultan hat den Familien der ermordeten Consuln Frankreichs und Englands je 150,000 Francs antragen lassen.
- (Indien.) Die Engländer haben in neuester Zeit wieder einige feste Punkte den Indiern abgenommen, sie sind aber dadurch ihrem eigentlichen Zwecke des Kampfes, der Unterwerfung der Feinde und der Herstellung der Ordnung nicht näher gerückt, da der größere Theil der Rebellen stets unversehrt entkam und von den Hauptanführern derselben den Engländern kein einziger in die Hände fiel. - Das britische Heer leidet ungemein durch die große Hitze, in welcher die Truppen die beschwerlichsten Anstrengungen erdulden müssen. Seit 20 Jahren hat der Hitzegrad keine solche Höhe erreicht, wie in diesem furchtbar heißen Sommer. Die Hitze beträgt 43 Grad R. im Schatten, und die Regenzeit, mit der man sich kühlere Tage verspricht war gegen frühere Jahre schon 14 Tage ausgeblieben.
- Der in Calcutta gefangen gehaltene chinesische Statthalter Yih hat die Regierung durch seinen Dollmetscher um einen Revolver bitten lassen; man verweigerte ihm jedoch denselben in der Besorgniß, er könne damit einen Selbstmord begehen wollen.
- Die engl. Regierung will für die Arbeiten zur Reinigung der Themse eine Anleihe von 3 Millionen Pf. machen. Den Einwohnern von London ist der Regen ganz besonders erwünscht gekommen, indem die faule Gährung der Themse beträchtlich nachgelassen und der Strom zum Theil seine Reinheit bereits wieder erhalten. - In London hat ein in einer Feuerwerks=Fabrik ausgebrochener Brand an 315 Menschen theils getödtet, theils mehr oder weniger beschädigt. Dieser Fabrik gegenüber lag eine ähnliche, welche ebenfalls vom Feuer ergriffen wurde, und somit explodirten beide mitsammt ihren Vorräthen und verbreiteten Schrecken und Verwüstung.
- Ein Redacteur in Stockholm hatte vor einiger Zeit eine junge Dame dieser Stadt in bewußter Lüge der Blutschande beschuldigt und war dafür zur Enthauptung verurtheilt worden. Auf ein Gnadengesuch, das seine Familie dem Könige überreichte, war die Antwort erfolgt, die gekränkte Dame müsse ihm erst verzeihen, ehe die Königliche Gnade ihm zu Theil werden könne. Die Dame um Verzeihung anzugehen, konnte sich aber der Schuldige nicht entschließen. So wurde er am bestimmten Tage auf das Schaffot geführt. Als die Binde von seinen Augen genommen ward, stand die Dame vor ihm und sagte: "Ich verzeihe Ihnen." - Seine Strafe ist in Gefängniß verwandelt worden.
- Da die Heuerndte in Frankreich nur spärlich ausgefallen, so hat der französische Kriegsminister befohlen, bei sämmtlichen Pferden der Armee einen sehr großen Theil der Heu=Ration durch anderes Futter zu ersetzen.
- Den H. N. wird aus Schwerin geschrieben:

[ => Original lesen: 1858 Nr. 30 Seite 2]

daß in Folge der beabsichtigten directen Eisenbahnverbindung zwischen Lübeck und Hamburg über Oldesloe, das Bedürfniß hervorgeht, zwischen Schwerin und Lübeck gleichfalls eine Eisenbahn zu bauen, damit der nördliche Verkehr an der Ostseeküste entlang gerade hier in Mecklenburg nicht eine empfindliche Störung durch übermäßig große Umwege erleide. Gleichfalls wird eine directe Verbindung Güstrows bis zur preußischen Gränze dadurch vernothwendigt.
- Gegen Branntweintrinken hat das Polizeiamt in Schwerin kürzlich verschiedene ältere Verordnungen in Erinnerung gebracht. Nach denselben sind Schulden für Branntwein, welche in Krügen ausgeschenkt werden, nicht verbindlich; auch dürfen Krämer etc. keinen Schnaps vor dem Ladentische ausschenken oder den Käufern ihre Waaren unentgeldlich verabreichen bei Strafe von 32 Schilling (Mecklenburg) bis 10 Thlr.
- Ein gutes Weinjahr kann nicht ohne seinen Kometen bleiben, und so ist denn auch Aussicht, daß wir von Mitte August bis Anfang September den Anblick eines größern, dem bloßen Auge sichtbaren Kometen haben werden. Er ist Anfang Juni in Florenz entdeckt, und gegenwärtig nur durch Teleskope zu sehen.
- Eine große Frechheit der Berliner Diebe ereignete sich in voriger Woche, wo zwei derselben am hellen Tage einen eisernen Geldkasten mit 8000 Thalern stahlen und ihn, nachdem sie ihn in eine Fußdecke gewickelt hatten, fast vor den Augen der Bestohlenen forttrugen. Der Geldkasten ist später vor einem Thore der Stadt leer gefunden. Es soll jedoch gelungen sein, einen der Diebe habhaft zu werden.
- In Baden-Baden soll die Spielbank in diesem Sommer bereits fünfmal gesprengt sein; zweimal sprengte sie ein Oestreicher.
- Bei einem Ausfluge nach Ratzeburg wurden, wie der H. C. berichtet, am Montag einige von den Hamburger Besuchern des allgemeinen Scheibenschießens in Lübeck von einem orkanähnlichen Sturme und wolkenbruchartigen Regen, mit starkem Hagel vermischt, überrascht. Zwischen Ratzeburg und Mölln sollen viele Felder dadurch vernichtet sein. In Ratzeburg selbst, wo gerade Jahrmarkt war, wurde ein großer Theil der Buden umgerissen und litten namentlich die Kuchenbuden; der ganze süße Inhalt wurde durch den herabströmenden Regen vernichtet und schwamm auf dem Marktplatze umher, welcher auf kurze Zeit mit 2 bis 3 Fuß Wasser bedeckt war.
- Ueber die Einfuhr von Getreidestoffen in England wird aus Berlin mitgetheilt, daß Preußen und die Vereinigten Staaten die größten Massen nach England liefern. In dritter Reihe steht Rußland, dann kommen Dänemark und die Hansestädte, welche viel Gerste lieferten. Aus Schweden kam der meiste Hafer, aus den Donaufürstenthümern der meiste Reis. Frankreich lieferte am meisten Roggen und Bohnen, und Aegypten beinahe die Hälfte der eingeführten Erbsen. - In der Vieheinfuhr steht Holland obenan, dann folgen die Hansestädte, Dänemark, Oldenburg, Belgien, Frankreich, Portugal und Spanien.
- Ein Gutsbesitzer aus Westphalen, der eine Reise durch einen Theil Westphalens, durch Hessen, die Thüringischen Herzogthümer, die Provinz Sachsen, und namentlich auch die Gegend von Magdeburg, das Braunschweigsche und das Hannoversche gemacht, äußert sich über den Zustand und die Aussicht der diesjährigen Ernte folgendermaßen. Der Roggen ist zwar durchschnittlich im Stroh kurz, aber von dichtem Stande, verspricht einen lohnenden Körnerertrag, mit Ausnahme von einigen Sächsischen Gegenden, wo das Stroh zu bleich gefunden ward, als wenn die Frucht vom Mehlthau befallen sei. Nur ausnahmsweise fanden sich in den durchreisten Gegenden schöne hohe Roggenfelder, welche in jeder Hinsicht eine volle Ernte versprechen. - Weizen nicht nur im Stroh kurz, sondern auch nicht gehörig bestaudet, daher verhältnißmäßig dünnen Standes, gut in den Aehren, auf einen vollen Durchschnittsertrag nicht zu rechnen, wenngleich verhältnißmäßig gut im Körner=Ertrage. - Sommer=Getreide aller Art durchschnittlich kurz im Stroh, jedoch ungeachtet der im vorigen Monat vorherrschenden großen Dürre noch von ziemlich frischem Ansehn, mit der Aussicht auf einen verhältnißmäßig lohnenden Körnerertrag, welcher den von 1857 erreichen, wahrscheinlich übersteigen wird. Kartoffel standen überall frisch und gut. - Klee= und Heu=Ernte schlecht, woraus schon die enorm hohen Heupreise erklärlich und ebenso das Weichen der Viehpreise, besonders in Westphalen und am Rheine.
- Aus Schwerin: Der Futter= und Weidemangel ist hier sehr groß. Die sonst so wasserreiche Lewitz, eine Wiese von fast 3 Quadratmeilen, die nach ungefährer Schätzung stets 16,000 bis 20,000 Fuder Heu und Weide für 6 bis 7000 St. Hornvieh lieferte, hat beinahe gänzlich nachgelassen und ist dürre geworden. Diese mecklenburgische Prairie befindet sich zwischen Parchim, Neustadt, Ludwigslust und Schwerin, und lieferte weit und breit Futter für Städte und Dörfer. Man hat stellenweise berechnet, daß das Pfund Heu auf 1 1/2 Schilling gekommen ist, daher muß das Vieh auch zum Theil verschleudert werden.
- Seit dem Jahr 1845 sind in Belgien und Holland die Schweine nicht so wohlfeil gewesen, wie jetzt. Im Holländischen haben mehrere Bauern ihre Spanferkel ersäuft, weil sie dieselben nicht verkaufen konnten und das Futter fehlte.
- Die L. Z. meldet über das diesjährige allgemeine Scheibenschießen: Zu demselben sind diesmal noch viel mehr auswärtige Gäste hier eingetroffen, als in früheren Jahren. Allein der Hamburger Extrazug brachte am Sonntag 1500. Auch der darauf folgende und der Nachmittagszug waren stark besetzt, sodaß die auf der Eisenbahn angekommenen allein auf 2000 geschätzt werden. Noch bedeutend größer aber waren die auf andere Weise hier angelangten Festtheilnehmer aus der näheren Umgegend. Die Menschenmenge auf dem Festplatze übertraf Alles, was man hier je bei ähnlicher Gelegenheit sah, wie denn das Fest in jeder Hinsicht so glänzend ausfiel, wie bei keinem der zehn vorhergehenden allgemeinen Scheibenschießen. Es wurden 2572 Schießkarten verkauft, 600 mehr wie im vorigen Jahr. König wurde der Protonotar Dr. Kindler aus Lübeck. Eine berittene Schaar von Fremden gab ihm das Geleite nach der Stadt, wo sich ihnen noch eine große Zahl von Landleuten aus dem Holsteinschen und Lauenburgischen anschloß, so daß über 60 Reiter auf durchgängig recht schönen Pferden den in der Mitte des Festzugs in einem vierspännigen Wagen fahrenden König begleiten konnten.


Mr. Rarey, der amerikanische Pferdebändiger

erklärt sich jetzt in den Zeitungen wegen einer kleinen in London erschienenen Broschüre, in der sein von einzelnen Liebhabern so theuer bezahltes Geheimniß der ganzen Welt für einen Spottpreis von einigen Schillingen enthüllt worden ist.
"Ich glaube nicht, meint Rarey unter andern, daß man die Methode aus irgend einem Buche so gut und vollständig lernen kann, wie in einer einzigen Unterrichtsstunde. Was das Versprechen der Geheimhaltung betrifft, welches meine Subscribenten mir gegeben haben, so erlaube ich mir, sie hiermit ganz und gar davon zu entbinden."
Auch in Berlin ist eine solche Broschüre in deutscher Sprache erschienen. Der Inhalt der amerikanischen Broschüre ist ungefähr folgender: Die Hornwarze ist bekanntlich ein an den Vorderbeinen wie an den Hinterbeinen sich findender Auswuchs. Die Warze hat einen eigenthümlich ranzigen, muffigen Geruch und läßt sich leicht abnehmen. Die

[ => Original lesen: 1858 Nr. 30 Seite 3]

amonikalische Ausdünstung des Pferdes scheint sich in diesen Theilen besonders zu concentriren, und deren starker Geruch hat für alle Thiere, besonders aber für Hunde und Pferde eine große Anziehungskraft. Das Rosenholz=Oel (oleum rodii) besitzt besondere Eigenschaften. Alle Thiere haben eine große Vorliebe für dasselbe, und es übt auf sie einen beruhigenden Einfluß aus. Für Kümmel=Oel hat das Pferd eine instinctmäßige Liebhaberei. Wenn ein Pferd beide Oele riecht, wird es zu denselben unwiderstehlich hingezogen. Die Anleitung zur Zähmung wilder Pferde wird nun in folgender Weise beschrieben: Man nehme etwas von dem Auswuchs und pulverisire es fein. Man verschaffe sich etwas Rhodium und etwas Kümmel=Oel, und bewahre alle drei Ingredienzien jedes für sich in luftdichten Flaschen. So wie man nun einem wilden Pferde auf offenem Wege begegnet, reibe man etwas Kümmel=Oel auf die Hand und nähere sichdemselben von der Windseite her, damit das Thier das Oel gleich rieche. Ist dies der Fall, so kann man dem Pferde ohne Schwierigkeit ganz nahe kommen. Reibt man ihm dann etwas von dem Oele zwischen die Nüstern, dann läßt es sich führen wohin man will. Hierauf gebe man ihm etwas von der pulverisirten Hornwarze auf einem Stücke Zucker, gieße 8 Tropfen Rhodium=Oel in ein kleines, etwa Fingerhut großes Gefäß und träufle es auf die Zunge des Pferdes. Nach dieser Procedur ist die Herrschaft über dasselbe vollkommen; es wird seinem Bändiger wie ein Hund folgen; Alles kann man mit ihm anfangen, doch stets mit Freundlichkeit und Milde.


Der Leviathan in Avignon.

Die landwirtschaftlichen Ausstellungen sind eine Schöpfung der Briten und haben sich, wie so manches Gute englischer Erfindung, schnell nach allen Ländern christlicher Zunge verbreitet. Selbst in der Türkei fand etwas ähnliches statt, wobei man namentlich einige ungeheuere Ochsen aus Rumelien und herrliche Pferde aus Adramyti bewunderte, und es wäre für das Osmanische Reich ohne Zweifel von ungeheuerer Wichtigkeit, wenn die dort sehr vernachlässigte Landwirthschaft von der Regierung besser in's Auge gefaßt und unterstützt würde.
Im Frühling dieses Jahres wurde durch den französischen Minister des Ackerbaues und des Handels eine Ausstellung nach Avignon im südlichen Frankreich ausgeschrieben und die Wahl des alten Sitzes der Päpste war ohne Zweifel eine ganz vortreffliche, da diese Stadt nicht nur durch ihre herrliche Lage, sondern auch durch Landwirthschaft, Handel und gewerbliche Thätigkeit sich vor vielen andern gleichgroßen Orten auszeichnet. Es waren hier die Erzeugnisse von 11 südlichen Departements ausgestellt. Von allen Seiten, strömten Menschen nach Avignon, wo man bereits verschiedene Festlichkeiten vorbereitet hatte. Vor der Stadt, auf einer großen Ebene, über welche der wolkenumschleierte Gipfel des Berges Ventour emporragt und die fernen Höhen der Alpen und Sevennen hereinlugen, fand ein Wettrennen statt, zu welchem die Stadt einen Preis von 2500 Francs beigesteuert hatte, den der "Monarchist," das Pferd des Baron v. Luque in Bordeaux, gewann. Daß die reichsten Toiletten, der feinste französische Luxus, bei den Festlichkeiten zu Avignon nicht fehlten, läßt sich denken.
Während ich, nahe der Wunderbrücke des heiligen Benezet, nach dem Thurme Glaciere einbiegen wollte, wurde meine Aufmerksamkeit plötzlich auf eine Maschine gelenkt, welche gleich einem wandelnden Gebäude langsam näher rückte. Mit Erstaunen erkannte ich, daß der Koloß ein Wagen war, aber von so ungeheuerer Größe, daß man wohl mit Bestimmtheit ihn als den Einzigen seiner Art betrachten konnte. Sechs hübsche muthige Pferde dienten zu des Fahrzeugs Transport und auf dem Kutschersitze gewahrte man die Gestalt eines Lenkers, dessen ganzes Aeußeres vollständig bewies, daß er mit Verachtung auf die elenden Cabriolets und ihre Insassen herabblickte, denn das Innere seines Wagens barg, wenn ich richtig gezählt habe, nicht weniger als 64 Personen, bis auf zwei Knaben lauter hübsche frische Mädchen zwischen siebzehn und zwanzig Jahren.
Daß die Unterhaltung im Wagen eine sehr lebhafte war, kann man sich vorstellen. Sie hatte Aehnlichkeit mit dem Geräusch, welches an einem milden Sommerabende einige Tausend im Sumpfe rastende Frösche verursachen; der Kutscher aber wandte sich nur bisweilen an eine neben ihm sitzende ältere Frau, wobei er nie unterließ, seinen Hemdkragen in die Höhe zu ziehen und den breitkrämpigen Filz zu rücken. Etwa zwanzig Schritte von mir hielt der Wagen an und jubelnd näherte sich eine Anzahl junger Leute. Mit Erstaunen erkannte ich, daß noch etwa ein Dutzend Frauenzimmer das Fahrzeug zu erklimmen begannen. Kaum hatten sie, soweit es möglich war, Platz genommen, als der Kutscher den Hemdkragen emporzog, den Hut lüftete und die Peitsche schwang. Donnernd rasselte die ungeheure Maschine mit ihrem schnatternden und plappernden Inhalte von dannen.
Ein alter kleiner Herr, welchen ich für einen Polizeispion hielt, der jedoch in Wirklichkeit ein Töpfer war, mochte mein verwundertes Gesicht bemerkt haben und hatte die Güte, mir über das wunderbare Fahrzeug Aufschluß zu geben.
In Avignon befindet sich eine sehr bedeutende Spinnerei, erzählte er, deren Eigenthümer einer der reichsten, zugleich aber auch wackersten und wohlwollendsten Männer ist. Herr Emanuel Quente kam als armer Teufel aus Deutschland hierher und als er durch Fleiß und Glück reich geworden war, vergaß er dennoch nicht die einstigen Tage der Armuth und sorgte für seine Arbeiter mit wahrhaft väterlicher Güte. Da er in seiner Fabrik eine ziemliche Anzahl junger Mädchen aus entfernten Dörfern beschäftigt und die Wege dahin für die armen Geschöpfe nicht nur beschwerlich, sondern auch nicht ohne Gefahr sind, so kam ihm der Einfall, sie des Sonnabends - während der Woche bleiben sie in Avignon - nach Hause fahren zu lassen, und so entstand der Leviathan, wie Herr Quente den Wagen nach dem größten Schiffe aller Meere getauft hat, welcher die jungen Arbeiterinnen nicht nur bequem der Heimath zuführt, sondern sie auch am Montagmorgen wieder nach der Fabrik abholt.
Wie Sie sehen, sind unsere Landmädchen sehr hübsch, fuhr der Töpfer fort, aber um heirathen zu können, müssen sie auch dem Liebsten eine kleine Morgengabe mitbringen, und daß sie dies können, dafür sorgt Herr Quente. Allwöchentlich legt er von ihrem Verdienste eine Kleinigkeit zurück, verzinst sie mit 10 Procent, und kommt dann ein Bräutigam, so giebt ihm, sobald er ein braver Bursche ist, der Fabrikant das Ersparte und, wenn er mit dem Mädchen zufrieden war, noch etwas Erkleckliches aus seiner Tasche dazu. Nirgend finden Sie aber auch hübschere, freundlichere und heiterere Frauenzimmer als in der Fabrik des Herrn Quente. Sie werden die musterhaftesten Hausfrauen.


Anzeigen.


Präclusivbescheid.

In Sachen der Curatel der Kinder und Erben des verstorbenen Gerichtsraths Reinhold zu Schönberg, Provocanten, wider alle Diejenigen, welche aus irgend einem Rechtsgrunde Ansprüche an den Nachlaß des gedachten wail. Gerichtsraths Reinhold haben oder zu haben vermeinen, Provocaten, giebt das

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg,

[ => Original lesen: 1858 Nr. 30 Seite 4]

reproductis ad acta proclamatibus cum documentis insertionis nec non aff- et refixionis, hierdurch den

Bescheid:

daß nunmehr alle Diejenigen, welche sich mit ihren vermeintlichen Ansprüchen sowenig in dem deshalb angestandenen Termine am 5ten d. M. als bisjetzt gemeldet haben, mit denselben, wie hierdurch geschieht, zu präcludiren sind.

Von Rechts Wegen!

Schönberg, den 22. Juli 1858.

                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     A. Dufft.


Verkaufsanzeigen.

Die Wittwe Renzow ist gewilligt am Sonntag d. 25. d. M. ihr Korn auf dem Halm meistbietend zu verkaufen, und zwar im sogenannten Moorkamp den Ertrag von

1 1/1 Scheffel Aussaat Roggen, und
1 1/2 Scheffel Aussaat Hafer;
ferner im Hintergarten der Ertrag von
1 1/2 Scheffel Aussaat Hafer und
1 1/2 Scheffel Aussaat Gerste.
Zugleich soll ihr Land und ihre Wiese meistbietend verpachtet werden. Kauf= und Pachtliebhaber wollen sich am obengenannten Tage, Nachmittags 4 Uhr, beim sogenannten Vock'schen Lande einfinden, um auch zu gleicher Zeit das Korn in Augenschein zu nehmen.

                                                    Klodt, Webermeister.


Vermischte Anzeigen.

Die freundlichst und ergebenste Einladung zum

Rehnaer Königsschuß,

am 26sten und folgenden Tagen d. M., erlauben sich hiedurch

                          die Aelterleute der Schützenzunft:
                          Chr. Lau.         J. Hirsch.


Gußstahl=Gras= und Korn=Sensen,

für deren Güte und leichten Schnitt ich garantire, wie auch

Eisenwaaren,

als gute engl. Häckselmesser, engl. Zugmesser, Hobeleisen, beste Spannsägen mit Gestellen, eine gute Auswahl englischer und deutscher Taschenmesser, alle Sorten Schlösser, Feilen, Schrauben, Bohrer, Nägel, Plätteisen u. dgl. mehr, empfehle ich zu billigen Preisen.

                                                    C. Schwedt.


Gußstahl=Sensen
von vorzüglicher Güte
empfiehlt                                                     Fr. C. Schlebusch.


Ich empfehle mich dem geehrten Publicum mit

Bruchbändern,
Couleurten Glacé=Handschuhen,
Reit=Handschuhen, und
Ernte=Handschuhen für Landleute.

                                                    H. Stoffers,
                                                    Handschuhmacher u. Bandagist.


Hierdurch bringe ich zur Anzeige, daß ich mit einem tüchtigen Geschäftsführer das Handwerk meines sel. Mannes fortsetzen werde und bitte, das dem Verstorbenen geschenkte Vertrauen auf mich übertragen zu wollen.
Schönberg den 7. Juli 1858.

                                                    Schuhmacher=Wittwe Maaß.


Verloren am zweiten Königschußtage: Ein kleines goldenes Kreuz. Der Wiederbringer erhält in der Expedition dieser Blätter eine Belohnung.


Am zweiten Königschußtage ward auf dem Wege vom Schießplatze bis in die Stadt ein Porte=Monnaie, mit Außenseiten von Schildpatt, etwas kleine Münze enthaltend, verloren. Der Finder desselben wird ersucht, es gegen eine angemessene Belohnung in der Expedition dieser Blätter abzugeben.


Am 2. Königschußtage Abends ist mir aus meiner Schenke ein schwarzer Tuch=Rock aus Versehen weggekommen. Ich bitte den jetzigen Inhaber mir denselben gegen eine gute Belohnung wieder zu übersenden.

                                                    Gastwirth Wiencke in Schönberg.


Während 14 Tagen, von Freitag den 16. d. M. angerechnet, wird die Passage durch unser Dorf wegen Legung eines Dammes für Fuhrwerk gesperrt sein.

                                                    Die Dorfschaft Kl. Siemz.


Der Schleichsteig vom Rupensdorfer Stege über meine Koppel, "Jörnberg" genannt, darf künftig nicht mehr benutzt werden. Wer dennoch darauf betroffen wird, den werde ich dem Gerichte zur Bestrafung anzeigen.

                                                    Hauswirth H. Dunkelgoth
                                                    in Rupensdorf.


Backtafel für die Stadt Schönberg
vom 15. bis 31. Juli.

Weizen=Milch=Brod. Pfd. Loth.   Pfd.   Loth.
Ein 2 Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eine Dreilings=Semmel, soll wägen - 19
Ein Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod desgleichen -   9 1/2
Ferner:
fünf große Milch=Semmel oder für 2 Schillinge - 19
fünf kleine Milch=Semmel oder für 1 Schilling -   9 1/2
Roggen=Brod von gebeuteltem Mehl, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eines halben Dreilings werth, soll wägen:
ein 8 Schillings=Brod 4 12
ein 4 Schillings=Brod 2   6
ein 2 Schillings=Brod 1   3
Grob Hausbacken=Brod ohne Aufbrod:
ein 8 Schillings=Brod 7 -
ein 4 Schillings=Brod 3 16
ein 2 Schillings=Brod 1 24

Schönberg, den 21. Juli 1858.                           
                                                    Bürgermeister und Rath.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.
Vom 15.-21. Juli

Geboren: D. 14. dem Tischlermeister Oldenburg hieselbst eine T. - D. 18. dem Arbtsm. Rentzow hies. ein S. - D. 20. dem Arbtsm. Dunker hies. eine T. - D. 21. dem Hausw. Spehr in Retelsdorf eine T.
Gestorben: D. 20. Johann Wilh. Christ. Clasen, Zimmergesellssohn hies. 6 Tage a. - D. 21. Johann Joch. Heinr. Badstein, Hauswirthssohn in Petersberg, 7 T. a. - D. 21. Anna Cath. Elis. Bade, Webertochter hies., 15 1/4 J. a.

Anzeige.

Nächsten Sonntag, den 8ten nach Trinitatis, wird der Frühgottesdienst wegen der Vakanz in Ratzeburg ausfallen.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 21. Juli 1858.

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 24-26 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 24-28 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 49-52 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 42-46 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 42-46 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 28-29 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 40-44 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 21-22 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg)   6-16 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 17-18 Mark (Lübeck)
Butter 11 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln neue d. Faß 10 Schilling (Mecklenburg).
Dampfmehl aus Rothes Fabrike No. 0. 24 Mark (Lübeck), No. 1. 22 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg), No. 2. 16 Mark (Lübeck) für Netto 200 Pfund.
Grobe Kleie 3 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg). Rollmehl 4 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg).


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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