No. 2
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 09. Januar
1857
siebenundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1857 Nr. 2 Seite 1]

- In Rücksicht auf die Vermittelungsprojecte der Großmächte in der Neuenburger Angelegenheit hat der König von Preußen die Mobilmachung des zu diesem Zweck bezeichneten Truppenkorps bis zum 15. Jan. ausgesetzt. Wenn bis dahin die Neuenburger Gefangenen nicht aus ihrer Haft entlassen sind, wird die von der Armee sehnlichst erwartete Mobilmachung unfehlbar erfolgen und der Krieg eröffnet. Dieser Termin wird indeß nicht eingehalten werden, wenn die schweizer Behörden die Gefangenen früher vor die Assisen stellen sollten. - So viel in Berlin über die Bemühungen der Diplomaten in Bern verlautet, darf die Hoffnung auf eine friedliche Wendung des Streites vor Ablauf des 15. um so weniger aufgegeben werden, als die Bedingungen so gestellt sind, daß sie jeden Augenblick erfüllt werden können. Die Freilassung der Gefangenen und die Niederschlagung des gegen sie eingeleiteten Verfahrens ist der ganze Preis, für welche die Schweiz Frieden erlangen kann. - Aus Paris wird gemeldet, daß die Instruktionen der an den Kaiser Napoleon gesandten schweizer Abgeordneten der Neuenburger Frage entschieden günstig seien.
- Von Seiten der Schweiz sind in Stuttgart Versuche zu einer Kriegsanleihe gemacht, die aber mißlungen sind. Auch Rothschild soll erklärt haben, kein Geld für die Schweiz hergeben zu wollen. In Bezug auf eine solche Anleihe sagt eine Frankfurter Zeitung: Es werden schon jetzt Bedenken laut, ob mit Zuversicht darauf zu rechnen ist, daß nach Beendigung dieses Krieges schweizer Behörden vorhanden sein werden, welche eine von den jetzigen Behörden contrahirte Anleihe anzuerkennen verpflichtet und bereit sind.
- Ungeachtet des kriegerischen Enthusiasmus, der sich in der Schweiz überall kund giebt, wünscht und hofft man die Erhaltung des Friedens; schon die wenigen Anfänge der Kriegsbereitschaft beweisen zur Genüge, mit welchen Opfern und unberechenbaren Nachtheilen dieselben verbunden sind. Die Eisenbahnarbeiten in der Schweiz mußten eingestellt und die Arbeiter entlassen werden, wodurch nahe an 5000 brodlos wurden. Ein Krieg würde in jeder Beziehung für die Schweiz ein sehr drückender werden und kein Land mehr als dieses darunter leiden. Die Schweizer selbst glauben gern, sie seien bis auf Getreide von den übrigen Staaten, besonders von Deutschland gänzlich unabhängig und führen die ähnlichen Verhältnisse ihrer Vorfahren als Beispiele an; sie vergessen aber dabei, daß ihre jetzigen Landeseinrichtungen ganz andere geworden sind, wie die des ehemaligen Hirtenvolkes, das mit seinen geringen Ansprüchen von dem Ertrage seiner Heerden und seines Grund und Bodens hinlänglich sich nährte. Die jetzige Schweiz ist aber, ganz besonders die Grenzkantone, nur industriell; ja viele Tausende von Menschen im Innern des Landes leben lediglich durch ihre Händearbeit als Holzschnitzer, Spitzenklöppler, Strohflechter etc., welche Arbeiten sie größtentheils an die vielen Reisenden verkaufen, die sich im Sommer an den Schönheiten dieser eigenen Welt erfreun. Durch diesen aufhörenden Fremden=Verkehr würde ebenfalls das Elend in vielen Familien groß werden. In den süddeutschen Staaten wirken die Kriegsaussichten bereits auf die Getreidepreise. Schon seit mehreren Jahren waren diese Gegenden keine so billigen Preise der Lebensmittel gewohnt, wie heuer; aber seit einigen Wochen wurden bereits enorme Quantitäten von Korn für schweizer Rechnung über den Bodensee und überhaupt über die Gränze der Alpen eingeführt, so daß die Preise allmählich wieder zu steigen beginnen und schwerlich sobald ihren Höhepunkt erreicht haben werden.
- Mehrere gegen Caution in Freiheit gesetzte Royalisten zu Neuenburg sind wieder verhaftet. - Die Zahl der über die französische Gränze geflüchteten Neuenburger Royalisten wird auf 1500 geschätzt.
- In einer zu London am 2. d. abgehaltenen Versammlung der dort lebenden Schweizer begeisterte man sich für die Vertheidigung bis auf den letzten Blutstropfen, und begründete diesen Beschluß mit der Behauptung, daß "Nachgiebigkeit" niemals Sache der Schweizer gewesen. Mit einer Adresse an den Bundesrath wurde eine ansehnliche Summe als Beitrag zu den Kriegskosten nach Bern geschickt.
- Oesterreich macht Einwendungen gegen den etwaigen Durchmarsch preuß. Truppen durch deutsches Bundesgebiet nach der Schweiz; die Frage, meint es, müsse am Bundestage verhandelt werden.
- Nachdem in Stuttgart 15 Abgeordnete der Stände=Kammer ein Gesuch an die Regierung um Verhinderung des Durchmarsches preußischer Truppen gerichtet hatten, hat nun auch der ständige Ausschuß sich diesem Gesuch einstimmig angeschlossen. Später wurde noch in einer Bürgerversammlung zu Stuttgart der Entwurf einer Adresse an den König beschlossen, worin die Bitte um Abwendung der Würtemberg, namentlich dem Handels= und Gewerbestande, aus dem preußisch=schweizerischen Streite drohenden Gefahren vorgetragen wurde.
- Frankreich trifft für den Fall, daß der Krieg nicht vermieden werden kann, seine Vorkehrungen, an seinen Gränzen ein Beobachtungskorps aufzustellen, welches aus 60,000 Mann unter Marschall Canrobert bestehen und in Besançon sein Hauptquartier haben soll.
- Am Neujahrstage wurde am preuß. Hofe das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Prinzen von Preußen gefeiert, das mit Anbruch des Tages durch ein großartiges Ständchen begann, das von sämmtlichen Hautboisten der Berliner Garnison (3-400 Mann an der Zahl) unter Leitung des Musikdirectors Wieprecht ausgeführt wurde. In Folge dieser Festlichkeit und der jetzigen politischen Verhältnisse ist Berlin gegenwärtig der Sammelplatz eines zahlreichen Kreises fürstlicher Personen und hoher Militairs, welche letztere durch sämmtliche Armeekorps des Inlandes, die deutschen Staaten, wie Baden, Weimar, Anhalt, und das Ausland durch Deputationen der Regimenter Oesterreichs und Rußlands,

[ => Original lesen: 1857 Nr. 2 Seite 2]

deren Chef der Prinz von Preußen ist, vertreten waren. Der englische Gesandte überreichte dem erlauchten Jubilar feierlichst das Großkreuz des Bath=Ordens.
- In Preußen ist die Ausfuhr von Pferden über die Zollgränze für den ganzen Umfang des Staats verboten.
- Se. Majestät der König von Preußen haben dem großherzogl. mecklenb.=strelitzischen Kammerherrn und Staatsminister v. Bernstoff den rothen Adler=Orden erster Klasse verliehen.
- In Ungarn sind seit 1849 mehr als tausend Gnadenacte wegen politischer Vergehen und Verbrechen vom Kaiser erlassen. Die Zahl der aus der Revolutionszeit jetzt noch dort in Haft befindlichen Personen, beläuft sich auf kaum 15.
- Nach der neusten Volkszählung hat Frankreich 36,039,364 Bewohner. - In Paris wurde am 3. Abends der Cardinal=Erzbischof von Paris von einem Priester in der Kirche St. Etienne ermordet, wo gerade das Fest der heiligen Genovefa gefeiert wurde und zu welchem aus allen Gegenden Frankreichs förmliche Pilgerfahrten angestellt werden. Der Erzbischof hatte diese Feierlichkeit mit einer vorzüglichen Fürsorge eingerichtet, auch Vorkehrung getroffen, um den zahllosen hier zusammenströmenden Landleuten ein passendes Unterkommen zu verschaffen. Diesmal war die Feier glänzender als je. Die Predigt und die Vesper waren vorüber, die feierliche Prozession von dem Umzug zurückgekehrt, als ein junger Mann am Eingange des Schiffs der Kirche sich auf den Erzbischof warf und ihm ein langes breites Messer in die Brust stieß. Der Prälat fiel sterbend zu Boden und war bald darauf eine Leiche. Der Mörder war, unempfindlich, das blutige Messer in der Hand, bei seinem Opfer geblieben, das er mit teuflischer Freude hinscheiden sah. Er hatte mit großer Ruhe seine Frevelthat beschlossen, vorbereitet und vollbracht; er führte seine That mit so großer Schnelle aus, daß es den Umstehenden unmöglich war, sie zu verhindern. Nur eine Nonne sprang hinzu, den Erzbischof zu schützen; der Stoß des Mörders war aber zu heftig, das Messer zerschnitt der Nonne drei Finger. Man fragte den Mörder, warum er dieses gottlose Verbrechen begangen habe? Er antwortete: Weil ich nicht an die unbefleckte Empfängniß glaube, über die ich mich auf der Kanzel ausgesprochen hatte, und weil ich deshalb mit dem Interdict belegt war und man mir auch angekündigt, daß diesmal dasselbe nicht aufgehoben werden würde.
- Die Kirche ist geschlossen und mit schwarzem Tuch behangen; sie wird erst nach vorher stattgehabter Reinigung wieder geöffnet werden. In keiner der andern Kirchen wurde Hochamt gehalten.
- Der frühere Erzbischof von Paris wurde bekanntlich in den Julitagen von 1848 auf den Barrikaden erschossen, als er zwischen der Regierung und den Insurgenten vermitteln wollte.
- Nach Berichten aus Bordeaux ist die diesjährige Weinlese weit unter dem Ertrag der vorigjährigen geblieben. Die Preise für courante Weine sind daher abermals bedeutend in die Höhe gegangen.
- In Hamburg sind die Getreidezufuhren auf der Berlin=Hamburger Bahn seit lange so ungewöhnlich stark, daß ein großer Theil derselben nicht unter Dach zu bringen ist, sondern draußen unter freiem Himmel bleiben muß. Der größere Theil jener Getreidemassen kommt aus dem preußischen, aus Berlin, der Magdeburger Gegend, dem Westphälischen, Schlesien, von der Saale etc. Dagegen ist die Zufuhr aus dem Mecklenburgischen nur schwach. - Mit dem Anfange des Jahres schien sich die Stimmung für Getreide etwas zu bessern. In Hamburg war Weizen und Roggen einige Thaler höher im Preise.
Aus der Lübeckischen Staatsanleihe von 1850 sind in Lübeck am 2. Januar folgende Nummern ausgeloost worden:

Nr. 104. 425. 855 a 1000 Taler (Mecklenburg).
Nr. 587. 590. 798. 1026. 1050. 1869. 2571 a 500 Taler (Mecklenburg).
Nr. 41. 1288. 1588. 1634. 1713. 2298. 2908. 3048 a 200 Taler (Mecklenburg).
Nr. 12. 157. 376. 628. 1043. 1209 a 100 Taler (Mecklenburg).


Eine Kostenrechnung.

In früheren barbarischen Zeiten führte man öfter Krieg, als heut zu Tage, aber auch ganz anders. Unter allen Umständen kämpfte man um und für etwas und hörte nur nach der Entscheidung auf. Die Entscheidung machte eine Partei zum Sieger, die andere zur besiegten. Daraus folgte ganz natürlich, daß erstere bei der letzteren eine Kostenrechnung einreichte, und so lange auf dem Kriegsfuße oder im Lande des Besiegten blieb, bis die Rechnung entweder bezahlt oder gehöriges Pfand etc. gestellt war. Nur der Krieg zur Rettung der Türkei macht eine Ausnahme, indem jede hieran betheiligt gewesene Macht seine Rechnung selbst bezahlt. - Die Rechnungen sind noch nicht bekannt. Aber merkwürdig ist, daß die französische Regierung die ihrige nicht nur schon längst fertig, sondern auch veröffentlicht hat. Napoleon fragte nicht erst, ob er Krieg führen dürfe und Geld dazu kriege, sondern er nahm Geld und Mannschaft so viel er für gut hielt. Die englische Regierung dagegen ließ sich parlamentarisch Geld und Leute bewilligen, und benannte den Krieg "des Volkes Krieg." Aber trotz aller Schuldigkeit, Rechnung abzulegen, weiß man in England noch nichts von Rechnungen. - Der Kriegsminister, Marschall Vaillant, hat also eine vollständige Kriegsrechnung ausgearbeitet und veröffentlicht. Sehen wir uns die Hauptposten einmal an, damit wir uns mit Adam Riese eine Vorstellung von diesem Kriege machen lernen.
Es wurden 309,268 Soldaten und 41,974 Pferde von Frankreich weit hinten nach der Türkei und nach der Krim über sehr viel Wasser hinweggeschickt. Von dieser großen Armee starben über 67000 ganz gewiß, mehr als 3000 ungewiß, indem man sie bloß vermißt, ohne daß man genau weiß, ob und wie sie umgekommen. Von den Pferden kamen 9000 zurück, die englischen starben fast alle im Kampfe mit Hunger und Kälte, eben so die ganze erste Armee. Alle diese Massen von Menschen und Vieh zogen sich aus allen Theilen Frankreichs nach Marseille zusammen und wurden von da aus alle sicher auf's und über's Wasser nach dem Kriegsschauplatze geschwemmt. Was das heißen will, davon geben noch andre Zahlen eine Vorstellung. Die Schiffe, welche immerwährend hin= und hereilten, um neues Futter für Pulver zu holen, kamen auch fast stets beladen zurück, beladen mit Verwundeten, Kranken und Krüppeln, für die an der Südküste Kranken= und Quarantainelager, groß genug, 30,000 Mann zu beherbergen, errichtet waren. Von den englischen Kranken kamen wenige zurück, und die Wenigen mußten oft halbe, ja ganze Tage warten, ehe sie in verschiedenen Winkeln versteckt werden konnten, um da noch zu sterben. Für diese 309,000 Menschen und 42,000 Pferde mußte aber auch Futter hinübergeschifft werden, Lebensmittel, Kleidung, Wohnung etc. und zwar genug auf zwei und ein halb Jahre, dazu Waffen, Munition, Geschirre, Wagen, Arzneien, Charpie und tausenderlei Dinge, an die man im Frieden oder selbst in einem gewöhnlichen Kriege auf dem Lande mit Märschen auf der festen Erde gar nicht denkt. Aber auch 644 Kanonen, Haubitzen und Mörser vom Lande und 603 von der Marine und 140 türkische Kanonen wurden hinübergeschafft mit dem nöthigen Futter, dazu 800 Kanonenkarren, über 700 Munitionswagen und sonstige Artilleriefuhrwerke. Diese waren bloß für die Belagerung speziell bestimmt. Mit den für offenen Kampf, für Schlachten bestimmten Kanonen stieg die Gesammtzahl der schweren Geschütze Frankreichs auf 1700 mit 48000 Wagen und Werkzeugen auf Rädern aller Art. Die Zahl der Pillen für diese schweren Geschütze sieht auch recht idyllisch aus: zwei Millionen Kanonenkugeln, Bomben und sonstige Ladungskörper für schwere Geschütze, zehn Mill. Pfund Pulver in Fässern und 66 Mill. scharfe Patronen für Musketen. Kurz, vor dem Falle Sebastopols hatte es Frankreich zu 400 Bomben=Mörsern vom größten Kaliber (außer der andern Belagerungs=Artillerie) und zu 1000 Bomben für jeden gebracht hinreichend zu einem 20mal 24 Stunden ununterbrochenen Bombar=

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dement und 14 Bombenschüssen für jede Minute aus und bauten während der Belagerung Sebastopols über 100 Batterieen.
Zu den auffallendsten Posten gehören 920,000 Sandsäcke und 3000 Holzhütten und Kasernen. Die Materialien des Geniecorps waren nach Ausspruch des Kriegsministers fünf Mal größer, als für eine gleich große Armee für Belagerungszwecke gewöhnlicher Art, so großartig war diese ganze Belagerung Sebastopols. Die französischen Ingenieurs errichteten und sprengten während der Belagerung über 10 deutsche Meilen Laufgräben, wozu sie 60,000 Fascinen (Holzbündel), 80,000 Gabionen (große mit Erde gefüllte Körbe) und über 1 Million mit Erde gefüllte Säcke verbauten, außerdem gegen 3 Meilen Linien oder Schanzwerke um die Belagerungslager herum. Diese Linien bestanden aus tiefen, fast alle in soliden Felsen hineingehöhlten Gruben, mit hohen Parapeten und starken Redouten. Franzosen und Russen zusammen sprengten und gruben beim Miniren und Contreminiren außerdem über eine deutsche Meile unterirdische Gallerien oder Passagen durch solide Felsen hindurch, an manchen Orten 50 Fuß unter der Oberfläche. Bei dieser Arbeit mußte man aber auch essen und trinken und Alles weit über's Wasser, größtentheils von Frankreich kommen lassen, z. B. 30 Mill. Pfd. Bisquit, 50 Mill. Pfd. Mehl, 7 Mill. Pfd. eingesalzenes Fleisch, 14 Mill. Pfund Pökelfleisch und Fett, 8 Mill. Pfund Reis, 4 1/2 Mill. Pfd. Kaffee, 6 Mill. Pfd. Zucker, 10,000 Stück lebendiges Hornvieh, 2 1/2 Millionen Gallonen Wein und andere Kleinigkeiten in ähnlichen kleinen Quantitäten. - Man merkt's schon an den Zahlen, wie demoralisirend, unmenschlich der Krieg ist. Sie stehen so kalt da diese Zahlen, ob man sagt: 10,000 Ochsen oder 70,000 Franzosen geschlachtet (Summa Summarum schlachtete diese einzige Belagerung etwa 700,000 Menschen). Wie viel Trauer, wie viel Thränen, wie viel Herzeleid zieht sonst hinter der Bahre eines einzigen und selbst des unbedeutendsten Menschen her! Und dem Worte Krieg gegenüber liest man von 70,000 und 700,000 Todten wie von einem Posten in der Rechnung, der sich beiläufig mit von selbst versteht. Nun, sie starben doch für einen ehrenvollen und dauerhaften Frieden, hieß es. Ist doch Rußland auf ewige Zeiten gedemüthigt, renommirte Palmerston in seinen Zeitungen, während es in der That nie mächtiger gegen England da stand, als jetzt zur neuesten Pariser Conferenz, die Napoleon auf Seiten Rußlands sieht.
Fahren wir in unserer Rechnung fort. Oft ist eine Zahl durch sich selbst gar nicht zu begreifen. Man ahnt gar nicht, wie groß sie ist und nimmt es ziemlich gleichgültig hin, ob eine Null mehr oder weniger an der Hauptzahl hängt. Aber eine kann die andere unterstützen. Wir lesen: 30 Millionen Pfd. Bisquit und denken uns nichts weiter dabei, zumal da gleich noch mehr Millionen anderer Pfunde uns in Beschlag nehmen. Aber wenn man liest, daß zur Verpackung dieses einen Postens allein 500 Menschen Tag und Nacht arbeiten mußten, nur um die Fässer dazu zu schaffen und 260,000 Fässer und Tonnen zur Verpackung dieses einzigen Artikels gehörten, wird uns diese Bisquitmasse schon etwas deutlicher. Für Verpackung anderer trockener Lebensmittel wurden über eine Million Säcke gebraucht. Unter der Rubrik Pferdefutter finden wir 170 Mill. Pfd. Heu, 180 Mill. Pfd. Hafer und Gerste und andere Artikel. Mit 4 Mill. Pfund Feuerholz, 40 Mill. Pfd. Steinkohlen, Coaks und Holzkohle, 150 Backöfen, 140 Pressen zur Verpackung des Heus schließt das Kapitel vom Futter und Feuer, zusammen 10 Mill. Centner, zu deren Verschiffung nach dem Kriegsschauplatze 1800 Seereisen der Transportschiffe nöthig waren. Kleider und Schuhe! Auch Zahlen mit sehr viel Nullen! Nie unter 200,000, in der Regel über 300,000. Nur einige eigenthümlich französische Artikel, z. B. 240,000 Paar Holzschuhe zu den 360,000 Paar ledernen. Der strenge Winter durchschauert uns wieder, wenn wir von 150,000 Schafpelzpaletots, 250,000 bulgarischen (Schafpelz=Gamaschen und 250,000 Pelzmützen lesen. Auch hatte man Zeltenbehausung hinübergeschafft, die 280,000 Mann auf einmal aufzunehmen im Stande war, wobei man voraussetzte, daß die übrigen während der Zeit im Dienste und im Freien zubringen mußten. Unter den Artikeln der Bekleidung für Pferde nehmen 800,000 Hufeisen und 6 Mill. Nägel dazu auch ihre Stellung ein, so daß man bis in alle Kleinigkeiten hinein genau Buch geführt haben muß. Im Ganzen wogen Kleiderstoffe für Menschen und Vieh und Zelte 400,000 Centner.
Dies sind die Hauptartikel, aber die Accessorien, ärztlicher Dienst, Schatzamt Postverwaltung, Druckerei, Telegraph etc. wurden auch nicht übersehen. In keiner Sphäre waren die Franzosen so ausgezeichnet, als in ihren Hospital=Arrangements. Um so mehr leuchten diese hervor, als die englischen Soldaten, die sechs bis sieben Mal so viel kosteten, tausendweise aus Mangel an Dach und Fach, der gewöhnlichsten Arznei und der nothdürftigsten Pflege dahinstarben. Ohne Miß Nightingale und ihre barmherzigen Schwestern und beispiellose Privatwohlthätigkeit hätte die Kriegführung nicht nur alle die vielen Millionen Pfunde, sondern auch alle Soldaten dazu todtgeschlagen -. - Die Franzosen schickten 27,000 Bettstellen für Invaliden und Kranke hinüber, ebensoviel Matratzen und Decken und 40,000 Decken zum Gebrauch in Zelten (außer den Feldmänteln). Dazu kamen 30 bewegliche, mobile Hospitäler für je 500 Mann und jedes mit dem nöthigen Mobiliar. Transportwagen für Verwundete waren hinreichend für 24,000 Mann; 600 große Kisten chirurgischer Instrumente, 700,000 Pfund Charpie und Bandagen, 200,000 Pfd. Erfrischungen, concentrirte Milch, Bouillonessenz, eingemachte Früchte etc. erinnern wohltuend an vorsorgende Menschlichkeit in dieser wilden Mischung von Pulver, Kugelregen, Himmelsregen und Schnee, umhergeschleuderten Menschengliedern und bluttriefenden Krüppeln. - Das Transportkorps im Felde und auf dem Lande bloß für Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Gepäck beschäftigte 14,000 Mann, 20,000 Pferde, Maulesel, Ochsen und Buffalos mit 2900 Wagen der verschiedensten Art. Auf diesen Wagen waren unter Anderem 900 wasserdicht verschließbare große Kasten; in jedem derselben wurde täglich für 1400 Mann Nahrung herangefahren.
Neunzig Personen fungirten als Zahlmeister und Postsekretaire zugleich. Marschall Vaillant versichert, daß die Soldaten mitten im Kriege ihre Löhnung und ihre Briefe eben so regelmäßig erhielten, als wenn sie im tiefsten Frieden mitten in den numerirten Häusern von Paris gewohnt hätten. Das an sie theils baar, theils in Schatznoten ausgezahlte Geld belief sich auf 285 Mill. Francs. Und dies ist vielleicht ein kleiner Ausgabeposten im Vergleich zu den Kosten der Anschaffung und des Transports von Lebens= und Todesmitteln. Elektro=Telegraphie und Druckerei traten als ganz neue Posten in der Kriegsrechnung auf und deuten auf eine neue Epoche in der noblen Kunst der Kriegführung hin. Die Franzosen wurden sehr fleißig vermittelst der alten Semaphoren (beweglichen hölzernen Telegraphen mit Signalarmen) und elektrischer Telegraphie kommandirt. Sichtbare Zeichen und elektrische Blitze liefen aus dem Hauptquartier nach allen Armen und Flügeln der Armee. Außerdem hatten die Engländer einen elektrischen Telegraphen durch's Meer von Balaklava nach Varna gelegt und die Franzosen denselben über Land (Varna, Schumla, Rustschuk, Buckarest) mit den großen europäischen Telegraphennetzen verbunden. Außer einer lithographischen Presse beschäftigte General Canrobert noch eine ordentliche Druckerei. Für den Transport übers Wasser beschäftigten die Franzosen stets 132 Schiffe von der Staatsmarine, welche mit 905 Reisen 270,000 Mann, 4300 Pferde und 116,000 Tonnen Material beförderten. Dazu kamen als Transportmittel 8 englische Kriegs= und 42 andere gemiethete Schiffe, dazu außerdem 1264 Kauffahrteifahrzeuge aller Art mit 66 Dampfschiffen und 22 Schnellsegelklippers. Alle zusammen beförderten während der zwei Kriegsjahre 550,000 Mann, 50,000 Pferde und 15,400,000 Centner Material hin und her.

[ => Original lesen: 1857 Nr. 2 Seite 4]

Das sind die Hauptsachen einer einzigen Kostenrechnung. Die englische ist bereits auf mehr als das Doppelte im Geldpunkte veranschlagt worden. Von der russischen, türkischen und sardinischen wissen wir noch gar nichts. Erstere muß auch mindestens das Doppelte der französischen betragen. Nehmen wir daher nur die direkten Gelder, an die Soldaten ausgezahlt als die Hauptkosten, als den großen Preis des Krieges, also Russen=, Franzosen=, Engländer=, Türken= und Sardinier= oder fünfmal 285,000,000 Francs, so kommt das runde Sümmchen von 1,425,000,000 Franken heraus, wofür wir 400 Millionen Thaler annehmen wollen. Das ist vielleicht die Hälfte der wirklichen, direkten Kosten, wobei wir 700,000 vernichtete, jugendliche, starke Menschenleben und das mit ihnen todtgeschlagene Produktions=Kapital und dessen Zinsen gar nicht rechnen. Für diesen Preis ist zwar Sebastopol gefallen, aber Rußland hat dafür Festungen in ganz Europa gewonnen. (Gtl.)


        Von den Dorfschaften Boitin=Resdorf, Groß= und Klein=Mist ist die Aufhebung des von Boitin=Resdorf nach Groß=Mist führenden Fußsteiges beantragt, und wird ein Jeder, welcher dieser Aufhebung widersprechen zu können glaubt, aufgefordert, seine Einwendungen dagegen binnen 6 Wochen a dato dieser Bekanntmachung vorzubringen und zu begründen, nach welchem Zeitpunkte die Aufhebung dieses Fußsteiges von Amtswegen verfügt werden wird.
      Schönberg, den 5. Januar 1857.

                          Großherzogl. Mecklenb. Domainen=Amt.
                          F. Graf Eyben.


Verkaufs=Anzeigen.

Am

Sonnabend den 10. Januar

sollen im Hause des Hauswirths und Krügers Lohse in Herrnburg nachstehende Sachen, als:

Stühle, Tische, Bänke, Schränke, Bettstellen, Betten, Kessel, Grapen, Frauenkleidungsstücke, 3 Stück silberne Eßlöffel und mehrere andere Gegenstände,
gegen sofortige baare Bezahlung verkauft werden.
Die Auction beginnt des Morgens um 10 Uhr.

                                                    H. Müller, Landreiter.


Vermischte Anzeigen.

Extract
des
zehnten Rechnungs=Abschlusses

Hagel=Assecuranz=Gesellschaft für das
Fürstenthum Ratzeburg
pro Ao. 1856.

[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Schönberg, den 2. Januar 1857.

                                                    Die Direction.


Eine sehr schöne Landstelle,

hart an der Haupt=Chaussee, wenige Stunden von Hamburg, in sehr freundlicher Gegend belegen, soll mit einem Areale von circa 130 Tonnen (5 1/8 Last oder 260 Morgen) gutem, völlig sichern Roggenboden, fast arrondirt, schönen Wiesen (50-60 Fuder Heugewinn), Garten und ergiebigem Torfmoor, recht ansehnlichem Wohn= und Oeconomie=Gebäude, guten completen Inventaren, 2 Pferden, 7 bis 8 Stück Hornvieh, Ferkel, 3 Bauwagen, Pflüge, Eggen etc., rasch zu 7200 Thlr. Preuß. verkauft und bei einer Auszahlung von 1/3 Theil sogleich mit der ganzen werthvollen Einte tradirt werden.
        Nähere Auskunft ertheilt Madame Louise Seyfarth, geb. Schröder, Schaumburger=Straße No. 16 in Hamburg.


        Alle diejenigen, welche in diesem Antoni=Termin durch mich Geld und Sparkassenbücher an der Schweriner Sparkasse zu besorgen gedenken, wollen solche entweder an mich oder an den Herrn Buchbinder Bade in Schönberg, spätestens bis zum 17. Januar k. Js. abgeben lassen.
    Siechenhaus bei Dassow, den 18. December 1856.

                                                    J. P. Oldörp,
                                                    Schul= und Siechenmeister.


Schwarze Seidenzeuge zu sehr billigen Preisen.

Ausverkauf!

Sämmtliche Mäntel, Umhänge, Mantillen, so wie auch verschiedene Kleiderstoffe, Cattune, Umschlagtücher u. dgl. werden zu bedeutend herunter gesetzten Preisen verkauft bei

                                                    U. Beermann & Co.
                                                    in Lübeck, Klingberg No. 927.


      Die bisher unter dem Namen: Oldericke & Co. geführte Handlung werden wir von jetzt an in untenstehender Firma unverändert fortsetzen.
      Schönberg, den 1. Januar 1857.

                                                    Gebrüder Schweigmann.


          Einem geschätzten hiesige Publikum und den verehrlichen Landleuten mache ich die ergebene Anzeige, daß ich am Dienstag den 30. December meinen Laden in

Kram=, Material= u. Gewürz=Waaren

aller Art eröffnen werde und bitte Freunde und Gönner, mich mit Ihren Aufträgen erfreuen zu wollen, die ich mit der größten Reellität ausführen werde. - Schönberg, den 25. Decbr. 1856.

                                                    H. Brüchmann.


      Bei Unterzeichnetem steht ein Schlitten, für ein oder zwei Pferde, zum Verkauf.

                                                    Siesage auf der Beek.


Gute                                                                    
Schlacht= wie auch Ausschuß=Pferde

werden jederzeit zu den höchsten Preisen von mir angekauft.

Ratzeburg.                                                     G. Brunnenberg.


Rechnungen,
pr. Buch 50, 100 oder 200 Stück,
a Buch 14 Schilling (Mecklenburg),
empfiehlt                                                    L. Bicker.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

Weizen 1 Taler (Mecklenburg)   8-20 Schilling (Mecklenburg),     Wicken - Taler (Mecklenburg) 40-48 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 40-50 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 32-44 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 40-46 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 26-27 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 28-34 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat 24-25 Mark (Lübeck)
Erbsen - Taler (Mecklenburg) 38-48 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 16-17 Mark (Lübeck)
Butter 11 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.      Kartoffeln, 5 Schilling (Mecklenburg).
Altona=Hamburger Viehmarkt.
Fette Schweine, 100 Pfund 36 Mark.


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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