[ => Original lesen: 1857 Nr. 1 Seite 1] - In Neapel ist man wegen des Mordanfalls auf den König, am 8. Decbr., noch immer in großer Besorgniß, da derselbe mit einer weitverzweigten Verschwörung in Verbindung zu stehen scheint. Bei solcher Stimmung erfolgte am 17. December um Mittag das Auffliegen eines Pulverthurmes, wodurch alle Häuser erschüttert und im königlichen Palaste, wie in den Häusern der benachbarten Straßen sämmtliche Fenster zertrümmert wurden. Das Entsetzen war allgemein. Ueberall glaubte man, der Palast sei unterminirt und in die Luft gesprengt worden. Die Läden wurden geschlossen, die Soldaten eilten aus den Wachen, um Sicherheits=Maßregeln in der Stadt zu treffen, kurz, ein vollständiger panischer Schrecken hatte alle Herzen ergriffen. Das Unglück scheint beim Ausladen eines von Sicilien angekommenen Kriegsschiffes erfolgt zu sein, dessen Pulver=Vorrath in den Pulverthurm gebracht wurde. Böswilligkeit scheint bei dieser Explosion nicht mitgewirkt zu haben. Der Schaden ist bedeutend, und die Verluste an Menschenleben sind beträchtlich.
- In der Schweizer Angelegenheit ist noch keine irgendwie bemerkenswerthe Wendung eingetreten. Die Schweizer rüsten sich zum Kriege mit demselben Eifer, mit welchem die Diplomatie nach einem Mittel sucht, diese Kriegsrüstungen überflüssig zu machen. Noch hat sich die höchste Behörde des Schweizer Landes nicht entschließen können, in die gerechte Forderung des Königs von Preußen zu willigen. Ein außerordentlicher Gesandter des Kaisers von Frankreich ist beim Bundesrath in Bern angekommen, wahrscheinlich um letzteren zur Annahme eines Vermittelungsversuchs zu bewegen. Ein schweizer Gesandter begab sich zu einer Mission an die süddeutschen Höfe, um gegen den Durchmarsch der Preußen zu wirken.
- Die Begeisterung der Schweizer für die Vertheidigung des Vaterlandes ist in allen Schichten der Bevölkerung allgemein. Landvolk, Männer und Jünglinge kommen zu den Bureauxs der Militair=Direction, woselbst sie eine Aufgebotskarte zum Kampfe fordern. Die royalistischen Militairpflichtigen entziehen sich großentheils dem Dienst durch die Flucht nach Frankreich. - Die Schweizer haben ein scharfes Auge auf die Thätigkeit der politischen Flüchtlinge. Ein von letzteren redigirtes Blatt der "Handels=Courier" brachte kürzlich einen von Gemeinheit strotzenden Artikel auf den König von Preußen, weshalb der Bundesrath beschlossen hat, die Cantons=Regierungen einzuladen, auf die inländische Presse ein wachsames Auge zu haben, da dergleichen Schimpfartikel von durchaus unschweizerischem Geist zeugen. Der Handels=Courier wird von einem Berliner Demokraten von 1848, Dowiat, redigirt. In Folge dieses Artikels ist Dowiat aus der Schweiz ausgewiesen; er war früher deutsch=katholischer Prediger in Berlin. Ueberhaupt werden die Schweizer gegenwärtig durch äußerst rührige deutsche Flüchtlinge aufgestachelt.
- In den unterrichteten Kreisen Berlins will man wissen, daß die Maßregeln, welche in Bezug auf die Mobilmachung, wie es bisher bestimmt war, am 2. Jan. zur Ausführung kommen sollten, nunmehr bis zum 15. Januar hinausgeschoben worden seien. Es sollen auch bereits Mittheilungen in dieser Beziehung an verschiedene Höfe ergangen sein. Die obige Kunde hat hier um so größere Freude erweckt, als die Friedensliebe, welche das preußische Cabinet beseelt, dadurch wieder eine neue Besiegelung vor aller Welt erhält, falls die Angabe sich vollkommen bewahrheitet. Den weiteren Vermittlungsversuchen würde dadurch mehr Raum gegönnt werden. Den vielfachen Andeutungen, daß es hier eine Partei gebe, welche den Krieg durchaus wolle, ist entschieden zu widersprechen. Niemand wünscht hier den Krieg, sondern Alle wünschen eine ehrenvolle Ausgleichung. Von der Richtigkeit dieses Ausspruches wird sich Jeder überzeugen, der in den hiesigen namhaften Kreisen verkehrt. Daß sich in den Militairkreisen andere Anschauungen kundgeben, ist eine Sache, wie sie sich in allen Ländern bei gleichen Anlässen herausstellt. Was das preußische Volk anbetrifft, so ist sein Herzenswunsch die Erhaltung des Friedens, wenn es mit allen Ehren sein kann; im anderen Falle stellt es sich unverweilt dem Waffenrufe seines Königs, damit das Schwert entscheide. Dieses ist das einfache Sachverhältniß.
- In Koblenz versammelte am 28. Decbr. der Prinz von Preußen die Officierkorps nach der Parade um sich, um ihnen beim bevorstehenden Jahreswechsel seine Wünsche auszusprechen. Er erinnerte daran, in welche ernste Lage Preußen getreten sei; wünschte den Truppentheilen, welche zum Ausmarsch bestimmt sind, Glück zu dem ernsten Beruf, der ihrer wartet, und bezeugte ihnen die Theilnahme aller Zurückbleibenden auf ihren Wegen, auf denen sie für die Ehre und Rechte des Königs streiten sollen. Da mehrere Truppentheile vor ihm ständen, die unter seinen Augen mit Tapferkeit und Hingebung gekämpft hätten, so erwarte er von ihnen die gleichen Soldaten=Tugenden, um von Neuem den Sieg an Preußens Fahne zu fesseln.
- Aus Paris meldet man, daß die Nachconferenzen am 29. Decbr. daselbst sich constituirt haben unter dem Vorsitz des französischen Ministers des Auswärtigen, Grafen Walewski. In Betreff der bessarabischen Grenzfrage soll bestimmt sein, daß Rußland Bolgrad abtritt, dafür aber eine Entschädigung erhält. Rußland wünschte bekanntlich Bolgrad zu behalten; England und Oestreich dagegen forderten dessen Abtretung, weil sonst von da aus für Rußland eine Verbindung mit der Donau möglich wäre. Man hat nun das Auskunftsmittel er=
[ => Original lesen: 1857 Nr. 1 Seite 2]funden, daß Bolgrad zwar abgetreten und so die angebliche Besorgniß Englands erledigt wird, daß aber Rußland einen Landstrich von 140 []Meilen nach der Moldau zu erhält.
- Die in der Rostocker Hochverraths=Sache Verurtheilten haben gegen das letzte Erkenntniß der Justiz=Canzlei zu Güstrow ein Rechtsmittel eingelegt, jedoch vor dessen Verfolgung den Gnadenweg beschritten. Se. königl. Hoheit der Großherzog von Schwerin haben ihnen diese Gnade in wahrhaft landesväterlicher Weise zu Theil werden lassen. Nicht bloß ist die zuerkannte Zuchthausstrafe aufgehoben und in Gefängnißstrafe verwandelt worden, sondern auch das Maß der Strafen hat eine Verminderung erlitten.
Neustrelitz. Se. Königliche Hoheit der Großherzog haben den am 12. Juli 1849 interimistisch bestellten Bürgermeister Christian Schrep in Schönberg nunmehr definitiv in diesem Amte zu bestätigen geruht.
Vermischtes.
- Nach dem gothaischen genealogischen Kalender auf das Jahr 1857, welcher 48 europäische Regenten aufzählt, ist der älteste aller Souveraine Se. königl. Hoh. der Großherzog von Mecklenburg=Strelitz, der 78 Jahre alt wird. Außer ihm sind noch 3 über 70 Jahre alt: der König von Würtemberg, der Landgraf von Hessen=Homburg und der Fürst von Schaumburg=Lippe; ferner sind acht 60-70, neun 50-60, sechs 40-50, sechszehn 30-40, vier 20-30 Jahre alt. Die beiden jüngsten sind der König von Portugal und der Herzog von Parma, jener 19, dieser 8 Jahre alt.
- Vorige Woche traf ein Engländer in Havre ein. Sein Aeußeres ließ vermuthen, daß derselbe die Paß=Controle nicht zu fürchten hatte. Er ließ sich einen Gasthof zeigen, dessen Adresse er bei sich trug, setzte sich an die Table d'hote und speiste wie ein Lord. Beim Dessert wandte er sich an einen Nachbar, der während der Tafel sehr zuvorkommend gegen ihn gewesen war und fragte: Können Sie mir nicht einen Banquier anweisen, bei dem ich einige Wechsel discontiren kann? - Das trifft sich ja schön. Ich bin selbst Banquier und wohne wenige Schritte von hier, wenn die Wechsel von bekannten Firmen sind, werde ich solche gern annehmen, sollten es selbst 300,000 Frcs. sein. Die letzten Worte betonte der Banquier besonders. - Ei, das ist herrlich, ich bin froh, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben! Sollen wir gehen? - Als die Beiden im Comptoir des Banquiers angekommen waren, zeigte der Engländer seine Wechsel vor. Der Banquier betrachtete solche anscheinend sehr aufmerksam, näherte sich der Thüre und verriegelte dieselbe, worauf er mit der einen Hand die Wechsel in die Tasche steckte, mit der anderen dem Engländer ein gespanntes Pistol entgegenhielt. Herr, sagte er, Sie sind ein Schurke; ich war von Ihrer Ankunft unterrichtet. Sie waren Kassirer des Hauses W. und Comp. in London, dessen Correspondent ich bin. Sie haben dem Hause 300,000 Frcs. in Wechseln entwendet, ich werde solche behalten und Ihnen eine Kugel durch den Kopf jagen, wenn Sie Miene machen, solche etwa mit Gewalt wieder zu nehmen. - O! O! O! rief der Engländer und blieb kaltblütig stehen. - Der Banquier fuhr fort: Danken Sie es der Großmuth Ihrer ehemaligen Chefs. Sie hätten Sie an den Galgen bringen können, statt dessen haben sie sich an mich gewandt. Ich folgte Ihnen bei Ihrer Landung, setzte mich absichtlich mit Ihnen zu Tische, ich vermuthete, daß Sie Ihre Papiere rasch versilbern würden. Alles traf ein. - O! O! O! wiederholte der Engländer. - Der Banquier sprach weiter: Die Großmuth des Hauses W. und Comp. will die Sache nicht nur verschweigen, sie will sogar Ihrer Frau und Kinder wegen, Ihnen Mittel geben, ein ehrliches Leben führen zu können. Sie haben drei Kinder. - Fünf, murmelte der Engländer. - Einerlei, ich bin beauftragt, Ihnen 60,000 Frs. baar auszuzahlen . . . hier sind sie in Bankbillets. Suchen Sie, ein ehrlicher Mann zu werden und machen Sie, daß Sie fortkommen! - Der Engländer steckte die Bankbillets ein und entfernte sich mit höflichen Verbeugungen. Ohne Säumen eilte er nach der Eisenbahn, die ihn nach Paris brachte. Unterdeß schrieb der Banquier nach London, daß er sich seines Auftrags entledigt habe, er schickte die dem Engländer abgenommenen Wechsel ein, und bat, ihn für die demselben übergebenen 60,000 Frcs. zu erkennen, nicht ohne die Warnung beizufügen, in Zukunft doch keinem Dieb mehr eine Belohnung zuerkennen zu wollen. Drei Tage später empfing der Banquier einen Brief, worin es hieß das Haus W. u. Comp. sei gar nicht bestohlen, der Kassirer auf seinem Posten und ein durchaus braver Mann, die eingesandten Wechsel seien falsch. Die dem Schwindler übergebenen 60,000 Franken möge der Correspondent auf sein eigenes Verlustconto Schreiben. Der Engländer hatte, wie sich herausstellte, selbst die Briefe an den Banquier geschrieben, sich selbst darin denuncirt und die Belohnung im Betrage von 60,000 Frcs. zugesprochen.
- Ein fein gekleideter Herr kam neulich zu einem der ersten Pelzwaarenhändler in Berlin und verlangte Pelze zu sehen. Der Besitzer legte ihm solche vor, und als er die gewöhnlichen verwirft, immer bessere und bessere. Der fremde scheint aber schwer zu befriedigen und fragt endlich mit verdrießlicher Miene, ob denn nichts weiter als gewöhnliche Waare in Berlin zu haben sei. Da bringt pikirt der Pelzhändler ein Prachtstück von virginischem Iltis und sagt: Besseres habe man hier nicht, der koste aber 1000 Thaler. Der Fremde nimmt aus seiner Brieftasche zwei Fünfhundert=Rubelscheine und sagt lächelnd: Ich habe meinen Pelz in Breslau vergessen und muß mich also behelfen, so gut es geht, da ich meine Reise fortsetzen muß. Sie werden wohl russisches Geld nehmen; schicken Sie mir demnach diesen Pelz da in mein Hotel und legen Sie für den Ueberrest einen Fußsack bei. Ich bin der Fürst T.
- Ein Unterlehrer in einem kleinen Orte Böhmens kam bei seiner vorgesetzten Behörde schriftlich um die Erlaubniß, sich verheirathen zu dürfen, ein. Das Bittgesuch enthielt sehr viele orthographische Fehler, und der Unterlehrer ist daher beschieden worden, sich noch so lange zu gedulden, bis er richtig schreiben gelernt habe
- Schnelldruck. Amerika liefert in diesem Fache das höchste und merkwürdigste. Die in Newyork täglich erscheinende "Philadelphia Ledger", das verbreitetste Tageblatt der Union, wird bei einer Auflage von 80,000 auf einer Maschine gedruckt, die in einer Stunde 20,000 Exemplare, oder in einer Minute 333 liefert. Die Maschine druckt mit acht Cylindern, das endlose Papier läuft von einer Maschine ab in die Druckmaschine und wird von derselben, in Exemplaren zerschnitten, ausgeworfen. Auf der Maschine der größten europäischen Zeitung, der englischen "Times", können nur 8000 die Stunde gedruckt werden.
- In Rostock soll eine Dampf=Dresch=Maschinen=Gesellschaft mit einem Capital von 17,000 gegründet werden. Dieselbe beabsichtigt, vorläufig 6 Dampf=Dresch=Maschinen aus England herbeizuschaffen, welche miethweise gegen eine Vergütung von 20 Thlr. in den langen und 15 Thlr. in den kurzen Tagen per Tag überlassen werden sollen. Bisher sind in Mecklenburg im Ganzen 10 dgl. Maschinen in Thätigkeit, davon 8 im Privatbesitz und 2 werden miethweise ausgeliehen, welche letztere allgemeinen Beifall gefunden haben.
- Die Rinderpest soll in Polen seit dem März 1855, wo sie daselbst ausbrach, 1159 Ortschaften heimgesucht haben. Der Schade, den dieselbe in jenem Lande angerichtet hat, ist ein ungeheurer; indessen fehlen bisjetzt noch nähere sichere Nachrichten über den Umfang desselben. Während ihres letzten Vorhandenseins in Polen, in den Jahren 1831 bis 1833 raffte diese Seuche 234,000 Stück Rindvieh weg und allein im Jahr 1833 196,489 Stück.
[ => Original lesen: 1857 Nr. 1 Seite 3]Vögel im Winter.
Während wir unsere Pelze und Winterkleider hervorsuchen, ziehen sich die Bäume und Blumen aus und halten ihre nackten Glieder kaltblütig dem beißenden Winter hin. Die entkleideten Zweige, Stengel und Aeste hüllen sich in Schlaf, in Todtenschlummer, in Reifröcke und Schneepelze. Da können sie's wohl aushalten, bis der Frühling wieder Leben bläst und die inzwischen verrotteten Blätter und Blumen durch neubelebte Adern und Stämme zur Auferstehung in den Baumkronen wieder in die Höhe treibt. Aber was fangen die singenden Blätter, die beschwingten Blumen, die Vögel, während des Winters an? Wie jubilirte und zwitscherte und flatterte der Wald, der Garten an sonnigen, warmen, duftigen Junimorgen! Und wie traurig schweigt es jetzt zwischen den nackten Zweigen, aus denen hier und da ein enthülltes Nest schutzlos im Wind und Wetter schwankt! Wo sind die kleinen piependen Gelbschnäbel, die einst zwischen grünen Blättern so neugierig und freßgierig der Mutter und dem Vater entgegenschnappten, hingekommen? Und die fleißigen, zärtlichen Eltern dazu? Wir wissen wohl, viele Vögel ziehen davon und sehen den Winter niemals. Aber die meisten müssen doch zu Hause bleiben, da sie keine Mittel zum Reisen haben. Wie bringen sie den Winter hinter sich, ohne Winterkleider, Vorrathskeller, Brennmaterial und Ofen? So schlimm ist's gar nicht, daß sie ohne Schutz vor Kälte und ohne Speiskammer sich durchhelfen müßten. Sie haben gar mannigfaltige Futtermagazine und gehen außerdem wärmer angezogen, als mancher Geheimerath mit seinen Gichtstiefeln.
Außerdem schlafen viele zwei Drittheile des Winters hindurch, da es doch nichts Gescheidtes für sie zu thun gibt, wobei sie nicht so viel Stärkung brauchen, als im Juni, wo sie täglich 16 bis 18 Stunden ununterbrochen auf den Beinen und Schwingen sind und für sich und eine zahlreiche Nachkommenschaft zu sorgen haben. Was ihre Art, während des Winters sich durchzufressen, betrifft, gibt es kaum eine größere Genialität unter den Menschen. Mit ihren kleinen, runden, scharfen, blitzschnellen Augen und ihren spitzigen Schnäbeln finden sie aus tausenderlei versteckten Winkeln und scheinbar ungenießbaren Dingen Frühstück, Mittag= und Abendbrod. Es würde Stunden und Bogen kosten, nur aufzuzählen, was sie Alles finden und fressen unter den verwelkten und verwitterten Blättern eines einzigen Baumes. Nun und wie viele Bäume und Blätter und geborstene Pflanzenstengel gibt es in jedem Flugkreise eines Vogels? Seine Speisekammer ist meilengroß und die Delikatessen darin so versteckt, daß nur er sie auffindet und Menschen und Thiere im größten Hunger vorbeigehen, ohne ihm etwas wegzunehmen. Und was die Schlafstelle betrifft, machen sie sich selbst zum warmen Bett, und mit Schnabel und Köpfchen unter dem Flügel, ras't der durchdringendste Ost machtlos über ihr warmes Federbett hin und läßt sie ruhig, gesund und warm lange Januarnächte hindurch schlafen, wenn der Schnee unter dem fernab seufzenden Wagenrade des verspäteten Fuhrmanns quiekt, wie eine Anzahl Ferkel im Sacke. Wenn der ganze Gesichtskreis und alle Landschaft umher mit starrem, weißem Schnee bedeckt kein Leben mehr zu dulden scheint und nicht mal der starke Huf durch die gefrorne Decke bricht, finden die Vögel noch ihren Weg und ihr Futter zwischen Busch und Dornen und picken umher zwischen Farrn und Flechten, durchsuchen Holzstöße und Getreideschober, hohle Baumwurzeln, welche noch schwarz aus dem Schneetuche hervorragen, Gräben und Abhänge mit schneelosen Stellen, dichtes Unterholz, auf welchem der Schnee ein Dach bildet, und den sie zum Theil wegflattern von den dünnen Zweigen, so daß sie noch die letzten Hagebutten und "Mehlfäßchen" aufstöbern. Wird's gar zu arg und mager draußen, legen auch die wildesten, menschenscheuesten Vögel ihre Furcht vor des Menschen Haus und Hof ab und gucken in die Scheune hinein, wo der staubige Drescher sie nicht beachtet, und nehmen ihm, oft mit der größten Keckheit, aber äußerst schlau, gute fette Körner dicht vor der Nase weg. Sie hüpfen und picken zwischen Stroh und auf Düngerhaufen, zwischen Kühen und Gänsen umher, umzingeln die Hühner, wenn sie gefüttert werden und nehmen Alles mit hexereiartiger Geschwindigkeit in Beschlag, was in den weiteren Umkreis sich verliert. Dann machen sie Attacken mitten unter den Füßen des grimmigen Hahnes hinweg in das Bereich der fleißigen Schnäbel, vor jedem Korne, das sie auf's Korn nehmen, erst genau recognoscirend, ob auch die nächste Henne mit einem neidischen Seitenhiebe ihres Schnabels nicht Einspruch thun könne. Das geht Alles so blitzschnell, daß man nicht so geschwind sehen kann, als sie die Lage jedes Kornes erst genau berechnen und jedes momentan unbeschützte sofort wegpicken, in demselben Augenblicke schon wieder ein anderes ausmessend und richtig im richtigen Augenblicke treffend, so daß Hahn und Hühner, die manchmal mit einem ärgerlichen Zanktone nach ihnen hacken, immer daneben treffen.
Zu dem Gemüse und den Mehlspeisen wird auch Fleisch angeschafft. Millionen von Schmetterlingen und Insekten haben Eier und Junge in Cocons gesponnen und nach ihrer Weise gut versteckt, aber die kleinen Blitzaugen des Vogels wissen überall solche kleine Eier= und Fleischmärkte auszuspioniren und mit der größten Geschwindigkeit aufzuräumen: eine wahre Wohlthat für die Blätter und Sprossen des künftigen Frühlings, die im Keime radikal aufgefressen werden wurden, wenn die Vögel nicht ihre Eier= und Fleischspeisen aus liefen unerschöpflichen Quellen des Ungeziefers bezögen.
Die kleine Meise stöbert zwischen Strohdächern und altem Reisig nach Insekten umher, die sich in deren warmen, schützenden Labyrinthen begruben. Wir sehen sie hängen und gestikuliren rückwärts und mit dem Kopfe nach Unten, wie einen gymnastischen Künstler, an Halmen reißend und zerrend, ihn Zoll für Zoll genau untersuchend, um die winterschläfrige Beute schnell wegzupicken und zu verschlucken. Der stelzende Wackelschwanz, die Bachstelze, marschirt gleich einem Grenadier auf der Parade, ganz gegen die Art der hüpfenden andern Vögel an Flußufern u. s. w. umher, um jedes Atom und Körnchen, das andere Geschöpfe für ganz ungenießbar halten würden, ihrem kleinen Straußenmagen zu übermachen, damit er versuche, was für Alimente sich daraus destilliren lassen. Auch folgt sie dem Wagen, dem Reiter meilenweit auf seinem gefrornen Wege, bis einmal etwas für sie abfällt. Amsel und Drossel, diese Schneeglöckchen unter den Vögeln, die schon singen und pfeifen und wieder in ihre Wildniß ziehen, wenn der erste Thauwind bläs't, suchen sich während des Winters mit Menschen zu vertragen, und frequentiren deren Gärten und Höfe und halten sich ohne Komplimente für hoffähig. Sie rauschen zu unserem Schreck oft plötzlich auf zwischen Schuppen, Scheunen, Karren und Wagen, machen sich aus dem Staube, bis wir gegangen sind, und purren dann zurück in die bewohnten Regionen, wo sie sich ihre Mahlzeiten zusammenschnurren. Manche Delikatesse pickt jetzt die wilde Holztaube aus den Herzen des Wintergrüns und aus Kohlköpfen, deren zartesten Keime sie aussucht. Dies machen sich Jäger zu Nutze, welche das zarteste Gemüse zu ihrem Fleisch aus deren und andrer Vögel Magen nehmen. Lerchen jeder Art findet man jetzt überall als Räuber beschäftigt, besonders auf herbstbestellten Getreidefeldern, so lange es irgend geht. Das Weißkehlchen ist eine der größten Plagen des Landmannes und seiner Saaten und Wintervorräthe. Eine Heerde dieser Art Lerchen reißt das Dach eines Getreideschobers oder selbst einer altersschwachen Strohscheune im Nu aus einander, und dringt mit eben so viel Fleiß als Lärm und Geschicklichkeit in die Aehrenköpfe der Garben, statt, wie die Sperlinge, sich an einzelnen Aehren zu begnügen und ab= und zuzufliegen. Der so entstehende Schaden ist aber noch das Wenigste. Der durch ihre Breschen eindringende
[ => Original lesen: 1857 Nr. 1 Seite 4]Regen verdirbt oft später ganze Getreidespeicher und durchnäßt sie durch und durch.
Der niedlichste, kleinste Zwerg unserer Vogelstaaten, der Zaunkönig mit goldener Kammkrone, im fettesten Zustande kaum 80 Gran schwer, so daß man ihn auch für einfaches Porto im Briefe versenden könnte, weiß sich gleichwohl durch die härtesten Winter hindurchzuschlüpfen. Man wundert sich, wie so ein befiedertes Bischen den Grausamkeiten des Januars begegnen könne. Aber beobachte man ihn nur in Wald und Feld: es gibt keinen munterern Burschen in der ganzen Welt. Er hält sich schon durch diese ewige quecksilberige Beweglichkeit warm und wohl, und ehe dieses Quecksilber gefriert, müßte man bis in die arktischen Regionen gehen. In dieser Sekunde pickt er an einem Tannenzapfen, in der nächsten ist er verschwunden und wird in derselben wieder sichtbar, wenigstens hörbar ein paar hundert Schritte weiter in grünem Epheu, vielleicht um sich grünen Sommererinnerungen hinzugeben; aber sofort scheinen und flattern seine kleinen Fittige wieder hoch oben und weit weg an den äußersten Spitzen von Zweigen, an denen noch Reste von Beeren und dergleichen sich verbargen. So gehts Tag um Tag flink und frisch durch die eisigste Kälte hin, ohne daß er jemals Miene macht, als ob er's kalt fände. Es fällt ihm immer etwas ein, um sich die Zeit zu vertreiben und die nöthige Bewegung zu machen. Seine Arbeitszeit fällt in die warme Periode, während welcher er eine Menge kleiner Kinderchen zu erziehen hat. Naturalisten haben behauptet, daß er während dieser Zeit, jeden Tag 16 bis 18 Stunden lang, 36 Reisen jede Stunde mache, die man auf wenigstens 30 bis 40 geographische Meilen täglich schätzen müsse.
Der eigentliche Held des Winters ist aber unser Rothkehlchen, das dem nebeligen Herbste und unsern Jugendjahren eine gar duftige, von Sprenkeln und schwarzen Fliederbeeren erfüllte Erinnerung gibt. In England ist das Rothkehlchen Held eines der beliebtesten und verbreitetsten Kindermährchen, das seit Jahrhunderten in keiner Kinderstube fehlt. In Deutschland wandert das Rothkehlchen aus, in England aber bleibt es den ganzen Winter, und zieht umher vor den Fenstern, wie die alten Sänger, und ersingt sich Brosamen aus zarten Kinderhänden, und singt dafür tapfer sein Pensum ab, wie auch der Wind in seinen Federn zause, so daß man meinen sollte, daß sie nicht wieder in Ordnung zu bringen wären. Es ist die Nachtigall des Winters. Es singt, wenn Alles schweigt, trotzig gegen den Sturm, der mit seinen tödtlichen Lauten allein herrschen will. Es ist so beliebt und populär, wie die Gänseblume des Frühlings und der Schnee im Winter, der ihm ein Recht gibt auf die Mildthätigkeit der Menschen, wofür es aber mit tapferm, frischem Gesange reichlich lohnt.
Verkaufs=Anzeigen.
Am
Sonnabend den 10. Januar
sollen im Hause des Hauswirths und Krügers Lohse in Herrnburg nachstehende Sachen, als:
Stühle, Tische, Bänke, Schränke, Bettstellen, Betten, Kessel, Grapen, Frauenkleidungsstücke, 3 Stück silberne Eßlöffel und mehrere andere Gegenstände,
gegen sofortige baare Bezahlung verkauft werden.
Die Auction beginnt des Morgens um 10 Uhr.
H. Müller, Landreiter.
Vermischte Anzeigen.
Decimal=Waagen mit Gewicht
zu billigen Preisen, sowie Wallnüsse das Schock zu 6 und sehr schöne Feigen das zu 6 sind zu haben bei
C. H. Vock.
Der zweite
Mondschein=Club
findet am Mittwoch den 7. Januar statt.
Schönberg, den 1. Januar 1857.
Die bisher unter dem Namen: Oldericke & Co. geführte Handlung werden wir von jetzt an in untenstehender Firma unverändert fortsetzen.
Schönberg, den 1. Januar 1857.
Gebrüder Schweigmann.
Wir machen hiermit bekannt, daß der Krugtag der Schuhmachergesellen am Montag nach Neujahr, den 5. Januar, stattfindet, und fordern sämmtliche Mitbrüder auf, am gedachten Tage zu erscheinen oder ihre Auflage zu schicken.
Schönberg, 17. December 1856.
Die Vorsteher und Altgesell
der Schuhmacher=Gesellen=Brüderschaft.
Einem geschätzten hiesige Publikum und den verehrlichen Landleuten mache ich die ergebene Anzeige, daß ich am Dienstag den 30. December meinen Laden in
Kram=, Material= u. Gewürz=Waaren
aller Art eröffnen werde und bitte Freunde und Gönner, mich mit Ihren Aufträgen erfreuen zu wollen, die ich mit der größten Reellität ausführen werde. - Schönberg, den 25. Decbr. 1856.
H. Brüchmann.
Mit dem heutigen Tage habe ich mein
Magazin
von
Möbeln und Spiegeln
nach der Breitenstraße No. 791. = zwischen der Mengstraße und Bäckergrube = verlegt.
Indem ich hiemit zugleich die Anzeige verbinde, daß ich zum bevorstehenden Feste eine große Auswahl, namentlich solcher Sachen vorräthig habe, die zu Geschenken sehr passend sind, bitte ich zugleich um zahlreichen Zuspruch.
Hochachtungsvoll
Joh. Wencker.
Lübeck, den 12. December 1856.
Bei Unterzeichnetem steht ein Schlitten, für ein oder zwei Pferde, zum Verkauf.
Siesage auf der Beek.
Gute
Schlacht= wie auch Ausschuß=Pferde
werden jederzeit zu den höchsten Preisen von mir angekauft.
Ratzeburg. G. Brunnenberg.
Rechnungen,
pr. Buch 50, 100 oder 200 Stück,
a Buch 14 ,
empfiehlt L. Bicker.
Zinszahlung
für freiwillige Anleihen in Lübeck an der Kriegsstube:
Dienstag den 6. Januar.
Freitag den 9. Januar.
Dienstag den 13. Januar.
Getraide und Markt=Preise in Lübeck
Weizen |
1 |
 |
2-18 |
, |
|
Wicken |
- |
 |
42-50 |
, |
Roggen |
- |
 |
40-48 |
, |
|
Buchweizen |
- |
 |
30-40 |
, |
Gerste |
- |
 |
36-40 |
, |
|
Winter=Rapsaat |
|
|
26-27 |
 |
Hafer |
- |
 |
28-34 |
, |
|
Sommer=Rapsaat |
|
|
25-26 |
 |
Erbsen |
- |
 |
40-46 |
, |
|
Schlagleinsaat |
|
|
16-17 |
 |
Butter 11 pr. . Kartoffeln, 5 . |
Altona=Hamburger Viehmarkt. |
Fette Schweine, 100 36 . |
Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.
|