[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 1] Es wird hiedurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß Großherzogliche Landesregierung zu Neustrelitz für die nächsten 3 Sonntage - 16., 23. und 30. d. M. - nach beendigtem Gottesdienst die Vornahme von Erntearbeiten gestattet hat.
Schönberg, den 14. August 1891.
Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.
Es wird hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß das 2. Hanseatische Infanterie=Regiment Nr. 76
1. am 15., 17., 18., 19., 20. und 21. d. Mts.
in der Zeit von 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Nachmittags Schießübungen mit scharfen Patronen und
2. am 22., 24., 25., 27., 28., 29. und 31. d. Mts.
in der Zeit von 7-11 Uhr Vormittags Regiments=Exercitien auf der Palinger und Theilen der Lauener, Bardowieker und Herrnburger Feldmark abhalten und daß
3. vom 1.-7. September cr. Brigade=Exerciren ebendaselbst stattfinden wird.
Während des Schießens mit scharfen Patronen ist das Gelände durch Posten, deren Anordnungen unbedingt Folge zu leisten ist, abgesperrt resp. durch Warnungstafeln markirt.
Die besonders zu schonenden Grundstücke sind durch Strohwiepen zu markiren.
Schönberg, den 15. August 1891.
Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei für das Fürstenthum Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.
Nr. 13 des Offiz. Anzeigers für das Fürstenthum Ratzeburg pro 1891 enthält in der
II. Abtheilung.
(1.) Bekanntmachung, betr. die Gestattung von Erntearbeiten an den nächsten drei Sonntagen.
Prinz Heinrich von Preußen, welcher zur Zeit mit seiner Familie zum Besuch am englischen Königshof weilt, hat am Freitag sein 29. Lebensjahr vollendet. Prinz und Prinzessin Heinrich gedenken sich mit ihrem Sohne Waldemar etwa 14 Tage am englischen Hof aufzuhalten und alsdann Ende des Monats nach Kiel zurückzukehren, wo sie voraussichtlich noch das Kaiserpaar antreffen und begrüßen werden.
Ueber die in Kissingen zu Ehren des Fürsten Bismarck stattgefundene Theater=Vorstellung theilen die "Münchener N. Nachr." noch folgende Einzelheiten mit: Nach Vers 1, 2 und 4 des von Ernst Possart gedichteten Prologes waren minutenlange Unterbrechungen. Der Fürst erhob sich und dankte. Nach der Zeile: "Dein Werk, Du des Jahrhunderts größter Sohn!" - sank er in den Sessel zurück und bedeckte weinend das Gesicht mit der Hand. Als in "Königs Befehl", in welchem Possart den Alten Fritz spielte, der einarmige Major Lindeneck sagte: "Hurra! Es lebe der König; ich gebe ihm meinen linken Arm auch noch" - übermannte den Fürsten die Rührung so, daß er aufstand und das Theater verließ, von nicht endenwollenden Zurufen begleitet.
Von den "Denkwürdigkeiten Moltkes" wird der dritte Band, "der deutsch=französische Krieg", zuerst am 21. August erscheinen.
Das preußische Staatsministerium hat am 15. d. Mts. unter dem Vorsitze des Reichskanzlers von Caprivi beschlossen, die Aufhebung der Getreidezölle vorläufig nicht zu befürworten, sondern die weitere Entwickelung abzuwarten.
Dem "Reichsanzeiger" zufolge hat die Staatsregierung in Folge der durch die nasse Witterung gelittenen Ernteaussichten und des russischen Ausfuhrverbots beschlossen, mit einer Ermäßigung für Transporte von Getreide und Mühlenfabrikate auf den Staatsbahnen in Form von Sammeltarifen vorläufig vorzugehen. Der neue Tarif läßt die jetzigen Sammelfrachtplätze bis 200 km Entfernung unberührt. Von dort ab gewährt er fortschreitende erhebliche Frachtvortheile. Er umfaßt Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Hülsenfrüchte, Mais, Mehl und Getreide, Graupen und andere Mühlenfabrikate.
Je höher die Roggenpreise werden, umsomehr gewinnt die Kartoffel als Nahrungsmittel der breiten Volksschichten an Bedeutung. Verschiedene Blätter haben bereits in Anregung gebracht, die Kartoffelausfuhr zu verbieten oder mit einein Zoll zu belegen. Bei derartigen Vorschlägen wird indeß, wie die Nordd. Allg. Ztg. bemerkt, übersehen, daß ein Theil der geltenden Handelsverträge sowohl allgemein den Erlaß von Ein=, Aus= und Durchfuhrverboten, als insbesondere die Einführung einer Ausgangsabgabe für Kartoffeln, unzulässig macht.
Der "Reichsanzeiger" schreibt: Das Staatsmi=
[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 2]nisterium stimmt dem vom Minister der öffentlichen Arbeiten vorgeschlagenen Versuche der Reform der Personentarife für den Verkehr Berlins mit den Vororten vom 1. October ab dahin zu, daß die Fahrpreise betragen sollen bis 7 1/2 km II. Classe 15 Pfg., III. Classe 10 Pfg., für eine Strecke von 15 km 30 resp. 20 Pfg, für eine Strecke bis zu 20 km 45 resp. 30 Pfg. Die tarifmäßig ausgeführten Zeitkarten, sowie die Schülerkarten und Arbeiterwochenkarten und auch die Arbeiter=Rückfahrkarten bleiben bestehen.
Nach den im Reichsversicherungsamt angefertigten Zusammenstellungen betrug am Schlusse der ersten sieben Monate seit dem Inkrafttreten des Invaliditäts= und Altersversicherungsgesetzes (Ende Juli 1891) die Zahl der erhobenen Ansprüche auf Bewilligung von Altersrenten bei den 31 Invaliditäts= und Altersversicherungsanstalten und den 8 zugelassenen Kasseneinrichtungen 140 568. Von diesen wurden 109 116 Rentenansprüche anerkannt, 19 061 zurückgewiesen und 2272 auf andere Weise erledigt, sodaß 16 119 Ansprüche unerledigt auf den Monat August übergegangen sind. - Mehr und mehr scheint übrigens, wie wir gleich bei dieser Gelegenheit bemerken wollen, die Anerkennung der den Arbeitern durch das Invaliden= und Altersversicherungs=Gesetz zu Theil gewordenen Vortheile in den Arbeiterkreisen durchzudringen.
In München beginnen jetzt die Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland, Italien und Oesterreich=Ungarn. Man rechnet auf einen schnellen und sicheren Verlauf.
Die Handelsvertrags=Verhandlungen mit der Schweiz sind am Mittwoch offiziell vertagt worden.
Den österreichischen Manövern, die im September stattfinden werden, gedenken, wie aus Wien berichtet wird, Kaiser Wilhelm II., Kaiser Franz Joseph, der König von Sachsen und andere Fürstlichkeiten beizuwohnen. Das Terrain, wo das Manöver unter Anwendung von rauchschwachem Pulver stattfinden wird, soll zur Vermeidung von Unglücksfällen im weitesten Umkreis abgesperrt werden. Die Manöver werden 70 000 Mann vereinigen. Das "Fremdenblatt" hebt hervor, dieses Truppenaufgebot stehe noch immer hinter dem der deutschen, französischen und russischen Manöver zurück.
Bei der vor einigen Tagen abgehaltenen Parade in Krasnoje Sselo hielt der deutsche Botschafter General v. Schweinitz während des 1 1/2stündigen Vorbeidefilirens der Truppen rechts neben dem Kaiser. Bei dem im Kaiserzelte veranstalteten Frühstücke, zu welchem auch der Militärbevollmächtigte des Deutschen Reichs und der Militärattache der deutschen Botschaft, der österreichische Militärbevollmächtigte und der dänische Gesandte geladen waren, saß General v. Schweidnitz ebenfalls neben dem Kaiser. Die Parade verlief glänzend.
An den großen Manövern, welche in diesem Jahre in Frankreich nahe der deutschen Grenze abgehalten werden und bei denen auch Präsident Carnot zugegen sein wird, betheiligten sich 112 Bataillone Infanterie, 80 Escadrons Cavallerie und 92 Batterien, im Ganzen 120 000 Mann, 10 000 Pferde und 562 Geschütze.
Es ist nicht unmöglich, daß Kaiser Alexander auf seiner bevorstehenden Reise nach Kopenhagen dem deutschen Kaiser in Kiel einen Besuch abstattet, oder aber, daß eine Begrüßung beider Kaiser auf offener See erfolgt. Die Franzosen würden dann allerdings auf den Rücken fallen!
Die Ankunft der russischen Kaiserfamilie in Kopenhagen für Ende ds. Mts. ist offiziell angesagt. Ueber die Rückroute sind noch keine bestimmten Pläne angegeben, doch spricht nichts dagegen, daß, wie in früheren Jahren, die Rückreise über Berlin erfolgt. Unter den obwaltenden Umständen dürfte diese Vermuthung sehr bezweifelt werden.
In einer Besprechung des russischen Ausfuhrverbots schreibt die "Nordd. Allg. Ztg." u. a : "Es fragt sich überhaupt, wie lange Rußland in der Lage sein wird, das Ausfuhrverbot aufrecht zu erhalten. Die durch das Verbot offiziell anerkannte Verminderung der Exportfähigkeit Rußlands, beziehungsweise die durch das Verbot bewirkte Verminderung des Exports müssen sich nothwendigerweise in dem Rubelkurse fühlbar machen, welcher sich trotz aller "Interventionskäufe" auf seiner gegenwärtigen Höhe nicht wird halten lassen. Ergeben sich daraus finanzielle Opfer für die russische Regierung, so kommt hinzu, daß die ohnedies in einer Nothlage befindliche russische Landwirthschaft durch das Ausfuhrverbot verhindert wird, ihre Produkte in der nutzbringendsten Weise zu verwerthen. Es liegen also genügend Momente vor, um die Zweischneidigkeit der getroffenen Maßregel den leitenden Kreisen Rußlands vor die Augen zu bringen." - Die Einfuhr von russischem Roggen in Deutschland betrug 1890 751 380 Tonnen. In diesem Jahre sind 314 764 Tonnen eingeführt, aber meist Bestände alter Ernte.
Die in weiten Kreisen verbreitete Ansicht, daß es sich bei dem russischen Getreide=Ausfuhrverbot weniger um eine wirthschaftliche Nothwendigkeit, als um einen politischen Akt, eine Errungenschaft des "neuen Kurses", handelt, findet ihre Bestätigung in einer aus St. Petersburg an die "Times" gelangten Depesche, in welcher es heißt: In gut unterrichteten Kreisen wird behauptet, daß die Roggenernte durchaus nicht so schlecht sei, wie angegeben wird, und daß die Vorräte nicht so gering seien, um ein Ausfuhrverbot zu rechtfertigen. Der Export von Roggen wird vielmehr für nothwendig erachtet. Man neigt zu der Ansicht, daß das Ausfuhrverbot ein politischer, gegen Deutschland und Oesterreich gerichteter Schachzug sei.
Das Journal de Saint Petersbourg erklärt die Meldung französischer Blätter, wonach das Verbot der Roggenausfuhr lediglich gegen Deutschland gerichtet wäre, für falsch. Der Zar habe sich lange gegen eine derartige Maßregel gesträubt, aber schließlich angesichts des Berichts mehrerer Gouverneure nachgegeben. Die Maßregel werde sofort aufgehoben werden, sobald die Versorgung der nothleidenden Gouvernements gesichert erscheine.
Einzelne Petersburger Blätter hegen schwere Besorgnisse wegen des Roggen=Ausfuhr=Verbotes und fürchten, Rußland werde am Ende die Zeche bezahlen.
Das russisch französische Abkommen soll angeblich, wie aus Petersburg verlautet, folgende Punkte enthalten: 1. Wenn Frankreich den Krieg an Deutschland erklärt, ohne daß ein besonders triftiger Grund dafür vorliegt, beobachtet Rußland vollständige Neutralität. 2. Wenn Frankreich durch ein herausforderndes Verhalten Deutschlands gezwungen wird, dem letzteren nothgedrungen den Krieg zu erklären, so beobachtet Rußland eine Frankreich sympathische Neutralität und verstärkt event. seine Truppen an der preußisch=österreichischen Grenze. 3. Wenn Deutschland den Krieg an Frankreich erklärt, ist eine Kooperation Rußlands und Frankreichs keineswegs ausgeschlossen. Andererseits sind in einem Krieg zwischen Rußland und dem Dreibund dieselben Vereinbarungen für Frankreich bindend. Ob diese Abfassung wirklich vorliegt, muß vor der Hand dahin gestellt werden.
Der russischen Industrie soll durch eine Ausstellung Gelegenheit gegeben werden, ihr Können zu zeigen. Die Ausstellung soll, wenn der Reichsrath mit dem Plan einverstanden ist, im Jahr 1893 in St. Petersburg abgehalten werden.
Auf den König von Dänemarck ist am Montag ein Attentat verübt worden. Er wurde von zwölf betrunkenen Personen attackirt, welche versuchten, ihn in einen Graben zu werfen. Der König vermochte sich jedoch durch die Schnelligkeit seines Pferdes zu retten.
Die durch die bulgarische Regierung bestellten neuen bulgarischen Silberfranksstücke im Betrage von 8 Mill. werden im königl. ungarischen Münzamte zu Kremnitz hergestellt werden. Die hierzu nothwendigen 33 400 Kilogramm Feinsilber werden aus London bezogen. Die Münzen tragen einerseits das Brustbild des Fürsten mit der Aufschrift Ferdinand I., Fürst von Bulgarien andererseits die Werthzeichen. Die Umschrift lautet: "Gott schütze Bulgarien".
Wie jetzt die "Neue Freie Presse" in Wien mittheilt, ist der Bulgare Ilia Georgow, der der Mitschuld an der Ermordung des bulgarischen Ministers Beltschew verdächtig sein soll, nicht in Raab, sondern in München, wo er studiert hat, verhaftet worden. Georgow ist ein schöner, hochgewachsener Mann, mit einein stattlichen Vollbart und soll etwa
[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 3]30 Jahre alt sein. Er ist sehr elegant gekleidet und reichlich mit Geld versehen. Der Wiener Gendarmerie erklärte er, er sei unschuldig und habe sich zu der Zeit, als der Mord an Beltschew begangen wurde, in München befunden. Uebrigens verabscheue die Oppositionsparthei, der er angehöre, den politischen Mord, und das Attentat gegen Beltschew sei gewiß ein persönlicher Racheact gewesen. Er fürchte deshalb auch das Urtheil, das seiner harre, nicht und es bange ihm nur vor einer langen Untersuchungshaft. Schon in München hatte er nach seiner Verhaftung 17 Tage im Gefängniß zubringen müssen, bis die Verhandlungen über seine Auslieferung beendet waren.
Englische Regierungsorgane richten Warnungs=Artikel nach Konstantinopel, sich nicht von Rußland und Frankreich gegen England ausspielen zu lassen, da England der Türkei bester Freund sei.
Der von dem türkischen Brigantenschef Athanas in den letzten Tagen entführte französische Grundbesitzer Raymond ist noch in Gefangenschaft. Die Türkei hat keine rechte Lust, das Lösegeld von 100 000 Francs zu zahlen, auf Drängen des französischen Botschafters Montebello wird ihr aber wohl kaum etwas anderes übrig bleiben. Fatal genug ist die Sache. Nach weiteren Berichten hat die türkische Regierung das geforderte Lösegeld bereits angewiesen, so daß die Freilassung des Gefangenen bald genug zu erwarten steht.
Der Gesundheitszustand der rumänischen Königin Elisabeth, die sich jetzt in Venedig aufhält, verschlimmert sich von Tag zu Tag. Dr. Theodori hat ihr den Rath ertheilt, schleunigst Venedig zu verlassen und einen Badeort aufzusuchen.
Es gilt als sicher, daß Deutschland, England und Frankreich sich vereinigt haben, um die chinesische Regierung endlich einmal zu energischem Einschreiten gegen die fortwährenden Christenverfolgungen zu veranlassen. Es ist festgestellt, daß die unteren chinesischen Behörden diese Ausschreitungen geduldet, ja sogar direct unterstützt haben. Es soll deshalb eine Staatskommission zum Yangthe=Kiang mit mehreren Kriegsschiffen gesandt werden, um dort über die Schuldigen Gericht zu halten. Man erwartet, eine exemplarische Bestrafung der Rädelsführer werde dem Unfug ein Ende bereiten.
Eine Elfenbeinkarawane, welche vom Victoria=See in Bagamoyo in Deutsch=Ostafrika angekommen ist, hat auf dem Wege dorthin mit den Eingeborenen verschiedene Zusammenstöße zu bestehen gehabt; seitdem Emin Pascha von Bagamoyo ab marschierte, ist fast ein Jahr verstrichen, und es ist möglich, daß einzelne Eingeborenen=Häuptlinge in dieser Zeit recht üppig geworden sind. Im nächsten Monat bricht indessen die große Dampfer=Karawane des Major von Wißmann nach dem See auf, und drei Compagnien unserer Schutztruppe begleiten dieselbe. Diese braunen Soldaten werden mehr als genügend sein, dem herumstreifenden Gesindel zu zeigen, wer Herr in jenen Gebieten ist. Um nennenswerthe Gegner kann es sich hier überhaupt nicht handeln, denn sonst wäre man längst energisch gegen diese eingeschritten.
- Schönberg. Bei einem Gewitter am Sonntag Vormittag zündete der Blitz das Viehhaus des Ackerbürgers P. Burmeister hieselbst. Die alsbald zur Stelle geeilten städtischen Spritzen, wesentlich unterstützt durch den fortwährenden Regen und die günstige Windrichtung, konnten das Feuer auf dies eine Gebäude beschränken, das aber auch gänzlich niederbrannte. In demselben befand sich die ganze Vormaht an Heu und Klee. Das Gebäude ist bei der hiesigen Vaterländischen Feuerversicherungs=Gesellschaft mit 5300 Mk. versichert.
- Gelbensande, 17. August. Obgleich die Anfälle von Athemnoth an Heftigkeit entschieden abgenommen haben, ist das Befinden Sr. K. H. des Großherzogs heute doch insofern weniger befriedigend, als bei geringerer Nahrungsaufnahme der allgemeine Kräftezustand wieder etwas gesunken ist. Die Nacht war unruhig und brachte nur wenig Schlaf.
Müller. Martius.
- Militärisches. Der Stab und das 1. Bataillon 1. Hanseatischen Infanterie=Regiments Nr. 75 verlassen am 17. August ihre Garnison Bremen und begeben sich per Eisenbahn nach Hamburg, woselbst in der Zelt vom 18. bis 20. August Schießübungen auf der Haide bei Harburg abgehalten werden. Die Truppen nehmen für die Zeit Quartier in der Stadt Harburg. Am 21. Aug. begeben sich der Regimentsstab, das 1. und 2. Bataillon von Harburg, das 3. Bataillon von Stade per Eisenbahn nach Lübeck; hier finden in der Zeit vom 22. bis 31. Aug. die Regiments=Exercitien des Regiments auf der Palinger Haide bei Lübeck statt. - Der Regimentsstab, das 1. und 2. Bataillon 2. Hanseatischen Infanterie=Regiments Nr. 76 treffen bereits am 14. August per Fußmarsch in Lübeck ein, um mit dem dort in Garnison stehenden 3. Bataillon desselben Regiments in der Zeit vom 15. bis einschl. 21. August Gefechtsschießübungen auf der Palinger Haide zu absolviren. In der Zeit vom 22. bis 31. August findet das Regiments=Exerciren des Regiments gleichfalls auf der Palinger Haide statt. - Der Stab der 33. Infanterie=Brigade trifft am 31. Aug. in Lübeck ein und findet das Brigade=Exerciren der 33. Infanterie=Brigade in der Zeit von 1. bis 7. September unter Leitung des Generalsmajors Heinrichs auf der Palinger Haide statt. Sämmtliche Stäbe und Truppentheile nehmen während der vorgenannten Zeit Quartier in der Stadt Lübeck. - Am 8. September wird die ganze Brigade mittelst Eisenbahn ins Mecklenburgische befördert, um an den Brigade= bezw. Divisions=Manövern in der Gegend von Teterow-Belitz bezw. Sülze-Tessin-Laage-Teterow Theil zu nehmen.
- Erklärliches Aufsehen erregt in Hamburg die Falliterklärung des Oberlehrers Wolters im Vorort Eilbeck, der nach dem berüchtigten Spitzederschen Muster (Dachauer Bank) Geld von früheren Schülern und Landsleuten zur Anlage erhalten und verspielt hat. Der Fehlbetrag beziffert sich auf 300 000 Mark. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschritten.
Anzeigen.
Gartenbauverein.
Ausstellung mit Obstmarkt
Anfangs October.
Der Vorstand.
Sonntag, den 23. August, Nachmittags 4 Uhr, Versammlung in Kösters Garten zur Berathung der Ausstellung. Theilnahme der Damen erwünscht.
Der Vorstand.
Zur Förderung der dem Vernehmen nach bereits eingereichten Vorstellung und Bitte an den Landesfürsten betreffend Regelung des Wasserpasses an der hiesigen Mühle möchten wir Angesichts des jetzt offenkundigen großen Schadens den Ueberschwemmten empfehlen, sich täglich und zuverlässig die Beweise über den Stand der Gewässer auf den Grundstücken, ferner an der Freischleuse und unterhalb derselben zu sammeln und zu sichern.
Mehrere Interessenten.
100,000 Säcke
für Kartoffeln, Getreide, einmal gebraucht, groß, ganz u. stark à 25 u. 30 Pfg. Probeballen von 25 Stück versendet unter Nachnahme und bittet Angabe der Bahnstation
Max Mendershausen, Coethen i. Anh.
Presennige und Zeltlaken
vermiethet Simon Valk, Lübeck, Mengstr. 41.
Am Mittwoch, den 19. August werden auf dem Stover und Röggeliner Felde
Rappsschoten verbrannt.
Kaiser.
Zum 24. October werden zu Neuhof
2 Knechte u. 1 verheirath. Kuhhirte
gesucht. Städing.
[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 4]Programm
zur Sedanfeier in Schönberg 1891.
1. Dienstag, den 1. September:
Abends 6 1/2 Uhr: Unterhaltungsmusik vor dem Vereinslocal.
Abends 7 1/2 Uhr: Beginn des Fackelzuges vom Siemzerthore aus.
Abends 8 Uhr: Bekränzung des Kriegerdenkmals.
Abends 8 1/2 Uhr: Freudenfeuer (Abbrennung eines Holzstoßes), Festrede u. patriotische Gesänge.
Abends 9 Uhr: Commers und Concert im Schützenhause - Eintrittsgeld 20 Pfg.
2. Mittwoch, den 2. September:
Morgens 6 Uhr: Weckruf durch die Stadt.
Morgens 9 1/2 -11 Uhr: Concert auf dem Markte.
Nachmittags 1 Uhr: Festzug durch die Stadt vom Siemzer Thore aus bis zum Schützenhause.
Nachmittags 2 Uhr: Beginn des Schießens nach Silber= und Alfenide=Gewinnen sowie der Kinderbelustigungen auf dem Baubrink
Nachmittags 2 Uhr: Concert im Schützenhause. - Eintrittsgeld 20 Pfg.
Nachmittags 7 Uhr: Einmarsch.
Nachmittags 8 Uhr: Beginn der Festbälle im Schützenhause und im neuen Boye'schen Saale.
Eintrittsgeld für Herren à 1 M. 50 Pfg., für Damen 50 Pf.
Um recht rege Betheiligung an dieser nationalen Feier bittet
Das Sedan=Comité
des Kriegervereins f. d. Fürstenthum Ratzeburg.
Kampf= genossen= |
|
Verein 1870/71. |
Schönberg. |
Am Sonntag, den 23. d. M., Nachm. 4 Uhr,
außerordentliche General=Versammlung
im Vereinslocal.
Tagesordnung:
Beschlußfassung über die diesjährige Sedanfeier.
Um zahlreiches Erscheinen bittet
der Vorstand.
Die Anweisung der Plätze für Buden findet
am Sonntag, den 30. August c.
Abends 7 Uhr
auf dem Baubrink statt.
Das Sedan-Comité
des Kriegervereins f. d. Fürstenth. Ratzeburg.
Für Kranke
empfehle:
ff. Medicinal Tokayer- u. Samos-Auslese-Wein,
ferner:
feinste Tischweine, garantirt rein u. a. Niersteiner, Zeltinger Mosel, Wehlener Mosel und Mosel Blümchen weiter:
Rothweine, garantirt Bordeaux
Hochfeine Marken.
La Flotte, Bayle-Saint_Vigent, Chat-Bemonnes-Cassac, Chateau der Perez, Montferrand, Panillae, Moulis, Macan u. s. w.
Kochweine:
Rothwein-Krone à 90 Pfg.
Graves (weiss) à 90 Pfg.
Obige Marken gebe mit wenig Nutzen ab und empfehle mich damit zu Festlichkeiten so angelegentlichst wie ergebenst
Max C. Sass.
Am 29. Juli d. Js. ist auf dem hiesigen Bahnhofe oder im Schnellzuge ein neuer,
dunkelblauer Sommerüberzieher
gegen einen älteren von ähnlicher Farbe vertauscht.
Meldung erbittet
Hill,
Stationsvorsteher.
Eine erste Hamburger Importfirma in Futtermitteln, besonders Kleie, Malzkeime, getr. Biertreber, Schlempe etc., wünscht noch mit größeren Händlern des Inlandes in Verbindung zu treten. Adr. gefl. u. H. o. 6666 an Haasenstein & Vogler A.-G. Hamburg.
Statt besonderer Meldung.
Durch die glückliche Geburt eines gesunden Töchterchens wurden hoch erfreut
Mölln i. L., den 15. August 1891.
P. Pierstorf u. Frau
geb. Eckmann.
Die Geburt einer gesunden Tochter zeigen an
C. Mette u. Frau,
geb. Koopmann.
Petersberg, den 13. August 1891.
Danksagung.
Allen denen, welche unsere liebe Entschlafene zur letzten Ruhe geleitet und ihren Sarg so reich mit Kränzen schmückten, auch dem Herrn Pastor Langbein für die trostreichen Worte sagt hierdurch ihren herzlichsten Dank
Familie Lenschow.
Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
9,49 Vorm. 12,02 Mitt. 3,10 Nachm. 7,11 Abends. 11,37 Nachts.
nach Kleinen:
7,32 Morg. 10,13 Vorm. 12,51 Nachm. 5,21 Nachm. 8,36 Abends.
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Getreide=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Viehmarkt in Hamburg.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 5]Beilage
zu Nr. 64 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 18. August 1891.
Vom Fürsten Bismarck.
Wie aus Kissingen gemeldet wird, hat Fürst Bismarck beim Empfange einer Deputation der deutschen Studentenschaft am Montag eine bedeutsame Rede gehalten, deren Wortlaut wir nach einem Kissinger Bericht der "Hamb. Nachr." wie folgt wiedergeben. Der Fürst sagte nach Empfangnahme des von der deutschen Studentenschaft gestifteten Ehrenhumpens:
"Ich danke Ihnen, meine Herren, für den schönen Humpen, der nicht nur nach Arbeit und Werth in der Sammlung von Erinnerungsgegenständen, die ich besitze, einen hervorragenden Platz einnehmen wird, sondern mehr noch seinem Ursprunge nach, durch die Geber und die Andenken, die sich an die Ueberweisung knüpfen. Es hat diese Ueberweisung für mich eine historische Bedeutung. Wir gehören zwei verschiedenen geschichtlichen Generationen an, ich derjenigen Kaiser Wilhelms I., der kämpfenden, erwerbenden, erbauenden, die im Abscheiden begriffen ist. Ihnen, meine Herren, gehört die Zukunft, an deren politischer Gestaltung Sie in Amt und Würden, auf der Kanzel, im Parlamente oder wenigstens als Wähler mitzuwirken berufen sind.
Als ich im Jahre 1832 die Universität Göttingen bezog, war das deutsche Vaterland lahm gelegt durch die Theilung in mehr als 30 Staaten. Die einzelnen Staaten standen sich mißtrauischer gegenüber, mit geringerem Maße von Wohlwollen, wie dem Auslande. Das einzig gemeinsame und einende Element in Deutschland waren Wissenschaft und Kunst. Es gab schon damals keine preußische oder bayrische Wissenschaft, sondern eine deutsche. Die deutschen Universitäten bewahrten zu jener Zeit das Gefühl der Zusammengehörigkeit, sie waren Träger des nationalen Gedankens. Die Flamme, die sie unterhielten, war leuchtend und hell, aber sie reichte nicht aus, die Bruchstücke des Vaterlandes durch Schmelzen zum einheitlichen Gusse zu bringen. Dazu bedurfte es der Mitwirkung der Dynastien, der Regierungen und, gerade herausgesagt, ihrer Streitkräfte. Alle früheren Versuche zur Ausführung des Einheitsgedankens mußten an der irrthümlichen Geringschätzung der dynastischen Kräfte, der Macht von Blut und Eisen scheitern. Ohne diese Macht und ohne das Eingreifen der Dynastien wird in Deutschland nichts Dauerhaftes gewonnen, weder 1848 noch heute. Die deutsche Treue, das deutsche Recht, so wie es sich auf deutsche Gottesfurcht gründet, stehen auf diesem Boden.
Die Aufgabe, die Sie, meine Herren, in der Zukunft zu lösen haben, ist, nachdem die unvermeidlichen Brüderkämpfe im Innern überstanden sind, im Wesentlichen eine solche der Erhaltung. Wenn erhalten werden soll, so verstehe ich darunter, daß man ausbessert, ausbaut. Was aber soll erhalten werden? Als nächsten Gegenstand Ihrer künftigen Fürsorge im Erhalten möchte ich Ihnen die Reichsverfassung ans Herz legen. Sie ist unvollkommen, aber sie war das Aeußerste, was wir erreichen konnten. Pflegen Sie die Verfassung, wachen Sie eifersüchtig darüber, daß die Rechte nicht angetastet werden, die sie schützen. Ich bin kein Freund der Centralisation, wie sie in Frankreich in Bezug auf Paris besteht, ich sehe den Segen der Decentralisation in dem Hervorbringen zahlreicher Culturcentren, und ich halte die Egalisirung für so wenig nützlich, wie mich etwa das Verschwinden der verschiedenen Landestrachten erfreut. Noch einmal: Wachen Sie über die Reichsverfassung, selbst wenn sie Ihnen hier und da später nicht gefallen sollte. Rathen Sie zu keiner Aenderung, mit der nicht alle Betheiligte einverstanden sind. Das ist die erste Bedingung der politischen Wohlfahrt des Reiches. Gegenüber dem Auslande bin ich nicht besorgt. Alle Angriffe von außen werden wie Hammerschläge auf uns wirken, unsere Einigkeit nur noch inniger und stärker machen.
Im Innern aber halte ich für den locus minoris resistentiae die deutsche Neigung zur itio in partes, zum Fractions= und Parteiwesen. Die Neigung liegt uns im Blute. Wie zwei Regimenter in verschiedener Uniform in einer Garnison leicht in Gegensatz zu einander gerathen und wie früher die deutschen Einzelstaaten mit scheelen Blicken einander eifersüchtig überwachten, so ist es jetzt der Kampf der parlamentarischen Fractionen und der verschiedenen politischen Parteien, der die einheitliche Entwickelung zu gefährden droht. Die Kluft zwischen den Fractionen zu überbrücken, ist schwierig. Ich betrachte das ganze parlamentarische Fractionswesen als eine Krankheit, deren Bestand auf dem strebsamen Ehrgeize der Führer beruht, mit dem sie als politische Condotterie ihre Aussichten bald nach oben, bald nach unten zu verbessern suchen. Bekämpfen Sie diese unglückliche Neigung zur itio in partes. Wenn wir zusammenhalten, werden wir den Teufel aus der Hölle schlagen. Sie müssen sich daran gewöhnen, in jedem Deutschen zuerst den Landsmann, nicht den politischen Gegner zu sehen.
Diese Bitte richte ich an Sie, als an die Träger des nationalen Gedankens auf den deutschen Hochschulen, die den prometheischen Funken des Nationalgefühls auf die künftigen Geschlechter übertragen.
Ich bitte Sie, einen Tropfen mit mir aus dem neuen Humpen zu trinken, der hier vor mir steht. Ich trinke auf das Wohl der deutschen Hochschulen, auf das Wohl der deutschen studirenden Jugend, deren Vertreter hier erschienen sind, und auf ihre Lehrer mit den Worten des Liedes:
Vivat membrum quodlibet,
Vivant membra quaelibel,
Semper sint in flore."
Bei dem stattgehabten Commers hatte der Cand. hist. Eichler seine Rede auf den Fürsten Bismarck mit den Worten geschlossen, Fürst Bismarck habe oft mit der deutschen Melancholie und Uneinigkeit zu kämpfen gehabt. Heute wollte ihm aber die studirende Jugend zeigen, wie es mit der Melancholie fernerhin bestellt sein solle. Nachdem der Salamander verklungen war, erhob sich der Fürst, um, wie er sich ausdrückte, nur in Paranthese zu sagen, daß er von Melancholie in seinem Leben kaum befallen gewesen, vielmehr, wenn von Temperamenten die Rede sei, wohl immer entweder von cholerischem oder sanguinischem Temperament erfüllt gewesen sei. Sein Glas gelte den deutschen Frauen, die zur deutschen Einheit und Einigkeit mehr beigetragen hätten, als gewöhnlich angenommen werde. Beide Reden entfesselten einen Sturm der Begeisterung. Vielen Studenten, selbst mehreren der nahestehenden Zuschauer gelang es, mit dem Fürsten anzustoßen. Es folgte Gaudeamus igitur, dann wurden auf den Fürsten gedichtete Lieder gesungen.
Das Ehrengeschenk, welches am Montag von den Studirenden aller deutschen Hochschulen dem Fürsten Bismarck überreicht wurde, ist ein großer, decorativ wirkender Humpen, im deutschen Renaissancestyl gezeichnet und aus Feinsilber getrieben von dem für derartige Silberarbeiten bekannten Ciseleur Gustav Lind zu Berlin. Der Humpen steht auf einem sehr originell gezeichneten Schemel aus Ebenholz, an dessen Vorder= und Rückseiten in Medaillons der Namenszug des Fürsten mit der Krone des Fürsten in schöner Linienführung zu sehen ist. Außerdem aber ist dieser Untersatz noch reich mit kleinen, reizend ausgeführten, getriebenen Silberbeschlägen und Lapis lazuli-Steinen besetzt. Auf dem Humpenrande steht eingravirt:
"Ob wir des Reiches Minne trinken
Aus goldnem Wein, mit rothem Blut, -
Bis wir einst sterbend niedersinken,
[ => Original lesen: 1891 Nr. 64 Seite 6] Wird unverlöscht Dein Name blinken
In unsres Herzens tiefster Gluth.
Kissingen, den 10. August 1891.
Auf der Vorderseite ist das gelungene Portrait des Kanzlers in Generalsuniform, auf der entgegengesetzten Seite das Familienwappen; unter diesen zwei Medaillons sind Adler mit ausgebreiteten Flügeln angebracht. Eingerahmt sind diese Flachreliefs von Lorbeer und Eichenlaubzweigen. Die Felder zwischen diesen Darstellungen füllen huldigende, prächtige Studentengestalten in Wichs. Ueber dem Wappen ist auf einem flatternden Band zu lesen: "Im 20. Gedenkjahre der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches." Auf dem reich detaillirten hohen Deckel steht die sehr bewegte Figur eines Scholaren mit dem bekränzten Reichsbanner in der linken, und dem Schwert in der rechten Hand. Der Humpen ist außen oxydirt, innen vergoldet, und wird als künstlerisch ausgeführte Silberarbeit ein Prunkstück ersten Ranges der fürstlichen Schatzkammer bilden.
- Von denen, die nicht alle werden. Man sollte es nicht für möglich halten, daß der Aberglaube in Berlin, der "Stadt der Intelligenz" noch in so Vieler Köpfe spukt. Ein Restaurateur war Witwer und suchte sich vor zwei Jahren wieder zu verheirathen. Mit einer Witwe waren nun diesbezügliche Verhandlungen angeknüpft und die Verlobung bereits gefeiert worden. Auf einmal wurde dieselbe seitens der Braut aufgehoben, ohne daß dem Bräutigam auch nur der geringste Grund angegeben wurde. Er sah sich dann nach einer andern Frau um und ist jetzt glücklich verheiratet. Dieser Tage nun erfuhr er durch Zufall den Grund, weswegen seine damalige Braut die Verlobung ausgehoben hatte. Die Mutter derselben hatte nämlich erkannt, daß er eine weiße Leber habe. Besondere Umstände hätten ihr dies verrathen und man wisse ja, daß einem "Manne mit einer weißen Leber" alle Frauen stürben, da sich bei diesen die Leber im Leibe "selbst verzehre!"
- Der Garnison von Spandau ist der Besuch von 7 Lokalen verboten, in denen das sozialdemokratische Organ "Vorwärts" ausliegt.
- Das größte Rindvieh Deutschlands zu sein, beansprucht ein Ochse, welcher dieser Tage von dem Hofschlächtermeister Beck in Charlottenburg von einem Rittergut bei Wrietzen käuflich erworben worden und bis zum Sonntag für Geld zum Besten der Ferienkolonien zu sehen ist. Das Ungethüm hat einen Umfang von 3 Meter, eine Höhe von 2 1/4 Meter, eine Länge 3 1/2 Meter, und wiegt 25 Centr.
- Als am Freitag abend in Oldesloe zwei Schaffner gleichzeitig in den Gepäckwagen des nach Hamburg abfahrenden Zuges springen wollten, glitten sie aus und kamen zu Fall. Schaffner Schwarr aus Hamburg wurde überfahren und ihm dabei der Schädel zerquetscht. Der Tod trat sofort ein. Der andere Schaffner kam mit unerheblichen Verletzungen davon.
- Der Premierlieutenant Leydhecker in Mainz wurde wegen der bekannten Säbelaffaire gegen den Architecten Hehl vom Militärgericht zu 2 Monaten Festungshaft verurtheilt.
- Auf dem Breslauer Bundestag der deutschen Radfahrer gewann Lehr=Frankfurt sämmtliche Rennen, in denen er startete, und trug außer der Meisterschaft von Deutschland auf dem Hochrad auch den Kaiserpreis davon.
Ueber einen Unglücksfall der sich in Libau ereignete, berichtet die Lib. Ztg.: Der elfjährige Kadet Ssergei Kolpytscheff war von einem Stege aus ins Meer gefallen. Sein Vater, der Oberstlieutenant Wladimir Kolpytscheff, Inspector am Orelschen Kadettencorps, sprang ihm zur Rettung nach. Vater und Sohn waren gute Schwimmer. Trotzdem wurden sie von den Wellen ins Meer hinausgetragen und ertranken.
- Gelegentlich einer Wette wurde jüngst in einem badischen Städtchen festgestellt, daß eine Schwalbe nur 10 Gramm wiegt, mithin 50 auf ein Pfund gehen. Der eine der Wettenden hatte geglaubt, daß etwa 6 bis 8 Stück ein Pfund wiegen würden.
- Prof. Adamkiewicz von der Krakauer Universität hat dem Fremdenblatt zufolge an die Akademie der Wissenschaft in Wien Mittheilungen von seinen Versuchen zur Heilung des Krebses gelangen lassen. Das neue, seiner eigentlichen Zusammensetzung nach noch geheim gehaltene Krebsmittel wird Cancroin genannt. Es soll in einigen jeder anderen Heilmethode trotzenden Fällen sichtliche Besserung hervorgerufen haben.
- Ein verbrecherisches Ehepaar, welches den Dienstmädchenmord offenbar geschäftsmäßig betrieb, wurde am Montag in Wien verhaftet. Die Eheleute heißen Franz und Rosalie Schneider und wohnen in der Vorstadt Rudolfsheim. Sie lockten stellenlose Dienstmädchen unter der Vorgabe, daß sie in Sommerfrischen Stellungen für sie haben, aufs Land, wo sie die Verbrechen verübten. Ein vollbrachter und ein versuchter Mord sind dem Paare bisher nachgewiesen, wahrscheinlich liegen noch mehr Morde vor.
- Bei Brüssel kam es zu lebhaften Schlägereien zwischen sozialistischen und nichtsozialistischen Arbeitern. Die letzteren weigerten sich, den Sozialisten Beiträge zu Partheizwecken zu zahlen und schlugen den ersteren die Köpfe blutig.
- Ein Professor in Turin will ein Mittel gefunden haben, die Reblaus ohne Schaden für die Rebe plötzlich zu vernichten. Die Versuche sollen ausgezeichnete Ergebnisse gehabt haben.
- In Südtyrol macht sich Meister Petz gegenwärtig recht unangenehm für die Viehheerden bemerkbar. Bei Proveis zerriß vorige Woche ein Bär 4 Schafe, im Ultenthal gar 14. An einem der letzten Tage früh wurde ein Bär sogar auf der Reichstraße, die von Mestizzolo nach Cles führt, bemerkt. Eine Schar Volkes machte sich natürlich sofort mit allerlei Waffen und Gegenständen versehen auf die Jagd, doch gelang es dem Bären noch, seinen Verfolgern in die Berge zu entkommen.
- Blonde Italienerinnen. Die schwarzhaarigen Italienerinnen werden bald nur noch ein Phantasiegebilde der Dichter sein. Die Mode, sich die Haare goldblond zu färben, nimmt in Italien derart überhand, daß man in den Städten auf Schritt und Tritt "impertinent blonde" Mädchen und Frauen antrifft, die man für Deutsche halten würde, wenn die Glutaugen, die gepuderten Bäckchen und die bemalten Augenbrauen nicht verrätherisch daran mahnen würden, daß man verwandelte Italienerinnen vor sich hat. Die alberne Manie findet immer mehr Anklang, und sogar die Haare der Kinder werden schon gefärbt.
- Als verdächtig, den bulgarischen Finanzminister Beltscheff ermordet zu haben, wurde in Raab Ilia Georgewo, ehemals Student der Rechte in München, verhaftet.
- Die Stadtvertretung in Namur genehmigte die Errichtung eines Spielhauses nach dem Muster von Spaa und Ostende.
- Während in Deutschland fortwährend über naßkaltes Wetter geklagt wird, sendet jenseits des Oceans die liebe Sonne vom blauen Himmel sengend ihre Strahlen herab. So meldet man aus New=York, daß am Sonntag daselbst die Hitze auf 97 Grad Fahrenheit (im Schatten) gestiegen sei und viele Fälle von Sonnenstich vorgekommen wären. 97 Grad Fahrenheit sind nahezu 29 Grad Reaumur oder 36 Celsius, für eine Temperatur im Schatten allerdings etwas viel.
- Eine 3 Zoll dicke Ader von gediegenem Silber ist bei Caribon in Colorado (Nordamerika) entdeckt worden. Sollte sich die Ader weit ausbreiten, so würde diese Silbergrube an Reichthum selbst die Nevadas übertreffen.
- Wie aus Madras berichtet wird, ist die Hoffnung, daß den indischen Districten Chingleput und Nord=Arcot die Hungersnoth erspart bleiben würde, jetzt gänzlich aufgegeben. Die Hitze, welche dort herrscht, hat noch nicht ihresgleichen gehabt, und der Regenfall war nicht genügend, um die Ernte zu retten. Die Sachlage in Wandiwash, Maderpauk und besonders in Balastry ist sehr beunruhigend. Wie groß der Mangel an Nahrungsmitteln ist, geht aus der Thatsache hervor, daß selbst Angehörige hoher Klassen sich unter der Zahl der unentgeltlich unterstützten Personen befinden. Bereits sind Fälle von Hungertod vorgekommen und die Bewohner einiger Dörfer gezwungen, sich von Aloeblättern zu ernähren. Das Vieh stirbt infolge des Mangels an Futter und Wasser in großen Scharen.
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