[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 1] Als preiswerthes, praktisches Weihnachtsgeschenk empfehle ich :
Rohseid. Bastroben (ganz Seide) Mk. 16,80 p. Robe, sowie Mk. 22,80 28,-, 34,-, 42,-, 47,50 nadelfertig. Es ist nicht nothwendig, vorher Muster kommen zu lassen; ich tausche nach dem Fest um, was nicht convenirt. Muster von schwarzen, farbigen und weißen Seidenstoffen umgehend. Seidenfabrik=Dépôt G. Henneberg. (K. u. K. Hofl.) Zürich.
Anzeigen.
In Sachen, betreffend die Niederlegung eines Hypothekenbuchs über das zu Schönberg an der Hinterstraße sub No. 81. belegene Wohnhaus c. p. der unverehelichten Catharina Lenschow wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protocoll sofort im Termin der Präclusiv=Bescheid erlassen und publicirt worden ist.
Schönberg, den 3. December 1887.
Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.
In das hiesige Handelsregister Fol. XXI Nr. 34, betreffend die Ersparniß= und Vorschuß=Anstalt zu Schönberg, ist heute Col. 6 eingetragen:
"das statutenmäßig ausscheidende erste Mitglied des Directorii der Ersparniß= und Vorschuß=Anstalt hieselbst, Ackerbürger J. Boye zu Schönberg, ist in der am 10. November 1887 abgehaltenen ordentlichen Generalversammlung der Actionäre dieser Anstalt als Mitglied des Directorii wieder gewählt worden und als solches durch die ad [34] act. anliegende notarielle Urkunde d. d. Schönberg den 10. November 1887, welche auch die Erklärung der Annahme der Wahl und Zeichnung des Namens seitens des p. Boye enthält, legitimirt."
Schönberg, den 18. November 1887.
Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
A. Dufft.
Antragsmäßig soll über die zu Lüdersdorf sub. No. 23 belegene Büdnerstelle c. p. des Barbiers Heinrich Böttcher daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung in dem auf
Sonnabend, den 18. Februar 1888,
Vormittags 10 Uhr
anstehenden Liquidations=Termin peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als auch die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Schönberg, den 30. November 1887.
Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.
A. Dufft.
Weiden=Auction.
Am Freitag, den 9. d. M., von Vormittags 10 Uhr ab, sollen auf dem Bahnhofe Grevesmühlen
etwa 100,000 Stück Bandstöcke
in verschiedenen Stärken
und an demselben Tage von Nachmittags 2 1/2 Uhr ab auf dem Bahnhofe Kleinen
etwa 2000 Bund 1= bis 3jährige
grüne Korbweiden
öffentlich meistbietend gegen sofortige Baarzahlung verkauft werden.
Schwerin, den 1. December 1887.
Mecklenburgische Friedrich Franz-Eisenbahn.
Der Eisenbahnbaumeister.
(gez. H. Loycke.)
Holz=Auction Nr. 4.
Am Dienstag, den 13. December Morgens 10 Uhr sollen beim Gastwirth Krellenberg zu Carlow nachstehende Holzsortimente öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
1. Aus dem Kuhlrader Zuschlage:
ca. 64 Fuder ellern Wadelholz I., II. u. III. Cl.
2. Aus dem Sahmkower Zuschlage:
3 1/2 Fuder ellern Wadelholz für Kiepenm.
1/2 Fuder ellern Schleete für Pantoffelm.
13 Rmet. eichen Kluft II. Cl.
6 Fuder eichen Pollholz.
3. Aus dem Cronscamper Zuschlage:
9 Rmet. eichen Kluft II. Cl. und Olm
18 Rmet. eichen Knüppel I. u. II. Cl.
4. Aus dem Carlower Holze:
29 Rmet. eichen Knüppel I. und II. Cl.
Schönberg, den 4. December 1887.
Der Oberförster
C. Hottelet.
Holz=Auction Nr. 5.
Am Mittwoch, den 14. December Morgens 10 Uhr sollen beim Gastwirth Fahrenkrug zu Lüdersdorf nachstehende Holzsortimente öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Aus den Lenschower Tannen:
33 Stück Kiepentannen,
122 Rmet. tannen Kluft,
60 Rmet. tannen Knüppel,
48 Rmet. tannen Rodestämme.
Schönberg, den 4. December 1887.
Der Oberförster
C. Hottelet.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 2]Von heute ab bis Neujahr
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[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 3]Großer
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Einem geehrten Publikum von Stadt und Land zur Anzeige, daß ich mich hierselbst etabliert habe. Indem ich meinen werthen Kunden stets sauber ausgeführte Arbeiten zu liefern verspreche, bittet um geneigten Zuspruch.
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[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 4]Grosse Weihnachts-Ausstellung
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Am Sonntag, den 11. Dezember cr., findet im Saale des Herrn Gastwirth Boye in Schönberg ein
Conztert
für Zither, Piano und Geige
statt. Ausgeführt von meinen, des Unterzeichneten beiden Töchtern Marie und Anna, von resp. 11 und 7 Jahren, unter gütiger Mitwirkung des Herrn Musikdirectors Schlüter aus Eutin und des Herrn Pianisten Heintze aus Lübeck.
Cassenöffnung 6 1/2 Uhr. - Anfang des Conzerts 7 1/2 Uhr.
Bilette an der Kasse:
Erster Rang 1 Mk., Zweiter Rang 60 Pf., Gallerie 30 Pf. Schulkinder zahlen für den zweiten Rang 30 Pf.
Vor der Kassenöffnung sind Billette für den ersten Rang à 75 Pf. und für den zweiten à 50 Pf. beim Herrn Restaurateur F. Tesch und beim Lohndiener Wasmund in Schönberg zu haben.
Indem ich mich der Hoffnung hingebe, allen Musikfreunden der Stadt und der Umgegend einen genußreichen Abend zu verschaffen, lade ich zu diesem Concerte ergebenst ein.
Schönberg, den 2. December 1887.
Hochachtungsvoll
W. Grevsmühl
aus Eutin.
Verlobungs-Anzeige.
Trina Holst
Friedrich Stegemann
Pogetz. Carlow.
Zu einer Weihnachtsbescheerung für arme Kinder erbitten wir freundliche Gaben aus der Gemeinde und ersuchen, solche uns gütigst bis zum 23. d. Mts. zukommen zu lassen.
Kaempffer. Langbein.
Schönberg, den 5. December 1887.
Verloren.
auf dem Wege von Carlow nach Schönberg über Stove, Neschow, Raddingsdorf u. Chaussee bis Hotel Spehr ist eine silberne Damen-Taschenuhr mit Kette abhanden gekommen. Der ehrliche Finder wird gebeten, dieselbe gegen gute Belohnung im Forsthause zu Carlow abzugeben.
Weihnachts-Ausstellung
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ist der Haupttreffer, welcher schon
am 15. December d. J.
in der 1. Ziehung der großen 293. Hamburger Geldverloosung sicher gewonnen wird.
Wir versenden hierzu unter Nachnahme:
1/1 Original-Loose à 6 Mk.
1/2 Original-Loose à 3 Mk.
1/4 Original-Loose à 1,50 Mk.
fügen auch amtlichen Verloosungsplan bei und geben nach Ziehung prompt Nachricht unter Beilegung der Gewinnliste. Jeder Auftrag wird prompt ausgeführt. Man wende sich also baldigst an die Hauptkollekte von
Mindus & Marienthal
in Hamburg.
Am 25. Novbr. d. J. hatten wir wiederum das Vergnügen den Haupttreffer von 40,000 Mark unsern Kunden auszahlen zu können.
Getreide=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
"Der Gesammtauflage unserer heutigen ummer liegt ein Prospekt des bekannten
Bankhauses Philipp Fürst
in Hamburg bei, worauf wir unsere verehrlichten Leser noch besonders aufmerksam machen".
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 5]Beilage
zu Nr. 95 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 6. December 1887.
Nr. 26 des Offic. Anzeigers für das Fürstenthum Ratzeburg pro 1887 enthält in der:
II. Abtheilung:
(1) Bekanntmachung, betreffend Abänderung der Formulare zu den nach den Gesetzen über die Krankenversicherung der Arbeiter und über die eingeschriebenen Hülfskassen aufzustellenden Uebersichten und Rechnungs=Abschlüssen.
(2) Bekanntmachung, betreffend die Taxe des Schullandes nach § 20 der revidirten Landschulordnung.
III. Abtheilung: Dienst etc. Nachrichten.
Aus San Remo wird gemeldet, daß sich der Zustand des Kronprinzen derartig verbessert hat, daß Sir Morell Mackenzie seinen nächsten Besuch, zu welchem er am 10. Dezember von London hierher abreisen sollte, einstweilen hinausgeschoben hat.
Unberufen! Bei dem Kronprinzen geht es über alles Erwarten gut; ja man liest sogar, daß die Berliner Aerzte zu zweifeln anfangen, ob der Krebs der bösartige weiche sei. Einen erhebenden Gruß für den Prinzen und alle Deutschen in San Remo brachte am 1. December gegen Mittag das deutsche Mittelmeergeschwader, bestehend aus den Schiffen Adalbert, Moltke und Gneisenau. Die Schiffe fuhren in der Bucht von San Remo dicht an die Küste heran und feuerten, als die deutsche Flagge auf dem First der kronprinzlichen Villa emporstieg, ihren ersten Salutschuß ab. Als der Kronprinz an das Fenster trat, paradirten die Matrosen an den Raen, die Musik spielte den Preußenmarsch und jedes Schiff gab im Vorüberfahren 21 Salutschüsse ab. Auf dem Molo hatte sich die deutsche Kolonie versammelt und begrüßte die Flotte mit Hut= und Tücherschwenken. Vor einigen Tagen hat der Kronprinz mit dem aus Basel in San Remo eingetroffenen Professor Dr. Gelzer eine längere Unterredung gehabt.
Aus Anlaß der Platzfrage beim Czarendiner soll jetzt vom Kaiser Wilhelm nach Anhörung der obersten Hofchargen persönlich eine Entscheidung getroffen sein, nach welcher bei Galatafeln der Reichskanzler stets seinen Platz gegenüber dem Kaiser oder dessen Vertreter haben soll. Damit dürfte die Angelegenheit denn beigelegt sein, die den Reichskanzler doch sehr empfindlich berührt hat.
Ueber die Heeresvorlage, die in der Thronrede erwähnt und inzwischen dem Bundesrath bereits zugegangen ist, berichten Berliner Blätter, daß es sich um Eintheilung der Landwehr und des Landsturms in verschiedene Aufgebote handeln soll; außerdem soll die Grenze des wehrpflichtigen Alters hinausgeschoben werden. Ferner heißt es, den Korpskommandanten solle die Befugniß verliehen werden, das jüngere Aufgebot des Landsturms selbständig einzuberufen.
In den Fraktionsberathungen der Nationalliberalen hat sich herausgestellt, daß ein erheblich größerer Theil der Partei (50), als man bisher annahm, für die Getreidezollvorlage ist.
Die deutsch=konservative Partei hat den Antrag wegen Einführung des Befähigungsnachweises bei Eröffnung des Gewerbebetriebes abermals im Reichstage eingebracht.
Im Etat des Reichsschatzamtes für 1888/89 werden die Ueberweisungen an die Bundesstaaten aus dem Ertrage der Zölle der Tabacksteuer, der Verbrauchsabgabe für Branntwein etc. zu 266 355 000 M. angenommen. Die Vertheilung dieses Ertrages an die Bundesstaaten erfolgt nach Maßgabe der ortsanwesenden Bevölkerung nach der Zahlung vom 1. Dezember 1885. Von dem angegebenen Betrage würden auf Mecklenburg=Strelitz 563 190 M. entfallen.
Die Gesammtsumme, welche für die Verzinsung der Reichsschulden im neuen Etat ausgeworfen ist, beläuft sich auf fast 28 Millionen Mk. (27 803 000M.)
Der Reichsanzeiger veröffentlicht eine Verordnung betreffend das Verbot der Einfuhr von Schweinen, Schweinefleisch und Würsten dänischen, schwedischen oder norwegischen Ursprung. Die Verordnung tritt am Tage der Verkündigung in Kraft.
Im Reichstag ist der Antrag, die Legislatur=Perioden von 3 auf 5 Jahre zu verlängern und dieses Gesetz nach Ablauf der jetzigen Legislatur=Periode in Kraft treten zu lassen, am Donnerstag von den 3 Kartellparteien eingebracht worden. Als Antragsteller sind die Herren Graf Behr (freikons.), v. Bennigsen (nationallib.) und v. Helldorf (deutsch=kons.) unterzeichnet. Außerdem wird der Antrag von vielen anderen Abgeordneten der 3 Parteien unterstützt. An seiner Annahme und an der Zustimmung der Regierung ist nicht zu zweifeln.
Wie verlautet, wird dem Reichstage bei Erneuerung des Sozialistengesetzes eine fünfjährige Geltungsdauer und noch einige Verschärfungen vorgeschlagen werden.
Dem Bundesrath liegt die Vorlage über die Verlängerung des Sozialistengesetzes schon seit mehreren Tagen vor. Es heißt, dieselbe enthalte nicht nur einen sogenannten Expatriirungsparagraphen, sondern auch noch andere Abänderungen des bestehenden Gesetzes.
Mehrfach taucht die Ansicht auf und wird mit Gründen unterstützt, daß das weitverzweigte Ränkespiel, von welchem Bismarck gesprochen, kriegerischen Unternehmungen gegolten habe und daß die Vorgänge in Frankreich nur ein Glied einer langen Kette seien. Die Mine sei in Paris zu früh aufgeflogen und die Falle, in welche der Zar gelockt war, durch die Unterredung Bismarcks mit dem Zaren noch zur rechten Zeit entdeckt worden. Die sehr ernste, fast drohende deutsche Thronrede, sei nach Paris und Petersburg gerichtet.
Die Untersuchungen wegen der Fälschung von diplomatischen Aktenstücken des Reichskanzlers sind noch nicht abgeschlossen. Sobald ein bestimmtes Resultat vorliegt, wird dasselbe aber veröffentlicht werden.
Die Handelsvertrags=Verhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich sollen beendigt sein. Der Vertrag soll, wie es heißt, nicht auf ein Jahr, sondern auf unbestimmte Zeit verlängert werden, bis von beiden Seiten die Kündigung erfolgt.
Aus Anlaß der Krankheit des deutschen Kronprinzen werden auch am königl. Hofe zu Dresden in der bevorstehenden Wintersaison alle Hoffestlichkeiten unterbleiben.
Die entdeckten Fälschungen von diplomatischen Noten und Depeschen, von denen die "Kölnische Zeitung" berichtet hat, sollen sich auf die jüngste Phase der bulgarischen Frage beziehen. Allein nicht darin, so hört man aus Berlin, liege der Hauptwerth der Zusammenkunft des Zaren mit dem Fürsten Bismarck, sondern vielmehr in dem Umstand, daß Fürst Bismarck vor dem Zaren selbst Gelegenheit gehabt habe, die Festigkeit des deutsch=österreich=italienischen Bündnisses darzulegen.
Wie man aus Berlin schreibt wird erst jetzt bekannt, daß der Kaiser Alexander III., nachdem er sich im Wartesalon des Potsdamer Bahnhofes von dem preußischen Prinzen verabschiedet hatte, auf den russischen Botschafter am Berliner Hofe, den Grafen Schuwalow (bekanntlich ein Freund der deutschen Politik) zutrat, ihm einige halblaute Worte ins Ohr flüsterte, ihm dann um den Hals fiel und ihn wiederholt auf beide Wangen küßte. Ein solcher Ausbruch des Gefühls ist bei dem Selbstherrscher aller Reußen eine so unerhörte Seltenheit, daß keiner der wenigen Zeugen dieser für Europas Geschicke so bedeutungsvollen Kußscene sich der Ueberraschung erwehren konnte.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 6]Ganz im geheimen sind in Berlin wieder Verhandlungen im Gange zur Bildung eines neuen Spiritusringes. Nach dem aufgestellten Plan soll der Rohspiritus mit nicht wesentlich über 100 Mk. bezahlt werden, damit kein Reiz zur Ueberproduktion und Konkurrenz entsteht.
Die Verwaltung und Generalversammlung der German=Union=Telegraph=Companie in London haben ihre Kabel an die deutsche Reichsregierung verkauft. Der Kaufpreis beträgt 6 300 000 Mark.
Die Verhandlungen gegen den Elsässer Cabannes wegen Landesverraths werden demnächst vor dem Reichsgericht in Leipzig stattfinden. Der Angeklagte wird beschuldigt, die von den Behörden im Reichsland verfaßten, für die Reichsregierung in Berlin bestimmten Verwaltungsberichte abschriftlich gegen Bezahlung an die französische Regierung ausgeliefert zu haben. Der Mitangeklagte, Steindrucker Glausinger, sei durch Cabannes zur Mittheilung geheimer Drucksachen verleitet worden.
Die Prinzen von Orleans regen sich. Ihr Vertreter in Paris veröffentlicht eine Erklärung, nach welcher die dem Zaren vorgelegten gefälschten Depeschen, die so viel Lärm machen, nicht von den Orleans herrühren; sie hätten weder mittelbar, noch unmittelbar auf die bulgarische Angelegenheit eingewirkt.
Niemand hat durch die französische Republik mehr verloren als die Stadt Versailles. Sie steht einsam und verlassen und das Gras wächst auf den Straßen. Das Königsschloß, das unter seinem Erbauer, dem eiteln Ludwig XIV., als das Schloß aller Schlösser galt, ist wüst und leer und bedarf großer Summen, um erhalten zu werden, die aber von den republikanischen Abgeordneten nicht bewilligt werden. Es ist ihnen verhaßt als "Tyrannensitz" und als der Ort, wo das deutsche Kaiserthum ausgerufen wurde. In den nächsten Tagen wird der Kongreß dort tagen, welcher den neuen Präsidenten wählen soll.
Präsident Grevy ist nun zu guter Letzt durch einen parlamentarischen Staatsstreich zum Rücktritt gezwungen worden, nachdem er wieder und wieder Winkelzüge gemacht hatte, trotzdem seine Stellung offenkundig unhaltbar war. Die Kammer hat am Donnerstag fast einstimmig und mit dürren Worten erklärt, sie erwarte die Botschaft von Grévys Rücktritt. Das hat die Kraft des alten Mannes gebrochen; er trägt freilich ganz allein die Schuld an diesem bedauerlichen Ausgang, durch welchen sein ganzes Ansehen untergraben ist. Paul Dérouléde, der bekannte Agitator versuchte für Grevy bei der Volksmenge Stimmung zu machen, er wurde aber ausgezischt und mit den Rufen "Demission, Demission!" niedergeschrieen. Da er mit seinem Skandal gar nicht aufhörte, sperrte ihn die Polizei für eine Stunde ein und ließ ihn dann laufen. Auf der anderen Seite tobten die Kommunisten in den Straßen von Paris herum, schrieen "nieder mit Grévy, nieder mit Ferry," den sie nicht als Grévy's Nachfolger wollen, und machten einen Heidenlärm, so daß Polizei und Militär eine Straßensäuberung vornehmen mußten. Louise Michel, die unter den lautsten Spektakelmachern war, wurde mit anderen Personen verhaftet.
Man erzählt sich in Paris, die Radikalen hätten einen Staatsstreich und eine Militärdiktatur Boulanger geplant. An Clemenceaus Widerspruch scheiterte aber die Sache. - Am Freitag war abermals das ganze Militär in den Kasernen konzentrirt. Man befürchtet aber keine Ruhestörungen, da Ferros Kandidatur für den Posten des Präsidenten der Republik als aussichtslos gilt. Fallières, Flourens oder ein farbloser republikanischer Kandidat wird wahrscheinlich gewählt. Vor der Kammer sammelten sich Freitag mittag wieder dichte Menschenmassen; um 2 Uhr nahm die Verlesung der kurzen Rücktrittsbotschaft Grévys ihren Anfang. Von Grévy sprechen die Blätter nur noch in wenig achtungswerthem Tone. Seine Rücktrittsbotschaft wurde sehr kühl aufgenommen; auf den Straßen schrieen die "Rothen" ihren Jubel in die Lüfte, aber besonderen Anlaß zum Einschreiten hatte die Polizei nicht. Das Kapitel Grévy in der französischen Geschichte ist also aus.
Sadi Carnot ist zum Präsidenten der französischen Republik gewählt worden.
Sadi Carnot ist ein schwächlicher Mann von Mittelgröße, mit schwarzem Vollbart. Sein Wesen ist sehr anmuthend und überaus verbindlich. Er hat wenig oder keine Feinde. Er spricht geläufig deutsch. Seine Kinder sind von einer deutschen Gouvernante erzogen. Durch seine Heirath ist er zu bedeutendem Vermögen gekommen. Er ist Besitzer von Bergwerken im Departement Cote d'Or. Bis vor wenigen Jahren war er ein intimer Freund Daniel Wilson's der ihm als Rathgeber während seiner, Sadi Carnot's, Ministerschaft zur Seite stand, bis letzterer, der ein unzweifelhaft makelloser Charakter, Wilson's Umgang ablehnte. Carnot's Fehler ist eine gewisse Unselbstständigkeit, sein Vorzug ist eine strenge Rechtlichkeit. Die Familie Carnot ist zur Führung der Grafentitels befugt, doch hat Sadi Carnot von dieser Befugniß nie Gebrauch gemacht.
Ein französischer Minister bezieht ein Jahresgehalt von 60 000 Franks, meist wohl nur ein Semestergehalt von 30 000 Fr., genießt aber keine besondere Pension. Andernfalls würden die Franzosen vielleicht etwas vorsichtiger mit ihren Ministern umgehen.
- Lübeck. Im vorigen Jahre wandte man in der Admiralstube unseres Rathskellers ein neues Verfahren zur Trockenlegung der Wände an, indem man dieselben mit Glasplatten in Cement belegte. Das Resultat war ein günstiges; sowohl der Mauerfraß wie die glaubersalzhaltigen Ausschwitzungen kamen nicht mehr an die Oberfläche. Man konnte nun daran gehen, einen langgehegten Wunsch zu verwirklichen und die Wände und Decken mit Malereien zu zieren. Ein Münchener Maler Leo von Lütjendorff=Leinburg hat sich dieser Aufgabe mit vielem Geschick unterzogen; er hat eine Reihe humoristischer Genrebilder in Freskomanier geschaffen, die all' den Fremden, welche Lübeck und den Lübecker Rathskeller im vergangenen Sommer besuchten, sicherlich eine frohe Augenweide gewesen sind. Nach und nach ist man daran gegangen auch die Wände des Hansasaales, des Buffetraumes und des Brautgemachs mit Glasplatten trocken zu legen und nun will man auch noch die Korridore und die Eingänge zum Keller demselben Verfahren unterziehen und sodann alles mit Malerei bedecken. Die Fremden, welche im nächsten Frühjahr den Rathskeller aufsuchen, werden ihn ganz und gar in neuem farbenprächtigen Gewande finden. Ob ihnen allen damit gedient sein wird, ob nicht manchen die alten unschönen, aber von historischem Geiste durchwehten Räume lieber gewesen sind, als die modernisirten ist allerdings die Frage.
- Von der Reichs=Oberfechtschule Altona wurde ein 7jähriger Waisenknabe Carl Cordes nach dem Waisenhaus Lahr befördert, in Frankfurt mußte der Junge übernachten und wurde von dem Ehepaar Scheel aufgenommen. Er gefiel diesem würdigen, wohlhabenden und kinderlosen Paar so gut, daß sie ihn nicht wieder von sich ließen und ihn zum Kind annahmen.
- Kaiser Wilhelm hat auch im Spiel Glück. Er hat bei der Verloosung des Prager Kunstvereins auf ein Loos ein schönes Gemälde von Michael Hauptmann in München, die Odysseus=Klippe darstellend, gewonnen.
- Das Landgericht in Mainz verurtheilte den Militärfiskus zur Zahlung einer jährlichen Summe von 1260 Mark an einen gewissen Burkhardt, der während seiner Militärzeit von mehreren Unteroffizieren derartig gemißhandelt worden war, daß er erwerbsunfähig wurde.
- Die von dem Privatier Bull in Bahrenfeld bei Ottensen gegen das Erkenntniß des Oberlandesgerichts eingelegte Revision beim Reichsgericht in Leipzig ist verworfen und dem Gerichte die Anzeige hierüber zugegangen. Es handelt sich um das Versprechen, welches Herr Bull einem Bahnarbeiter gab, daß er sich bei der Geburt eines 11. Kindes eines seiner Häuser aussuchen könne, welches Versprechen Herr Bull als nicht ernst gemeint glaubte anfechten zu können.
- Ueber die Goldfunde in Deutsch=Südwestafrika, von denen vor Kurzem berichtet worden ist,
[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 7]liegen jetzt nähere Nachrichten vor. Eine Gesellschaft, unter Leitung eines Herrn Stevens, war von Australien nach Südwestafrika gekommen, um das Gebiet, nachdem sie von der betreffenden deutschen Gesellschaft das ausschließliche Recht, nach Gold zu suchen, erworben hatte, nach Goldminen zu durchforschen. Innerhalb eines Monats nach ihrer Ankunft hat diese Gesellschaft ein ausgedehntes, goldhaltiges Quarzriff ungefähr 70 Meilen von der Walfischbai an der Hauptstraße nach Otjimbingue entdeckt und kurz darauf ein noch ausgedehnteres nur 42 Meilen von der Küste, welches sich 2 Meilen an der Erdoberfläche hinzieht. Die Proben des goldhaltigen Quarzes, welche untersucht worden sind, sollen sich sehr reich erwiesen haben. Man hofft, in den betreffenden Gebieten noch manche reiche Entdeckung zu machen. Kein Wunder, daß eine große Aufregung sich der Gemüther bemächtigt hat.
- Auch in Berlin giebts einen kleinen Sturm. Der Oberhofmarschall Graf Perponcher hatte beim Galamahl, das Kaiser Wilhelm dem Zaren gab, den Fürsten Bismarck nicht den beiden Kaisern gegenüber, sondern weiter seitwärts gesetzt, fast als ob er ihn dem Zaren aus den Augen bringen wolle. Er war offenbar über die neueste günstige Conjunktur zwischen Zar und Fürsten nicht gut unterrichtet. Als aber der Zar dem Fürsten und Reichskanzler aus der Ferne zutrank, da wurde der Irrthum klar. Der Hofmarschall reiste ein paar Tage darauf nach Friedrichsruh, um seinen Verstoß gut zu machen, der Kanzler aber "war verhindert", ihn zu empfangen. Er ist nicht der Mann, sich einen herunter setzen zu lassen.
- Arm an öffentlichen Festen und Vergnügungen wird der diesjährige Winter für die Berliner "Gesellschaft" verlaufen. Die Krankheit des Kronprinzen verbannt alle größeren festlichen Veranstaltungen. Daß die üblichen Hoffeste, Bälle und Soireen in diesem Jahre unterbleiben werden, ist selbstverständlich, ebenso werden die diplomatischen Vertreter von größeren Festen absehen.
- Zu den Opfern der verkrachten Leipziger Diskontobank gehören auch zwei Glieder der vornehmen russischen Gesellschaft, Fürst Jussupow und sein Schwiegersohn, Graf Ssumarokow=Elston, die zusammen mit 600 000 Mark betheiligt waren. Beide sind so reich, daß der Verlust ihnen nicht grade schmerzlich sein dürfte, aber in Petersburg gönnt man ihnen denselben von Herzen, weil sie so wenig Patriotismus gehabt hätten, Gelder in einer deutschen Bank anzulegen. Man vergißt eben, wie viele russische Banken in der letzten Zeit verkracht sind!
- Die Einwohnerzahl Berlins hat ein neues Hunderttausend überschritten. Die fortgeschrittene Bevölkerungszahl betrug am 29. October 1 407 440 Seelen. In der mit diesem Tag zu Ende gegangenen Woche war eine Zunahme von 4477 Seelen erfolgt. Voraussichtlich werden am 1. Januar 1889 die anderthalb Millionen voll sein. Doch fehlt auch diesem Bild die Kehrseite nicht. Elend nicht nur in den untren Schichten der Bevölkerung, sondern auch in den gebildeten Ständen. Ein aus der Provinz nach Berlin übergesiedelter Rechtsanwalt war zur 12. Stufe der Klassensteuer eingeschätzt worden und mußte zur ersten Klasse veranlagt werden, da er absolut keine Praxis hat. Auch Aerzte soll es in Berlin geben, die mit ihrem Einkommen über diese Stufe (240 bis einschließlich 600 Mark) nicht hinauskommen.
- An der Universität zu Berlin hat sich die Zahl der Studirenden seit Mitte der siebziger Jahre verdreifacht. Damals zählte sie 1824 Studenten, in diesem Wintersemester 5478. Von diesen gehören der theologischen Fakultät 801 an, der juristischen 1430, der medizinischen 1316 und der philosophischen 1931.
- In Rom ist der ungarische Pilgerzug angekommen, der dem Papst Glückwunsch und eine stattliche Summe Peterspfennige zu seinem Jubiläum überbringt. Unter ihnen sind viele Geistliche, an ihrer Spitze vier Bischöfe. Die Römer machten wunderliche Gesichter, als die Ungarn und namentlich die Priester in die heilige Stadt einzogen mit brennenden Cigarren und einige mit kurzen Pfeifenstummeln, die auf dem Weg sich gut angeraucht hatten, sogar Prälaten mit der violetten Schärpe schmauchten tapfer darauf los. Kein einheimischer Geistlicher darf auf der Straße rauchen.
- Seit vielen Jahren lernen die Schüler des berühmten Berliner Arztes Professor Fränkel die schwere Kunst, den Kehlkopfspiegel zu handhaben, an einem "lebenden Phantom". Dieses ist ein früherer Dienstmann und Portier, der in den Dienst des Professors getreten ist und sich zu den Uebungen am Kehlkopf hergiebt, auch die ungeschickten und zaghaften Studenten ermuthigt und anweist. "Herr Doktor" sagt er, "Sie müssen erst den Spiegel warm machen, drücken sie man immer feste das Zäpfchen an! Herr Doktor, versuchen Sie dat noch einmal, dann wird et schon gehen!" u. s. w. Eine ganze Generation von jungen Aerzten ist ihm zu Dank verpflichtet.
- In die Geschichte Preußens ist die kleine Festung Colberg in Pommern ehrenvoll eingeschrieben und mit den Namen ihrer tapferen Vertheidiger Schill, Gneisenau und dem alten Nettelbeck, dem Bürgerpatrioten, verwachsen. Als in dem Unglücksjahre 1806/7 die größten Festungen sich dem Feind ergaben, erhielt sie sich dem König und dem Lande. Jetzt wird sie als Festung aufgelassen und giebt ihren Kommandanten an die Festung Boyen ab.
- In Havanna haben gegen 100 Cigarrenfabriken geschlossen werden müssen, weil die Arbeiter, die höhere Löhne verlangen, striken. 12 000 Arbeiter sind dadurch beschäftigungslos geworden.
- In Bautzen hat der Scharfrichter Brandt am vergangenen Mittwoch die beiden Raubmörder Schöne und Knecht hingerichtet, die am 9. Juli den Gastwirth Langburkersdorf umgebracht hatten.
- In Fürstenwalde wurde ein Ulan beim Führen eines Pferdes in Folge Scheuwerdens durch einen Schlag an den Kopf so erheblich verletzt, daß der Schädel zertrümmert und wenig Hoffnung vorhanden ist, daß er am Leben bleiben wird.
- Wieder hat einem Mörder das Gewissen keine Ruhe gelassen, bis er sich dem Gericht zur Sühne gestellt hat. Der Schuster Schmidt von Lauf, welcher im Jahr 1874 den Rosolifabrikanten Häupler im Wald ermordet und beraubt hatte, lange in Untersuchung war, aber wieder entlassen werden mußte, weil nichts auf ihn zu bringen war, hat dieser Tage sich freiwillig dem Staatsanwalt in Nürnberg gestellt und sein Verbrechen bekannt. Es habe ihm Tag und Nacht keine Ruhe gelassen, sagte er.
- Die Spielhölle in Monte Carlo hat in diesem Jahre so große Geschäfte gemacht, wie seit vielen Jahren nicht, aber an dem Gold klebt das Blut von 76 Menschen, die sich das Leben genommen haben, nachdem sie den letzten Heller und viele die Ehre verloren hatten.
- An ungewöhnlich viel Mammon hangen sich immer allerlei Märchen. Von den Rothschilds erzählen diese, sie hätten eine Tochter mit einem Todtenschädel und deshalb könne sie keinen Mann bekommen. Dieser Tage wieder lief bei dem Baron Albert Rothschild in Wien ein Brief aus Hainfeld ein, in welchem ein anmuthiger Mann sich erbot, das Mädchen trotz ihres Todtenschädels zu heirathen um sie glücklich zu machen; denn auf äußere Reize lege er keinen Werth; vorläufig verlange er nur 5 Gulden Reisespesen, um sich seiner künftigen Braut vorzustellen. Er hat aber weder Geld, noch Antwort erhalten, weil das Mädchen weder heute, noch jemals existirt hat.
- Die Illustrirte Zeitung bringt die Abbildung der ersten Bierpaläste in Berlin: das Siechen'sche Local in der Behrenstraße, das Sedlmeyer'sche Spatenbräu in der Friedrichstraße, Fritz Helms Local zwischen Spree und Königsschloß, das Löwenbräu an der Französischen= und Charlottenstraßen=Ecke und das Local von Dreher in der Leipziger Straße. Die Pschorr=Brauerei ist im Angriff. Alle sind viel besucht, und das Publikum sagt, das Bierbrauen müsse ein nahrhaftes Geschäft sein.
- Die Dummen werden nicht alle, auch nicht in Berlin, der Metropole der Intelligenz. Nicht weniger als 30 Wahrsagerinnen zeigen in Berliner Blättern ihre Wohnung und Sprechzeit an und sollen bedeutenden Zulauf haben.
- Der reiche Bankier Erlanger in Wien hat einen Sohn, der eben so liederlich als verschwende=
[ => Original lesen: 1887 Nr. 95 Seite 8]risch ist und des Vaters Geduld und Kasse erschöpfte. Er stellte ihn drei Jahre unter Vormundschaft und, als das nicht half, verbannte er ihn aus Wien und ganz Oesterreich und schickte ihn nach Genf, was aber auch eine schöne Gegend ist.
- Maulwürfe von einzelnen Theilen eines Gartens fern zu halten oder zu vertreiben wird empfohlen, Fischabfälle aller Art unterzugraben, bezw. in die Gänge zu stecken.
- Um Stockflecken aus der Wäsche zu entfernen, vermischt man einen Eßlöffel voll zerstoßenem Kochsalz mit einem Theelöffel von gepulvertem Salmiak und gießt das nötige Wasser dazu, um beides aufzulösen. Die Flecken werden damit bestrichen, einige Stunden der Luft ausgesetzt und dann ausgewaschen. Dieses Verfahren beseitigt die Flecken sehr gut.
- Aus der Kinderstube. Karlchen: "Liebe Mama, hilf nur doch bei meiner französischen Uebersetzung!" "Aber, Kind, Du weißt doch, daß ich kein Französisch kann!" "Ach Mama, was hast Du für eine gute Mama gehabt!" - Fritzchen erhält von seinem Bruder eine Ohrfeige und fängt furchtbar an zu weinen. "Weshalb haust du ihm nicht eine zurück?" sagte die Bonne. "Ja ich habe zuerst eine zurückgehauen!"
- Aus der Schule. "Otto I. starb zu Memleben am Schlagflusse." - "Wo liegt Memleben?" - "Am Schlagflusse."
- Die böse Zahl 13. "Nun liebes Weibchen, welchen Hut hast Du Dir ausgesucht, den zu 113 oder den zu 120 Mk.?" "Den zu 120, lieber Franz; Du weißt, ich bin so abergläubisch."
Schneerosen.
Eine Weihnachtsgeschichte von Nanny Necker.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
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