[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 1] Nr. 20 des Offic. Anzeigers pro 1887 für das Fürstenthum Ratzeburg enthält in der
I. Abtheilung:
(1). Bekanntmachung, betr. die im Auslande zu erledigenden Ersuchungsschreiben der Justizbehörden.
(2). Bekanntmachung, betr. die Postpacketsendung ohne Werthangabe nach Niederländisch=Indien.
Der deutsche Reichstag wird Mitte November, etwa 8 Tage früher als im vorigen Jahre, einberufen werden.
Kaiser Wilhelm wird, wie nunmehr endgiltig feststeht, am 20. Oktober Nachmittags nach Berlin abreisen, wo die Ankunft am nächsten Tage Vormittags erfolgt.
Der Kaiser hat dem Rostocker Advokaten Maßmann seinen Glückwunsch zu dessen 90. Geburtstage aussprechen lassen. Herr Maßmann verweilte seit langen Jahren regelmäßig gleichzeitig mit dem Kaiser in Gastein. Der Monarch redete ihn dort wiederholt in huldvollster Weise an und sprach seine Freude aus, in ihm einen so rüstigen Altersgenossen getroffen zu haben.
Der Budgetausschuß des bayerischen Abgeordnetenhauses hat den gesammten Militäretat nach den Anträgen der Regierung in Höhe von 58 382 105 M. genehmigt.
Eine überraschende und erfreuliche Nachricht bringt der officiöse Telegraph aus Kopenhagen, 16. October. Sie lautet: Ritzau's Telegraphisches Bureau verbreitet folgende Mittheilung: Wie verlautet, ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Kaiser von Rußland in acht bis vierzehn Tagen über Warnemünde abreist und dem Kaiser Wilhelm einen Besuch macht.
Aus dem Caffarel=Skandal ist nun glücklich ein neuer Boulanger=Skandal geworden. Mit Caffarel ist man fertig; der wird aus der Armee entfernt, seine Orden werden ihm genommen, seine Pension behält er aber, er kann also dann als Privatmann leben und sich bis an sein seliges Ende mit seinen Gläubigern herumzanken, die ihm von jetzt an wohl nicht mehr viel borgen werden. Was aber soll mit Boulanger werden? Dafür, daß er den Kriegsminister und den Ministerpräsidenten verlästert und von denselben behauptet hat, sie hätten die ganze Caffarel=Geschichte nur erfunden, um ihm, Boulanger, zu schaden, hat man ihn 30 Tage in strengen Arrest gesteckt. Das ist die höchste Disciplinarstrafe, die der Kriegsminister verhängen kann. Wird man Boulanger außerdem noch seines Kommando's entheben? Darüber beschließt der Ministerrath erst. Die Herren sollen sich aber etwas beeilen, sonst macht Boulanger, ehe sie zu einem Entschluß kommen, sein Armeecorps mobil. Zuzutrauen ist es ihm.
Ist's eine Ketzerei, wenn Einem bei dem, was in den hohen Schichten in Paris vorgeht und immer wiederkehrt, eine gewisse Verwandtschaft zwischen Franzosen und Russen oder besser zwischen Parisern und Petersburgern auffällt? In beiden Hauptstädten Disciplin= und Zuchtlosigkeit, Schacher und Bestechlichkeit, Trinkgelder, Weiber= und Gunst=Wirthschaft. Spekulative Franzosen reisen nach Petersburg um Geld zu machen, so oder so, und die reichen Russen reisen mit Vorliebe nach Paris, um es in tollem Leben todtzuschlagen. Beide bleiben immer die Pole und Magnete, die sich anziehen, einerlei, ob ein König oder Kaiser oder ein Präsident das Szepter schwingt. Ist's zu verwundern, daß sie sich auch zum Bündniß suchen?
Da kommen wir zusammen, sagen die Leute und zeigen auf das Portemonnaie. Die Russen und Franzosen kommen aber nicht da zusammen; denn das Portemonnaie ist auch bei den Franzosen ein empfindlicher Punkt. Seit längerer Zeit unterhandelt Rußland mit Paris über eine Anleihe, sie schien mehrmals dem Abschluß nahe, aber jetzt ist's wieder aus. Große Bankhäuser in Paris haben sich ganz zurückgezogen und, was sie an russischen Papieren hatten, an die Berliner Börse verkauft: Fort mit Schaden! Berliner Bankhäuser do. do. Die Geldknappheit an den großen russischen Handelsplätzen ist so groß, daß 8 pCt. gern bewilligt werden.
Der Toast des Großfürsten Nikolaus ist von Petersburg aus nachträglich etwas nachdrücklicher als anfangs; keine Zeitung darf ihn abdrucken und in den ankommenden auswärtigen wird er überschwärzt. Die Franzosen lachen über die Anordnung, sie wissen es besser.
114 000 Juden sind seit dem Jahr 1881 bis zum Schluß des Jahres 1886 aus Rußland nach Amerika ausgewandert. Die Juden holt niemand wieder zurück, die Nihilisten aber werden überall, wo man ihrer habhaft werden kann, gesammelt und in's heilige Rußland heimgeschafft, so jetzt erst in Wien der Nihilist Leo Jassowitz, der auf Verlangen der russischen Regierung verhaftet wurde, als er aus der Schweiz eingetroffen war. Aus Kabul in Afghanistan kommt die Meldung, daß plötzlich 300 Russen in Herat eingezogen seien. Sie selbst behaupten, sie seien Kaufleute, die englischen Konsuln aber halten sie für Soldaten.
Prinz Ferdinand befestigt sich. Die neugewählte bulgarische Sobranje ist auf den 15. October einberufen; als eine der ersten Vorlagen, welche ihr zugehen soll, wird ein Gesetzentwurf namhaft gemacht, durch welchen die Rechte des Fürsten bedeutend erweitert werden sollen.
Die Wahlen zur bulgarischen Sobranje haben, wie sich immer mehr erkennen läßt, eine sehr große Mehrheit für die Regierung ergeben. Die Betheiligung an der Wahl war bedeutend größer als früher; in Rumelien haben sogar die Türken und Griechen gewählt. Im Großen und Ganzen ist der Wahlakt ohne den erwarteten Radau abgegangen, nur in einzelnen Orten, wie in Plewna, Rahovitza und in Kutlovitza, dem Hauptherd der Agitation gegen die Regierung, haben die Zankowisten Störungen veranlaßt, welche ein Einschreiten des Militärs nöthig machten, wobei es natürlich ohne Verwundungen und einige Todesfälle nicht abgegangen ist, doch sind dies für bulgarische Verhältnisse immerhin nur wenige.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 2]Die Festung Graudenz, deren Werke geschleift werden sollten, wird nach neueren Anordnungen fortbestehen bleiben. General v. Stiele hat Graudenz in diesen Tagen von neuem besichtigt und es heißt nun, es werde ein ganzer Kranz um Graudenz errichtet werden. Auch um Thorn, bekanntlich eine Festung ersten Ranges, werden neue Forts errichtet werden. Gilt das den russischen Freunden?
Aus dem Ueberschuß von 134 000 Mk. des Bundesschießens in Frankfurt werden dem Schützenverein 60 000 Mk. zum Bau eines eigenen Heims überwiesen, der städtischen Armenpflege und dem Armenverein je 5000 Mk., der Feuerwehr und Schutzmannschaft für ihre Kranken= und Unterstützungs=Kassen 4000 Mk. und zur Errichtung eines monumentalen Brunnens vor dem Centralbahnhof 60 000 Mk.
In Wissen an der Sieg steht das Kriegerdenkmal von 1870 in höchster Gefahr, auf Abbruch verkauft zu werden, weil Niemand das Eigenthum und die nothwendig gewordene Ausbesserung desselben übernehmen will.
Der Anarchist Neve ist in's Zuchthaus in Halle gekommen. - Dem "Berliner Tageblatt" ist aus Lauenburg eine Kartoffel von 1200 Gramm zugeschickt worden. - 1730, lange nach Erfindung des Phosphors, wurde eine Unze davon mit 17 Ducaten bezahlt. Wie hoch wäre eine Schachtel Phosphor=Zündhölzer zu stehen gekommen? - In Jehnbruch bei Kankehmen waren 70 Kühe des Gutsbesitzers auf ein mit Klee besätes Stoppelfeld getrieben und zu lange auf demselben gelassen worden; bald nachher sind alle aufgeplatzt.
Mißstände im Baugewerbe. In den "Berl. Pol. Nachr." wird zu den Klagen über die Mißstände, welche in der baugewerblichen Thätigkeit hervorgetreten sind, bemerkt:
"Was den Schutz des Publikums und der Bauarbeiter gegen die Gefahren, welche ihnen aus einer unsachgemäßen Bauausführung erwachsen, betrifft so liegt unverkennbar eines der wirksamsten Mittel gegen aus Gewinnsucht oder Fachunkenntniß herrührende Vernachlässigung der Regeln der Baukunst darin, daß die vielen strafrechtlichen Konsequenzen aus derselben in vollem Umfange gezogen werden. In dieser Hinsicht läßt die Rechtsprechung namentlich auf dem Gebiete des Strafrechts noch manches zu wünschen übrig. Theils läßt sie die Entwickelung des Baugewerbes, welche jetzt in zahlreichen Fällen in dem Bau=Unternehmer eine für das Ganze des Baues und nicht blos für einzelne Zweige desselben verantwortliche Person hinstellt, unberücksichtigt, theils läßt sie die mangelnde Sachkunde als strafmilderndes Moment gelten, obwohl sich doch derjenige besonders schuldig macht, welcher einen Unfall dadurch verschuldet, daß er ein mit Gefahr für Leben und Gesundheit dritter verbundenes Gewerbe übernimmt, ohne im Besitze der dazu erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu sein. So kommt es nur zu häufig vor, daß die bei der Baugewerkschaft hervortretenden Unfälle nur mit ganz leichten Strafen belegt werden, weil dem verantwortlichen Leiter die erforderliche Sachkenntniß fehlte, die Gefahr zu erkennen und die Mittel zur Abwehr zu wissen, während die Bauspekulanten ganz frei ausgehen, obwohl sie von dem Mangel an Sachkunde des Handwerkers Kenntniß hatten. Inzwischen hat das Reichsgericht, VI. Senat, durch Erkenntniß vom 11. Juli 1887 den Grundsatz aufgestellt, daß der Bauunternehmer für alle bei dem Bau vorgekommene Unglücksfälle civilrechtlich verantwortlich ist, sofern er nicht den Nachweis erbringt, daß seinerseits alle Vorkehrungen zur Verhütung der Unglücksfälle getroffen sind. Diese Entscheidung betrifft allerdings zunächst nur das Gebiet des Civilrechts, ihre Gründe finden aber auch auf das Strafrecht analoge Anwendung. Wird der Bauunternehmer aber erst regelmäßig für die durch Vernachlässigung der Regeln der Baukunst bei seinen Bauten eingetretenen Unglücksfälle bestraft und zum Schadenersatze, insbesondere zum Ersatze der Unfallsrenten, herangezogen, so dürften die Fachunkundigen wohl zu einem guten Theile von der Uebernahme von Bauten abgeschreckt, den schlimmsten Exzessen der Gewinnsucht auf Kosten des Lehens und der Gesundheit Dritter vorgebeugt werden. Sache des Staatsanwalts wird es sein, dafür zu sorgen, daß der oben erwähnte Grundsatz des Reichsgerichts auch auf dem Gebiete des Strafrechts voll zur Geltung kommt.
- Kaiser Wilhelm hat den von der Cholera furchtbar heimgesuchten Armen in Messina und Sizilien 10 000 Mark geschickt.
- Mit diesem Jahr verfügt die deutsche Armee für den Kriegsfall über die volle Zahl der innerhalb sieben Jahren ausgebildeten Ersatzreservisten. Es dürften seit 1881, in welchem Jahr die erste Uebung stattfand, ungefähr 160 000 Manu eine abgekürzte militärische Ausbildung empfangen haben. Dieselben sind bekanntlich nicht dazu bestimmt, die ersten entscheidenden Feldschlachten mitzukämpfen, sondern sollen die Lücken des Heeres im Laufe des Krieges ausfüllen helfen. Trotz ihrer unvollkommenen Ausbildung bilden sie aber eine nicht zu verachtende Vermehrung der Stärke des Reichsheeres.
- Schneeberichte liegen heute aus Baden=Baden und aus Schottland, auch aus Nordwales in England vor. Um Baden=Baden waren am Mittwoch früh die Berggipfel alle weiß, unten im Thale aber steht ein Apfelbaum in voller Blüthe. Gegen Mittag hatte die Sonne die weißen Spitzen wieder abgelegt, der Zucker war wieder verschwunden. Ernstlicher ging es über dem Kanal her; in Schottland und Nordwales hat es tüchtig gestürmt und geschneit, nicht nur die Berge waren in weiße Decken gehüllt, das ganze Land hat ein winterliches Ansehen.
- Doppelt glücklich, wer den Engländer Dr. Mackenzie nicht nöthig hat. Der gute Mann versteht's, Rechnungen zu machen. Einen Stuttgarter Kaufmann bestellte er nach Calais, weil er dort durchreise und verlangte 625 Franks Honorar für einen guten Rath. Der Stuttgarter verzichtete.
- Der Hauptschuß auf der Jagd des Kronprinzen Rudolf bei den Jagden in Ungarn hat der bayerische Prinz Leopold gethan. Er erlegte einen gewaltigen Bären, dessen Gewicht 211 Kilo beträgt. Drei Schüsse gehörten dazu, um ihm den Garaus zu machen.
- Die Cholera räumt in Indien furchtbar auf. Allein im Monat August sind in den nordöstlichsten Provinzen Indiens 30 780 Personen dieser furchtbaren Krankheit erlegen.
- Derselbe russische Prinz, der jüngst mit seinem kriegslustigen Trinkspruch in Dünkirchen so großen Lärm hervorgerufen, ist im großen Ganzen ein sehr friedlicher Mann, wenn er nicht zu lange bei Tische sitzt. Allerdings sitzt er am liebsten lange bei Tische und auch das unverfängliche Histörchen, daß wir hier von ihm erzählen, spielt so ziemlich inter pocula, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß in dem hier erregten Fall keine bärbeißigen Marineoffiziere die Tafelgesellschaft bildeten, sondern es war ein Essen in einem vornehmen Pariser Salon, in welchem der Großfürst vor ungefähr anderthalb Jahren Theil genommen. Dem hohen Herrn hatte man auch eine Fürstin im Reich der Kunst, die berühmte Thiermalerin Rosa Bonheur, als Nachbarin zugesellt. Die Nachbarn unterhielten sich vortrefflich und beim Nachtisch aß der Großfürst mit der Künstlerin ein Vielliebchen. Im Drange der Geschäfte vergaß der russische Gast den Scherz und verlor die Wette. Als er Madame Bonheur fragte, was sie sich als Bußgeschenk wünsche, sagte diese scherzend: "Irgend ein hübsches Thierchen, das ich als Modell verwenden kann." Der Großfürst ließ lange nichts von sich hören; die Künstlerin hatte das Versprechen bereits vergessen, als am 1. d. M. das Vielliebchen anlangte. Es bestand aus drei riesigen Eisbären, die im Auftrage des Großfürsten so weit gezähmt wurden, daß sie geschickt genug schienen, um als Modelle zu dienen. Das bissige Vielliebchen erregt, wie die "Wiener Allg. Ztg." erzählt, im Schlosse der Künstlerin die größte Ehrfurcht.
- Der Rachekrieg der Irländer gegen die Engländer führt oft zu abscheulichen Grausamkeiten. So hat man dem englischen Kapitän Steed, der in Clofilla in der Nähe von Dublin ein berühmtes Gestüt besitzt, jetzt die besten Pferde desselben vergiftet. Von 38 werthvollen Pferden starben 10 an einem Tag, die übrigen leben noch, sind jedoch so schwer krank, daß sie höchst wahrscheinlich auch drauf gehen werden. Irische Schurken hatten unter die Kleie, mit welcher die Pferde gefüttert wurden, Arsenik gemischt.
Kaiser Dom Pedro von Brasilien ist wahrscheinlich der einzige Fürst, der ein famoser Hebräer ist. In Baden=Baden besuchte er zweimal die Synagoge, wohnte zwei Stunden dem Gottesdienst bei, ließ sich die Thora=Rollen vorlegen und las daraus zum Erstaunen Aller laut und geläufig vor.
Im Jahr 1787 hat Mozart seinen unsterblichen Don Juan komponirt und im October desselben Jahres ist er unter seiner Leitung in Prag zum erstenmal aufgeführt worden Es sind also gerade 100 Jahre und die Theater werden dieses goldene Jubiläum feiern.
- Als der Dichter Scheffel einst zur Stärkung seiner Gesundheit sich in Italien aufhielt, erhielt er von einem Freund aus Deutschland einen unfran=
[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 3]kirten Brief, in dem weiter nichts stand, als "Mir geht es gut. Mit Gruß Dein . . . ." Unmuthig über das hohe Nachporto, das er für diese kurze Nachricht zu zahlen hatte, beschloß der Dichter, sich auf folgende originelle Weise an dem Freund zu rächen. Er packt einen großen Feldstein von gewaltiger Schwere in eine Kiste und schickt diese dem Freund, ebenfalls unfrankirt. Dieser aber, in dem Glauben, eine werthvolle Sendung erhalten zu haben, bezahlt mit Freuden das hohe Nachporto, öffnet die Kiste und findet zu seinem Entsetzen einen ganz gewöhnlichen Feldstein darin. An diesem aber haftete ein Zettel: "Bei der Nachricht von Deinem Wohlbefinden fiel mir beifolgender Stein vom Herzen."
- Als jüngst ein Bettler in das Gefängniß des Amtsgerichts in Grevesmühlen eingeliefert und zunächst in die Reinigungszelle geführt wurde, gerieth er unmotivirt so in Wuth, daß er ein eisernes Nachtgeschirr ergriff und es mit einer solchen Vehemenz an die Thür warf, daß dieselbe zersplitterte und einzelne Scherben des Geschirres in die Bretter eindrangen. In seine Zelle geführt, tobte er fort und stieß mit seinen Füßen derartig an die Thür, daß man ihm schließlich die Zwangsjacke anlegen mußte.
- Die Zahl der hungernden Schulkinder in Wien beträgt nahezu dritthalbtausend, das ist, in eine Ziffer zusammengefaßt, das Resultat der in den Wiener Schulen von den Lehrern gepflogenen Erhebungen. Von diesen dritthalbtausend hungernden Kindern erhalten die meisten tagtäglich nur trockenes Brot, und das in ungenügender Quantität, und allenfalls eine dünne Suppe oder einen elenden Kaffee zur nothdürftigen Erwärmung. Viele, nur zu viele dieser unglücklichen Kinder erhalten aber auch nicht einmal dies; sie haben an manchen Tagen gar nichts zu essen und fallen infolge des quälenden Hungers während des Unterrichts erschöpft zusammen. Die furchtbare Statistik des Hungers der Kinder stellt sich nach den Erhebungen der Lehrer so dar: 119 Schulkinder erhielten überhaupt kein Mittagmal. 324 Schulkinder erhielten öfter kein Mittagmal 585 Schulkinder hatten im Allgemeinen Nahrungsmangel. 266 Schulkinder hatten Mittags nur ein Stück Brot. 184 Schulkinder hatten kein warmes Mittagmahl und 900 Schulkinder hatten Mittags nur Brot und Kaffee oder Gemüse. Dabei gaben die Schulleiter an, daß die Zahlen im Winter bedeutend wachsen, und an einer Schule allein wird die Zahl der zeitweise hungernden Kinder mit mehr als 400 angegeben.
Verfälschte schwarze Seide.
Man verbrenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, verlöscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hellbräunlicher Farbe. - Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen die "Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff erschwert), und hinterlaßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Das Seidenfabrik=Dépôt von G. Henneberg (K. u. K. Hoflief.) Zürich versendet gern Muster von seinen ächten Seidenstoffen an Jedermann, und liefert einzelne Roben und ganze Stücke zollfrei in's Haus.
Anzeigen.
In der Nacht vom 11./12. d. M. sind aus einem Hause in Retelsdorf mittelst Einbruchs 230 M. sowie eine dänische Kupfermünze mit dem Gepräge "4 Skillinge" gestohlen worden.
Es wird um Vigilanz nach dem Thäter und um sofortige Benachrichtigung gebeten. - 360. 87.
Neustrelitz, den 14. October 1887.
Der Erste Staatsanwalt.
H. Götze.
Seyberlich.
Hausverkauf
in Neubrandenburg (Mecklb.)
Zur öffentlichen Versteigerung des in Neubrandenburg (Mecklb.) an der Treptowerstraße unter No. 357 und 358 für den Verkehr günstig gelegenen alten Post= und Telegraphengrundstücks an den Meistbietenden wird, nachdem in dem am 7. September abgehaltenen ersten Termin ein genügendes Gebot nicht abgegeben worden ist, ein anderweiter Termin auf
>Mittwoch, den 26. October 1887
hierdurch anberaumt.
Der Verkaufstermin, welcher in dem Hauptgebäude des zum Verkauf stehenden Grundstücks abgehalten werden wird, beginnt Vormittags 10 Uhr und wird nicht vor 12 Uhr geschlossen. Nach dieser Zeit werden neue Bieter nicht mehr zugelassen.
Auf dem rund 990 qm. großen Grundstücke befinden sich an Baulichkeiten:
1. das zweigeschossige, in Fachwerk aufgeführte Hauptgebäude mit dem anstoßenden eingeschossigen Flügelgebäude, zusammen rund 370 qm. groß mit 19 Wohn= bez. Wirthschaftsräumen und einem Wagenschuppen;
2. das zweigeschossige Stallgebäude, gleichfalls in Fachwerk erbaut, rund 68 qm. groß.
Unter dem Hauptgebäude und dem Flügelgebäude befinden sich geräumige Kellerräume.
Als Pertinentien gehören zu dem Grundstück:
1. die Wiese No. 44 am Königswall, rund 8700 qm. groß und
2. die Wiesenabfindung No. 603, rund 13 000 qm. groß.
Außerdem steht dem Eigenthümer des Grundstücks das Nutzungsrecht an den beiden, je 1496 qm. großen Ackerparzellen No. 191 und 192 zu.
Die Besichtigung des Grundstücks ist bis zum 25. October nach zuvoriger Meldung bei dem Vorsteher des Kaiserlichen Postamts in Neubrandenburg (Mecklb.) gestattet, bei welchem die Verkaufsbedingungen zur Einsicht ausliegen. Die letzteren können auch durch das Kaiserliche Postamt in Neubrandenburg (Mecklb.) sowie durch die Kaiserliche Ober=Postdirection in Schwerin (Mecklb.) gegen Erstattung der Schreibgebühren von 50 Pf. in Abschrift bezogen werden.
Schwerin (Mecklb.), 26. September 1887.
Der Kaiserliche Ober=Postdirector.
Ritzler.
Diäten-Verein für Geschworene beider Mecklenburg.
Anmeldungen zum Eintritt und Beiträge nimmt bis zum 31. Oktober entgegen.
L. Spehr.
Zur Deckung der Brandschäden, Unterhaltung der Spritzen und zur Bestreitung der Verwaltungskosten ist für das laufende Jahr ein Beitrag von für Cl. Ia. 10 Pf., Cl. Ib. 12 Pf., Cl. II. 16 Pf., Cl. III. 20 Pf. für je 100 M. Versicherungssumme erforderlich. Die Hebungstage werden den Ortschaften noch besonders bekannt gemacht.
Schönberg, den 7. Oktober 1887.
Die Direction der Feuer=Versicherungs=Gesellschaft im Fürstenthum Ratzeburg.
C. J. W. Burmeister. F. Stüve.
Die Schulgelderhebung
findet in den nächsten beiden Wochen, vom 24. Oktober bis 5. November, statt. Die einzelnen Termine werden in den Klassen bekannt gemacht.
J. Wegner, Schulgelderheber.
Am 12. d. M. ist ein Sack mit Zeltlacken gefunden worden, welchen sich der Eigenthümer abholen kann bei H. Doose Schönberg.
Jeden Mittwoch und Sonnabend:
Warmbad,
mit auch ohne Douche, vorherige Anmeldung erwünscht
F. Leumann.
Das Badezimmer wird geheizt.
Epilepsie (Fallsucht.) Krampf, Nervenleidende etc. etc. heilt selbst in den veraltesten Fällen, gewöhnlich in 3 Tagen, brieflich. 25jährige Erfahrung.
D. Mahler, Hannover.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 4]Tatarische Thier-Wundsalbe
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Ludwigslust i. M. L. H. Pleßmann. |
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Lübeck Grevsmühl & Riesland.
Lübeck C. A. Fischer & Sohn.
Malchin i. M. A. Schmidt.
Malchow i. M. H. Rättig.
Neubrandenburg H. Greve.
Neu=Strelitz i. M. A. Wagner.
Oldesloe i. Holstein P. Suhr.
Pasewalk R. Noffke.
Penzlin i. M. Fr. Schütt.
Plau i. M. W. Dankert.
Ratzeburg H. Ohst.
Röbel i. M. A. Thiemann. |
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Rostock i. M. L. F. Hagen.
Schönberg i. M. C. Schwedt.
Schwerin i. M. L. Bötefür.
Stavenhagen i. M. J. H. Seemann.
Sternberg i. M. Robert Adamy.
Stralsund F. W. Fleischer.
Tessin Herm. Bringe.
Treptow a. d. Tollense L. Leinau.
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Carlow, den 11. October 1887.
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Sattler Baer.
Zahnschmerzen aller Art werden selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. In Fl. à 50 Pfg. im Alleindepot für Schönberg bei
Emil Jannicke, Bandagist.
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Getreide=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 5]Beilage
zu Nr. 81 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 18. October 1887.
- Die "Venezia" weiß von einem leutseligen Charakterzug des zur Zeit in Italien sich aufhaltenden Deutschen Kronprinzen zu erzählen. Se. kais. Hoheit besichtigte nämlich in der Werkstätte des Kunsthandwerkers F. Battocchio in San Giuliano Gegenstände aus geschmiedetem Eisen, machte bei demselben Bestellungen im Belauf von 2000 Lire und lud darauf Battocchio ein, am folgenden Tag zu ihm in den "Europäischen Hof" zu kommen, wo er ihm weitere Aufträge ertheilen wolle. Als der Künstler dem Kronprinzen aufs wärmste dankte, streckte ihm der Kronprinz, in der linken Hand den Hut haltend, die Rechte entgegen, die Battocchio aber seiner schwieligen Hand wegen zu ergreifen sich nicht getraute, indem er dieselbe schüchtern auf dem Rücken zu verbergen suchte. Der Fürst, dem dies nicht entging, bestand jedoch darauf, dem wackeren Mann die Hand zu drücken, wodurch sich dieser selbstverständlich in hohem Grad geehrt fühlte, wie denn auch alle Umstehenden von der herablassenden Güte des deutschen Kronprinzen den angenehmsten Eindruck empfingen.
- Viel gestritten ist über das Wappen der Bismarcks, ein goldenes Kleeblatt im blauen Feld, in den drei Winkeln mit drei gezackten Langblättern besetzt. Wie die Sage kündet, führten die Bismarcks ursprünglich nur das dreiblättrige Kleeblatt im Schild. Da lebte vor alten Zeiten eine Gertrud Bismarck, um die viele Edle warben. Es kam auch ein wendischer Fürst und forderte sie zum Weib. Doch das Fräulein wies ihn ab. Darob ergrimmt, erstürmte er das Schloß Schönhausen und wollte mit Gewalt Gertruds Minne gewinnen. Mit den Worten, wie es in der Sage heißt: "Ich komme, Dich zu brechen, Du güldner Herzensklee, Du brennst ja nicht wie Nesseln, das Kleeblatt thut nicht weh!" trat er in ihre Kammer und wollte sie umarmen. Sie aber stieß ihm den Dolch ins Herz und rief: "Das sind die Nesseln, die Nesseln brennen weh! Wer hat noch Lust zu brechen der Bismarcks güldenen Klee?" Seit jener Zeit führen die Bismarcks die Nesseln mit dem Kleeblatt im Schild. "Mit scharfem Stahl sie haben ihr Kleinod stets bewahrt."
- In der Münzstätte zu Hamburg ist man gegenwärtig mit einer Ausprägung von 25 Millionen Stück Bronzemünzen für das Königreich Siam beschäftigt. Die Münzen sind von drei verschiedenen Größen, stellen verschiedene Werthe dar, tragen aber dasselbe Gepräge.
- An der Grenze den Staat betrügen, das gilt für viele Leute für erlaubt. Man muß sich nur nicht erwischen lassen! Zuweilen aber gelingt es den Zollwächtern mit ihren guten Spürnasen doch. So jetzt in Tetschen, wo man entdeckte, daß eine Hamburger Firma Sardinenfässer voll schöner glatter Sardinchen als "Holzwaaren" declarirt hatte. Die Behörde fordert nur 10 000 Gulden Strafe und 13 000 Gulden Zoll. Das sind theuere Fischchen!
- Getreidepreise. Nach Ausweis "der Statistischen Korrespondenz" betrug im Königreich Preußen im Monat September der Durchschnittspreis für die Tonne Weizen, Roggen 115, Gerste 125, Hafer 106 Mark. Es ist dies der niedrigste Weizenpreis, der seit dem Jahr 1851, wo derselbe 150 Mk. betrug, zu verzeichnen ist; ebenso ist für Roggen in den 37 Jahren seit 1850 nur einmal ein niederigerer Preis, nämlich 114 Mark für die Tonne im Jahr 1864, bezahlt. Auch beim Hafer müssen wir bis zum Jahr 1850 zurückgehen, um eine niedrigere Ziffer als die oben angegebene zu finden, und für Gerste ist in denselben Zeitraum nur viermal, in den Jahren 1851 (104) 1863 (115), 1864 (110), 1865 (112 Mark), ein geringerer Preis erzielt worden. Für alle vier Getreidearten ist der gegenwärtige niedrige Preis also seit 21 Jahren ohne Beispiel und für Weizen, Roggen (hier mit der Ausnahme eines einzigen Jahres) und Hafer sogar seit 35 Jahren unerhört.
- Zur Pferdefütterung. Dieselbe Quantität Hafer (oder Körner überhaupt), welche man einem Pferd giebt, bringt eine ganz verschiedene Wirkung hervor, je nach der Zeit und den Umständen, in welcher oder unter welchen das Futter gereicht wird. So ist es ein entschiedener Vortheil, wenn man die Pferde erst tränkt und dann füttert und ein Nachtheil, wenn umgekehrt verfahren wird. Es ist auch eine sehr verwerfliche Gewohnheit, wenn man den Pferden sogleich nach ihrer Rückkehr von schwerer Arbeit Heu und Hafer reicht. Sie fressen dann sehr gierig, kauen wenig und verdauen deshalb schlecht. Wenn ein Pferd erhitzt von der Arbeit zurückkommt, soll man es erst eine viertel Stunde ruhen lassen, ihm dann erst etwas Heu, eine halbe Stunde darauf zu Saufen und dann erst Hafer geben. Auf diese Weise verhütet man auch Erkältungen, denen die Pferde in Folge unvorsichtigen Tränkens so häufig unterworfen sind. Sind die Pferde so durstig, daß sie kein Heu nehmen wollen, so verabreiche man ihnen vor demselben auf die Weise eine kleine Quantität Wasser: daß man dasselbe mit einigem Heu überstreut, sodaß es durch dieses nur langsam genommen werden kann. Nebenbei noch die Bemerkung: den Pferden wird die Hauptfutterration, wobei die meisten Körner, wohl am besten zur letzten Futterzeit - des Abends - gegeben, denn es scheint richtig, daß die ihnen des Abends gegebenen Eiweißkörper, welche während der Nacht verdaut werden, mehr zu Gunsten einer Arbeitsleistung zur Verwerthung kommen, als die am Tage gefütterten Proteinstoffe. Der Araber sagt: Das Futter des Morgens geht zum Schornstein hinaus, aber das Abendfutter geht in die Kroupe.
- Die Trockenfütterung der Schweine. Schreiber dieses ist bis jetzt noch in keine Gegend gekommen, in der es nicht allgemein üblich wäre, den Schweinen das Mastfutter in Form von sogenannten Schlappfutter (Getränke) zu reichen. Vor einigen Jahren nun gewann die Vermuthung Raum, daß dadurch die Schweine genöthigt würden, viel mehr Flüssigkeit zu sich zu nehmen, als sie aufnehmen würden, wenn man sie beliebig Saufen ließe. Darauf hin wurden mannigfache Versuche über die Unterschiede der Verabreichung des Mastfutters in Form von Schlappfutter und Trockenfutter angestellt, die zu dem Resultat führten, daß sich das Futter durchschnittlich um 1/2 höher verwerthet, wenn man es trocken oder doch nur schwach angefeuchtet verabreicht und den Schweinen stets reines Tränkwasser zur beliebigen Aufnahme zur Verfügung stellt.
Ein Herz von Gold.
Eine Geschichte aus dem wendischen Volke
von Heinrich Penn.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
[ => Original lesen: 1887 Nr. 81 Seite 6]Ein Herz von Gold.
Eine Geschichte aus dem wendischen Volke
von Heinrich Penn.
(Nachdruck verboten.)
[Fortsetzung.]
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