[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 1] Zur Vermeidung der zur Winterzeit durch Schnee und Glätte erschwerten Passage auf den Bürgersteigen der hiesigen Straßen und um der dadurch den Fußgängern drohenden Gefahr vorzubeugen, wird hiedurch angeordnet:
1. Sämmtliche Hausbesitzer in der Stadt und vor der Stadt sind verpflichtet, das Trottoir, die Bürgersteige und Hauseingänge bei Schneefall von allem Schnee zu reinigen und die Wasserrinnen gehörig aufzueisen. Sowie das Trottoir und die Fußsteige mit Sand oder Asche zu bestreuen und dies Bestreuen, so lange der Frost anhält, täglich Morgens bis 9 Uhr zu erneuern.
2. In denjenigen Straßen, wo wegen magelnder oder ungenügender Breite der Bürgersteige die Fußpassage auf die Fahrbahn angewiesen ist, hat jeder Hausbesitzer einen genügend breiten Weg in der Fahrbahn täglich Morgens bis 9 Uhr mit Sand oder Asche zu bestreuen, und zwar so, daß jeder Hausbesitzer die Bahn seines Nachbarn in möglichst gerader Linie fortführt.
Etwaige Contraventionen werden mit Geldstrafe bis zu zehn Mark oder mit Haft bestraft werden.
Schönberg, den 22. December 1886.
Großherzoglich Meckl. Landvogtei des Fürstenthum Ratzeburg.
F. Graf Eyben.
Bekanntmachung.
Es wird hiedurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß die Aushebung der Militairpflichtigen der seemännischen Bevölkerung des hiesigen Aushebungsbezirks (Schiffermusterung) pro 1886 stattfindet
am Mittwoch, den 12. Januar 1887,
Morgens 10 Uhr
in Wismar
im Puls'schen Gasthofe "Stadt Altona."
Zu dem gedachten Termin haben sich bei Vermeidung der im §. 24, 7 der Ersatz=Ordnung angedroheten Strafen einzufinden alle Militairpflichtigen der seemännischen Bevölkerung aus dem hiesigen Aushebungsbezirk, welche im Jahre 1866 oder früher geboren und resp. mit einer endgültigen Entscheidung über ihre Militairpflicht nicht versehen sind.
Es wird bemerkt, daß nach Maßgabe des §. 21 der Ersatzordnung zur seemännischen Bevölkerung zu rechnen sind:
a. Seeleute von Beruf, d. h. Leute, welche mindestens ein Jahr auf deutschen See=, Küsten= oder Haff=Fahrzeugen gefahren sind,
b. See=, Küsten= oder Haff=Fischer, welche die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben,
c. Schiffszimmerleute, welche zur See gefahren sind,
d. Maschinisten, Maschinisten=Assistenten und Heizer von See= und Fluß=Dampfern.
Schönberg, den 21. December 1886.
Der Civilvorsitzende der Ersatz=Commission des Aushebungsbezirks für das Fürstenthum Ratzeburg.
F. Graf Eyben.
Der Kaufmann Fritz Wolgast hieselbst hat beantragt, daß seine auf der Schönberger Stadtfeldmark belegenen vier Grundstücke, als:
1. Der im Moorkamp an der Siemzer Scheide und Ratzeburger Chaussee belegene Acker in Größe von ca. 420 []Ruthen;
2. die 9 Scheffel Aussaat an Wiesengrund im Moorkamp;
3. das am Petersberger Wege im Mühlenkamp; belegene Ackerstück von 440 []Ruthen Größe und
4. die vor dem Siemzer Thore belegene, das "Kurze Loos" benannte Wiese in Größe von 305 []Ruthen
zur Unterabtheilung A der ersten Hauptabtheilung des Hypothekenbuchs über sein zu Schönberg an der Siemzerstraße belegenes, früher Wagner'sches Wohnhaus c. p. mitaufgenommen werden. Demzufolge werden hiermit alle Diejenigen, welche Realrechte an den vorstehend sub 1-4 incl. bezeichneten Grundstücken zu haben vermeinen und deren Eintragung zu Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf
Freitag, den 31. Dezember d. J.,
Vormittags 10 Uhr
peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten vier Grundstücken
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 2]sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer derselben erloschen sein sollen.
Schönberg, den 11. October 1886.
Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.
A. Dufft.
Antragsmäßig soll über
1. das zu Schönberg an der Sabowerstraße sub Nr. 27 belegene Wohnhaus c. p. und
2. das auf der Schönberger Stadtfeldmark im Köppenmoor belegene Moor
der Kaufmanns=Wittwe Creutzfeldt von hier, Johanna geb. Greif, welche zwei Grundstücke einen gemeinsam zu verpfändenden Gütercomplex bilden werden, ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesen Grundstücken zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf
Donnerstag, den 30. December d. J.,
Vormittags 10 Uhr
peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an den proclamirten Grundstücken sowohl gegen den jetzigen als auch die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 7. October 1886.
Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.
A. Dufft.
Antragsmäßig soll über das zu Schönberg an der neuen Wallstraße sub No. 129a belegene Wohnhaus c. p. des Schlossermeisters Heinrich Fahrenkrug allhier ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstück zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf
Freitag, den 31. Dezember d. J.,
Vormittags 11 Uhr
peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Meldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidations=Termin ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 14. October 1886.
Großherzoglich Amtsgericht.
G. Horn.
A. Dufft.
Auktionsanzeige.
In der Nachlaßsache des Mühlenpächters G. Creutzfeldt in Schönberg sollen am 4. Januar k. J. morgens 9 Uhr beginnend im Mühlengehöft zu Schönberg
schottische und gewöhnlich Eggen, Pflüge und sonstiges Ackergerät, 1 Rollwagen, 2 kleine Wagen, 2 Kornrommel, große Küben, verschiedene Kessel, Küchengeräth, Planken und andere Nutzhölzer, Bretter, Eisenzeug, 1 Hobelbank und dazu gehöriges Geräth, 1 P. fast neue Pferdesielen, Leutebetten, Leinenzeug, Sophas, Tische, Stühle, Schränke, Regulator auch 1 Geldschrank und vieles mehr
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 20. December 1886.
Staffeldt, Gerichtsvollzieher.
Oeffentl. Zwangsversteigerung.
Montag, den 3. Januar k. J. Vormittags 11 1/2 Uhr sollen in einem Baracken zu Hof=Wahrsow
1 Schwein, 2 Ferkel, 1 Eckschrank, 1 Kleiderschrank, 1 Wanduhr, 1 Klapptisch und 1 Koffer
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 27. December 1886.
C. Staffeldt,
Gerichtsvollzieher.
Ersparniß u.Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist zur
Zinszahlung
vom
Montag, den 27. December d. J.
bis
Freitag, den 31. December d. J.,
von Vormittags 8 - 12 Uhr
geöffnet.
Schönberg, den 20. December 1886.
Das Directorium.
Am Montag, den 3. Januar 1887 Nachmittags präcise 1 Uhr im Gastwirth Boye'schen Locale Haupt=Versammlung der
Schuhmacher=Innung.
Tagesordnung:
1. Rechnungs=Ablage.
2. Wahl eines Vorstandes.
3. Wahl zweier Prüfungs=Meister.
4. Wahl eines Vorstands=Mitgliedes der Lehrlingsfortbildungsschule.
5. Allgemeine Innungs=Angelegenheiten.
Schönberg im December 1886.
Der Vorstand.
Versammlung
der Mitglieder der Krankenkasse, für Maurer, Zimmerer und Maschinenbauer am Sonntag, den 2. Januar 1887 Mittags 1 Uhr im Krügerschen Lokale.
Der Vorstand.
NB. Es wird gebeten, daß alle Mitglieder pünktlich erscheinen.
Colosseum-Lübeck,
Eröffnung
des Weihnachtsbazars 1886
am 25. Decbr. (1. Weihnachtstag),
Abends 6 Uhr:
Grosse Vorstellung.
Am Sonntag, den 26. December
(2. Weihnachtstag Mittags 11 1/2 Uhr:
Elite=Matiné.
Folgende Tage
bis incl. 2. Januar 1887, Abends 7 Uhr:
Vorstellung.
Gastspiel
des Sagebielschen Künstler-Personals
Die ersten Specialitäten der Welt!
In jeder Vorstellung auch in der Matiné:
Der Wunder-Elephant "Blondin" als Velocipedist.
Electrische Beleuchtung.
Alles Nähere die Zettel.
Billett=Vorverkauf zur Matiné bis 26. Decbr., 10 1/2 Uhr bei Hrn. Nagel, am Markt und Wm. Essing, Breitestraße.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 3]Am 29. December cr. findet bei mir ein
Bauernball
statt, wozu die Herren Hauswirth ganz ergebenst eingeladen werden.
H. Voss. Rabensdorf.
Zu der am Sylvester=Abend, den 31. d. Mts. stattfindenden
Tanzmusik
ladet ergebenst ein
Carlow. J. Krellenberg.
Am Sylvester=Abend:
Große Tanzmusik,
wozu ergebenst einladet
J. Wienck, Gastwirth.
Sülsdorf, den 27. December 1886.
Stadt Lübeck.
Am Freitag, den 31. d. Mts. - Sylvester=Abend -
Tanzmusik
bis nach 12 Uhr, wozu ergebenst einladet
J. H. Freitag.
Restaurant
zum Deutschen Kaiser
Lübeck gänzlich renovirt Lübeck.
Mitte der Stadt.
Gute Küche. Münchener Spaten.
Den geehrten Besuchern Lübecks
bestens empfohlen.
Verlaufen
ist mir meine braune Hühnerhündin auf den Namen Juno hörend. Um gefällige Mittheilung bittet
Stove i/M. Fr. Heick.
Claes & Schmidt
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18. Fischstraße 18.
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Färber.
Ratzeburg, den 14. November 1886.
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C. Schwedt.
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Heinrich Pöhls in Boiztenburg.
L. Pleßmann in Ludwigslust.
W. Dankert in Plau.
H. Greve in Neubrandenburg.
A. Dettmann Nachfl. in Güstrow. |
|
A. Schmidt in Malchin.
J. H. Seemann in Stavenhagen.
Aug. Schmidt in Bützow.
A. Wilken in Waren.
A. Thiemann in Röbel.
Herm. Bringe in Tessin.
A. Pelzer in Grevesmühlen.
F. C. Langen in Malchow.
B. Spenling in Gnoyen.
Fr. Schütt in Penzlin. |
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 4]W. Herb,
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Theater in Schönberg.
Im Saale des Herrn Freitag.
Dienstag, den 28. Dezember.
Anna zu Dir ist mein liebster Gang
Posse mit Gesang in 7 Bildern von Dr. G. Braun.
Donnerstag, den 30. December.
Benefiz für Frl. Aug. Fischer.
Das rosafarbene Billet.
Lustspiel in 1 Akt v. Beydemüller.
Hierauf:
Die Augen der Liebe.
Lustspiel in 3 Akten von Wilhelmine von Hillern.
Neujahr! Neujahr!
Sonnabend, den 1. Januar.
Mit besonderer Genehmigung der Regierung.
Theater Vorstellung.
Oscar Pfundt.
Director.
Am 1. Weihnachtsmorgen 6 1/2 Uhr entschlief sanft nach langem Leiden unsere liebe Mutter und Schwiegermutter, die Wittwe
Maria Boye geb. Burmeister.
Dies zeigen tiefbetrübt an
die trauernden Hinterbliebenen.
Schönberg, den 27. December 1886.
Die Beerdigung findet am Donnerstag, den 30. d. M., Nachmittags 2 Uhr statt.
Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 5]Beilage
zu Nr. 102 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 28. December 1886.
Nach Mittheilungen aus Berliner Kreisen, welche dem Hofe nahe stehen, hat Kaiser Wilhelm in den jüngsten Tagen wiederholt Gelegenheit genommen, seiner Verstimmung über die Vorgänge im Reichstage und namentlich in der Kommission zur Vorberathung der Militärvorlage lebhaften Ausdruck zu geben. Wenn er auch gewohnt sei, daß in anderen Angelegenheiten den Bestrebungen der verbündeten Regierungen vielfach Schwierigkeiten bereitet würden, so habe er doch erwartet, daß man in einer Frage, in der es sich um die Stellung des Reiches zum Auslande handle, größeres Vertrauen und Entgegenkommen zeigen werde. Daß er sich in dieser Erwartung geirrt habe, betrübe ihn sehr. Es scheint auch den Kaiser, der die parlamentarischen Vorgänge und Verhandlungen noch immer mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt, vorzugsweise verdrossen zu haben, daß selbst auf dem Gebiete der militärischen Technik Abgeordnete, denen ein tieferes Verständniß dafür abgeht, den militärischen Autoritäten gegenüber ein Besserwissen behaupten und daß dieselben sogar über die militärische Einrichtungen und kriegerischen Vorbereitungen der Nachbarreiche zuverlässiger und vollständiger unterrichtet zu sein vorgeben, als die dort residirenden deutschen Militär=Bevollmächtigten.
Die ziemlich lange Anwesenheit des Kriegsministers Bronsart von Schellendorff in der russischen Botschaft in Berlin am Sonntag nachmittag hatte zu allerhand Gesprächen und mannigfachen Kombinationen Veranlassung gegeben. Man wollte wissen, daß das Erscheinen des Kriegsministers keinem gewöhnlichen Besuche gegolten hat, sondern daß hinter verschlossenen Thüren sehr ernste Dinge verhandelt worden sind. "Wird es Krieg oder nicht?" Das ist das Thema, um das sich augenblicklich das Tagesgespräch dreht. In Offizierskreisen hört man vielfach die Äußerung, daß alles zur Mobilmachung fertig ist und daß die Koffer zum Packen bereitstehen. Auffallend ist es ferner, daß die im Herbst eingestellten Rekruten jetzt schon nach so kurzer Dienstzeit zu den Felddienstübungen mit herangezogen werden, um nötigenfalls sofort in Reih und Glied zu treten.
Was den Bundesrath betrifft, so hat dieser zu dem Ergebniß der ersten Lesung der Militärvorlage in der Kommission noch keine Stellung genommen, es wird in den Kreisen der Regierungen der Vorlage, wie sie von Anfang an ausgearbeitet worden ist, festgehalten und die Stimmung soll eine den Beschlüssen der Kommission durchaus nicht entgegenkommende sein. So wird aus Berlin geschrieben.
Der preußische Landtag wird zum 13. oder 14. Januar einberufen werden, der Reichstag hält, wie bekannt, schon am 4. Januar wieder eine Sitzung, sofern er bis dahin, was nicht unwahrscheinlich ist, nicht aufgelöst sein sollte. In Berlin wird die Auflösungsfrage wenigstens lebhaft erörtert.
Dem Reichstage ging unverändert der Gesetzentwurf der vorigen Session zu "über Ausschluß der Oeffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen"; in der Begründung ist noch auf die Erfahrungen des Sarauw'schen Hochverrathsprozesses Bezug genommen.
Zur Deckung der Mehrausgaben aus der Militärvorlage wird in parlamentarischen Kreisen die Einführung einer Reichseinkommensteuer erörtert, der nur Einkommen von 6000 Mark an aufwärts zu unterwerfen sein würden, wodurch auch die Möglichkeit gegeben werden könnte, gerade diejenigen zur Bestreitung der Ausgaben heranzuziehen, welche in erster Reihe davon überzeugt sind, daß die Erhöhung der Militärausgaben notwendig ist.
In Wien beschäftigt das Schicksal der Militärvorlage in der Commission des deutschen Reichstages die Journale in lebhafter Weise. So sagt die Neue Freie Presse, daß die geschichtliche Erfahrung nicht zu Gunsten der Opposition spreche, denn nachweislich hat bisher noch jede Auflehnung gegen die militärischen Forderungen für die Parteien verhängnißvolle Folgen gehabt, auch als die öffentliche Meinung nicht so tief wie diesmal durch schwere Kriegssorgen aufgewühlt war. Der Muth hat seine Zeit, die Klugheit hat die ihre. Die Opposition sollte wohl finden, daß jetzt die Zeit für die Klugheit sei.
Die Deutschenhetze in Frankreich hat sich seit mehreren Monaten von Paris auch auf die kleineren Provinzialstädte und bis zur östlichen Landesgrenze ausgedehnt. Ganze Gruppen von Deutschen, Kaufleute und besonders Arbeiter, sehen sich gezwungen, in die Heimath zurückzukehren. Selbst viele Elsaß=Lothringer kehren zurück, da auch sie von den Franzosen nicht geschont werden.
Die Pariser "France" zeigt sich sehr kriegerisch gesinnt. Das Blatt schreibt: "Die jüngste Rede des Feldmarschalls Grafen Moltke hat in ganz Europa, namentlich in Frankreich, den Eindruck einer förmlichen Kriegserklärung gemacht. "Wir werden Elsaß=Lothringen niemals wieder herausgeben," hat Graf Moltke gesagt. Das haben wir auch niemals gehofft; aber da wir beabsichtigten, diese beiden Provinzen zurückzunehmen, die französisch geblieben sind, und die nichts sehnlicher wünschen, als wieder in vollstem Umfange französisch zu werden, do steht es nun unwiderruflich fest, daß der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland unvermeidlich geworden ist: ein Krieg, der heute oder morgen, sicherlich aber bei der ersten Gelegenheit zum Ausbruch kommen wird.
In der französischen Armee sollen die Lanciers neu gebildet werden. Es ist dies das achte Mal, daß die Lanciers der französischen Armee beseitigt und wieder ins Leben gerufen worden sind.
Anläßlich des bevorstehenden Regierungsjubiläums der "Königin Viktoria wird daran erinnert, daß die Königin im Alter von 2 Jahren, in ähnlicher Weise wie vor kurzem die Enkelin des Kaisers von Oesterreich, Prinzessin Elisabeth, in großer Gefahr schwebte. Als Sie eines Tages ausfuhr fiel nämlich die Equipage um und das Kind wäre sicherlich nicht mit dem Leben davon gekommen, wenn nicht ein Soldat, Moloney, der sich eben in der Nähe befand, auf die Equipage gestürzt wäre, um den Fall derselben zu verhindern. Er brach sich hierbei einen Fuß und mußte den Dienst verlassen. Moloney ist heute 82 Jahre alt; anläßlich der Jubiläums=Feierlichkeiten soll, wie es heißt, auch seiner gedacht werden.
Rußland soll sich jetzt, nachdem es in Paris mit der 500 Millionen=Anleihe nichts gewesen ist, große Mühe geben, bei der Berliner Börse eine große Anleihe zu Stand zu bringen. Die Börsenherren fürchten aber, daß Rußland Krieg mit dem gesuchten Geld anfangen will und zeigen taube Ohren und geschlossene Hände.
- In Hamburg wurde ein in Mecklenburg beheimatheter Tischler verhaftet, welcher beschuldigt wird, durch angebliche Krankheiten sieben Krankenkassen, denen er angehörte, in einem Jahr um etwa 6000 Mark betrogen zu haben. Die mitverhaftete Braut war im Besitz eines auf bedeutende Summen lautenden Sparkassenbuchs.
- Die Revision des Elb=Trave=Kanal=Projekts ist von dem preußischen Ministerium an den Lübecker Senat gekommen. Der Kostenanschlag beträgt 18 Millionen und tritt jetzt Lübeck in Finanzverhandlungen ein.
- Der deutsche Kronprinz hat am vorigen Sonnabend in Vertretung des Kaisers die Eröffnung des neuen Museums für Völkerkunde in Berlin vollzogen, die vor einem glänzenden Kreise stattfand.
- Professor Heinrich v. Treitschke in Berlin ist bekanntlich vor Kurzem Historiograph des preußischen Staates geworden. Die Anregung zu dieser
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 6]Ernennung soll vom Kaiser selbst ausgegangen sein. Der Titel ist nicht blos eine ehrenvolle Auszeichnung, sondern verleiht auch das Recht, die amtlichen preußischen Staatsarchive frei benutzen zu dürfen.
- Eutin, die Geburtsstadt C. M. v. Webers, war zu der am Sonnabend stattgefundenen Gedächtnisfeier reich beflaggt. Im Geburtszimmer Webers fanden Redeaktus und Gesänge der Liedertafeln statt. Es wurden Grüße vom deutschen Sängerbund überbracht, welche stürmischen Widerhall fanden, worauf das Weberhaus bekränzt wurde. Abends fand die Aufführung des "Freischütz" statt.
- Wie aus Eutin gemeldet wird, spendete der russische Kaiser für das Weber=Denkmal 1000 M.
- Der bekannte Naturforscher Falb hat vor wenigen Tagen in Freiburg öffentlich gesprochen und dabei angesagt, daß auf Grund seiner Beobachtungen mehrere "Flutfaktoren", welche gewaltige Bewegungen der Atmosphäre im Gefolge haben, in der Zeit vom 6. bis 8. und vom 20. bis 22. Februar k. J. zusammentreffen werden. Die Falb'schen Prophezeiungen dieser Art sind bisher immer zutreffend gewesen.
- In Chemnitz trat ein Fabrikarbeiter während des letzten Jahrmarktes an drei Gefreite des Chemnitzer Infanterie=Regiments heran und faselte: Es stehe bald eine allgemeine Erhebung der Sozialdemokraten bevor, die Gefreiten und die Soldaten sollten daher nicht auf das Volk, sondern in die Luft schießen, wenn man die Kaserne stürme und besetze. Der Mann wurde jetzt zu 9 Monaten Gefängniß wegen Aufreizung von Soldaten gegen die Befehle ihrer Oberen verurtheilt.
- In Stadeln bei Fürth starb am letzten Mittwoch der Gastwirth und Metzger Pröschel infolge Genußes trichinenhaltigen Schweinefleisches an der Trichinose.
- Wie aus Bremen gemeldet wird bestellte der Norddeutsche Lloyd in Glasgow einen Schnelldampfer der alle bisherigen Schiffe an Schnelligkeit und Größe übertreffen soll.
In Speier ereignete sich in der Mahlmühle von Müller Eitel ein schreckliches Unglück. Der Müller Peter Dörner, 24 Jahre alt, verheirathet, hatte an der Transmission etwas nachzuhelfen, kam aber bei dieser Arbeit letzterer unvorsichtiger Weise zu nahe, wurde von den Riemen erfaßt, von der Maschine emporgeschleudert und in der schrecklichsten Weise zermalmt, sodaß volle zwei Stunden nöthig waren, um die Leiche aus der Maschine herauszubringen.
- Auch in Göttingen wird jetzt dem Turnvater Jahn ein Denkmal errichtet werden. Anfangs hatte man die Absicht, eine Marmor=Gedenktafel an dem Hause anbringen zu lassen, in welchem Jahn hier als Student in den Jahren 1806 und 1807 gewohnt hat. Da dieses Haus aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, so ist der Plan wieder aufgegeben worden. Es soll nun eine Marmorbüste Jahn's in der neuen städtischen Turnhalle aufgestellt werden.
- In München soll im Frühjahr ein neues Cafe errichtet werden, welches nach der Aussage von Sachverständigen das größte derartige Hotel sein wird. Dasselbe umfaßt einen Flächenraum von 30 000 Quadratfuß, während das Cafe Wittelsbach über dessen Größe und volle Ausstattung noch alle Welt erstaunt ist, nur 21 000 Quadratfuß umfaßt, und wird auf die innere Ausstattung die respektable Summe von 250 000 Mk. verwendet. Der 11 Billard enthaltende Billardsaal wird ganz in Weiß und Silber nach den Entwürfen eines berühmten Bildhauers ausgeführt werden. Wie man hört, hat bereits der Besitzer des Cafè Bauer in Berlin das Etablissement gepachtet.
- Der Löwe unter den deutschen Bierbrauern ist die Aktienbrauerei zum Löwenbräu in München. Sie hat in diesem Braujahr einen Gewinn von 911,585 Mark und nach reichlichen Abschreibungen und Tantiemen und Aufstellung des Reservefonds einen Reingewinn von 663,525 Mark ergeben.
- Die Universität Göttingen wird im Sommer nächsten Jahres 150 Jahre alt. Die dortigen Korps haben bereits 100,000 Mk. als Beitrag zu einer würdigen Feier des Festes gesammelt.
- Die zuständigen Aufsichtsbehörden sind dem bekannten Beschlusse des Senats der Berliner Akademie der Künste, die erste Ziehung der Jubiläums=Kunst=Ausstellungs=Lotterie wegen des vorgekommenen Versehens für ungültig zu erklären, bestätigend beigetreten, und wird, wie bereits gemeldet, mit der erneuten Ziehung der Lotterie voraussichtlich am 3. Januar begonnen werden, und da nun auch die umfangreichsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden sind, so darf Jedermann mit größtem Vertrauen der erneuten Ziehung entgegensehen.
- Die Schweningersche oder genauer Oertelsche Entfettungskur ist eine klassische. Schon dem alten Römer Plinius war es bekannt, daß Dicke bei Tisch und einige Zeit vorher und nachher sich des Trinkens enthalten müssen. Er schrieb in seiner Historia naturalis: "Wer den Umfang seines Körpers vergrößern und sich "ein Bäuchlein anmästen" will, dem ziemt es während des Essens zu trinken: wer aber seinen Umfang vermindern will, der darf während des Essens nicht trinken, auch darf er nur wenig Getränk zu sich nehmen, oder, was dasselbe sagen will, er muß sich überhaupt möglichst des Trinkens enthalten." Daß man keine Suppe essen darf, ist nicht gesagt, eine derartige Vorschrift war im Alterthum nicht nöthig, weil man überhaupt keine Suppe kannte, die bedenkliche spartanische ausgenommen. Frau Wilhelmine seufzt mit einem Seitenblick auf ihre allzulang gerathene Freundin: Für die Länge giebts keinen Schweninger!
- Der Würgengel Diphtheritis haust im heurigen Herbst auch in Bayern in einer Weise, wie schon lange nicht. In der Oberpfalz, in Mittelfranken, Oberfranken, Unterfranken und in der Pfalz mußten die Schulen wegen der Epidemie geschlossen werden und zahlreich sind die Opfer, welche die heimtückische Krankheit forderte. Man darf die Zahl der erkrankten Kinder nach Zehntausenden bemessen - sind doch in Bamberg allein über 3000 Kinder erkrankt - und nicht mit Unrecht jammerte kürzlich ein Arzt darüber, daß man Jahr aus Jahr ein über Mittel gegen die Cholera brüte, aber dem weit gefährlicheren Feinde, der Diphtheritis nicht die nötige Beachtung schenke.
- Fröhliche Weihnachten. Die Wiener "Presse" erzählt folgenden drolligen Vorfall: Der Schuhmacher Anton Jacques soll gelegentlich einer Volkssänger=Soiree in einem Gasthaus in der Leopoldstadt plötzlich so laut aufgeschrieen haben, "daß alle Fenster zitterten." Excedent wurde von dem Bezirksgericht Leopoldstadt zu einer Arreststrafe von 48 Stunden verurtheilt. Auf die Frage des Richters, ob er die Strafe an den beiden Weihnachts=Feiertagen absitzen wolle, damit er keine Arbeit verliere, antwortete der Angeklagte: "Herr Richter, das ist eine wundervolle Idee! Das ist das nützlichste Weihnachtsgeschenk, das mir hätte spendirt werden können. Ich dank schön für die fünf Gulden, Herr Richter!" "Ich habe Ihnen doch keine fünf Gulden geschenkt!" Angeklagter: "Fünf Gulden hätt' ich im Gasthaus ausgegeben, wenn ich die Feiertage nicht eing'sperrt wär. Die fünf Gulden hab' ich jetzt erspart. Dank schön, Herr Richter!" Er murmelte noch einige Male selbstzufrieden: " 's beste Weihnachtsgeschenk!" und trat vergnügt seinen Weihnachtsarrest an.
- Der Kladderadatsch feiert Weihnachten in seinem Wochen=Kalender mit folgenden hübschen Versen:
Knecht Ruprecht zieht in alter Weise
Auch diesesmal von Land zu Land
Und theilt auf seiner Weihnachtsreise
Viel Gaben aus mit milder Hand.
Der Franzmann, welcher alle Sachen,
Die man ihm schenkt, gar schnell zerstört,
Kriegt, um es auch entzwei zu machen,
Ein neues Kabinet bescheert.
Der Englishman ist glücklich, wenn er
Sieht, wie Knecht Ruprecht naht heran.
"Der hat gewiß auch Hampelmänner,
O, bitte, einen Hampelmann!"
Der Deutsche, könnt' ihr's wohl errathen,
Was ihm Knecht Ruprecht bringen soll?
Natürlich wünscht er sich Soldaten,
Und sieh', da steh'n zwölf Schachteln voll.
"Der Russe hat sich schlecht benommen",
Knecht Ruprecht mit Bedauern spricht's,
"Und weil er alles wollt' bekommen,
[ => Original lesen: 1886 Nr. 102 Seite 7] Bekommt der Russe diesmal nichts."
Auch der Bulgar' blickt unter Zähren
Zum leeren Tannenbaum hinan.
"Will mir denn Keiner was bescheeren?
Hängt Keiner mir 'nen Fürsten dran?"
- Der Generalpostmeister von Stephan versteht besser und verbindlicher zu antworten und zu improvisiren als seine Beamten bei den Telegraphen, wie folgender Vorfall zeigt. Der letzte Herzog von Braunschweig ließ s. Z. eine Telegraphenverbindung zwischen Breslau und seinem Schloß Sibyllenort herstellen. Als er zum erstenmal das im Schloß eingerichtete Telegraphenzimmer besuchte, erklärte ihm der Telegraphist den Apparat und telegraphirte schließlich zum besseren Verständniß mit Erlaubnis des Herzogs an die Stadt Breslau: "Durchlaucht besuchen eben zum ersten Mal das Telegraphenbureau und befinden sich in erwünschtestem Wohlsein." Nach einigen Minuten meldete die Glocke eine Antwort. Der Telegraphist wickelte den Streifen ab und las laut: "Beides ist mir ganz . . . ." dann stockte er. "Nun?" fragte der Herzog. "Durchlaucht ich . . ." "Lesen Sie, ich befehle es!" "Beides ist mir ganz schnuppe", stotterte der Telegraphist.
Nach sieben Jahren.
Eine Weihnachtsgeschichte von B. Renz.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung statt Schluß.)
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