[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 1] Zur Vermeidung der zur Winterzeit durch Schnee und Glätte erschwerten Passage auf den Bürgersteigen der hiesigen Straßen und um der dadurch den Fußgängern drohenden Gefahr vorzubeugen, wird hiedurch angeordnet:
1. Sämmtliche Hausbesitzer in der Stadt und vor der Stadt sind verpflichtet, das Trottoir, die Bürgersteige und Hauseingänge bei Schneefall von allem Schnee zu reinigen und die Wasserrinnen gehörig aufzueisen. Sowie das Trottoir und die Fußsteige mit Sand oder Asche zu bestreuen und dies Bestreuen, so lange der Frost anhält, täglich Morgens bis 9 Uhr zu erneuern.
2. In denjenigen Straßen, wo wegen magelnder oder ungenügender Breite der Bürgersteige die Fußpassage auf die Fahrbahn angewiesen ist, hat jeder Hausbesitzer einen genügend breiten Weg in der Fahrbahn täglich Morgens bis 9 Uhr mit Sand oder Asche zu bestreuen, und zwar so, daß jeder Hausbesitzer die Bahn seines Nachbarn in möglichst gerader Linie fortführt.
Etwaige Contraventionen werden mit Geldstrafe bis zu zehn Mark oder mit Haft bestraft werden.
Schönberg, den 22. December 1886.
Großherzoglich Meckl. Landvogtei des Fürstenthum Ratzeburg.
F. Graf Eyben.
Zum neuen Jahr 1887.
Da flieht es hin, das alte Jahr,
Mit seinem Leid und Glücke.
Von dem Vergang'nen hell und klar
Liegt vieles vor dem Blicke:
Doch was die nahe Zukunft birgt,
Bleibt unserm Aug' verborgen.
Wir wissen nichts, und quälen uns
Mit Furcht und bangen Sorgen.
Laßt uns dem lieben Gott vertrau'n
Und seiner Vatergüte!
Laßt uns auf seine Führung bau'n
Mit gläubigem Gemüthe!
Er weiß am hesten, was uns frommt
Und dient zum wahren Heile;
D'rum laßt uns nützen ernst und treu
Des Lebens kurze Weile.
Gott hat beschützt uns, ohne Dank
Viel Gutes uns bescheeret,
Und war dem Herzen trüb' und bang'
Er hat uns Trost gewähret.
So helf' er uns, im neuen Jahr'
Auch recht und weise handeln,
Daß treu wir und gewissenhaft
Auf seinem Wege wandeln!
Rußland, Deutschland und Oesterreich.
Die sinnreiche alte Mythologie kennt drei Schicksals=Parzen. Die eine spinnt den Lebensfaden des Menschen, die andere netzt ihn, die dritte schneidet ihn ab. Der Friede zwischen Rußland, Deutschland und Oesterreich ist auch ein solcher Faden und Bismark ist die Parze, die ihn unermüdlich spinnt und netzt und bemüht ist, daß keine plumpe Hand, und sei es die des Zaren, ihn durchschneidet. Ueber den Erfolg weiß noch Niemand Gewisses zu sagen. Dreierlei ist vorläufig Thatsache: 1. Der deutsche Militärattachée ist weder von der Hand des Zaren gestorben noch verwundet; 2. der russische Finanzminister Bunge ist in Ungnade entlassen, weil er weder in Paris, noch in Berlin eine (Kriegs=)Anleihe zu Stand gebracht hat, und 3. Katkow, der an der Spitze der altrussischen Kriegspartei steht, hat selbst dem Zaren getrotzt und dessen Kriegs= und Zeitungs=Abwiegelungs=Befehl in seiner Zeitung ganz unterschlagen. Er ist die Parze, die den Friedensfaden durchschneiden möchte.
In Paris nimmt man an, daß zwischen Rußland und Deutschland eine Verständigung Platz gegriffen habe. Man glaubt demnach, Deutschland werde für den Fall, daß Rußland mit Oesterreich wegen Bulgarien in Streit gerathen sollte, Frankreich gegenüber vollständig freie Hand behalten. In Paris ist man deshalb von dem Wunsch erfüllt, daß die bulgarische Frage eine friedliche Lösung finden und nicht der Ausgangspunkt folgenschwerer Ereignisse werden möge. Lord Churchill's Rücktritt und die übrigen Verlegenheiten des Kabinets Salisbury bringt man bereits mit dem deutsch=russischen Einverständnis in Zusammenhang, obwohl für jeden Nicht=Franzosen durchaus nicht ersichtlich ist, was diese lediglich inner=englische Angelegenheit mit der äußeren Politik zu thun haben soll. Besonders wird aber von einzelnen Blättern betont, daß Frankreichs Politik trotz der Vorlagen des Kriegsministers Boulanger eine durchaus friedfertige sei und der offiziöse "Temps" bestätigt dies, wenn er schreibt:
Wenn Frankreich den Krieg wollte, müßte es erst nach innen Frieden machen. Auch der Kriegsminister begehrt erst die Prüfung jeder Organisation, welche eine Vergrößerung der Armee im Auge haben soll. Wäre es nicht anders, wenn er den Krieg als nahestehend ansähe? Uebrigens wisse man, Frankreich habe eine Armee und würde sich bis auf den letzten Mann und letzten Sou vertheidigen. Und was gewänne man in Deutschland? Eine dritte Provinz? Aber man hat noch nicht die beiden anderen verdaut und, weiter annectierend wäre man zu neuen Rüstungen ohne Ende, daß heißt
[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 2]zum Ruin verurtheilt. Sollten unsre Nachbarn, wenn sie an ihrer Eroberung festhalten, Narren genug sein, um sie auf's Spiel zu setzen ? Ihre ganze Haltung seit 15 Jahren streitet gegen diese Annahme. Fürst Bismarck zieht es vor, Rußland bezüglich dessen Absichten im Orient die deutsche Neutralität zu sichern und für Deutschland im Bezug auf Frankreich die Gleichgiltigkeit Rußlands zu bewirken. Wenn man solche Ergebnisse, ohne den Degen zu ziehen, erzielt, so hat man nur den Wunsch, den Degen in der Scheide zu lassen.
Im kaiserlichen Palais in Berlin fand die Feier des heiligen Weihnachtsabendes, wie in jedem Jahre, in der hergebrachten Weise statt. Um 5 Uhr bescheerten die kaiserlichen Majestäten den Personen ihres Hofstaates, während um 8 Uhr sämmtliche in Berlin anwesende Mitglieder der Kaiserfamilie sich um brennende Christbäume versammelten. Der Kaiser Wilhelm zeigte vollkommen seine gewohnte Frische und Heiterkeit. Nach der Bescheerungsfeier blieben die Herrschaften noch längere Zeit zum Souper vereint. Am ersten Festtage wurde im Palais Gottesdienst abgehalten, dem die Majestäten und alle Prinzen und Prinzessinnen beiwohnten. Mittags empfing der Kaiser den Grafen Moltke und die Offiziere seiner Umgebung, welche ihren Dank für die kaiserlichen Weihnachtsgeschenke abstatteten. Nachmittags war Familientafel. Am zweiten Festtage ertheilte der Monarch verschiedene Audienzen und unternahm eine Spazierfahrt. Die kronprinzlichen Herrschaften hatten sich am zweiten Festtage zur Bescheerung ihrer Gutsleute nach Bornstedt bei Potsdam begeben.
Zum zweitenmal hat Fürst Bismarck die Rolle des "ehrlichen Maklers" übernehmen müssen; er vermittelt zwischen Oesterreich und Rußland, denen Deutschland als Dritter und sehr Betheiligter angehört. An dem Erfolg seiner Vermittelung hängt der Friede Europas; wenn die Vermittelung mißlingt, ist vielleicht Deutschland vor die Wahl gestellt, sich zwischen Oesterreich und Rußland entscheiden zu müssen. Rußland hat bereits vertraulich erklärt, daß es, wie vor kurzem den dänischen Prinzen Waldemar, so jetzt den Prinzen Ferdinand von Coburg als Fürsten von Bulgarien ablehne. Es verlangt den Rücktritt der bulgarischen Regentschaft, die Auflösung der Sobranje und die Wahl des Fürsten von Migrelien. Es kann nur einen Satrapen seiner Wahl brauchen.
Durch Kaiserlichen Erlaß ist der Reichskanzler Fürst Bismarck ermächtigt worden, auf Grund der bezüglichen Gesetze von 1882, 1885 und 1886 eine 3 1/2 prozentige Anleihe von 35,738,856 Mk. aufzunehmen, wovon 4 Millionen für den Zollanschluß Hamburgs, 3 Millionen für den Zollanschluß Bremens und 28,738,856 Mk. für Zwecke der Verwaltung des Reichsheeres, der Marine und der Reichseisenbahnen bestimmt sind.
Die Annahme, daß das deutsche bürgerliche Gesetzbuch schon in Jahresfrist dem Reichstage zugehen werde, wird als irrig bezeichnet.
Die Militär=Commission des Reichstags hält am 5. Januar die nächste Sitzung.
Die Fabrikation des neuen Repetir=Gewehrs ist, wie wir einem längeren Aufsätze der "Mil.=Ztg." entnehmen, nunmehr soweit gediehen, daß die Ausrüstung der gesammten deutschen Linien=Infanterie auf voller Kriegsstärke fast ganz beendet ist und die Ausgabe der Gewehre in wenigen Tagen erfolgt sein wird. Das deutsche Heer hat dadurch vor den übrigen europäischen Heeren einen Vorsprung gewonnen, der erst in einer Reihe von Jahren wieder einzuholen ist, denn noch keines dieser anderen Heere ist über das Versuchsstadium hinausgekommen. Das neue Infanterie=Gewehr führt die Bezeichnung M. 71/84, um anzudeuten, daß das Gewehr im Princip das alte Modell 71 geblieben ist, das durch die im Jahre 1884 festgestellte Abänderung eine Magazin=Vorrichtung und einzelne sonstige das Wesen der Waffe jedoch nicht tangirende Veränderungen erfahren hat. Ein besonderer Erfinder kann für das neue System nicht genannt werden; es ist ein Product vereinter Thätigkeit der Schießschule und der Gewehrfabrik. Eine officielle Verordnung, welche die reglementarischen Commandos und Formen für die Chargirung mit dem neuen Gewehr vorschreibt, ist noch nicht erschienen und das Einüben geschieht bisher nur nach den auf der Schießschule üblichen Formen; es steht jedoch zu erwarten, daß dienstbezügliche Vorschriften in kurzer Zeit zur Ausgabe gelangen werden.
Wie Eine Lerche noch keinen Frühling macht, so ist Eine Friedensstimme in Frankreich noch keine Friedensbürgschaft. Aber der Muth ist zu loben. Cornely erhebt diese Stimme im "Gaulois". Er räth Frankreich eindringlich zu Ersparnissen im Militär und zur Abrüstung. Es giebt aber augenblicklich nur Einen populären Mann drüben über den Vogesen, das ist der Kriegsminister Boulanger, der piano redet und forte handelt.
Die französische Militär=Kommission macht es anders als die deutsche. Sie hat beschlossen, auch während der Weihnachtsferien der Kammern Sitzungen zu halten, um die Durchberathung des neuen Gesetzentwurfes vom Kriegsminister Boulanger zu beschleunigen.
Die bulgarische Deputation hat es sich nicht versagen können, den Fürsten Alexander zu begrüßen. Die Deputation erwartete ihn in Köln, welches der Fürst auf der Heimkehr von seinem Londoner Besuche passierte. Die Begegnung war sehr herzlicher Natur, auch der Fürst war sichtlich erfreut. Die Herren begleiteten ihn bis Frankfurt a. Main und kehrten dann nach Köln zurück, um von da nach London weiterzureisen. Eine Rückkehr des Fürsten nach Bulgarien bedeutet die Begegnung natürlich nicht. In London, wie in Paris wird die Deputation in nicht offizieller Weise empfangen, und etwas Anderes, als in Wien und Berlin wird sie auch dort nicht zu hören bekommen.
Vollkommen verlässige Meldungen aus St. Petersburg versichern, daß der Zar, von dem Wahne befallen, es werde am Hofe ein gegen seine persönliche Macht gerichteter Gewaltstreich geplant, durch welchen Rußland in die europäischen Verhältnissen angepaßte Bahnen geführt werden soll, sich vollständig von seinen nächsten Anverwandten abgeschlossen hat. In Petersburg laufen neue Gerüchte von der fast unausweichlichen Notwendigkeit des Zusammentrittes eines Familienrathes.
- Schönberg, [Theater.] Die Leistungen unserer Künstlerschaar erhalten sich in der Gunst des Publikums. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Sonnabend den 1. Januar zu dem denkbar günstigsten Kassenresultat führen, da Herr Director Pfundt für diesen Tag ausnahmsweise Erlaubniß zum Spielen erhalten hat.
- Kaiser Wilhelms vierter Urenkel. Aus Berlin wird berichtet: Für den zu erwartenden Sprößling des Prinzen Wilhelm ist bereits ein Etatsposten in der Civilliste ausgeworfen. Jeder Familienzuwachs belastet dieselbe mit 36 000 Mk., der Summe eines Ministergehaltes. Der junge Erdenbürger erhält sofort bei der Geburt seine eigne Bedienung. Vom vollendeten zehnten Lebensjahr ab steigt der Etat.
- Dem reichen Privatgelehrten Dr. Pfannstiel in Bamberg war Weihnachten vorigen Jahres seine jugendliche Frau gestorben. Am 24. Dezember d. J. Mittags fuhr er mit seinem 5jährigen Töchterchen auf den Friedhof, breitete ein Tuch über das Grab seiner Frau, setzte das Kind darauf, erschoß es und machte dann seinem Leben durch einen zweiten Schuß ebenfalls ein Ende.
- Aus allen Theilen Frankreichs und namentlich den östlichen Departements wird über starke Stürme und Schneeverwehungen gemeldet, welche zahlreiche Störungen im Eisenbahn= und Telegraphenverkehr verursachten.
Anzeigen.
Oeffentl. Zwangsversteigerung.
Am Sonnabend, den 8. Januar 1887, Vormittags 9 Uhr, soll in Neschow
eine dunkelbraune Stute, angeblich 8 Jahre alt,
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Sammelplatz der Käufer im Kruge zu Neschow.
Schönberg, den 30. December 1886.
C. Staffeldt, Gerichtsvollzieher.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 3]Auktionsanzeige.
In der Nachlaßsache des Mühlenpächters G. Creutzfeldt in Schönberg sollen am 4. Januar k. J. morgens 9 Uhr beginnend im Mühlengehöft zu Schönberg
schottische und gewöhnlich Eggen, Pflüge und sonstiges Ackergerät, 1 Rollwagen, 2 kleine Wagen, 2 Kornrommel, große Küben, verschiedene Kessel, Küchengeräth, Planken und andere Nutzhölzer, Bretter, Eisenzeug, 1 Hobelbank und dazu gehöriges Geräth, 1 P. fast neue Pferdesielen, Leutebetten, Leinenzeug, Sophas, Tische, Stühle, Schränke, Regulator auch 1 Geldschrank und vieles mehr
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 20. December 1886.
Staffeldt, Gerichtsvollzieher.
Auctionsabkündigung.
Der von dem Unterzeichneten auf den 3. Januar 1887, Vormittags 11 1/2 Uhr, zu Hof Wahrsow angesetzte Zwangsverkauf findet einstweilen
nicht
statt.
Schönberg, den 30. December 1886.
Staffeldt, Gerichtsvollzieher.
Holz=Auction.
Am Donnerstag, den 6. Januar, Morgens 10 Uhr, sollen im Selmsdorfer Kirchenholze an Ort und Stelle meistbietend bei freier Concurrenz nachstehende Holzsortimente verkauft werden:
1. 2 Stück eichen Nutzhölzer. 3,47 Festmtr.
2. 3 Raummeter desgl. Kluft.
3. 1 Fuder eichen Pollholz.
4. 10 Raummeter buchen Knüppel.
5. 19 Fuder buchen Durchforstholz u. Pollholz.
6. 5 Fuder ellern Wadelholz.
7. 10 Fuder Heckenholz.
8. 2 Raummeter aspen Knüppel.
Schönberg, den 29. December 1886.
Der Oberförster
C. Hottelet.
Spar- u. Anleihe-Casse u. Pfennig-Sparkasse in Lübeck.
Auf Grund der von der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit am 13. April d. Js. beschlossene, durch Decret des Senates vom 5. Mai d. Js. bestätigte Zusatzbestimmung zum §. 4 des Planes der Spar= und Anleihecasse wird der Zinsfuß für die der Casse gebrachten Einlagen vom 1. Januar 1887 an auf drei Prozent festgesetzt.
Lübeck, den 1. September 1886.
Die Vorsteherschaft der Spar= und Anleihe=Casse.
Am Montag, den 3. Januar 1887 Nachmittags präcise 1 Uhr im Gastwirth Boye'schen Locale Haupt=Versammlung der
Schuhmacher=Innung.
Tagesordnung:
1. Rechnungs=Ablage.
2. Wahl eines Vorstandes.
3. Wahl zweier Prüfungs=Meister.
4. Wahl eines Vorstands=Mitgliedes der Lehrlingsfortbildungsschule.
5. Allgemeine Innungs=Angelegenheiten.
Schönberg im December 1886.
Der Vorstand.
Versammlung
der Mitglieder der Krankenkasse, für Maurer, Zimmerer und Maschinenbauer am Sonntag, den 2. Januar 1887 Mittags 1 Uhr im Krügerschen Lokale.
Der Vorstand.
NB. Es wird gebeten, daß alle Mitglieder pünktlich erscheinen.
Am Sonntag den 9 Januar k. J.:
Großes Concert
unter Leitung des Herrn Organisten Meier im Saale des Herrn Gastwirth Boye. Um recht zahlreichen Besuch bitten
die Vereinsmusiker.
Schönberg, den 29. December 1886.
Nach dem Concert Ball.
Am Sylvester=Abend, den 31. December und am Neujahrstage, den 1. Januar
Tanzmusik
für die ganze Nacht.
J. Boye.
Stadt Lübeck.
Am Freitag, den 31. d. Mts. - Sylvester=Abend -
Tanzmusik
bis nach 12 Uhr, wozu ergebenst einladet
J. H. Freitag.
Am Sylvester=Abend:
Große Tanzmusik,
wozu ergebenst einladet
J. Wienck, Gastwirth.
Sülsdorf, den 27. December 1886.
Restaurant
zum Deutschen Kaiser
Lübeck gänzlich renovirt Lübeck.
Mitte der Stadt.
Gute Küche. Münchener Spaten.
Den geehrten Besuchern Lübecks
bestens empfohlen.
Durch Wegzug des Herrn Rector Woisin ist zu Ostern, resp. Michaelis
die Etage meines Hauses
zu vermiethen.
Schönberg. Ludw. Vogel.
Am Montag, den 27. December ist ein Rohrstock in der Ersparniß= und Vorschuß=Anstalt vertauscht, und bitte um gefällige Rückgabe beimKaufmann F. Lundwall. Schönberg.
Handschuh-Special-Geschäft
von
Alfred Gensel, Lübeck,
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[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 4]Zum Festbedarf!
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Sylvester.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Kaempffer.
Neujahr.
Frühkirche: Pastor Langbein.
Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Sonntag nach Neujahr.
Vormittagskirche: Pastor Langbein.
Abendkirche fällt aus.
Amtswoche: Pastor Langbein.
Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 5]Beilage
zu Nr. 103 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 31. December 1886.
- Dreitausend vierhundert Centner Salz hat in den Tagen der letzten Schneefälle die Große Berliner Pferdebahn Gesellschaft allein zu dem Zwecke verwandt, die Geleise vom Schnee zu befreien. Allein am vergangenen Mittwoch wurden eintausendeinhundertfünfundneunzig Centner verstreut.
- Das englische Panzerschiff "Sultan" ist in der Nacht zum Sonnabend an der portugiesischen Küste mit dem französischen Dampfschiff "Ville Victoria" zusammengestoßen. Letzteres ist gesunken. Gegen 60 Personen sollen ertrunken sein.
- Durch eine Feuersbrunst in Liverpool ist am Sonnabend Vormittag das große Lewis'sche Magazin Au bon marché zerstört worden. Der Schaden beträgt gegen 300,000 Pfd. Sterl.
- Die nördlichste Eisenbahn Europa's von Helsingfors am Finnischen Meerbusen nach Uleaborg am nördlichen Ende des Bottnischen Meerbusens, beide in Russisch=Finnland, ist am 27. Oktober dem Verkehr übergeben worden.
Zu der kaiserlichen Stimmung in Petersburg gehört auch Folgendes. Der Zar hat vom neuen Jahr an dem deutschen Theater in St. Petersburg seinen Zuschuß, durch den allein es bestehen kann, entzogen und das Theater geht ein. Auf den andern Theatern dürfen nur noch russische Stücke gegeben werden und vielleicht - französische.
- Verlorene Seelen nennt man in Rußland die nach Sibirien Verbannten. Ein neues gediegenes Werk des Russen Jadrinzeff giebt Auskunft über sie. Die wenigsten unter den Verbannten bringen es zu dem Besitz eines Hauses, d. h. einer elenden Hütte; die meisten werden von den sibirischen Bauern "versklavt", bleiben ihr Leben lang die Schuldner der Letzteren und begnügen sich, an Festtagen von ihren Wirthen "Geld zum Versaufen" zu bekommen. Da überdies die Hauptzahl der Verbannten aus berufsmäßigen Landstreichern besteht, die jede Arbeit scheuen, so vermehrt sich fortwährend nur das flüchtige Volk, das gelegentlich raubt, stiehlt und plündert und den natürlichen Widerwillen der ansässigen Bauern gegen die Verbannten noch steigert. Müssen doch auch die ländlichen Bevölkerungen die Kosten für Errichtung und Erhaltung der Gefängnisse für die Verbannten tragen, Treibjagden nach den Entlaufenen anstellen, die Wache und Begleitung derselben besorgen und für die von den Verbannten nicht einzutreibenden Steuern aufkommen. Die größten Lücken in die Zahl der Verbannten werden aber durch das fast systematische Entfliehen derselben aus der Zwangsarbeit und aus den Ansiedelungen gerissen. Fünfzehn Prozent derselben entfliehen schon während des Transports. Viele derselben werden in den Wäldern von den Bauern und Eingeborenen geradezu wie wilde Thiere niedergeschossen, und ein Beobachter des sibirischen Landes hat bemerkt, daß Sibirien wohl kaum im Stande gewesen wäre, mit den entlaufenen Sträflingen fertig zu werden, wenn die Bauern sie nicht vernichtet hätten. Das schärfste Mittel, um diesen Fluchtversuchen zu steuern, sind die von der Regierung veranstalteten Hetzjagden durch die Eingeborenen. Der Eingeborene erhält drei Rubel, wenn er den Sträfling, "sei es todt oder lebendig", der Obrigkeit abliefert. Die Leute werden mit guten Flinten und Munition versehen, damit die Jagd auf Sträflinge ergiebiger werde. Einer der Entsprungenen, der dann in seinem Heimathsdorf aufgegriffen wurde, sagte vor Gericht: "Zwei Jahre bin ich herumgezogen, bin über das Meer und die Flüsse geschwommen, bin durch die sibirischen Wälder gekommen, Niemand hat mich angerührt, kein Thier, kein Mensch; hier aber, in meinem eigenen Dorf, hier hat man mich ergriffen und in Ketten gelegt." Das Entlaufen aus der Zwangsarbeit war übrigens längst so üblich geworden, daß die Verwalter der Strafanstalten bei der Aufnahme von Verbrechern auszurufen pflegten: "Wer bleiben will, der nehme sich Kleider, wer fortläuft, der braucht's nicht!" Die Kleider, welche von den Flüchtlingen, um der Verfolgung zu entgehen, nicht mitgenommen wurden, fielen als vortheilhafte Ersparniß der Gefängnißverwaltung zu. Wenn nun überdies die Statistik eine geradezu unglaubliche Steigerung der Zahl von Verbrechen, die von den Verbannten begangen werden, nachweist, also das Besserungssystem als trügerisch sich zeigt, so steht es auch nicht viel besser mit der ehedem gerühmten Wohlfeilheit dieser Strafart für den Staat. Die Transportkosten eines sibirischen Verbannten werden auf fünfzig Rubel veranschlagt. Dabei sind aber nicht eingerechnet die Kosten des Transports bis zur Hauptroute (Dampfschiffe auf der Wolga und Kama) und von dort zum Ort der Bestimmung, der Unterhalt seiner ihn etwa begleitenden Familie, der Unterhalt im Gefängniß bis zum Frühjahr, da die Wintertransporte aufgehoben sind; ferner die Kosten für die militärische Begleitung, so daß die Unkosten des Transports für den einzelnen Sträfling bis an seinen Bestimmungsort durchschnittlich auf 300 Rubel kommen, eine Summe, welche genügen würde, um denselben mindestens vier Jahre in dem theuersten Gefängniß des europäischen Rußland zu unterhalten. Diese Summe erhöht sich aber auf achthundert Rubel durch die Kosten für den Unterhalt der Etappenroute, der Escorte, der Gefängnisse auf der Route, der Etappenhäuser, und hierzu treten noch die von der Bevölkerung zu tragenden Lasten für Beistellung von Fuhrwerken, für Hospitäler, Bettel und dergleichen, sowie ihre Verluste durch Diebstahl und Verbrechen aller Art. Schon die einfache Berechnung sollte also zu Gunsten Derjenigen sprechen, welche ihre Stimme dafür erheben, daß man Sibirien nicht länger zum Land der "verlorenen Seelen" erniedrige. Jadrinzeff sagt: "Durch die Deportation ist Sibirien zu einer Kloake geworden; die Deportation hat zahllose Mißverhältnisse erzeugt, welche schwer auf dem Land lasten. Indem die Bevölkerung mit den Deportirten untermischt wurde, gewann hier das Verbrechen einen freien Spielraum. Die Deportirten befinden sich gegenwärtig in einer außerordentlich elenden und verwerflichen Lage; Sibirien erhält statt der nützlichen Arbeiter ein massenhaftes, heimathloses und arbeitsscheues Proletariat. Bei der gegenwärtigen traurigen Lage der Verbannten wird durch die Strafe nicht eine Besserung, sondern das entgegengesetzte Resultat erzielt, nämlich die Demoralisation der Sträflinge, das Landstreicherwesen und die zahlreichen Verbrechen."
- Am Weihnachtstag wurde Frau Magdalene Panza in Wien volle 111 Jahre alt. Sie ist die älteste Frau der Stadt. Ihr ganzes Leben war Mühe und schwere Arbeit und ihr ist nichts bescheert als höchstes Alter und tiefste Armuth. Ihr Schwiegersohn liegt seit Jahren gelähmt danieder, ihre Tochter, 68 Jahre alt, muß sich, ihren Mann und ihre Mutter mit ihrer Hand=Arbeit erhalten. Aus einer Stiftung erhält sie monatlich 4 Gulden. Die Gesichtszüge der Uralten sind wie versteinert und in den tiefen Runzeln und Falten lagern die Mühen und Sorgen eines ganzen Jahrhunderts. Vielleicht bringt ihr der Weihnachtstag und der Geburtstag den letzten Freudenschimmer, da die Wiener Zeitungen auf sie aufmerksam machen.
- In Wien besuchte die 19jährige schöne, aber excentrische Tochter eines bekannten Universitätsprofessors in Studentenkleidern die Universität vielmals hintereinander, bis sie ausgewiesen und bestraft wurde. Sie kommersirte und focht mit den Studenten und duellirte sich sogar mit ihrem Vetter und erhielt einen Circumflex über die ganze Backe. Die Eltern sind außer sich und haben ihr die Pantalons und Röcke in den Kleiderschrank geschlossen bis auf weiteres; denn der Schmiß und das rosa Plästerchen darüber stehen ihr zum Entzücken, wie die Studenten sagen. Sie sind mein Großkreuz, sagte sie.
- Gut definirt! In Wien wurde bei einer Abendgesellschaft einem Herrn ein junger Mann als
[ => Original lesen: 1886 Nr. 103 Seite 6]"Doktor" vorgestellt. Beim Essen fügt es der Zufall, daß sie nebeneinander zu sitzen kommen. Sie sprechen über irgend ein Thema und über die Unterhaltung kann der Herr nicht klug werden, ob er es in seinem Vis-a-vis mit einem Doktor der Medizin oder einem Doktor der Rechte zu thun habe. Er rückt daher dem Mann mit der haarscharfen Frage an den Leib: "Was sind sie für ein Doktor, machen sie kurzen oder langen Prozeß?"
"Na, wenns denn sind muß - prrrost!" Diesen eigenthümlichen Trinkspruch hört man in Wittenberg hin und wieder in Gesellschaft, und zwar mit so eigenthümlicher Betonung, daß man merkt, daß etwas besonderes dahinter steckt. Dieses Besondere ist denn folgende lustige Geschichte: Ein Verein junger Leute hielt vor nicht langer Zeit ein Tanzkränzchen ab. Bei der Theepause widerfährt einer jungen Dame, die aus einem Städtchen der Umgebung zu dem Kränzchen geladen war, das gesellschaftliche Unglück, daß ihr die Rumkaraffe zuerst präsentiert wird. Die junge Dame hatte nun keine Ahnung von dem Zusammenhang zwischen Thee und Rum und weist deshalb und weil auch die Karaffe eine verzweifelte Aehnlichkeit mit dem Frühstücksfläschchen daheim hat, dieselbe mit verschämten Dank zurück. Als aber ihr Herr zur Linken, der Herr zur Rechten und die Dame gegenüber mit dem Bemerken zuredeten, daß sie ja alle Rum nehmen, da faßte sie sich ein Herz, setzte die Karaffe mit dem, stereotyp gewordenen Trinkspruch an die Lippen: "Na, wenns denn sind muß - prrrost!" und läßt zum starren Entsetzen ihres Herrn, zum Gaudium der ganzen Nachbarschaft und ohne sichtbare Beschwerden einen leidlichen Schluck in die jugendliche Kehle hinabgleiten.
Nach sieben Jahren.
Eine Weihnachtsgeschichte von B. Renz.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
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