Nr. 4 des Offic. Anzeigers pro 1886 für das Fürstenthum Ratzeburg enthält in der

II. Abtheilung.

(1.) Bekanntmachung, betreffend das neue Bahn=Polizei=Reglement und die Signal=Ordnung für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885.
(2.) Bekanntmachung, betreffend die Normen für die Construction und Ausrüstung der Eisenbahnen Deutschlands.
(3.) Bekanntmachung, betreffend die Durchschnittspreise des Jahres 1885.
(4.) Bekanntmachung, betreffend die Durchschnittspreise des Monats Januar 1886.

Das Monopolgesetz ist in der Commission nach flüchtiger Durchberathung einstimmig abgelehnt worden. Die Conservativen und die Reichspartei enthielten sich der Abstimmung.
Wie bei den Kriegern werden auch bei den deutschen Reichsbeamten in Togo, Kamerun und in Südwestafrika die Dienstjahre bei der Pensionirung doppelt gerechnet.
Immer wieder werden die Pariser, die Staatsmänner und die Bürger vor die Frage gestellt: wie kommen wir unseren Armen ("Miserabele" hat sie der vergötterte Victor Hugo in seinem bekannten Roman genannt) zur Hülfe? Seit einigen Jahren ist die Zahl derer, die auf der Gasse von der Hand in den Mund leben und eine Gefahr für Stadt und Staat sind, um das Doppelte, fast Dreifache gewachsen, vom Lumpensammler und Straßenkehrer an bis zu den arbeitslosen Handlungsgehülfen, Künstlern und Schriftstellern aller Art. Sie bilden eine immer bereite Truppe zu jedem Skandal und jeder Gewaltsamkeit. Seit drei Jahren haben etwa 150,000 Beschäftigungslose auswärts Arbeit gesucht und doch ist das Wachstum weit größer als der Abzug.
Die Zahl der Strikenden im Gebiet der amerikanischen Union umfaßt gegenwärtig 51 000 Personen.
- Einen seltenen Fund machte kürzlich ein in der Gegend von Stargard ansässiger Gutsbesitzer. Derselbe hatte sich in Neubrandenburg im Hotel Fürstenhof 2 Dutzend Austern gekauft, von denen er 1 Dutzend in Stargard wieder verkaufte. Als er nun später zu Hause die Austern verzehren wollte, fühlte er beim Herunterschlucken der ersten Auster in seinem Munde einen harten Gegenstand, der sich nach genauer Besichtigung als eine echte Perle erwies, welche nach dem Urtheile Sachverständiger einen Wert von ca. 54-60 M. hat. Der glückliche Finder will die Perle nun als Andenken aufbewahren und läßt sich dieselbe zu diesem Zwecke in Gold fassen, um sie als Tuchnadel zu tragen.
- Vor einigen Tagen wurde in die katholische Kirche zu Schwerin eingebrochen und aus einer zum Besten katholischer Armen bestehenden Kasse ca. 40 M. gestohlen.
- Das Comite des Geibel=Denkmals in Lübeck hat beschlossen, das in Erz herzustellende Denkmal auf dem Kaufberge zu errichten und die deutschen Künstler zur Einreichung von Plänen und Kostenanschlägen aufzufordern. Die öffentlichen Sammlungen haben ca. 41 000 M. ergeben.
- In Hamburg wurde das Pferd eines Butterhändlers, auf welchem Wagen außer letzterem noch seine beiden Söhne von 4 und 6 Jahr sich befanden, scheu und das ganze Gefährt von einer Lokomotive erfaßt und zermalmt. Der Vater und das eine Kind wurde sofort getödtet, das andere Kind schwer verletzt.
- Wenn auch die diesjährige lange und strenge Winterkälte sich Menschen und Thieren unangenehm fühlbar macht, so wird doch Schaden weder an den zugedeckten Saaten noch an den Obstbäumen angerichtet werden. Man wird sich da der Bauern= und Wetterregeln erinnern müssen, und diese sind auf einen "grünen" März nicht gut zu sprechen. "Ein grüner März bringt selten etwas Gutes", heißt es, und "März in der Blum', Sommer ohne Thau, trocknet die Felder, dorret die Au". "Märzengrün soll man mit Holzschlägeln wieder in die Erde schlagen", denn "Märzgras thut nimmer gut".

Anzeigen.

Holz=Auction
im Vitenser Forste
Revier: Brützkower Holz,
am Dienstag, den 23. März 1886

unter den an Ort und Stelle zu verlesenden Verkaufsbedingungen, über:
            Eichen Nutz= u. Bauholz=Drümme mit Rinde,
            eichen Kluftholz,
            eichen Knüppelholz,
            eichen Zweigholz,
            buchen Stangenholz,
            buchen Stangenholz,
            Allerlei Buschholz in Fuderhaufen.
Versammlung Morgens 9 Uhr beim zweiten Schlagbaum auf dem Landwege im Brützkower Holz.
Rehna, den 17. März 1886.

Großherzogliche Forstinspection.

Mittwoch, den 24. d. Mts. Vormittags 10 Uhr sollen im Saale der Gastwirthin Köster hieselbst verschiedene Nachlaßsachen, als:

2 Kleiderschränke, 1 Schreibsecretair, 1 Kommode, 1 Bettstelle mit Matratze, 2 Chatoullen, 1 Sopha, 1 Spiegel, Tische, Reisekoffer, neusilberne Pferdegebisse, neusilberne Sporen, 1 silberne Cilinderuhr und verschiedenes mehr

Schönberg.                                                     C. Staffeldt.

Hierdurch ersuche ich alle Diejenigen, welche noch Forderungen an den Nachlaß des verstorbenen Herrn Rechtsanwalt Richard Rackow hier zu haben vermeinen, solche ihre Ansprüche bis zum 31. März d. J. specificirt bei mir anzumelden und rechtsgenüglich zu beweisen. Spätere Forderungen können nicht mehr berücksichtigt werden.
Schönberg, den 11. März 1886.

H. Meyer, Uhrmacher,
als Bevollmächtigter der Rechtsanwalt
Richard Rackow'schen Erben.

Kampfgenossen-Verein 1870/71.

Die Vorstellung unserer Sanitäts=Colonne findet ungünstiger Witterung halber, nicht am 22. d. Mts. statt, sondern erst einige Wochen später.

Der Vorstand.       

Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers

findet am Montag, den 22. d. M. Nachmittags 5 Uhr in meinem Saale

ein Diner

statt, wozu ich mir erlaube hierdurch ergebenst einzuladen. Anmeldungen dazu erbitte ich bis Freitag, den 19. d. M. Preis á Couvert 3 Mark.

L. Spehr.       

Billiger Ausverkauf
von
Tapeten u. Borden
empfiehlt                                                     H. E. Peters,
                                                                        Glasermeister.

Große Auswahl
Damen- & Kinderschuhzeug

gute dauerhafte Handarbeit empfiehlt zu den billigsten Preisen. Für Confirmanden von 7 M. an und billiger

Heinrich Clasen,
Schuhmachermeister.
Siemzerstraße Nr. 114.       Ecke der Wallstraße.

Kautschukstempel
zu Fabrikpreisen
sind zu beziehen durch den General=Agenten                          
                                                    H. Brüchmann.

Ein ordentliches                                                    
Mädchen und ein Klein=Knecht
werden zu Ostern d. J. gesucht von                                                    
                                                    Aug. Utermöhl - Schönberg.

Kösters Salon:
Montag, den 22. März zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers
Tanzmusik.

Gutes Dachrohr
hat billig zu verkaufen                                                    
                                                    J. Boye, Schönberg.

Mehrere hundert Fimm gutes blattfreies
Dachrohr
sowie einen guten rheinischen                          
Bodenstein

4,10 Zoll Durchmesser und 10 1/2 Zoll Stärke hat preiswürdig zu verkaufen

                                                                        C. Schröder,
Dassow i/M.                                                     Mühlenpächter.

Winterhafer,
sehr lohnend, unempfindlich
gegen Frühjahrsfröste, - eigene Ernte, - verkauft
                                                    Oscar Schulz,
                                                    Lankow bei Schwerin.

Blut=Apfelsinen
empfiehlt                                                     Aug. Spehr.

Roßlederne
Damenstiefel,
auch für Confirmanden, das Paar 7 Mark, hat abzugeben                          
                                                    H. Söhlbrandt, Schuhmachermeister
                                                    Siemzerstraße Nr. 185.

Gr. Tapeten-Auction in Lübeck.
Dienstag, den 23. März cr.,
Vormittags 10 u. Nachmittags 3 Uhr anfangend, verkaufe im                                                    
Odeum (Dankwärtsgrube) bei Herrn A. Stuhr,
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung: einen
großen Posten                                                    
Tapeten und Borden

als: fein gerippte Gold,= Ton,= Glanz,= Gold= u. Naturell=Tapeten. -
Goldvelour, Gold, Handdruck, Farbe und Naturell=Borden sowie hochfeine Borden mit Ecken. -
Die Proben sind Montag, den 22. Nachmittags von 3-5 Uhr in obigem Locale zur gefälligen Ansicht ausgelegt. -

Carl Meyer, Auctionator.

N. B. Ich bemerke besonders, daß nur neue Muster und fehlerfreie Waare zum Verkaufe gelangen. -

Zur Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Kaisers
am Sonntag, den 22. ds. Mts.
Große Tanzmusik
wozu freundlichst einladet                                                    
Sülsdorf im März 1886.
                                                    J. Wienck, Gastwirth.

Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 22. März 1886

Tanzmusik
wozu ergebenst einladet                                                    
Carlow.                                                     J. Krellenberg.

Zu verkaufen:

Eine gut erhaltene Häcksellade, 2 fast neue Bienenkasten (2 Bäuter) in der

Chaussegeld=Hebestelle Schönberg.

Knaben,

welche die hiesige Schule besuchen sollen, finden freundliche Aufnahme. Wo? zu erfragen in der Expedition d. Bl.

Zu Ostern dieses Jahres finden noch einige

Präparanden

unter günstigen bedingungen freundliche Aufnahme auf dem Domhofe zu Ratzeburg bei

Fr. Stoppel.     

Gesucht zu Ostern:
ein Lehrling
Carlow 1886.                                                     H. Augustin,                                                                           Schlachtermeister.

Gesucht nach Lübeck ein ordentliches gesetztes
Mädchen

für Küche und Hausarbeit zum 1. Mai d. Js. Meldungen nimmt gütigst entgegen

                                                    Frau Amtsgerichts=Actuar Arndt,
                                                    Schönberg.

Verhältnisse halber findet zu Ostern ein Mädchen, welches gut melken und auch reinmachen kann, einen Dienst. Zu melden bei Gräfin Eyben.

Gebrüder Barg
Lübeck
(1 Haus oberhalb Wilkens Gasthof)
empfehlen:
Tuch & Buckskin aller Art, Zwirn-Buckskin's
Je 1/2 Meter Mk. 1.40, 1.80, 1.90, 2.00 doppelte Breite.
Kleiderstoffe in der größten Auswahl und den neusten Sachen.
Neuheiten in Besätzen,
schwarze Caschmer und Seidenzeuge,
nur erprobte gute Qualitäten.
Leinen-Waaren und Bettzeuge, Gardinen
von den billigsten bis zu den feinsten Sorten.
Woll- und Holländische-Waaren
en gros und en detail.
Normal-Unterzeuge aller Art,
sowie größte Auswahl in
Jackets, Paletots Regenmänteln etc.
für Damen und Kinder.
Confirmanden-Paletots und Umhänge,
von 5 Mk. an bis zu 40 Mk.

Kampf= genossen-

Verein 1870/71.

in Schönberg.
Programm
zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers
am 22. März 1886
im neuen Saale des Herrn Boye.

1. Auf vielfaches Verlangen nochmalige Aufführung des umgearbeiteten plattdeutschen Lebensbildes aus den Feldzugjahren 1870/71

Freud und Leid aus schwerer Zeit.

2. Nach der Vorstellung: BALL.

Entree: Erster (nummerirter) Platz 1 Mk.      Zweiter Platz 50 Pf.      Gallerie 30 Pf.
Am Tanze theilnehmende Herren zahlen für die Tanzschleife 1 Mark.
Anfang 7 1/2 Uhr.                                                    Kassenöffnung 6 3/4 Uhr.
Billetverkauf vom 18. d. Mts. an beim Kameraden Diersen.
                                                    Der Vorstand.

Ein Faselschwein und eine junge Ziege
hat zu verkaufen                                                     J. Voss, Tuchmachermstr.

Eine möblirte Stube nebst Schlafstube hat zu vermiethen oder es finden auch Schüler, welche die hiesige Schule besuchen wollen, freundliche Aufnahme bei

J. Voss, Tuchmachermeister.       

Bei dem andauernd flüssigen Geldstande sind die unterzeichneten Banken zu ihrem Bedauern nicht mehr in der Lage, den bisherigen Zinssatz für Geldeinlagen noch länger aufrecht zu erhalten.
Dieselben haben daher beschlossen, von jetzt an den Zinsfuss für Geldeinlagen wie folgt festzusetzen:

auf 6monatliche Kündigung oder 6 Monate fest 2 1/2 %,
auf 3monatliche Kündigung oder 3 Monate fest 2 1/2 %,
für kürzere Belegungen und in Baar-Conto-Corrent 2 %.

Mecklenburgische Lebensversicherungs- und Sparbank.
Kirchner.                                                     Köpcke.
Mecklenburgische Bank.
Steiner.                                                     Frels.
Mecklenburgische Hypothecken- und Wechselbank.
Büsing.                                                     Kayser.
Ersparnis- und Vorschuss-Anstalt in Schönberg.
C. J. W. Burmeister.                                                     H. Stoffers.

Für die bei der Beerdigung der Leiche unseres unvergeßlichen Vaters des Lehrers Ollrogge zu Petersberg bewiesene Theilnahme sagen wir hierdurch unseren herzlichsten Dank.

Die tiefbetrübten Hinterbliebenen.       

Eintragungen in das Standes=Register des Standesamts=Bezirks Schönberg.

Geboren:

D. 2. Febr. dem Arbeiter P. Freitag zu Schönberg ein S.
D 2. dem Fuhrmann Köster zu Schönberg eine Tochter.
D. 5. dem Arbeiter Peters zu Lockwisch ein Sohn.
D. 5. dem Bäckergesellen Tendt zu Schönberg ein Sohn.
D. 12. dem Actuar Dufft zu Schönberg eine Tochter.
D. 19. dem Arbeiter J. Fischer zu Schönberg eine Tochter.
D. 20. dem Arbeiter Wellner zu Resdorf ein Sohn.
D. 25. dem Arbeiter Fust zu Westerbeck eine Tochter.
D. 26. eine unehel. Tochter zu Schönberg.
D. 3. März dem Schuhmacher Weinrebe zu Schönberg eine T.
D. 7. ein unehel. Sohn zu Retelsdorf.
D. 7. dem Mühlenpächter Creutzfeldt zu Schönberg eine T.
D. 8. dem Maurer Freitag zu Törpt eine Tochter.
D. 8. eine unehel. Tochter zu Torisdorf.
D. 8. dem Tuchmacher Petz zu Schönberg eine Tochter.
D. 12. dem Knecht Vierig zu Törpt ein Sohn.
D. 12. dem Briefträger Warnemünde zu Schönberg eine T.
D. 14. dem Hauswirth Maaß zu Kl. Siemz ein Sohn.
D. 16. dem Tischlermeister Oldenburg zu Resdorf eine T.

Gestorben:

D. 4. Febr. Johann Joachim Schüler, Korbmachergeselle zu Schönberg, 45 Jahr 8 Monat alt.
D. 5. Anna Catharina Marie Magdalene Wendland, Produktenhändlertochter zu Schönberg, 6 Monat alt.
D. 7. Wilhelm Carl August Runge, Hirtenknecht zu Schönberg, 19 Jahr 5 Monat alt.
D. 7. Louise Düßler geb. Renzow, Büdnerwittwe zu Rabensdorf, 60 Jahr 9 Monat alt.
D. 11. Hans Joachim Werner, Webermeister zu Schönberg, 74 Jahr 10 Monat alt.
D. 12. Hans Joachim Böttcher, Knecht zu Resdorf, 85 J. 1 Mon. alt.
D. 15. Marie Wilhelmine Catharina Maack, Arbeitertochter zu Schönberg, 4 Jahr 1 Monat alt.
D. 15. Marie Amalie Sophie Tralow geb. Tengel, Chausseegelderheberfrau zu Schönberg, 68 Jahr 2 Monat alt.
D. 15. Carl Miketta, Arbeiter zu Schönberg, 56 Jahr alt.
D. 19. Gustav Joachim Heinrich Renzow, Buchbinder zu Schönberg, 24 Jahr 4 Monat alt.
D. 20. Elisabeth Dorothea Hedwig Marie Möller geb. Stolten, Arbeiterwittwe zu Schönberg, 84 Jahr alt.
D. 6. März Ernst Friedrich Bouchholtz, früher Hausgutspächter, zu Schönberg, 68 Jahr 11 Monat alt.
D. 10 Catharina Sophie Charlotte Kniep, Pferdehändlerwittwe zu Schönberg, 85 Jahr 11 Monat alt.
D. 13. Johann Heinrich Ollrogge, Schullehrer zu Petersberg, 63 Jahr 6 Monat alt.
D. 16. Else Mette geb. Maack, Altentheilerin zu Petersberg, 79 Jahr 11 Monat alt.

Eheschließungen:

D. 16. Febr. Schneider Detlef Sönnichsen Johannsen zu Nauen und Auguste Ottilie Caroline Staack zu Schönberg.
D. 6. März Peter Fischer zu Gr. Bünsdorf und Catharina Dorothea Elisabeth Planthafer zu Schönberg.

Kirchliche Nachrichten
Bußtag, den 19. März.

Vormittagskirche: Pastor Langbein.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Kämpffer.

Sonntag, den 21. März.

Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Langbein.
Amtswoche: Pastor Kaempffer.

Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Hierzu eine Beilage.

Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.

Beilage
zu Nr. 23 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 19. März 1886.

- Was ist denn los oder locker im Innern unserer alten Erde? In der Nacht vom Montag zum Dienstag, so recht um die mitternächtliche Stunde, wurde in Wiesbaden ein starker Erdstoß verspürt.
- Wenn's Geld genug gäbe, bekäme jeder Berg seine Eisenbahn, denn es giebt Leute genug, die gern gute Aussichten haben, aber ohne Strapazen. In der Schweiz sollte der Pilatus, der Konkurrent des Rigi, seine Bahn bekommen; dazu waren 3000 Aktien nöthig. Es wurden aber nur 500 aufgebracht. Der Rigi mit seinem Dutzend Gasthöfen behält nun sein Monopol.
- Zum Carneval in München sind im Leihhaus ganze Berge von Kleidern und Wäsche versetzt worden und zuletzt mußten die Beamten erklären, wir können nicht mehr, und das Haus schließen. Das Abtragen dieser Berge ist viel schwerer und es ist kein Wunder, wenn nach dem Carneval viele im strengsten Sinn in Sack und Asche Buße thun. Auch in Wien giebt's ein leichtfertiges Völkchen, das den Teufel nicht spürt, wenn er sie auch beim Kragen hätte. Da wurde Tag und Nacht in allen Kreisen deckenhoch getanzt und gejubelt und versetzt, was nicht niet= und nagelfest war. Lustig gelebt und selig gestorben, heißt dem Teufel die Rechnung verdorben, schien die Loosung zu sein. Wir würden's nicht sagen, wenn's nicht die Allgemeine Zeitung berichtete und ein Kreuz schlüge.
- Aus Heidelberg kommt die Nachricht, daß das Befinden des Dichters Scheffel ein gar nicht befriedigendes sei. Scheffel ist schon seit längerer Zeit leidend, neuerdings aber hat sich sein Zustand derart verschlimmert, daß der Dichter das Bett hüten und große Schmerzen erdulden muß. Gefahr für das Leben ist aber nach Aussage der Aerzte nicht vorhanden.
- In hohem Grad interessant sind die "Dunkle Bilder aus dem Wanderleben. Aufzeichnungen eines Handwerkers. Von D. Rocholl." In den Kapiteln: die Centralpenne auf dem Land, die Vagabundennoth, Gensdarm und Landstreicher, der Kunde (Vagabund) und seine Flebbe (Legitimationspapiere), Hochstapler und Briefbettler, die Centralpenne in der Stadt, der Verbrecherkeller, die Schicksenpenne (Herberge, welche vorzugsweise von weiblichen Vagabunden besucht wird), eine Nacht auf der Kundenfahrt malt ein alter Handwerker in naturwahren Farben ein Bild des Vagabundenlebens, des Werdens, der Lebensart, der Leiden und verzweifelten Freuden dieser unglücklichen Menschen, denen vor allen eines der köstlichsten Güter, die Heimath, fehlt. Er schildert mit dramatischer Lebendigkeit und oft würzigem Humor das Leben und Treiben in den Pennen, giebt neue Aufklärungen über den geschäftsmäßigen Bettelbetrieb und mancherlei verbrecherisches Gebahren in der Vagabundenwelt. Man glaubt alles mitzuerleben und legt das Buch nicht eher aus der Hand bis man es durchgelesen hat.
- In Brede in Holland kommt eine Frau mit ihrem Kinde zum Pfarrer, um es taufen zu lassen. Wo ist der Pathe und die Pathin, die gesetzlich nöthig sind? fragt der Geistliche. Ich werde sie sogleich holen, sagt die Frau, wenn Sie so lange das Kind behalten wollen; es ist so kalt, daß ich es nicht mit herumtragen kann. Der Pfarrer willigt ein und das Weib verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
- Bei Fire Island, dem ersten Leuchtthurm im Hafen von New=York, ist am Sonntag Nachmittag der Dampfer "Oregon" von der Cunard=Linie nach einem Zusammenstoß mit einem Schooner gescheitert und bald darauf gesunken. Er war einer der größten und schnellsten Ozeandampfer und am 6. März von Liverpool abgegangen. Die Passagiere und die Mannschaft sowie die Post wurden von dem Dampfer "Fulda" vom Norddeutschen Lloyd, der gerade rechtzeitig zu dem Rettungswerk eintraf, noch an demselben Nachmittag sicher an Land gebracht.
- Schöne Zustände! Aus Philadelphia wird gemeldet, daß ein Zug der Chicago=Rock=Island Eisenbahn in der Nähe der Station Joliet in Illinois in voriger Woche von einer Räuberbande überfallen, angehalten und ausgeraubt worden ist. Vermummte Kerle drangen in den Postwagen, schnitten dem Beamten den Hals ab und raubten 30 000 Dollars. Es gelang ihnen mit ihrer Beute zu entkommen, auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 15 000 Dollars gesetzt.
- Ein Privatgelehrter in Dresden, der zur Zeit mit der Lesung einer alten, aus dem 9. Jahrhundert stammenden Urschrift eines bisher noch nicht gedruckten Sanskrit=Codex beschäftigt ist, theilt folgendes reizende und wörtlich getreue Pröbchen der Weisheit eines Brahmanen mit:
Ich bin so schwach von Hitz' und Fieber,
Welch' Mittel kennst Du, Doktor, sprich! -
"Trink' einen Humpen Wein, mein Lieber,
Und bring' ein Krüglein auch für mich!"
- Humoristisches für angehende Musiker. 1. Technik ist nichts als die Fähigkeit, den rechten Finger zur rechten Zeit auf die rechte Taste zu setzen. 2. Die Grundlage der gesammten Harmonie ist die ganze Tastatur. Die speziellen Akkorde findet man durch Weglassung der nicht dazu gehörigen Töne.
- Eine tapfere Frau. In eine einsame Farm in Californien brach des Nachts ein Bär ein. Die allein zu Haus befindliche Frau glaubte, es sei ihr Mann, der betrunken nach Hause komme, und empfing ihn, ohne vorher Licht zu machen, nach Gebühr. Der Bär soll noch in derselben Nacht 11 englische Meilen gelaufen und mehrere Wochen lang wegen seines gräßlichen Aussehens von seinen Genossen gemieden worden sein. So berichten amerikanische Blätter.

Besondere Kennzeichen.
Kriminal=Novelle von Ludwig Habicht.
Fortsetzung.

Besondere Kennzeichen.
Kriminal=Novelle von Ludwig Habicht.
[Fortsetzung.]