[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 1]Anzeigen.
Zur öffentlich meistbietenden Verpachtung der Meierei Schlagsdorf, welche Johannis 1885 aus der Pacht fällt, ist vor dem unterzeichneten Großherzoglichen Domainen=Amte Termin auf
Sonnabend, den 3. Januar 1885,
Vormittags 11 Uhr,
anberaumt worden, wozu Pachtliebhaber hiedurch eingeladen werden. - Dem Großherzoglichen hohen Kammer= und Forst=Kollegio bleibt die Wahl unter den drei annehmlich Meistbietenden vorbehalten und haben dieselben, falls sie nicht schon Kammerpächter sind, sofort eine Conventionalpön von 6000 Reichsmark zu bestellen und sich über ihre bisherige Führung und öconomische Tüchtigkeit, sowie über das zur Annahme der Pachtung erforderliche Vermögen auszuweisen.
Die Contractsbedingungen können in der hiesigen Domainenamts=Registratur eingesehen und die Pachtung, nach zuvoriger Meldung auf dem Hofe Schlagsdorf, in Augenschein genommen werden.
Schönberg, den 23. November 1884.
Großherzogl. Mecklenb. Domainen=Amt.
F. Graf Eyben.
Oeffentliche Ladung.
1. Der Töpfer Karl Friedrich Wilhelm Schwebe, geboren am 6. März 1853 zu Straßburg, Kr. Prenzlau, zuletzt in Schönberg,
2. der Bäcker Johannes Theodor Friedrich Petersen, geboren am 6. August 1856 zu Vorwerk, Kr. Lübeck, zuletzt in Herrnburg, hiesigen Gerichtsbezirks, und
3. der Schuhmacher Ernst Wilhelm Pfeiffer, geboren am 7. Oktober 1860 zu Salkau, Kr. Züllichau, zuletzt in Schönberg,
werden beschuldigt,
ad 1 als Wehrmann ohne Erlaubnis ausgewandert zu sein,
ad 2 und 3 als Ersatzreservisten 1. Klasse ausgewandert zu sein, ohne von ihrer bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben, Uebertretung gegen § 360 No. 3 des St. G. B.
Dieselben werden auf
Freitag, den 12. Dezember 1884,
Vormittags 10 Uhr,
vor das Großherzogliche Schöffengericht zu Schönberg i./M. zur Hauptverhandlung geladen.
Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nach § 472 der Strafprozeßordnung von dem Großherzoglichen Landwehr=Bezirks=Commando zu Neustrelitz ausgestellten Erklärung verurtheilt werden.
Schönberg den 18. September 1884.
Der Großherzogliche Amtsanwalt.
von Dewitz.
Holz=Auction Nr. 4.
Am Donnerstag den 4. December Morgens 10 Uhr beim Gastwirth Fahrenkrug zu Lüdersdorf:
a. Aus dem Pellmoor:
19 Stck.Loheichen=Nutzholz mit 16,34 Festmetern,
16 Rmet Loheichen=Kluftholz
45 Rmet Loheichen=Knüppelholz 1 u. 2 Kl.
1 Rmet Ellern=Knüppelholz
7 Fuder Haselbusch
b. Aus dem Lenschower Tannen=Revier:
91 Rmet Tannen Kluftholz
34 Rmet Tannen Rodestämme.
Schönberg, den 27. November 1884.
Der Oberförster:
C. Hottelet.
Als Verlobte empfehlen sich:
Sophie Schwedt
Fritz Oldörp
Schlutup. Selmsdorf, z. Z. Altona.
Nr. 355.
Unwiederrufliche Ziehung
Donnerstag, den 11. Dezember 1884
der gewinnreichsten letzten
München-Giesinger
Kirchenbau-Lotterie.
15200 Gewinne 161500 Mark.
Haupttreffer:
50000 Mark
nur baar Geld ohne jeden Abzug.
Loose à 2 Mark
gegen Postanw. Briefm. und 30 Pf. für Frankatur und offizielle Gewinnliste bei
Alb. Roesl, General-Agentur, München.
Am Sonntag d. 7. d. M.
Concert (Sreichmusik)
Anfang Abends 8 Uhr
Entree à Person 50
Familienbillet à 1,00 M.
Nach dem Concert
Ball.
Um recht zahlreichen Besuch eines geehrten hiesigen, sowie auswärtigen Publikums bitten ergebenst
Die Vereinsmusiker.
Schönberg i/M. d. 1. December 1884.
Särge
von Eichen= & Tannenholz hält stets vorräthig und empfiehlt
Kiel & Rindfleisch.
[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 2]Zum ersten Male hier zu sehen.
Ausstellung einer
kunstreichen Uhr.
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Diese merkwürdige Uhr ist am 4., 5., 6., 7. und 8. d. M. in dem Saale der Wittwe Köster im hiesigen Orte zu Jedermanns Ansicht ausgestellt.
Diese Kunstuhr ist das neueste, schönste und kunstreichste Uhrwerk, welches bisher bekannt. Dieselbe nimmt einen Raum ein von 200 Kubikfuß und wiegt 15 Centner. Sie zeigt an die Secunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate und schreibt von selbst mit jedem neuen Jahre eine andere Jahreszahl und alle 4 Jahre eine neue Schaltjahrszahl. Die Zahl 1 ist die erste und die Zahl 9999 die letzte Jahreszahl, welche die Uhr zu schreiben im Stande ist. Als Schaltjahrszahl ist die Zahl 4 die erste und die Zahl 9996 die letzte. Demnach zeigt diese Uhr alles Obengenannte richtig an, bis das Jahr 10,000 erfolgt ist. Dann erst muß der Mechanismus verändert werden. Ferner sind an dieser Uhr 122 verschiedene Figuren, durchgehends von 1/2 Fuß Höhe, angebracht, welche sich zu verschiedenen Zeiten bewegen, wodurch sie das menschliche Leben und die Zeiten versinnbildlichen, wie zum Beispiel:
1. Der Viertelschläger.
Er zeigt bei jeder 15. Minute das betreffende Viertel der Stunde mit dem Hammer an die Glocke an.
2. Der Genius.
Er zeigt an einer sich umdrehenden Scheibe stets das richtig geschlagene Viertel an.
3. Die vier Menschenalter,
Kind, Jüngling, Mann und Greis. Bei dem 1. Viertel erscheint das Kind. Es bleibt 15 Minuten sichtbar, worauf es verschwindet und der Jüngling hervorkommt. Ebenso erscheint bei dem 3. Viertel der Mann und beim 4. der Greis.
4. Der Tod.
Diese Figur, förmlich den Tod vorstellend, schlägt nach dem Erscheinen des Greises die volle Stunde aus.
5. Der Schutzengel.
Er beschützt das Kind, den Jüngling und den Mann vor dem Ausschlagen des Todes in sinnbildlicher Beziehung.
6. Die zwölf Apostel,
deren bei jedem Stundenschlag einer hervortritt, bis bei der 12. Stunde alle 12 nach einander erscheinen.
7. Eine Figur, Christus
vorstellend, welche bei dem Vorüberziehen der Apostel jeden Einzelnen mit beiden Händen einmal segnet.
8. Der mechanisch krähende Hahn,
welcher beim Erscheinen des Apostels Petrus, die Flügel schlagend, dreimal kräht.
9. Der Glöckner und der Greis.
Des Morgens, Mittags und Abends läutet der Glöckner die Betglocke, wobei der Greis mit gefalteten Händen auf die Knie sinkt.
10. Die große Musikuhr,
welche durch eine Figur, einen Italiener vorstellend, alle 6 Stunden in Bewegung gesetzt wird und 16 laute, kräftige Stücke spielt.
11. Die 7 heidnischen Götzenbildnisse,
deren je eins um 12 Uhr Mitternachts erscheint und 24 Stunden lang den betreffenden Tag vorstellt, weil von diesen Bildnissen die Namen der Wochentage abstammen.
12. Die zwölf himmlischen Zeichen,
als da sind: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs u. s. w., von welchem mit jedem neuen Monat eines erscheint und erst im folgenden Monat verschwindet.
13. Die vier Jahreszeiten,
Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Am 21. März des Nachts um 12 erscheint der Frühling als Gärtner mit einem Spaten und einem Blumenstrauß. Er bleibt sichtbar bis zum 22. Juni, dann kommt der Sommer als Landmann mit der Sense und Rechen. Auf dieselbe Weise kommt am 21. September der Herbst als Winzer mit Traube und Weinkorb und am 21. December der Mann mit dem Pelzmantel.
14. Die vier Kirchenjahreszeiten.
Am 21. März die Auferstehung Christi oder das Osterfest am 21. Juni die Sendung des hl. Geistes oder das Pfingstfest, am 21. September das jüngste Gericht oder Allerheiligen und am 25. December die Geburt Christi oder das Weihnachtsfest.
15. Das ganze Leiden Christi,
in 14 Bildnissen dargestellt. Von denen mit jedem neuen Tage bei dem Schlage 12 des Mittags abwechselnd 2 andere erscheinen.
Auch ist an dieser Uhr die Umdrehung der Erd= und Mondkugel angebracht. Die Mondkugel dreht sich alle 12 Monate 13 mal um die Erde, wodurch sie stets aufs Genauste die verschiedensten Lichtgestalten des Mondes hervorbringt; die Erdkugel dreht sich alle 24 Stunden einmal um sich selbst, wodurch man mit Bestimmtheit die richtige Tageszeit um den ganzen Erdball herum angeben kann. Und in einem Jahre dreht sich die Erdkugel in einer eliptischen Form einmal um die Sonne, woraus die 4 Jahreszeiten entstehen. Diese Kunstuhr zählt 265 Räder ohne alle Getriebe, geht durch einen Perpendikel und 12 Gewichte, von welchen auf 5 Fuß Fall das erste nach 8 Tagen und das 12 nach 1000 Jahren einmal aufgezogen wird.
Sämmtlich Beweise über die obige Eigenschaften der Uhr werden geehrten Besuchern geliefert und alle Bewegungen genau erklärt. Diese Kunstuhr wurde nach dreijähriger mühevoller Arbeit am 1. October 1874 vollendet.
Die Erklärungen finden statt: Nachmittags um 3 Uhr, um 5 Uhr und um 8 Uhr.
Die Eintrittspreise sind: 1. Platz zum Sitzen 50 . 2. Platz zum Sitzen 40 ., zum Stehen 30 ., Kinder zahlen die Hälfte. Es wird höflichst ersucht, Kinder, die auf dem Arme getragen werden müssen, nicht mitzubringen.
Es ladet zu zahlreichem Besuch hochachtungsvoll ein
der Erfinder und Verfertiger
Wilhelm Martin, Uhrmacher aus Coblenz.
[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 3]Reiner Colonial=Zuckersirup
Succade, candirte und trockene Pommeranzenschalen, gereinigte Pottasche auch sämmtliche Gewürze in bester Qualität empfiehlt
J. Ludw. D. Petersen.
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Aug. Spehr.
Gelbe Kocherbsen
empfiehlt
J. Ludw. D. Petersen.
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Dr. jur. Deiss,
Rechtsanwalt & Notar
Lübeck
Breitestrasse b/St. Jacobi 778.
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W. Nothdurft.
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Stadttheater in Lübeck.
Sonnabend, den 6. Dezember 1884:
Vierte Nachmittags=Vorstellung für auswärtige Theaterbesucher.
Anfang präcise 31/2 Uhr.
Wallenstein Trilogie.
In Scene gesetzt von Director Hasemann.
2. Nachmittag.
Wallensteins Tod.
Trauerspiel in 6 Acten von Fr. v. Schiller.
Wallenstein Herm. Müller, Hanno Octavio Julius Pilentz, Max Carl von Zeska, Gräfin Terzky Emma Griebe, Herzogin Lina Krüger Rosee, Thekla Ilse Gerson.
Anfang präcise 3 1/2 Uhr. Ende nach 1/2 7 Uhr.
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C. Schwedt.
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J. Ludw. D. Petersen.
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J. Ludw. D. Petersen.
[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 4]Meine
Weihnachts-Ausstellung
in den neuen, großen Räumen ist eröffnet, und bitte freundlichst, dieselbe anzusehen.
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Piano=Lampen und Benzinleuchter.
Todesanzeige.
Heute Morgen am 30. November 7 3/4 Uhr entschlief sanft nach langem Leiden unsere liebe Mutter und Schwiegermutter die Hauswirthswittwe Grevsmühl geb. Kock zu Roduchelsdorf, tief betrauert von
den Hinterbliebenen
Die Beerdigung findet am Freitag, den 5. Dezember, Mittags 12 Uhr von Roduchelsdorf, um 1 Uhr zu Lübsee statt.
Englisches Salz
empfiehlt Johs. Kummerow.
Besten Engl. Syrup,
sowie sämmtliche Gewürze empfiehlt in bester Waare
A. Wigger Nachfolger.
Englisches Salz
empfiehlt
A. Wigger Nachfolger.
Englisches Salz
empfiehlt
J. Ludw. D. Petersen.
Nr. 354a. Bekanntmachung.
Die Ziehung unserer letzten Lotterie ist
definitiv und unwiderruflich
Donnerstag den 11. December 1884.
München, 12. November 1884.
Katholische Kirchenverwaltung Giesing (München.)
Zu einer Weihnachtsbescheerung für arme Kinder erbitten wir freundliche Gaben aus der Gemeinde und ersuchen solche gütigst bis zum 18. d. M. uns zukommen zu lassen.
Schönberg, den 9. December 1884.
Kaempffer. Langbein.
Lohnender Verdienst.
Solide, tüchtige Personen eines jeden Standes werden als Agenten für den Vertrieb von gesetzlich erlaubten, leicht verkäuflichen Staats= und Prämien=Loosen, unter äußerst coulanten Bedingungen angestellt. Offerten an Bankhaus Max Grünwald, Frankfurt a. M.
Gut brechende grüne und gelbe
Kocherbsen
und
Victoria Erbsen
empfiehlt
W. Wieschendorf.
Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
"Der heutigen Nummer unserer Gesammtauflage liegt ein Prospect des Bankhauses Mindus &am; Marienthal in Hamburg bei, worauf wir unsere verehrlichen Leser besonders aufmerksam machen."
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 5]Beilage
zu Nr. 95 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 2. December 1884.
Nach einer längeren finanziellen Auseinandersetzung des Staatssecretärs vom Schatzamte, Herrn Burchard, in welcher er rücksichtlich der Mehrbelastung von 40 1/2 Millionen die Lage als weniger günstig wie im vorhergehenden Jahr bezeichnen zu müssen glaubte, begann am 27. ds. im Reichstage die Berathung des Staatshaushaltes. Finanzminister von Scholz, gibt die tröstliche Versicherung, die finanzielle Lage des Reiches sei immer noch derart, daß alle Bedürfnisse in ordnungsmäßiger Weise ohne allzustarke Inanspruchnahme der Steuerzahler gedeckt werden könnten.
Interessant war auch, was Bismarck über das Anwachsen der Sozialdemokratie äußerte: Kopfschmerzen mache ihm dasselbe keineswegs, im Gegentheil die Partei werde, je größer sie werde, sich ihrer wirklich erreichbaren Ziele besser bewußt. Dies sei bis jetzt noch wenig der Fall gewesen. Wenn uns die Sozialdemokraten doch nur einmal ein Bild von der Zukunft ihrer Plänen geben wollten! Treten Sie doch einmal hervor und zeigen Sie, wie's gemacht wird! Eine Kritik ist leichter, als das Bessermachen. Jetzt sind Sie 25, also über zwei Dutzend, ich lasse Ihnen auch noch das dritte Dutzend, wenn Sie aber 36 sind, dann treten Sie endlich hervor mit Ihrer Verfassung - sonst muß ich glauben, Sie können nicht. (Heiterkeit.) Malen Sie uns doch mal ihr Eldorado auf den Tisch! Ich glaube, wenn Sie mit Ihren Plänen vor Ihre Wähler treten, so werden sie nicht mit Allem einverstanden sein! Man unterschreibt ja Manches, was man nicht kennt - selbst ich thue das manchmal. (Heiterkeit.) Jetzt sind Ihre Anhänger nur Unzufriedene, die von Ihrer Zukunftspolitik noch etwas hoffen; anderen Parteien haben sie schon auf den Grund gesehen, wie z. B. der Fortschrittspartei, von der erwarten Sie nicht viel mehr. Alle diese Unzufriedenen haben keine Ahnung von Ihren Zukunftsplänen, es sind sogar zum Theil königstreue Leute darunter. Es wird zur Beruhigung Aller dienen, wenn Ihr Programm bekannt wird. Man wird das Schreckbild sehen und die Reihen Ihrer Anhänger werden sich sehr lichten. (Oho! Links!) Ich möchte Ihnen wohl einmal eine Provinz in Entreprise geben, wo Sie wirthschaften könnten! (Heiterkeit!)
Bismarck thut einen Schachzug nach dem andern gegen England. Jetzt hat er, und zwar im Verein mit Rußland, die Ernennung eines deutschen Vertreters in der internationalen Schuldencommission Egyptens beim Khedive beantragt. Natürlich muß er dabei seiner Sache gewiß sein, denn sonst würde er den Antrag nicht stellen. Inzwischen hat England der Times zufolge den Mächten neue Vorschläge hinsichtlich der egyptischen Finanzverhältnisse unterbreitet. Da muß man doch fragen, ob Bismarck sich auf eine zweite Londoner Conferenz einlassen wird.
Das seit lange drohende Unwetter in Südafrika scheint nunmehr zum Ausbruch kommen zu sollen. Die Boeren, die das Betschuanenland besetzt haben, wollen der Aufforderung der Engländer auf Räumung des Gebietes nicht Folge leisten und so ist denn der zweite Boerenkrieg unausbleiblich. Das Ereigniß dürfte nicht ohne besondere Tragweite bleiben.
Die Kosten des Nord=Ostsee=Kanals (Kriegsmarinekanal) sind auf 121 1/2 Millionen Mark veranschlagt.
Ueber die Remedur (lat. Nase) an die Berliner medizinische Facultät in Sachen Schwenninger liest man, daß der Cultusminister von Goßler ihr vorgehalten, daß sie gar nicht berechtigt sei, über das nichtamtliche Verhalten eines außerordentlichen Professors in solcher Weise wie geschehen zu Gericht zu sitzen, zumal derselbe als solcher ihr nicht einmal angehöre. Sodann aber sei es auch nicht in der Ordnung eine solche Beschlußfassung in die Oeffentlichkeit zu bringen; sie hätte Amtsgeheimniß bleiben müssen.
In Nordamerika wüthet wieder der Eisenbahnkrieg. Die Gesellschaften überbieten sich im Herabsetzen der Fahrpreise. Von Chicago nach Saint Louis kann man jetzt erster Klasse für 3 1/2 Dollar fahren, während der Preis sonst 10 1/2 Dollar beträgt. Auf den Kilometer berechnet, machte das noch nicht 2 1/2 . aus. Wenn es so weitergeht wird es sich wiederholen, daß man wie es vor mehren Jahren der Fall war, Strecken von mehren hundert engl. Meilen für einen Dollar oder gar für 50 Cents fährt.
Sehr nützliche und nachahmenswerthe Anstalten sind die Haushaltungsschulen für Bauerntöchter in Württemberg. Die Bayern habens sich sagen lassen und beginnen jetzt auch mit der Errichtung solcher Schulen.
Seit 9 Jahren ist der Ausschuß für Beobachtungs=Stationen der Vögel Deutschlands bemüht, möglichst zahlreiche Beobachtungsnotizen über das Vorkommen, die Zug= und Brutverhältnisse der Vögel Deutschlands zu sammeln und diese in regelmäßigen Jahresberichten zu veröffentlichen. Ostern dieses Jahres beschloß der 1. internationale Ornithologen=Congreß zu Wien diese ornithologischen Beobachtungen auf die ganze bewohnte Erde auszudehnen und wählte ein Comitè, das aus Ornithologen der meisten Länder der Erde besteht. Unter dem Protectorate Seiner Kaiserlichen, Königlichen Hoheit des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich sind der Präsident des Comités Dr. Rudolf Blasius in Braunschweig und der Secretair Dr. Gustav von Hayek in Wien unablässig bemüht gewesen, diese Einrichtungen, die jetzt in Nordamerika, England, Dänemark, Oesterreich und Deutschland bestehen, auch in anderen Ländern anzuregen. - Deutschland darf nun in diesem edlen wissenschaftlichen internationalen Wettkampfe nicht erlahmen, zahlreiche Lücken sind, trotz neunjähriger Beobachtung, in Betreff des Vorkommens, des Zuges und der Brutverhältnisse der Vögel in Deutschland noch auszufüllen und da kann Jeder, der die Vogelwelt seines Wohngebietes kennt, mit helfen. - Jede, auch die anscheinend geringfügigste Beobachtung kann dazu dienen, die Lücken unseres Wissens auszufüllen! Jeder der an diesem wissenschaftlichen Werke mitarbeiten will, wird gebeten seine Adresse an den Vorsitzenden des Ausschusses für Beobachtungsstationen der Vögel Deutschlands, Herrn Dr. Rudolf Blausius in Braunschweig einzusenden, der bereit ist, die nöthigen Instructionen, Schemata und Fragebogen zuzusenden und die Verarbeitung der später eingehenden Beobachtungsnotizen veranlassen und den Jahresbericht den Beobachtern zustellen wird. -
- In der Kellerei im ehemaligen Kloster Eberbach am Rhein lagern in Halbstücken (= 600 Liter) die Kabinetsweine, das Ausgesuchteste, was der Rheingau hervorbringt, namentlich auch der Steinberger Kabinetswein. In diesem Keller pflegten die Herzöge von Nassau das Auserlesenste eines jeden Jahrganges und jeder hervorragenden Lage aufzustapeln, theils um damit Geschenke an befreundete hohe Persönlichkeiten zu machen, theils zum eigenen Gebrauch, theils und hauptsächlich aus einer Art Sammeleifer. In eben diesem Kabinetskeller hat der letzte Herzog von Nassau manches fröhliche Fest abgehalten, bei dem die Fässer, beleuchtet von Hunderten von Kerzen, sämmtlich angestochen waren, die Küferburschen das Amt des Mundschenks versahen und Militärmusik, auf oder hinter den Fässern sitzend oder stehend, ihre lustigsten Weisen zum Besten gab. Im Jahre 1866 wurde der herzogliche Wein vor den anrückenden Preußen nach Straßburg geflüchtet und später erst nach Ordnung aller Verhältnisse, im herzoglichen Schlosse zu Biebrich eingekellert, woselbst er noch liegt. Nach dem Jahre 1866 befolgte die preußische Verwaltung
[ => Original lesen: 1884 Nr. 95 Seite 6]das nassauische Beispiel insofern, als auch sie die besten und charakteristischsten Weine eines jeden Jahrgangs im Kabinetskeller unterbringt. In den Handel kommen und kamen diese Weine nie; zum Theil gehen sie nach Berlin an den kaiserlichen Hof gegen Erlegung des von vereideten Taxatoren festgestellten Preises. Diese Taxe fällt zuweilen recht hoch aus; das heute noch vorhandene beste Faß Kabinetswein (ein halbes Stück 1868er Steinberger) war Ende der 70er Jahre auf 24 000 M., also auf 40 M. das Liter, 30 M. die gewöhnliche Rheinweinflasche geschätzt. Unser Führer versicherte, daß er mit 30 Frauenzimmern 30 Tage lang jede einzelne Beere zu diesem Halbstück ausgelesen habe. Wir selbst gehören zu den wenigen Sterblichen, welche das Glück gehabt haben, diesen Wein zu kosten; wir wissen kein würdiges Lob für ihn, wollen nur gestehen, daß wir gar ihn in fröhlichen, noch öfter als Sorgenbrecher in trüben Stunden herbeigewünscht haben. Wir sagten eben, daß die Domäne - und ebenso verfährt die fürstlich Metternich'sche Verwaltung auf Schloß Johannisberg - Kabinetsweine niemals zum Verkauf bringe. Der Leser wird daraus entnehmen, daß der Weinhändler oder Wirth, welcher etwa "Steinberger Kabinet" auf seiner Preisliste führt, damit ziemlich unverfroren mit der Unkenntniß des Publikums rechnet. Es gibt nicht allzuviel der Glücklichen, die jemals unvermischten Steinberger getrunken haben. Dieser, wie die meisten Rheingauer Weine, wird mit andern, weniger theuren Weinen verstochen, wenn's gut geht, im Verhältniß von 1 : 3 oder 1 : 4, und so seltsam es lauten mag, dem Publikum erwächst daraus keinerlei Nachtheil. Die meisten, selbst die besten Rheingauer Weine haben nämlich einen entschieden herben Geschmack, und trotz ihres Feuers, trotz ihres Reichthums an Alkohol und trotzt ihres Bouquets liegen sie "dünn" auf der Zunge. Alle diese Mängel schwinden nicht nur beim Verstich mit "vollerm" Wein, sondern das Bouquet macht sich auch viel kräftiger geltend, und endlich haben die Rheingauer Weine so unendlich viel "Rasse," daß sie einer drei= bis vierfachen Menge andern Weines ihren Charakter aufzudrücken vermögen. Der Verstich liegt somit, wenn geschickt aufgeführt, im Interesse des Trinkers ebensowohl wie in dem des Händlers.
- In Berlin ist schon seit 1879 ein Student bei der Straßenreinigung thätig, um sich die Mittel zur Fortsetzung seines Studiums zu schaffen. Jetzt nachdem die Sache mehr bekannt wird, beeilt man sich von verschiedenen Seiten, dem jungen Mann unter die Arme zu greifen. Ein Professor hat sich erboten, ihn während 6 Monaten mit je 50 Mark zu unterstützen. Ein kurioser Kauz scheint der Student nebenbei doch zu sein, denn er hat verschiedene an ihn ergangene Anerbieten zu bequemerer und mehr angemessener Beschäftigung abgelehnt. Die Beschäftigung als Straßenkehrer scheint ihm daher gar nicht unangenehm zu sein. Dieser Fall erinnert übrigens an den berühmten Afrikareisenden und Missionär Livingstone, der, um die Kosten seines Studiums aufzubringen, immer ein halbes Jahr in einer Fabrik arbeitete und dann das Studium wieder aufnahm.
- Der Potsdamer Prozeß gegen die Landgerichtspräsidentin Zaucke in Glogau, die wegen vielfacher anonymer Schmähbriefe verurtheilt wurde, hat kürzlich ein Nachspiel gehabt. Ihr Gemahl, der sich ihrer allzu lebhaft angenommen hatte, wurde durch Disziplinar=Erkenntniß aus dem Justizdienst entlassen. Freiwillig zurückzutreten hatte er sich geweigert.
- Bestrafte Wegelagerer. Die "Köln. Ztg." erzählt folgenden Vorfall: Dieser Tage gegen Mitternacht schreitet ein Wanderer auf der Landstraße zwischen Nippes und Köln einher, gemüthlich und furchtlos, obgleich es die Stunde der Gespenster ist und der Himmel pechrabenschwarz über ihn sich ausbreitet. Er kommt bis zu dem an der Straße stehenden Kreuze; da tritt ihm ein baumlanger Kerl entgegen, der faßt ihn an. "Schuft!" ruft unser Wanderer aus, zugleich fällt ein Faustschlag auf das Gesicht des Angreifers und dieser stürzt zu Boden wie ein Stier, den der Stahl der Schlachtmaske getroffen. Doch in demselben Augenblicke heben sich aus dem Chausseegraben zwei andere Kerle empor. Der eine schwingt einen schweren Knüttel, dieser fliegt zur Seite und dann - wieder ein schallender Schlag, und wieder liegt der Angreifer am Boden. Nun stürzt der Dritte auf den Gewaltigen los und springt ihm auf den Rücken. Doch schon ist er mit einem Ruck nach vorn gezogen. Zur Liebe kann ich Dich nicht zwingen" - sagt unserer Wanderer -, "aber an meine Brust muß ich Dich drücken!" Dabei umschlingt er ihn mit seinen mächtigen Armen. Zwar drückt er bei dieser zärtlichen Umarmung dem Chausseegraben=Männlein das Herz nicht entzwei, aber das stößt einen Jammerschrei aus, denn es kracht ganz eigenthümlich in seinen Rippen und - der dritte Wegelagerer legt sich nun auch neben seine beiden stillen Genossen. "Die waren an den Unrechten gekommen", denkt gewiß unser freundlicher Leser. Ja wohl, sehr an den Unrechten, an ein Mitglied des Kölner Athletenklubs, welches allwöchentlich nur so zum Vergnügen mit Centnergewichten Fangball spielt. Wohl bekomms dem Kleeblatt und möchten Alle, welche die Wege unsicher machen, immer solch herkulischen Armen und Fäusten begegnen!
- Im Schwurgerichtssaale zu Paris erschoß die Frau des der äußersten Linken angehörenden Abgeordneten Hugues mit dem Revolver einen gewissen Morin, der sie früher verleumdet hatte.
- Die Stadt Homonna im Zempliner Comitat war am letzten Sonntag der Schauplatz eines furchtbaren Kampfes. Während die Leute sich in der Kirche versammelten, drangen 120 Wölfe in die Stadt und gelangten bis zum Kirchplatze. Das erschreckte Volk schloß die Kirchenthüren; die in Homonna stationirten Ulanen eilten zu Pferde herbei, um Hülfe zu bringen; doch die ausgehungerten Bestien fielen über die Soldaten her und zerfleischten zwei derselben und 7 Pferde. Erst gegen Abend verließen die Wölfe den Ort.
- Nach einem berühmten Muster. A.: "Wissen Sie, College, die Berliner Schneider verstehen nicht zu arbeiten. Ich lasse mir meine Civilkleider immer in Paris anfertigen." - B.: "Na, zum Teufel, Sie sind ja nie in Paris gewesen; wo hat denn der Kerl dort die nöthigen Maße her?" - A.: "Das war ganz einfach! Schrieb an einen berühmten Schneider in Paris: "Schicken Sie mir zwei Anzüge in den und den Farben. Maß dazu nehmen Sie im Louvre am Apollo von Belvédère". Anzüge haben immer gepaßt.
- Aufrichtiges Geständniß. Karlchen: "Großpapa, ich gehe jetzt gar nicht mehr nach Hause; ich bleibe ganz bei Dir". - Großpapa: "Aber Karlchen, warum willst Du denn nicht nach Hause gehen?" - Karlchen (weinerlich): "Ach, da muß ich den ganzen Tag immer so dumme Verse lernen." - Großpapa: "Verse? Und wozu das?" - Karlchen: "Na, zu Deinem Geburtstag, Großpapa."
Im tiefen Schnee!
Piep, piep! - Wie wintert, wie wintert es wieder!
Piep, piep! - So eisig durchs warme Gefieder
Bis auf die Haut die Kälte uns dringt! -
Piep, piep! - und doch giebt es Eins noch viel schwerer:
Das Feld, es ist unser lieber Ernährer,
Ringsum verschneit, die Geißel schwingt -
Piep! - Hunger bei Schneesturmes eisigem Wehen!
Piep! durch das Thal, - piep! um die Höhen
Der Sterbegesang uns wieder erklingt. - -
Ihr könnt uns retten, Ihr großen Brüder;
D'rum bitten wir: Oh! O, streuet uns wieder
Nur ein paar Brocken, ein wenig Schrot! -
Erbarmet, erbarmt Euch uns'rer Noth! - -
Und kommt dann aus Himmelshöhen hernieder
Der Lenz, dann jubeln und singen wir wieder
In Lüften, im Felde, im Hag, in der Haide,
Im Tannenwald und am Bach auf der Weide
Ins Herz Euch hinein unsre dankbaren Lieder!
Amsel, Lerche, Fink und Meise,
Auch Spatzen bunte, blaue und greise.
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