[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 1] Politische Rundschau.
Mecklenburg. Die Ritterschaft hat den von dem ritterschaftlichen Theil der Kommission ausgearbeiteten Entwurf einer Landesverfassung mit 110 gegen 82 Stimmen angekommen unter dem Vorbehalt, daß man sich im Laufe weiterer Verhandlung auch über den weiteren Inhalt der landesherrlichen Vorlage einige, und darauf wurde in der Landtagssitzung vom 27. Februar beschlossen, den Kommittenbericht, sowie die in Betreff desselben gefaßten Standesbeschlüsse den beiderseitigen Herren Landtagskommissarien mitzutheilen. Wenn die Landschaft auch weiter starr auf dem einmal eingenommenen negativen Standpunkt des bloßen Neinsagens verharrt, wird voraussichtlich auch die diesjährige Landtagssession die Verfassungsfrage nicht weiter fördern, als die vorjährige, und wir treiben möglicherweise einem beklagenswerthen Eingreifen der Reichsgewalt entgegen, beklagenswerth deswegen, weil, wer seinen Rock sich selber machen kann und doch die Form desselben sich von andern vorschreiben läßt, nicht männlich handelt.
Da die jetzigen beiden mecklenburgischen Stände zugleich kirchliche Stände sind, ein Charakter der übrigens auf die in Aussicht genommene, ohne Unterschied der Konfession zu berufende neue Landesvertretung nicht übergehen kann, so steht dem jetzigen Landtag auch eine Theilnahme au der Berathung und Beschlußfassung über die innren Angelegenheiten unserer ev. luth. Kirche zu, und ist demselben am Montag durch ein Rescript der schwerinischen Regierung eine Vorlage wegen Modifikation der Kirchenverfassung in Aussicht gestellt für den Fall, daß ein Einverständniß über die Grundlagen einer Verfassungsänderung erreicht wird. Die in Aussicht gestellte Kirchenverfassung kann nach Lage der Sache und nach den Andeutungen des Regierungsrescriptes keine andere sein, als eine Synodalverfassung.
Zugleich ist dem Landtage eine Vorlage betreffend die Ablösung der Stolgebühren der Landeskirche für Proklamationen und Kopulationen gemacht worden, welche in die zur Verwendung der Kriegskosten gewählte und durch sechs Personen verstärkte Kommitte gegeben wurde. Bekanntlich erhält das vom Bundesrath beschlossene Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung am 1. Januar 1876 für das ganze deutsche Reich, also auch für Mecklenburg, Gesetzeskraft. So werden wir also vom 1. Januar 1876 an auch in Mecklenburg die Civilehe haben und den Segen derselben kennen lernen. Jedenfalls wird unser Volk zu dem Segen derselben nicht die großen Kosten rechnen, die das neue Gesetz zur Folge haben wird. Einen Schluß darauf gestatten die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses vom 18. Februar, wo konstatirt wurde, daß in Preußen schon jetzt allein für die Remunerierung derjenigen Standesbeamten und deren Stellvertretern , welche dem Staate zur Last fallen, 229,500 Rmk. verausgabt werden, und daß die Standesregister schon 226,500 Rmk. kosten. Daneben erfordert die Ausführung des Schulaufsichtsgesetzes über anderthalb Millionen. Beide Gesetze kosten also dem Staate schon über zwei Millionen Rmk. für eine Arbeit, die bisher ganz ohne Remuneration von den Geistlichen besorgt wurde! Solche neue Kosten müssen natürlich durch neue Steuern gedeckt werden.
Deutschland. Mit aller Bestimmtheit tritt die Behauptung auf, Fürst Bismarck werde schon in allernächster Zeit einen längeren Urlaub antreten, doch scheinen die sich daran knüpfenden Nachrichten von einem gänzlichen Rücktritt desselben oder von einem bevorstehenden Systemwechsel nur sehnliche Wünsche der Ultramontanen zu sein.
Das (kath.) "Schles. Kirchenblatt" befindet sich in der "seltenen" Lage, dem preußischen Kultusminister seine Anerkennung für die Liberalität desselben auszusprechen, denn der Kultusminister hat einer Anzahl Studirender der katholischen Theologie Stipendien im Betrage von je 100 Thalern bewilligt, ohne eine Bedingung oder Forderung daran zu knüpfen, und hat zugleich den Dekan der Fakultät angewiesen, jährlich 15-18 Studierende für dies Stipendium vorzuschlagen. Doch fügt das Schles. Kirchenbl. hinzu: "Sollte man von irgend einer Seite indessen die Hoffnung hegen, daß das Staatsgeld die Herrn Stipendiaten staatskatholisch machen und somit ein Mittel zur Heranbildung eines "nationalen" Klerus sein werde, so würde man sich in arger Täuschung befinden
Die Kaiserglocke soll im März nach Köln gebracht und dort in Bezug auf ihren Ton geprüft werden.
England. Die Strike der Kohlenarbeiter in Süd=Wales dauert schon über acht Wochen, und mehr als 100,000 Arbeiter sind ohne Arbeit. Die Noth unter denselben ist aufs Höchste gestiegen, und doch scheint noch keine Hoffnung auf einen baldigen Ausgleich vorhanden zu sein.
Spanien. Regierungsnachrichten sprechen von einer Niederlage der Carlisten in der Nähe von Bilbao, wobei letztere bedeutende Verluste erlitten haben sollen.
Der junge König Alfons hat bei seinem Regierungsantritt die Religionsfreiheit in Spanien gewährleistet; doch scheint dieselbe neuerdings durch ein Regierungsdekret über Eheschließung völlig illusorisch gemacht zu sein ; ja es scheint in Folge desselben eine Protestantenverfolgung zu drohen, denn die Ehe der protestantischen Ausländer wird nicht als Ehe anerkannt; die zum Protestantismus übergetretenen katholischen Priester dürfen nicht heirathen und die schon geschlossenen Ehen derselben sollen aufgelöst werden. Die Vorstände der protestantischen Missionen haben deswegen Vorstellungen an die Vertreter der auswärtigen protestantischen Mächte gerichtet.
In Japan, das sich bisher gänzlich gegen alle Ausländer abschloß, hat sich die Regierung verpflichtet, Ausländern auf Antrag der Vertreter ihrer Regierungen Pässe für das Innere zu ertheilen.
Landesnachrichten.
Schönberg, 5. März. Wenngleich es auf den ersten Blick erscheinen könnte, als ob für unser Fürstenthum die jetzt auf dem zu Malchin versammelten Landtage so lebhaft erörterte und so verschieden beantwortete Frage nach der zukünftigen Gestaltung der Mecklenburgischen Landesvertretung nicht von naheliegender Wichtigkeit wäre, so wird man doch
[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 2]bei näherer Betrachtung zugeben, daß eine tiefgreifende Veränderung in dem Lande, mit welchem wir so nahe verbunden sind, nicht ohne Wirkung auf die Gestaltung unserer Verhältnisse bleiben kann. Die Zeitungen haben freilich in diesem Jahre noch nicht berichtet, daß in Malchin überhaupt vom Fürstenthum Ratzeburg die Rede gewesen sei; im vorigen Jahre ist aber die Rede davon gewesen, und hat es sich ziemlich deutlich gezeigt, welcher Seite wir im Interesse des Fürstenthums den Sieg zu wünschen haben. Auf dem zu Schwerin im Februar vorigen Jahres abgehaltenen außerordentlichen Landtage sprach sich der Bürgermeister von Schwerin dahin aus, daß eine für das ganze Mecklenburg gültige Verfassung auch für das Fürstenthum Ratzeburg Geltung habe, weil dasselbe - Mecklenburg=Strelitz'sches Domänium sei. Der Herr Hofrath Pohle ist einer der Hauptsprecher der mecklenburgischen Liberalem, wenn auch vielleicht keiner ihrer Führer. Ihm wurde von dem Herrn Oberhauptmann von Oertzen auf Lübbersdorf erwidert, daß das Fürstenthum ein selbstständiges Land mit eigener, zu Recht bestehender Verfassung sei. Damit war damals die Sache erledigt. Man sagt oft, die Ereignisse werfen ihren Schatten schon vor sich her, ehe sie selbst kommen. Wir wollen hoffen, daß die Rede des Hofrathes Pohle nicht ein solcher, uns ein zukünftiges Ereigniß im Voraus zeigender Schatten sein möge, und deshalb hoffen, daß die Liberalen in Mecklenburg nicht zur Herrschaft gelangen. Falls dies geschähe, ist es allerdings im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Selbständigkeit des Fürstenthums nicht mehr von langer Dauer sein würde. Ueber die Verfassung würden die Herrn Liberalen mit einem eleganten Luftsprung bald wegkommen. Sie würden einfach erklären, die Verfassung sei von der Bevölkerung des Fürstenthums nicht angenommen, also nicht rechtsbeständig. Diese Deduktion würde allerdings staatsrechtlich blödsinnig sein, aber in Parlamentsreden und Zeitungsartikeln nimmt sie sich ganz gut aus, und das ist die Hauptsache. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß der Hauptgrund dafür, daß die Opposition gegen die Verfassung des Fürstenthums von der liberalen Partei so sorgfällig, zum Nachtheile der Ratzeburger, im Gange erhalten wird, eben der ist, daß sie bei der von ihnen gehofften Veränderung in Mecklenburg das Fürstenthum durch diejenige Manipulation "dem größeren Ganzen" anzugliedern hoffen, durch welche der Fuchs ein gestohlenes Huhn seinem liebenswürdigen Ich anzugliedern pflegt. Denn es ist klar, daß ihnen dies Geschäft viel schwerer werden müßte, wenn die Ratzeburger eine Vertretung hätten, durch welche sie sich wehren könnten. Denn die Leute, sich zu wehren, sind Gott sei Dank die Ratzeburger, das haben sie schon oft gezeigt. -
- Der trockene Frost soll sowohl hier im Fürstenthum als auch in dem angrenzenden Mecklenburg=Schweriner Gebiete der Landwirthschaft schon manchen Schaden zugefügt haben. Namentlich wird vielfach darüber geklagt, daß der Raps ausgewintert sei. Der Rübsen soll bisher besser widerstanden haben, jedoch hört man sogar über den Weizen, namentlich den schottischen, klagen.
- Warnemünde, 26. Februar. Ehegestern machten mehrere hiesige Schiffscapitaine sammt ihren Frauen bei einem aus Südost stürmenden Winde mit einem Segelschlitten eine Vergnügungstour auf dem Breitling. Der Schlitten, sonst in geübter Hand, wurde zu spät gewendet, kam dem Lande zu nahe, und sämmtliche Insassen lagen hinangeschleudert auf dem Lande, eine Schifferfrau davon mit gebrochenem Bein. R. Z.
- Delbrück, der unermüdliche Präsident des Kanzleramts in Berlin hat am 27. v. M. Hochzeit gehalten und reist nach dem Lande, wo die Citronen und Pomeranzen blühn, aber nicht allein, wie jener Schulmeister, "weil's zu Zweit zu theuer wäre." Sein Stellvertreter im Kanzleramt ist der Geh. R. v. Eck.
- Die Franzosen haben nach fast 4 1/2jähriger Arbeit am 24. Februar, dem denkwürdigen Jahrestage ihrer Revolution von 1848, ihre Verfassung fertig gebracht. Frankreich ist durch diese Verfassung eine conservative Republik geworden. So lautet der Name, über den's so lange Krieg gab, das Conservative soll vor allem in Errichtung eines Senates oder einer ersten Kammer bestehen. Frankreich wird also von einem auf 7 Jahre zu wählenden Präsidenten (der wiedergewählt werden kann) regiert und von einer ersten Kammer (Senat) und einer zweiten Kammer (Nat. Vers.). Der Senat besteht aus 300 Mitgliedern, von denen 75 von der 2ten Kammer, die übrigen von den Departements gewählt werden. Die 2te Kammer kann von dem Präsidenten der Republik im Einvernehmen mit dem Senat aufgelöst werden. Sitz der Regierung und der Kammern ist nicht Paris, sondern Versailles. Diese Verfassung kam endlich zu Stande durch die Verbindung der Republikaner mit den Orleanisten gegen die Bonapartisten; denn beide fürchten nichts mehr als eine Wiederherstellung eines Napoleonschen Kaiserthums.
Anzeigen.
In Sachen betreffend den Special=Concurs über das zu Schönberg an der Rottensdorfer Chaussee sub Nr. 12g belegene Wohnhaus c. p. der Arbeitsmann Arndt'schen Minorennen allhier wird der auf Sonnabend, den 13. März d. J., Vormittags 11 1/2 Uhr, anstehende Ueberbotstermin mit der Bekanntmachung hierdurch in Erinnerung gebracht, daß in dem am 20. d. M. stattgehabten ersten Verkaufstermine ein Gebot überall nicht abgegeben worden ist.
Schönberg, den 23. Februar 1875.
Großherzogl. Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Götze.
(L. S.) A. Dufft.
[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 0]Schönberg, den 3. März 1875.
Großherzogliches Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.
A. Dufft.
Verkaufs=Anzeige.
Am Freitag den 12. März c., Mittags 12 Uhr, soll in der Behausung des Hauswirths Mustin in Campow in öffentlicher Auction gegen gleich baare Zahlung verkauft werden:
1 braune Stute, 1 Phaeton.
Schlagsdorf, den 28. Februar 1875.
Krüger, Landreiter.
Holz=Auction.
Mittwoch, den 10. März d. J.,
sollen im Woitendorfer Holze, Vitenser Forste, meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden:
Eichhester, zu Nutz= und Pfahlholz tauglich,
buchen Drümme,
buchen Klafterholz,
buchen Zweigholz,
Fichten, von Leiterbaum= u. Schleet=Stärke,
birken Fuderholz.
Die Auction beginnt Morgens 9 Uhr und wollen Käufer sich beim Holzwärterhause einfinden.
Vitense, den 2. März 1875.
L. Wiegandt.
Preß=Torf verkaufen W. Heincke & Greiff.
[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 3]Wegen Verheirathung meines einen Mädchens suche ich zu Ostern oder 4 Wochen später ein gewandtes Stubenmädchen bei 120 Rmk. Lohn.
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[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 4]Warner & Bierstedt,
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Geboren: D. 17. Feb. dem Anerben Arndt zu Sabow eine Tochter. - D. 19. dem Zimmermeister Oldörp hieselbst ein Sohn. D. 19. dem Gärtner Upahl hieselbst ein Sohn. - D. 22. dem Weichensteller Horstmann vor Schönberg eine Tochter. - D. 23. dem Hauswirth Krellenberg zu Kleinfeld eine Tochter. - D. 26. dem Schulzen Hagen zu Rupensdorf eine Tochter - D. 26. dem Zimmermeister Westphal jun. hieselbst eine Tochter. - D. 26. dem Hauswirth Robrahn zu Kl. Siemz eine Tochter. - D. 28. dem Schuhmacher Streh hieselbst eine Tochter. - D. 28. dem Hauswirth Creutzfeldt zu Niendorf eine Tochter. - D. 28. dem Zimmergesell Grevsmühl vor Schönberg eine Tochter. - D. 28. dem Tischler Kloth hieselbst ein Sohn.
Gestorben: D. 23. Feb. Maria Elisabeth Lenschow, Maurergesellenfrau zu Ollndorf, geb. Retelsdorf von dort, 74 J. 9 M. alt. - D. 28. Heinrich Johann Joachim Lange, Schneidermeisters Sohn vor Schönberg, 1 J. 1 M. alt. - D. 3. März Auguste Marie Sofie Buske, Kutschers Frau zu Hof Lockwisch, geb. Hinzelmann von Selmsdorf, 31 J. 10 M alt.
Copulirt: D. 26 Feb. Hans Heinrich Freitag, Hausw. zu Kl. Bünsdorf, und Catharina Elisab. Wigger zu Gr. Siemz.
Freitag, 5. März, Vormittags 10 Uhr.
Passionspredigt: Pastor Fischer.
Sonntag, den 7. März.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Nachmittags=Kirche: Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Fischer.
Getreide=Preise in Lübeck. |
Waizen | 16 | M | 50 | |
bis | 17 | M | 70 | . |
Roggen | 14 | M | - | |
bis | 15 | M | - | . |
Gerste | 15 | M | 50 | |
bis | 16 | M | 24 | . |
Hafer | 16 | M | 50 | |
bis | 17 | M | 10 | . |
Erbsen | 16 | M | - | |
bis | 18 | M | 50 | . |
Wicken | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Buchwaizen | 14 | M | - | |
bis | 15 | M | 60 | . |
Winter=Rappsaat | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Winter=Rübsen | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Schlagleinsaat | 21 | M | - | |
bis | 22 | M | 24 | . |
Markt=Preise in Lübeck. |
Butter pr. 500 Gr. M | 1,04 - 1,12 . |
Hasen das Stück M | 3,00 . |
Enten d. S. M | 2,70 . |
Hühner d. St. M | 1,35 - 2,80 . |
Tauben d. St. M | 0,30 - 0,45 . |
Spickgans d. St. M | 2,25 - 3,00 . |
Schinken pr. 500 Gr. M | 0,75 - 0,82 . |
Schweinskopf pr. 500 Gr. M | 0,37 - 0,45 . |
Wurst pr. 500 Gr. M | 0,75 - 1,08 . |
Eier 4 - 5 St. für M | 0,30 . |
Kartoffeln pr. 10 Lit. M | 0,60 . |
(Hierzu eine Beilage).
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 5]Beilage
zu Nr. 19 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 5. März 1875.
Das Geheimniß. Erzählung von Emil Weifenbach. (Fortsetzung.)
[ => Original lesen: 1875 Nr. 19 Seite 6]Das Geheimniß. Erzählung von Emil Weifenbach. [Fortsetzung.]
- Dem preußischen Abgeordnetenhaus ist eine Denkschrift über den Bau einer würdigen Begräbnißstätte für das preuß. Königshaus zugegangen.
- Den Lehrern sagt man nach, daß sie nicht immer auf den Staat gewartet, sondern sich selber schöne Zulagen verschafft haben, indem sie die wohlhabendsten Mädchen heimführen. Jungfer Gertrudis Katharine Westenberger in Erbach bei Eltville hat dies ihrem Vater und seinen Collegen abgelernt und sich mit dem Prinzen August v. Sayn=Wittgenstein verlobt und auch sogleich aufbieten lassen. Diese Lehrertochter ist das schönste Mädchen weit und breit.
- Im "Nassauer Boten" annoncirt ein Buchhändler "Die vollständige Fastenküche," eine Anleitung zur Berathung von "mehr als 300 Fastspeisen." Verfasserin dieses Werkes ist eine Person, die das Fasten aus dem F. F. versteht (und dabei dick und fett geworden ist), denn sie selbst nennt sich eine "Pfarrhofs=Köchin seit vielen Jahren."
- Für die Härte des Winters im hohen Norden zeugt, daß die Lappen in diesem Jahre viel weiter südlich Zuflucht suchen wie sonst. Am 23. Januar hatten einige Lappenfamilien ihr Lager auf dem Eise vor dem Hafen der Stadt Sundswalle am Bottnischen Meerbusen aufgeschlagen. Jung und Alt zog natürlich hinaus, um die seltenen Reisenden in nächster Nähe zu betrachten. Sie nahmen freiwillige Gaben an und benutzten auch die Gelegenheit, einige Rennthiere zu verkaufen, jedoch nur geschlachtete: wegen des Aberglaubens, der Verkauf lebendiger Rennthiere bringe Unglück. Gegen 3 Uhr brach die Horde ab. Ein Wort der Lappen veranlaßte die kleinen lebhaften Hunde, die Rennthiere zusammenzutreiben, und fort ging es über das Eis weiter gen Süden. Die Anzahl der Thiere wurde auf 800-1000 Stück geschätzt. Von den Besitzern war die Zahl nicht zu erfahren gewesen, da diese Angabe ihrer Meinung nach den Tod der ganzen Heerde zur Folge gehabt haben würde.
- Die schönsten Mädchen Englands waren im vorigen Jahrhundert die Schwestern Maria und Elisabeth Gunnings. Als sie 15 und 16 Jahre alt waren, siedelte ihre kluge Mutter von ihrem Landgütchen in Irrland nach der Hauptstadt Dublin über, wo sie sogar an den Hof des Königs gezogen wurden und Alt und Jung im Sturm eroberten. Im Jahre 1750 gings nach London, wo sie fast noch mehr Aufsehen machten. Der berühmte Staatsmann Walpole schreibt von ihnen: "Von den beiden Miß Gunnings spricht man zwanzigmal mehr als von der hohen Politik, es sind zwei arme irische Mädchen, die man für die schönsten lebenden Wesen erklärt. Sie können nicht aus dem Hause gehen, ohne einen Auflauf zu verursachen." Die ältere Maria heirathete den Lord Coventry, einen der reichsten Männer Englands und stürzte sich aus Eitelkeit in den Strudel der Gesellschaft. Sie schminkte sich zum Tode; obgleich sie nach dem Urtheil Lord Chesterfield's, des größten Kenners weiblicher Schönheit, den Rosen und Lilien ihrer Wangen nicht nachzuhelfen brauchte, machte sie doch von Roth und Weiß den unmäßigsten Gebrauch; alle Warnungen der Aerzte halfen nichts, sie ließ nicht von dem tödtlichen Gift, selbst als sie schon die Schwindsucht hatte. Im letzten Jahre ihres Lebens ließ sie sich vor Niemand mehr sehen. Die Schminke hatte auf ihren Wangen solche Zerstörungen angerichtet, daß sie ein Abscheu geworden war; selbst auf ihrem Todtenbette ließ sie sich die Arzneien durch die Vorhänge reichen, um ihren Wärterinnen unsichtbar zu bleiben. - Elisabeth Gunnings verheirathete sich mit dem Herzog von Hamilton; er sah sie auf einem Balle und ließ sofort den Pfarrer holen, der sie traute. Da keine Eheringe vorhanden waren, nahm man Ringe von einem Bettvorhange. Sie wurde furchtbar hochmüthig und lebte nicht glücklich. Nach dem Tode des Herzogs (1758) vermählte sie sich mit dem Herzog von Argyle und starb 1790, 57 Jahre alt.
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