No. 87
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 30. Oktober
1866
sechsunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1866 Nr. 87 Seite 1]

- Die Haupt=Bestimmungen des preußisch=sächsischen Friedens=Vertrags sind folgende: Sachsen tritt dem norddeutschen Bunde bei. Reorganisation der sächsischen Armee, sobald Bestimmung für den norddeutschen Bund auf Basis preußischer Bundes=Reform=Vorschläge festgestellt sein wird. Inzwischen wird der Königstein Preußen eingeräumt und behält gemischte Besatzung, ebenso Dresden. Beurlaubung aller entbehrlichen Mannschaften; bis die Reorganisation erfolgt, stellt Preußen die zu Sachsens Besatzungen nöthigen Truppen, sämmtliche zurückgekehrte Sachsen treten bis auf Weiteres unter Oberbefehl des höchstcommandirenden preußischen Generals in Sachsen. Kriegs=Entschädigung zahlt Sachsen 10 Millionen Thaler abzüglich einer Million für Abtretung der Eisenbahn=Strecke Löbau=Görlitz, drei Zahlungs=Termine bis Ende April 1867. Zollvereins=Vertrag bleibt mit sechsmonatlicher Kündigung. Sachsen fördert den Eisenbahn=Bau Leipzig=Pegau=Zeitz. Preußen erhält alleiniges Recht zur Ausübung des Telegraphen=Wesens in Sachsen. Während der Dauer des Kriegs=Zustandes politisch Compromittirte bleiben ungestraft. Leipziger Universitäts=Ansprüche an die Stifte zu Merseburg, Naumburg und Zeitz hat Sachsen abzulösen. Das Salz=Monopol wird aufgehoben, gleichzeitig mit Preußen. Diplomatische Vertretung erklärt Sachsen sich bereit nach den Grundsätzen zu regeln, welche für den norddeutschen Bund im Allgemeinen maßgebend sein werden.
- In Oesterreich ist man mit dem Inhalt des preußisch=sächsischen Friedens=Instrumentes nur in so weit zufrieden, als dadurch der kriegerische Zustand sein völliges Ende erreicht.
- Die Geldentschädigung, welche der Großherzog von Oldenburg für seinen Verzicht auf die schleswig=holstein'schen Erbansprüche erhält, beträgt eine Million Thaler.
- Der türkische Sultan hat sich bewogen gefunden, den Fürsten Carl von Rumänien anzuerkennen. Der Fürst hat sich nach Constantinopel begeben, um sich zu bedanken.
- Der Ministerpräsident Graf Bismarck wird am 29. d. in Berlin zurückerwartet.
- Am 12. November soll in den beiden Großherzogthümern Mecklenburg mit Einschluß des Fürstenthums Ratzeburg eine Volkszählung stattfinden. Gezählt werden alle Personen, welche sich an jenem Tage an irgend einem Orte der Großherzogthümer aufhalten, gleichviel, ob sie dem Civil= oder dem Militär=Stande angehören, ob sie In= oder Ausländer, Orts=Angehörige oder Fremde sind, ob ihr Aufenthalt ein ständiger oder vorübergehender ist. Es ist vorgeschrieben, daß die Zählung nach Haushaltungen von dem Vorstande jedes einzelnen Haushalts geschieht. Zu diesem Zwecke wird für jeden Hausstand eine gedruckte Liste mit kurzer aber sehr deutlicher Instruction abgegeben, welche am 12. November auszufüllen ist; am 13. werden dann diese Listen von den dazu Bevollmächtigten abgefordert und zugleich an Ort und Stelle verglichen.
- Die Bevölkerung der Provinz Jütland ist nachträglich für die Nachtheile des letzten deutsch=dänischen Krieges durch 5,325,487 Thaler Reichs=Münze aus der dänischen Staats=Casse entschädigt worden.
- Die Gerüchte von einer bevorstehenden Verlobung des Kronprinzen von Italien mit einer österreichischen Prinzessin gewinnen an Wahrscheinlichkeit. Der Kronprinz wird im November eine Rundreise durch Deutschland machen und sich dabei namentlich längere Zeit in Wien umsehen.
- Das preußische Garde=Corps hat Ordre erhalten, die Bärte wieder vorschriftsmäßig zu stutzen.
- Prinzessin Dagmar von Dänemark ist in Petersburg mit dem russischen Kronprinzen feierlich verlobt worden. Das ist das Erstemal seit langen Jahren, daß Rußland nicht eine deutsche Prinzessin heimgeführt hat. Es gibt wenig deutsche Höfe, die nicht mit dem russischen verschwägert sind.
- Die Adler für die königlichen Gebäude in Hannover, Kurhessen und Schleswig=Holstein sind vorige Woche in der königlichen Eisengießerei zu Berlin gegossen und bereits an ihre Bestimmungs=Orte abgesandt worden.
- Die Noth in den ärmeren Klassen der Berliner Bevölkerung tritt in diesem Jahre bei der sich rasch entwickelnden Kälte und großen Arbeitslosigkeit heftiger auf, als sonst in derselben Jahreszeit. Besonders ist die Zahl der Obdachlosen ungemein groß und werden täglich Individuen, die im Thiergarten, im Friedrichshain oder in dem Wäldchen bei Moabit unter freiem Himmel übernachten, eingebracht. Am letzten Donnerstag Morgens fanden die im Thiergarten patrouillirenden Polizei=Beamten den Leichnam eines Mannes, der nur mit Lumpen bekleidet unter dürrem Laub dort eingeschlafen und erfroren war.
- In der Provinz Orissa in Indien hat die Hungersnoth eine so furchtbare Verheerung angerichtet, daß kaum die Hälfte der Bevölkerung übrig geblieben ist. Um das Elend voll zu machen, ist jetzt auch noch die Cholera dort ausgebrochen.
- (Mechanische Kraft des Herzens.) Man hat berechnet, daß das menschliche Herz bei 75 Pulsationen in der Minute während der Dauer von 24 Stunden eine Arbeit verrichtet, welche so groß ist, daß ein Centner dadurch 4463 Fuß hoch gehoben werden könnte.
- Die Kaiserin Charlotte von Mexico machte während ihrer Anwesenheit in Rom solche Extravaganzen, daß man kaum an ihre Heilung glauben kann. So ließ sie z. B. alle Speisen, welche sie zu sich nahm, vorher von einem Kater kosten und machte demselben dann aus Dankbarkeit vier Paar rothe Stiefelchen und den Guadalupe=Orden zum Geschenk.

[ => Original lesen: 1866 Nr. 87 Seite 2]

- In England greift die Kartoffel=Fäule in mehreren Bezirken furchtbar um sich. Auf einzelnen Ackerstücken ist mehr als die Hälfte der Knollen verfault.
- Die Pariser Polizei hat den Verkauf der sogenannten "Damentinte" verboten. Dieselbe besteht aus auflöslicher Jodstärke und liefert eine schöne blaue Schrift, die aber nach einigen Wochen durch Verdunstung des Jods verschwindet. Das Verbot dieser Tinte erfolgte, weil von derselben eine gefährliche Anwendung bei Ausstellung von Wechseln gemacht wurde. Eine minder gefährliche ist ihre Anwendung bei Liebesbriefen, daher wohl auch der Name der Tinte.
- In Genf ist auf dem Thurm der Peters=Kirche die große Glocke "Clemens", welche seit 1407 alle wichtigen Ereignisse mit ihren ernsten Tönen begleitet hat, zersprungen. Die Genfer sehen darin ein böses Omen.
- In einem großen Berliner Bank=Geschäft wurde dieser Tage ein Packet österreichischer Bank=Noten, fünfzig Stück à hundert Gulden enthaltend, beim Reinigen des Comptoirs vom Hausdiener unter dem Tisch gefunden, auf welchem der Casier die Zahlungen zu leisten pflegt. Der alte ehrliche Diener hatte das Packet soeben dem Cassier übergeben, der jedoch schon an dem Umschlag erkannte daß es nicht zu seiner Casse gehören könne, als bleich und athemlos der Commis eines dortigen, Fabrik=Geschäftes eintrat und nach demselben fragte. Es wurde ihm übergeben und unter herabströmenden Thränen warf er sich dem alten Diener an den Hals, welchen er den Retter seiner Ehre und seines Lebens nannte. Er holte ein Terzerol aus der Brusttasche, mit dem er seinem Leben ein Ende zu machen entschlossen war, falls sich das Packet nicht gefunden hätte.
- Eine Dame in Berlin verbarg 7000 Thlr. in Staatspapieren in einem alten Koffer in ihrer Rumpelkammer. Da suchen Diebe deine Schätze sicher nicht, dachte sie. Nach einiger Zeit war das Geld dennoch verschwunden. Kürzlich bot nun ein Kleider=Händler einem Bankier 3000 Thaler in Bergisch=Märkischen=Eisenbahn=Actien zum Wechseln an; dieser hatte gemerkt, daß die Papiere zu den gestohlenen gehören und machte Anzeige. Der Kleider=Händler wurde verhaftet und gestand, daß sein Schatz ihm das Geld gegeben und es vorher ihrer Herrin gestohlen habe. Die ganze Summe fand sich bis auf 700 Thlr. vor.


Der Hof Neustrelitz vor hundert Jahren.
(Fortsetzung.)

Ich bin also, wie Sie sehen, jetzt beim Strelitz'schen Hofe völlig initiirt (aufgenommen). Meine hiesige Lebensart ist ziemlich einförmig: zwischen 7 und 8 Uhr stehe ich auf, um 9 Uhr frühstücke ich bei Herrn v. Dewiz und bis 12 Uhr gebe ich Visiten; dann ziehe ich mich an, speise von 1 bis 3 Uhr bei Hofe, bis 7 Uhr gehe ich spazieren oder gebe Visiten, bis 9 Uhr wird Karten gespielt, dann gegessen und zwischen 11 und 12 Uhr geht's nach Hause. Sie haben also nicht nur eine umständliche Beschreibung des Hofes, sondern auch eine genaue Charakterisirung der vornehmsten Personen von mir zu erwarten.

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Neustrelitz, 21. October 1766.

Der Strelitzer Hof ist freilich nur klein, aber er ist einer der regelmäßigsten im ganzen deutschen Reich; keine Privat=Haushaltung könnte mit mehr Ordnung dirigirt werden; und vielleicht sind nur wenige Fürsten so glücklich, so verdienstvolle Bedienten zu haben, die ihren Beruf mit so vieler Treue und Liebe erfüllen. Viele derselben würden ihrer Rechtschaffenheit und Geschicklichkeit wegen den größten europäischen Höfen Ehre machen. Ich will mich bemühen, Ihnen einige hiesige Charaktere zu schildern und mache also mit beiden Durchlauchten Herrschaften den Anfang.
Adolph Friedrich IV., jetzt regierender Herzog von Mecklenburg=Strelitz, ist 28 Jahre alt, mittlerer Statur, regelmäßig gebaut, mehr mager als corpulent. Sein Blick und seine ganze Gesichtsbildung ist einnehmend; er trägt sein eigenes lichtbraunes Haar. Sein ganzes Betragen ist majestätischer Anstand, mit einer gnädigen Herablassung begleitet, gegen alle die, so sich ihm nähern. Seine Constitution ist nur schwächlich, ob er gleich von dauerhafter Gesundheit zu sein scheint, daher ist seine Diät äußerst regelmäßig. Er ist ein wahres Muster der Keuschheit, welches um so mehr Bewunderung verdient, da er in der Blüthe der Jahre und gegen die Reize der Schönheit nicht unempfindlich ist. Er ist ein treuer Verehrer seiner Religion, ob er gleich alle Bigotterie haßt und ein erklärter Feind der Intoleranz ist. Unschuldige Vergnügungen befördert er gern, daher ist er ein Liebhaber von Bällen und Assembleen, tanzt und spielt Karten. Oft habe ich ihn sagen hören: ich genire Niemand, will aber auch selbst nicht genirt sein. Als Ritter vom Hosenbande trägt er beständig seinen blauen Orden; auch ist er Ritter vom weißen Adler=Orden. Nicht nur der Adel seines Landes, sondern auch Fremde von Distinction haben zu seiner Tafel freien Zutritt so lebt er wie ein großmütiger Fürst; keinem seiner Unterthanen wird der Zutritt erschwert, seine Milde und Gnade verbreitet sich über Alle. Demohngeachtet sind seine Finanzen in der größten Ordnung, weil er so glücklich ist, Minister zu haben, die mit den Grundsätzen der Staatswirthschaft auf's Genaueste bekannt sind.
Auch hat man an der Erziehung dieses Fürsten nichts verspart, um die vortrefflichen Naturgaben weiter auszubilden. Zu dem Ende hat er eine Zeit lang in Greifswalde studirt, wo ihm die Rectorwürde übertragen ward; nachmals ging er unter Direction des Herrn v. Dewiz auf Reisen, um seine Kenntnisse vollkommen zu machen. In Paris studirte er unter dem berühmten Abt Rollet die Naturlehre und durch den Unterricht anderer Männer erwarb er sich Kenntnisse in den übrigen Wissenschaften. Er spricht verschiedene Sprachen, besonders die französische, sehr richtig und leicht, auch ist er in der italienischen sehr fertig. Er erlaubt sich nur wenige Arten von Erholungen, geht sehr selten auf die Jagd und fährt nur blos spazieren. Man kann sagen, seine höchste Freude besteht in Gutes thun und das Glück seiner Unterthanen scheint das höchste Ziel des Ruhmes zu sein, das er zu erringen sucht.
Seine gewöhnliche Lebensart ist sehr einförmig; um 7 Uhr steht er auf, frühstückt um 8 Uhr und geht oder fährt spazieren bis um 10 Uhr; dann geht er auf den Paradeplatz und von da in sein Cabinet, wo er bis 12 Uhr entweder selbst arbeitet oder mit seinen Ministern conferirt; dann kleidet er sich an, erscheint kurz vor 1 Uhr in der Audienz und präcise um 1 Uhr geht er zur Tafel. Um 3 Uhr wird die Tafel aufgehoben und dann geht er entweder spazieren oder bringt auch den ganzen Nachmittag bis 7 Uhr in seinem Cabinet zu; um diese Zeit kommt er wieder in's Audienz=Zimmer zum Kartenspiel. Vor Tafel conferirt er gewöhnlich noch eine halbe Stunde mit Herrn v. Dewiz und von 9 bis 10 Uhr wird gespeist; um halb 11 Uhr geht er dann in sein Cabinet.
Prinzessin Christina, Schwester des Herzogs, ist jetzt 31 Jahre, von langem und edeln Wuchs, blauäugig und etwas von den Blatternarben gezeichnet. Ihre Constitution ist zwar nur schwächlich, aber dies hindert der Gesprächigkeit und dem aufgeräumten Wesen nichts, womit sie die Herzen aller Derjenigen gewinnt, welche das Glück haben, sich ihr nähern zu dürfen. Sie spricht schön und mit großer Fertigkeit französisch. Ihr ganzer Anstand ist von einer ihrer Hoheit angemessenen Würde begleitet und alle ihre Worte zeugen von einer gesunden Beurtheilungskraft und Kenntniß.
Ihr höchstes Studium war von jeher die Vervollkommnung ihres Herzens, daher bezeichnen wahre Frömmigkeit und unbegrenzte Güte des Herzens vorzüglich die hohe Würde ihrer Geburt. Mittags speist sie beständig bei Tafel, aber Abends nicht, es sei denn an Assemblee=Tagen. Ich habe wenig Frauenzimmer mit so vortrefflichem Anstande tanzen sehen. Wenn sie an Assemblee=Tagen eine Menuet getanzt hat, so spielt sie nachher mit der Frau v. Winnemer, Barnewiz und dem Herrn v. Dewiz

[ => Original lesen: 1866 Nr. 87 Seite 3]

Whist. Sie ist Orders=Dame vom russischen St. Catharinen=Orden, den sie beständig trägt. Gewöhnlich fährt sie einmal des Tages in Gesellschaft der Frau v. Winnemer spazieren. Sie liest viel und kürzlich hat sie auch angefangen, die englische Sprache zu lernen. Kurz, ihre gnädige Herablassung und Güte ist über allen Ausdruck erhaben und die Würde ihrer Geburt wird durch den Glanz ihrer fürstlichen Tugenden noch mehr erhöht.
Hofmarschall Baron v. Zesterfleth stammt aus einer uralten adeligen Familie, die lange Zeit im Herzogthum Bremen geblüht hat. Er kam jung in Strelitz'sche Dienste und war unter der Regierung des Vaters vom jetzigen Herzog Gouverneur, wo er sich lange in Mirow aufhielt. Sie können daraus schließen, daß er nicht mehr jung sein kann, ich schätze ihn auf etwa 70 Jahre. In seiner Jugend muß er schön gewesen sein, denn die Ueberreste davon sind noch zu sehen. Er ist lang und wohlgewachsen und für einen Mann von seinem Alter geht er noch sehr frisch. Seine Gesundheit ist zwar nicht die beste, aber er erhält sich durch eine äußerst regelmäßige Diät. Er sieht wohl aus und hat dabei ein ernstes und beinahe finsteres Ansehen, allein trotzdem kann nicht leicht Jemand geselliger und gesprächiger im Umgang sein, als Herr von Zesterfleth. Er ist ein wahrer Gelehrter ohne Pedanterie und ein rechtschaffener Christ ohne Verstellung. Vermöge seiner Bedienung muß er die Hof=Ceremonien beobachten, allein er ist dabei ein wahrer Philosoph und ein aufrichtiger, gesetzter Mann. Seine Lebensart ist so einförmig, als man es kaum unter den Zerstreuungen des Hoflebens erwarten könnte. Im Sommer steht er schon um 4 Uhr Morgens auf; er rasirt sich selbst ohne dazu Wasser oder einen Spiegel zu bedürfen. Sogar sein Bedienter sieht ihn nie anders als in völliger Kleidung. Seine Rechtschaffenheit übertrifft fast alle Beschreibung und Niemand kann das Geld weniger achten als er. Die Herzogin von Mecklenburg, Tante der jetzigen Königin von England, erfuhr, daß er gern ein Pferd von einer gewissen vorzüglichen Race haben möchte; da er sich aber weigerte, ein solches zum Geschenk anzunehmen, so gab sie Jemand den Auftrag, eines zu kaufen und es seinem Reitknecht unter dem Vorwand einzuhändigen, daß es ein verlaufenes und herrenloses Pferd sei. Zesterfleth glaubte dies, ließ aber den Vorfall bekannt machen und da sich kein Eigenthümer dazu fand, so glaubte Jedermann, er würde es nun mit völligem Recht behalten. Allein er selbst war ganz anderer Meinung, denn er sagte: da ihm das Pferd nicht zugehöre und sich auch kein Eigenthümer dazu fände, so wäre es publici juris (so viel als Staats=Recht oder Öffentliches Eigenthum) geworden, mithin würde er es verkaufen und das Geld unter die Armen vertheilen. Dies that er auch wirklich. - Wie gefällt Ihnen diese Anekdote? - Er erntet jetzt dafür auch den Lohn seiner Rechtschaffenheit; denn Herr v. Zesterfleth ist beim Fürsten seiner vieljährigen Dienste wegen beliebt und das ganze Publikum schätzt und ehrt ihn wegen seiner Tugenden, die ihn in allen Verhältnissen des Lebens geleitet haben und ihn auch gewiß bis in's Grab begleiten werden.
Geheimer Rath v. Dewiz stammt aus einer der ältesten und berühmtesten Familien in Mecklenburg und Pommern. Er ist lang von Statur, schlank, blauäugig und schön von Gesicht; hat einen einnehmenden Anstand und ist dabei leutselig und gesprächig. Er ist sehr munter ohne leichtsinnig zu sein, kühn zu großen Unternehmungen, aber nicht unbedachtsam; ein guter Wirth, ohne daß man ihn einer zu großen Sparsamkeit beschuldigen könnte, und ein wahrer Verehrer der Religion, aber ohne Bigotterie und Vorurtheile. So sehr Hofmann er ist, so sehr ist er doch Feind aller Schmeichelei und hält auf sein gegebenes Wort pünktlich. In seiner Miene und in seinem ganzen Wesen herrscht eine Freimüthigkeit und Aufrichtigkeit, die Jeden für ihn einnimmt. Mit den schönen Wissenschaften und Künsten ist er völlig bekannt und jedem Gelehrten ein wahrer Mäcen. Als er noch in Jena studirte, gab er eine kleine italienische Abhandlung heraus (I Principali Privilegi daelle Gentil - donne di Mecklenburgo), die schon damals wegen ihrer Zierlichkeit bewundert ward. Außer der deutschen und italienischen Sprache spricht er noch verschiedene andere, besonders die englische und französische, mit großer Fertigkeit. Seine natürlichen Talente vervollkommnete er noch durch die verschiedenen Reisen, als er den jetzt regierenden Herzog nach Greifswalde und später nach Frankreich und Italien begleitete. Bei der Vermählung der Königin ging er als außerordentlicher Gesandter beider Herzoge von Mecklenburg nach London und während seines dortigen Aufenthaltes studirte er das Commerz= und Manufacturwesen; diese damals erworbenen Kenntnisse bringt er jetzt zum Nutzen seines Vaterlandes in Anwendung.

(Fortsetzung folgt.)


Anzeigen.

Am Sonnabend, den 3. November d. J., findet der diesjährige Forstschreibtag zum Verkauf von Eichen= und Buchen=Blöcken, Schleeten, Latten und Hopfenstangen statt, und können Kauf=Liebhaber am gedachten Tage Mittags 12 Uhr auf der Amtsstube hieselbst sich einfinden.
Schönberg, den 26. October 1866.
Großherzoglich Mecklenburgisches Domainen=Amt und Forst.
F. Graf Eyben.


Vorladung.

Mittelst eines unterem heutigen Tage erlassenen Proclams sind alle Diejenigen, welche Forderungen oder Ansprüche an die, unter der Rechtswohlthat des Gesetzes und Inventars angetretene Hinterlassenschaft des verstorbenen Schlossermeisters Schultz zu haben glauben, zur Anmeldung und Bescheinigung derselben ein= für allemal, mithin peremptorisch und unter Androhung der Präclusion, auf Freitag den 30. k. Mts., Mittags 12 Uhr, zu Rathhause hieselbst verabladet.
Auswärtige Gläubiger müssen einen Bevollmächtigten hieselbst bestellen oder gewärtigen, daß ihnen ein solcher von Gerichtswegen wird zugeordnet werden.
Ratzeburg, 14. October 1866.
Königlich, Herzoglicher Stadt=Hauptmann, Bürgermeister und Rath.
(L.S.) In fidem Richter, Stadt=Secretair.


Verkaufs=Anzeigen.

In Sachen der Erben des zu Herrnburg verstorbenen Producten=Händlers Lanschow, Kläger, wider den Käthner Starck zu Herrnburg, Beklagten, wegen Capital= und Zins=Schuld, wird der auf Dienstag, 6. November d. J., Morgens 11 Uhr, nunmehr angefetzte Ueberbots= Termin hierdurch Kaufliebhabern in Erinnerung gebracht mit dem Bemerken, daß in dem ersten Verkaufs=Termin kein Käufer erschienen ist.
Schönberg, den 15. October 1866.
Großherzogliches Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L.S.) A. Dufft.


Vermischte Anzeigen.

Die Mecklenburgische Lebensversicherungs= und Spar=Bank
in Schwerin

schließt Lebensversicherungen, Leibrentenversicherungen, Kapital=Einlage=, Darlehns= und alle sonstigen Geld=, Inkasso= und Kommissions=Geschäfte durch die unterzeichnete Agentur zu den vortheilhaftesten Bedingungen ab. Die Geschäfts=Prospekte (Nr. I. für Lebensversicherungen, Nr. II. für Leibrentenversicherungen, Nr. III. für Spar=Bank=Geschäfte) sind bei derselben unentgeltlich zu entnehmen und wird jede gewünschte nähere Auskunft bereitwilligst ertheilt. Die in den letzten drei Jahren zur Verthei=

[ => Original lesen: 1866 Nr. 87 Seite 4]

lung zurückgestellten, mittleren Dividenden der Lebensversicherten betragen respective 36 %, 40 % und 36 % der eingezahlten Prämie.
Agentur Schönberg.
J. P. Bade.


Großherzog=Georg=Stiftung.
(Altersversorgung.)
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Neustrelitz, den 13. October 1866.
Directorium der Großherzog=Georg=Stiftung.


Den Herren Lehrern, sowie den Eltern der die hiesigen Schulen besuchenden Kinder zur gefälligen Notiznahme, daß ich die hier gebräuchlichen Schulbücher stets vorräthig halte und alle neu eingeführten sofort anschaffe, sobald ich nur davon Kenntniß erhalten kann.
C. Sievers, Buchbinder.


200,000 Gulden
baares Silbergeld
kann Jedermann gewinnen, der sich bei der
großen Frankfurter Geld-Verloosung
betheiligt, sowie weitere Haupttreffer von Gulden 100,000, 40,000, 25,000, 20,000, 15,000, 12,000, 10,000, 6000, 5000 etc.
Diese von der hohen hiesigen Regierung genehmigte und von der Stadt garantirte
Neueste große Prämien=Verloosung
bietet den Theilnehmern in jeder Beziehung die größten Vortheile. Alle Nummern ohne Ausnahme werden gezogen.
Das ganze Einlagekapital wird binnen fünf Monaten mittelst Gewinn=Ziehungen zurückbezahlt und müssen planmäßig dis dahin sämmtliche 12,500 Gewinne, 11 Prämien und 18,400 Freiloose von den Interessenten erlangt werden.
Ganze Original=Loose kosten fl. 6. oder Thlr. 3. 13
Halbe Original=Loose kosten fl. 3. oder Thlr. 1. 22
Viertel Original=Loose kosten fl. 1 1/2. oder Thlr. -. 26
(Diese Original=Loose sind mit dem Stadt=Siegel versehen.)
Schon am 12. und 13. kommenden Monats beginnen die Ziehungen. Bestellungen unter Beifügung des Betrages oder gegen Post=Nachnahme werden sofort pünktlichst ausgeführt und die erforderlichen Pläne gratis beigefügt. Nach stattgehabter Ziehung erhält jeder Theilnehmer die amtliche Liste und Gewinne baar überschickt.
Jegliche Auskunft in Betreff dieser großen und interessanten Verloosungen wird gerne ertheilt und eine stets reelle gute Bedienung zugesichert. Man beliebe sich daher vertrauensvoll baldigst direkt zu wenden an
L. Steindecker=Schlesinger, Bank= und Wechsel=Geschäft in Frankfurt am Main.


Apotheker Bergmann's Theerseife, wirksames Mittel gegen alle Arten Hautunreinigkeiten, empfiehlt à Stück 8 Schilling (Mecklenburg) J. F. Eckmann.


Der von mir am letzten Sonntag ausgespielte Damen=Schreibtisch fiel auf Nr. 111, und ersuche ich den Gewinner, solchen gegen Abgabe des Looses bei mir holen zu lassen.
Borschel, Tischlermeister.


Am zweiten Markttage wurde vor dem Hause des Ackerbürgers Spehr in Schönberg eine goldene Broche gefunden. Die Eigenthümerin kann dieselbe zurückerhalten; wo? sagt die Expedition dieses Blattes.


Hämmorrhoidal-Leidende
mache ich darauf aufmerksam, daß ich durch Herrn Dr. Müller in Coburg radicale Heilung meines jahrelangen schweren Leidens fand.
Bornheim bei Frankfurt a. M., 20. October 1866.
Johann Mattusch.


Bergmann's Eispomade rühmlichst bekannt, die Haare zu kräuseln, zu stärken, und vor dem Ergrauen zu schützen, empfiehlt à Flac. 8, 12 u. 16 Schilling (Mecklenburg) J. F. Eckmann.


Brönner's Fleckenwasser
namentlich zum Waschen der Glacé=Handschuhe, in Gläsern à 10 Schilling (Mecklenburg) und 4 Schilling (Mecklenburg) und in Weinflaschen à Taler (Mecklenburg) . - ächt bei C. Sievers im Sattler Bohnhoff'schen Hause.


Haarbalsam
ein untrügliches Haarwuchsmittel, nach dessen zwei= bis dreiwöchentlichem Gebrauche das Haar nicht mehr ausfällt und der neue Wachsthum der Haare selbst an kahlen Stellen unbedingt erfolgt, á Flasche 15 Sgr., bei J. F. Eckmann.


Wir fordern alle Diejenigen, welche Forderungen oder Ansprüche an den verstorbenen Hauswirth Lohse in Herrnburg zu haben glauben, hierdurch auf, solche binnen drei Wochen von heute ab bei uns anzumelden, indem wir spätere Anmeldungen unberücksichtigt lassen müssen.
Herrnburg, 25. October 1866.
Hauswirth Mett und Hauswirth Retelsdorf, als gerichtlich bestellte Vormünder.


In der Gegend des Amtsplatzes hieselbst ist in dieser Woche ein Portemonnaie mit etwas Geld gefunden worden. Wer sich als rechtmäßiger Eigenthümer legitimirt, kann dasselbe gegen Erstattung der Insertions=Gebühren in Empfang nehmen beim Executor Ollrog.


Meteorologische Beobachtungen.
1866
Okt.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
26.
27.
28.
29.
38.19
39.45
37.66
39.65
-2.0
-2.4
-3.2
1.2
3.8
4.6
5.4
8.2
ONO
O
S
W
1
1
1
1
trübe.
völl. heiter.
trübe.
zieml. heiter.

Am 28. Abends 8 Cub.=Zoll Regen auf 1 Quadrat=Fuß; mit dem 14. und 15., zusammen 22 Cub.=Zoll, bisher der einzige Regen im October.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund13 1/2 - 14 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund14 - 14 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Hasen, d. St. 28 - 32 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.12 - 16 Schilling (Mecklenburg).
Küken d. St.7 - 9 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Gänse56 - 68 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 6 - 7 St. für4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß5 - 6 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weitzen22 - 23Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)
Roggen15 - 16Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Gerste13 - 14Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Hafer10 - 10Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Erbsen14 - 16Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen10 - 11Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
W.=Rapsaat25Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wint.=Rübsen24Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat20 - 21Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Buchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


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