No. 59
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 30. Juli
1880
fünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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Gambetta und Rochefort.

Daß für Frankreich der parlamentarische Tribun Gambetta und den Laternenmann Rochefort für die nächste Zeit Diejenigen sind, um welche sich das ganze politische Leben concentrirt, geht schon aus der Thatsache hervor, daß die bloßen Namen der genannten beiden Nebenbuhler schon ein System für sich bedeuten und daß diese beiden Systeme sich gegenwärtig feindlicher als je gegenüberstehen.
Es mag hier ununtersucht bleiben, wodurch es Gambetta gelungen ist, seine durch die 1871er Dictatur arg erschütterte Popularität wieder zu gewinnen; daß seine blendende Beredtsamkeit ihr gutes Theil dazu beigetragen, steht fest, und genug, Gambetta ist heute in Wirklichkeit das, was er im Jahre 1871 war: der Dictator von Frankreich; weder damals, noch heute, hatte er dazu Vollmacht noch officielle Anerkennung; beides ist aber auch nicht nöthig, ihm kann die Thatsache genügen. Gambetta hat die Amnestie gemacht, er lenkt die auswärtige Politik Frankreichs, von ihm hat sich Griechenland Genieoffiziere erbeten, auf seine Veranlassung sind dieselben gesendet worden und das Ministerium Freycinet muß immer in erster Lienie mit Herrn Gambetta rechnen.
Nun darf man aber gar nicht glauben, daß Gambetta etwa auch beim Volke so beliebt wäre; die arbeitenden Klassen und die ländliche Bevölkerung mögen ihn durchaus nicht leiden; diese beleidigt er schon durch seine äußere Erscheinung, denn er ist im Laufe der zwölf Jahre immer mehr in das Lager der Fetten übergegangen, welche Cäsar als unschädliche Nebenleute gern um sich sah. Solche Wohlbeleibtheit ist dem Verschwörungs=Handwerk hinderlich und gar für denjenigen, der den Weg zur höchsten Gewalt wagen will, ist sie eine äußerst störende Zugabe der Natur und wird von dem Gegner leicht vor dem Volke als ein Zeichen behaglichen Lebensgenusses in neidischer und hämischer Weise ausgebeutet. Es ist bekannt, daß die Unpopularität des letzten Bourbonen in Frankreich, Karl X., durch das ihm von den Republikanern angehängte Beiwort "Speckkopf" wesentlich mitbegründet wurde.
Woher stammt also nun die Macht Gambetta's? Aus Furcht des Bürgerthums vor den Communisten. Das Bürgerthum erblickt in Gambetta den Mann, der im gegebnen Fall die Gesellschaft rettet. Und sehr weise hat Gambetta diese Furcht zu nähren verstanden, ja er hat ihr durch die Amnestie reichliche Nahrung gegeben. Jetzt sind sie ja wieder in Paris, die Rochefort, Jules Vallés, Paschal, Grousset, Humbert und wie die Männer der 1871'er Commune Alle heißen, jetzt erscheinen die socialistischen Journale in großer Menge, denn die Amnestirten wollen doch auch leben, folglich müssen sie Zeitungen redigiren - und um wieder beachtet zu werden, müssen sie den Mund recht voll nehmen und schimpfen, was das Zeug hält: das freut die Arbeiter und die übrigen Unzufriedenen und davor zittern die "Bourgeois", die nun in Gambetta den letzten Hort der Ordnung erblicken und sich um diesen schaaren.
Der Kampf zwischen Gambetta und Rochefort ist aufs Heftigste entbrannt. Rochefort ist der Held der Massen; er ist der Typus eines unversöhnlichen Revolutionärs; noch immer die halbwegs hagere Brutusgestalt, wie vor zehn Jahren: Mager und gallsüchtig, mit einem Gesicht voll Ecken und Höhlungen; die Augen stechend, die Lippen schmal und zusammengekniffen, als wollten sie die Worte überwachen und messen; die Stimme klar, aber scharf und kurz, das Lachen trocken und frostig, die Gesichtsfarbe bleich und grau - das ist der Mann, der Gambetta und den Gambettismus stürzen will, einstweilen aber nur aus den schon angeführten Gründen den Einfluß des Dictators steigert.
Beide, Gambetta wie Rochefort, bereiten den Hauptschlag gegen einander durch die Wahlen vor. Gambetta will das Listen=Scrutinium einführen, eine Wahlart, von der es sich großen Vortheil verspricht. Die nächsten Wahlen sollen eine Art Plebiscit sein, wie es Napoleon zwei Mal mit gutem Erfolg hat aufführen lassen. Gambetta wird in sehr vielen Wahlkreisen gleichzeitig als Kandidat auftreten; er hofft überall durchzukommen und dadurch Frankreich zu beweisen, daß er der hauptsächlichste Mann des Vertrauens ist. Rochefort dagegen verspricht sich von den Wahlen eine radikale Majorität und die Umgestaltung der Republik im communistischen Sinne.
Welcher von den beiden großen Schauspielern Sieger bleiben wird, läßt sich heute noch nicht absehen.


Politische Rundschau.

Deutschland. Trotz der kalendermäßigen sauren Gurke ist das politische Leben in Deutschland nicht erstorben; in Friedrichsruh ist noch in den Tagen der vergangenen Woche fleißig gearbeitet worden, der Reichskanzler hat hierauf Berlin einen kurzen Besuch abgestattet und sich sodann nach seinem historischen Kissingen begeben, woselbst möglicherweise durch den deutschen Cardinal Hergenröther wieder unter der Hand mit der Kurie verhandelt werden wird. Die letzten Conferenzen in Friedrichsruh, die der Reichskanzler mit den Ministern Lucius und Bitter hatte, gelten der künftigen Steuer= und Finanzpolitik. In Hamburg und Altona studirte Minister Bitter persönlich die Zoll= und Freihafenverhältnisse; in Coburg traten die deutschen Finanzminister am Mittwoch zusammen, um sich ebenfalls mit der Steuerreform zu beschäftigen; vom Tabaksmonopol dagegen ist es wieder still geworden, oder vielmehr die Officiösen sagen, daran denke die Reichsregierung nicht mehr, nachdem sich der Reichstag darüber in einem ablehnenden Votum geäußert habe.
Im Lande selbst ist es nicht weniger lebendig, wie in Regierungskreisen. Da ist die Auseinandersetzung innerhalb der nationallieberalen Partei, da reisen Parlamentarier aller Farben redenhaltend durch die Provinzen, da giebt es Socialistenprocesse und Herrn Hasselmann's famose "Enthüllungen", die an das Göthe'sche "Jeder dieser Ehrenmänner wird von andern abgethan" erinnern - man sieht also, daß es in diesem Jahre mit der "Sauren=Gurken=Zeit" nicht viel auf sich hat.
Nach der dem Bundesrath unterbreiteten Uebersicht der Ergebnisse des Heeresergänzungsgeschäfts im Reichsgebiet für das Jahr 1879 wurden für die 15 Armeekorps in den Listen geführt 1,135,292 Mann

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darunter für die großherzoglich hessische Division 22,153, für das königlich sächsische Armeekorps 69,332, für das königlich württembergische Armeekorps 44,486, für das 14. Armeekorps 38,906 und für das 15. 41,774 Mann. Wegen unerlaubter Auswanderung wurden verurtheilt 12.789 und in Untersuchung blieben 11,860. In den bayrischen Armeekorps wurden von den in den Listen geführten 103,368 Mann ausgehoben 17059.
Frankfurt a. M. Am 25. d. M. begann in der alten Reichsstadt am Main das 5. deutsche Turnerfest, zu dem Tausende von Turnern aus allen Theilen Deutschlands, sowie aus Holland, Belgien, England, Oesterreich, Ungarn, Schweiz, Rußland, Italien und Nordamerika gekommen waren. Vormittag 11 Uhr fand der Festzug statt, an welchem 10,000 Turner und 5000 Sänger theilnahmen.
Oesterreich. Die Preisvertheilung sowie der Schluß des Schützenfestes erfolgten am 25. d. M. Nachmittags durch den Erzherzog Albrecht. - Wegen widersprechender gerichtlicher Entscheidungen über die Sprachenfrage in Böhmen soll dieselbe nunmehr durch ein allgemeines Gesetz geregelt werden.
Frankreich. Bei der Fahnenvertheilung an die Truppen in den Provinzen fanden in sämmtlichen Garnisonen Paraden statt. Ein Zwischenfall ereignete sich hierbei in Cherbourg, woselbst Admiral Ribourt, welcher es unterlassen hatte, die Tribüne des Municipalrathes zu salutiren, von der Menge zum Gegenstand feindseliger Kundgebungen gemacht wurde. Der Municipalrath beschloß, falls Ribourt nicht versetzt würde, zurückzutreten. - Der Kriegsminister hat eine Untersuchung angeordnet, um genau zu erfahren, weshalb die klerikalen Offiziere ihre Soldaten am 14. d. M. wegen ihres Verhaltens am Nationalfest mit Disciplinarstrafen belegten. - Am Sonntag Abend fand in Belleville zu Ehren der amnestirten Communeführer ein Bankett statt, dem Rochefort präsidirte. Rochefort toastete auf eine Vereinigung der Sozialisten bei den nächsten Wahlen. - Während der großen Parade am 14. d. M. war die Tribüne des Jockeyclubs verschlossen und vollständig leer geblieben. Der aristokratische Club wollte gegen die Republik eine Kundgebung machen. Der Gemeinderath von Paris nahm dieses aber übel auf. Dieser Tage wird der Antrag gestellt werden, dem Jockey Club zukünftig keine Zuschüsse mehr (bisher erhielt er jährlich als "großer Rennpreis" 50,000 Francs) zu bewilligen und auch den Contract wegen der Rennbahn, der nächstes Jahr zu Ende geht, nicht mehr zu erneuern. Daß der Antrag durchgeht, ist selbstverständlich.
Dänemark. Endlich nach jahrelangen Kämpfen hat am 24. d. M. der Reichstag das Heeres=Organisations=Gesetz angenommen.
Schweiz. Die Todesstrafe, welche seit der Bundesverfassungsrevision in der Schweiz auch außer Kriegszeiten wieder zulässig ist, wurde zuerst von den katholischen Cantons wieder in Anwendung zu bringen beschlossen. Zunächst stimmten die Landgemeinden von Obwalden und Appenzell J. Rh. im April d. J. dafür, dann folgte die Urner Landgemeinde am 2. Mai, und jetzt bat auch der Cantonrath von Schwyz mit 33 von 59 Stimmen für die Wiedereinführung der öffentlichen Hinrichtung durch das Schwert gestimmt.
Türkei. Constantinopel, die Türkei, die orientalische Frage stehen wieder in dem Vordergrund der Politik Europas. Einige Mächte möchten die Türkei über den Bosporus nach Asien jagen, einige sie geradezu in den Bosporus werfen und einige erklären, wenn sie hineingeworfen und am Ertrinken wäre, so müßte man sie wieder herausfischen, nicht um ihretwillen, sondern um der vielen Erben willen, die sich im Erbstreit zerfleischen würden. Und darauf scheint der Sultan zu spekuliren. Er hat der Aufforderung der europäischen Nachkonferenz in Berlin, um des Friedens willen einige Provinzen an Griechenland und ein paar Grenzfetzen an Montenegro abzutreten, nicht beantwortet, er scheint abzuwarten, ob die Griechen und Montenegriner sich die Beute holen. Die gefoppten Großmächte wollen nun englische und französische, russische und italienische, deutsche und österreichische Kriegsschiffe in die griechischen und türkischen Wasser schicken als Mahnung für den Sultan: vollziehe das Gebot Europas. Was die Schiffe thun sollen, wenn der Sultan nicht gehorcht, darüber sind die Mächte in sehr verschiedener Meinung denn die Einen, namentlich Rußland und England, möchten die Türkei zerstören, die Andern, namentlich Deutschland und Oesterreich, erhalten. Kurz es bereiten sich ernste Dinge auf dem Balkan vor. Die Türkei rüstet, Griechenland, Rumänien, Bulgarien rüsten, russische Soldaten und Offizire, die Möven des Sturmes, sammeln sich in Bulgarien, Montenegriner und Albanesen haben sich schon die Köpfe blutig geschlagen und alles ist in Bewegung. Ein lauerndes Rußland, ein schroffes, um die Ruhe Europa's unbekümmertes England - das Bild ist keine Schäfer=Idylle.
Die Antwort der Pforte auf die Collectivnote ist am 27. d. M. den Mächten überreicht worden und ihr Inhalt durchaus den Nachrichten entsprechend, welche bereits vorher über dieselbe gebracht worden sind. Die Pforte erklärt, daß es ihr nicht möglich sei, Janina, Larissa und Metzowo abzutreten, betont aber ihre Geneigtheit, Griechenland Concessionen zu machen, und spricht den Wunsch aus, daß die Mächte ihre Botschafter in Konstantinopel autorisiren möchten, sich mit ihr ins Einvernehmen zu setzen, um eine definitive Grenzlinie festzustellen.


- Der Fürst Bismarck hat, wie aus Hamburg berichtet wird, in jüngster Zeit ein in der Nähe des Sachsenwaldes gelegenes kleines Gut Silk, bei Reinbeck, um den Preis von 300,000 M. erworben. Nach dem Urtheil von Landwirthen ist mit diesem Preise der kleine Besitz, der bisher einen erheblichen Ertrag nicht erzielt, ungemein hoch bezahlt worden.
- Nicht Alle welche die Heimath frohgemuth verlassen haben, um Erfrischung und Erholung in der Ferne zu suchen, kehren wieder heim. Eine Nachricht, die uns der Telegraph aus Bern übermittelt, bringt die erschütternde Kunde, daß auf dem Bieler See bei dem Gewittersturm, der sich am Sonntag Nachmittag über ganz Mitteleuropa erstreckte, der Dampfer "Schwalbe" versunken sei. Glücklicherweise waren nur siebenzehn Passagiere auf dem Dampfer, aber unter diesen 17 Personen 7 Ehepaare und von allen 17 sind nur zwei gerettet worden. Welch' ein tragisches Geschick, auf einer Vergnügungsreise den Tod zu finden! Fern von der Heimath, fern von den Lieben, die vielleicht erst spät Kunde von dem Unglück erlangen, das die Ihren getroffen, deren Reise nach der Schweiz zu einer Reise in jenes unentdeckte Land werden sollte, "von dess' Bezirk kein Wand'rer wiederkehrt". Hoffentlich werden bald die Namen der Verunglückten veröffentlicht, damit die bange Sorge derer beschwichtigt wird, die Grund zu der Annahme haben, daß ihre in der Schweiz reisenden Angehörigen etwa um diese Zeit den Bieler See passirt haben.
- Dem Marschall Bazaine ist es nicht eingefallen, zu sterben, er will jedenfalls abwarten, sagt er, was aus Gambetta wird.
- In Dieppe hat die Badepolizei folgende mit lobenswerther Diskretion abgefaßte Verordnung erlassen: den Badewärtern wird hiermit anbefohlen, wenn eine Dame in Gefahr des Ertrinkens geräth, dieselbe am Kleide zu erfassen und nicht an den Haaren, weil diese gewöhnlich in der Hand der danach Greifenden zurückbleiben.
- Unter den glücklichen Erinnerungen des letzten Krieges spielt die Salicylsäure eine große Rolle, durch welche Vielen Gesundheit und Leben gerettet worden ist. Sie ist vor etwa 40 Jahren entdeckt, seitdem von den verschiedensten Gelehrten untersucht und der höchsten Wirksamkeit zugeführt worden. War früher selbst eine geringere Verletzung fast gleichbedeutend mit dem sichern Tode, war jede für nothwendig gehaltene chirurgische Operation eine Art Anweisung auf das Jenseits, so ist, seitdem die Salicylsäure das Feld beherrscht, die Chirurgie eine conservative geworden. Die Wirkung der Salicylsäure ist in doppelter Beziehung eine heilsame. Sie hat nicht nur das früher übliche, jetzt für unsinnig gehaltene "Schneiden auf Leben und Tod" überflüssig, sie hat auch dieses "Schneiden", wo es trotzdem noch zur Anwendung kommen muß, ungefährlicher gemacht. Sie hat das Verdienst, daß Tausende von braven Kriegern, die früher trotz einer nur leichten Verwundung dem sicheren Tode entgegensahen, jetzt unter gleichen Umständen mit fast absoluter Sicherheit als dem Leben wiedergegeben zu betrachten sind.
- Das neue Lebensmittelschutzgesetz in seiner

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Anwendung. In Großenhain in Sachsen wurde am 21. cr. eine Gutsbesitzerfrau von dem königl. Schöffengericht in öffentlicher Hauptverhandlung in welcher Dr. Hebenstreit in Chemnitz als Sachverständiger bestellt war, wegen Butterfälschung - obgleich sie die ihr zur Last gelegte Fälschung mit Hartnäckigkeit zu leugnen versuchte, dabei eine jede von dem Gerichtshofe an sie gerichtete Frage unter fortgesetztem Schluchzen beharrlich mit "Nein" beantwortete und schließlich nur zugestand, der incrimirten Butter "aus Dummheit" eine 14 Tage alte, aber reine Naturbutter beigemischt haben, - gemäß §. 10 (Abs. 1 und 2) des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln zu 150 M. Strafe und Tragung aller Kosten verurtheilt.
- Ganz Amerika läßt sich täglich Bericht erstatten über das Befinden des Dr. Danner. Er behauptet, der Mensch könne viel länger leben, als man annehme, nur von Luft und Wasser leben und hat in Folge einer Wette sich verpflichtet, 40 Tage zu fasten und nur Wasser zu sich zu nehmen. Am 22. Juli war er bereits in den 25 Fasttag eingetreten. Er geht, reitet, fährt und trinkt erst seit den 12. Tag Wasser, täglich mehr und ist streng überwacht, namentlich von den Aerzten. Am 18. hatte er 4 1/2 Pfund abgenommen und trinkt, wie er sagt, "wie ein Schwamm." Sein Puls zeigte 88, sein Athemholen 15, seine Wärme 98. Er maß 5 Fuß und 5 1/2 Zoll, und soll jetzt zwei Zoll kleiner sein; er ist ein Engländer und 49 Jahre alt, war stets ein mäßiger Esser und lebte meist nur von Milch und Brod. Die Aerzte geben ihn verloren, er aber hofft immer noch seine Wette zu gewinnen.
Wer erinnert sich nicht der nervenerschütternden Geschichte des Dichters Otto Ludwig: "Zwischen Himmel und Erde?" Ein ähnlicher Vorfall fand dieser Tage in Braunschweig auf dem höchsten Gerüste des Postgebäudes statt. Der Bildhauer Link, der Steinhauermeister Lechner und der Arbeiter Worms als feindliche Brüder. Link war mit Lechner im Streit, er wollte ihm Fehler an seiner Arbeit nachweisen. Es kam auf der schwindelnden Höhe zu neuem Streit, Link wurde von Worms am Kragen gepackt, er wich zurück und entging dem Sturze. Bald aber wurde er wieder gepackt und mit solcher Gewalt gestoßen, daß er stürzte. Im Sturz aber faßte er einen Querbalken, klammerte sich fest und rief um Hülfe; er hing zwischen Himmel und Erde; seine Feinde zerschlugen ihm die Hände, damit er loslasse. Auf einem Brett faßte er endlich festen Fuß und kletterte aufs Dach; auch dahin folgten ihm die Wüthenden und suchten ihn in die Tiefe zu stürzen, aber vergebens, er klammerte sich fest an einen Dachhaken. So entging er dem Tode; denn seine Feinde flüchteten sich. Sie sind jetzt beide verhaftet und in Untersuchung.


Anzeigen.

Die große Trockenscheune auf der hiesigen Feldziegelei soll auf Abbruch öffentlich meistbietend verkauft werden und steht zu diesem Zwecke ein Termin auf

Sonnabend den 7. August d. J.
Vormittags 11 Uhr

vor dem unterzeichneten Domainen=Amte an, wozu Kaufliebhaber hierdurch mit dem Bemerken geladen werden, daß die Verkaufsbedingungen im Termine bekannt gemacht werden, auch auf der Domänen=Amts=Registratur eingesehen werden können.
Schönberg den 22. Juli 1880.

Großherzogl. Meckl. Domainen=Amt.
F. Graf Eyben.


In Sachen betreffend die Niederlegung eines Hypothekenbuchs über die auf dem Schönberger Stadtfelde im s. g. Köppenmoor belegene Wiese von ca. 2 1/2 Scheffel Aussaat Größe des Bäckermeisters Johann Peter Hinzelmann allhier wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protocoll sofort im Termin der Präclusivbescheid erlassen und publicirt worden ist.
Schönberg, den 24. Juli 1880.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.     


In Sachen betreffend die Niederlegung eines Hypothekenbuches über die zu Herrnburg belegene Büdnerei Nr. 27 des Schmieds L. Brockmann daselbst wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protocoll sofort im Termin der Präclusiv=Bescheid erlassen und publicirt worden ist.
Schönberg, den 24. Juli 1880.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.     


Antragsmäßig soll über die zu Lüdersdorf belegene Büdnerei Nr. 19 des Gastwirths Carl Fahrenkrug daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Dienstag, den 5. October d. Js.
Vormittags 11 Uhr

peremtorisch und unter dem Nachtheile hiermit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als auch die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 23. Juli 1880.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.     


Alle diejenigen, welche dem verstorbenen Uhrmacher H. Dahnke hieselbst für Uhren=Reparaturen u. s. w. noch einzelne Beträge schuldig geblieben sind, werden hierdurch ersucht, ihre Schuld bis zum 1. September d. J. an den Unterzeichneten zu berichtigen.
Schönberg den 28. Juli 1880.

Johannes Kniep, Pferdehändler,          
als Vormund Dahnke'scher Minorennen.     


Verschönerungs-Verein.

Zwecks Erleichterung für die geehrten Vereinsmitglieder, wie auch für den Kassenführer, haben nachstehend bezeichnete Mitglieder sich erboten, die resp. Beiträge aus den Häusern abzuholen:
Vom Lande und vom Bahnhofe bis zum Markt incl. - Executor Staack,
in der Sabower= und Marien=Straße - Tischlermeister Rindfleisch,
in der Siemzer=Straße, rechts vom Markt -Töpfermeister Sievers,
in derselben links desgl. Wasser= und Hinter=Straße - Schornsteinfeger Gierloff.
Wir bitten ergebenst, denselben den jedesmaligen Quartalsbeitrag mit 50 Pfennig (Mecklenburg) oder nach Belieben, zur etwaigen weiteren Vereinfachung, den Betrag für mehrere Quartale gefälligst einzuhändigen.
Schönberg den 29. Juli. 1880.

Der Vorstand des Verschönerungs=Vereins.


Die Gewinne der diesjährigen Tombola sind spätestens den 14. August cr. beim Cigarrenfabrikanten Rieckhoff abzufordern.
Schönberg d. 29. Juli 1880.

Der Vorstand der Schützenzunft.


Kanarienvögel
3 M.
                                                    D. Hempel.


[ => Original lesen: 1880 Nr. 59 Seite 4]

Kampfgenossen-Verein 70/71.
Generalversammlung 1. August.
Nachmittags 3 1/2 Uhr.
Tagesordnung.

1. Wahl von Vorstandsmitgliedern.
2. Unterschrift der revidirten Statuten.
3. Besprechung des vom Fest=Comité festgesetzten Programms der Enthüllungsfeier am Sedantage.
4. Sonstige Vereinsangelegenheiten.

Schönberg d. 26. Juli 1880.
                                                    I. A.
                                                    Roepstorff.


Um den Hausfrauen das Einkochen zu erleichtern, presse ich Johannisbeeren, Himbeeren, Kirschen, Aepfel etc. mit meiner Fruchtpresse pro Pfund für 2 Pfennig (Mecklenburg). aus.
Auch empfehle ich Johannisbeeren pro Pfund 8 Pfennig (Mecklenburg). ausgepreßt 10 Pfennig (Mecklenburg).

Jul. Wagner, Conditor.     


Kanarienhähne
Harzer Roller à Stück 3 M.
                                                    W. Schär.


Den rühmlichst bekannten

Dr. E. Weber's Familien-Thee

erhält man nur echt im Haupt=Depot von H. Ditrich in Hamburg Thalstraße 99. - Bestellungen per Postkarte von 3 Mark an werden franco gegen Nachnahme ausgeführt.


Eisenbahn        Eisenbahn
Mecklenb. Friedrich=Franz=Eisenbahn.
Am Sonntag den 8. August d. J.
wird ein Extrazug
Hamburg=Lübeck=Schwerin
und zurück abgefertigt:

Abfahrt von Lübeck 9 Uhr 5 Min. Morg.
Abfahrt von Schönberg 9 Uhr 37 Min. Morg.
Abfahrt von Grevesmühlen 10 Uhr 3 Min. Morg.
Abfahrt von Bobitz 10 Uhr 24 Min. Morg.
Abfahrt von Kleinen 10 Uhr 40 Min. Morg.
Ankunft in Schwerin 11 Uhr 2 Min. Morg.

------

Abfahrt von Schwerin 9 Uhr 24 Min. Abends
Abfahrt von Kleinen 9 Uhr 47 Min. Abends
Abfahrt von Bobitz 10 Uhr 4 Min. Abends
Abfahrt von Grevesmühlen 10 Uhr 21 Min. Abends
Abfahrt von Schönberg 10 Uhr 46 Min. Abends
Ankunft in Lübeck 11 Uhr 12 Min. Abends
Auf den vorgenannten Stationen werden an diesem Tage zu dem Extrazuge Hamburg=Lübeck=Schwerin

Fahrbillets II. und III. Wagenklasse
nach Schwerin zum einfachen Fahrpreise

ausgegeben, welche zur Rückfahrt nicht allein zum Extrazuge Schwerin=Lübeck=Hamburg, sondern auch am 5. Juli cr. zu den fahrplanmäßigen, von Schwerin um 8 Uhr 11 Min. Morgens und um 1 Uhr 42 Min. Nachmittags abgehenden Personenzügen Gültigkeit haben.
In gleicher Weise werden am 8. August cr. zu dem um 7 Uhr 52 Min. Morgens abgehenden Zuge in Wismar Billets zum einfachen Fahrpreise nach Schwerin ausgegeben, welche zur Rückfahrt mit allen fahrplanmäßigen Zügen am 8. und 9. August cr. berechtigen.
Freigewicht für Gepäck wird auf diese Doppelbillets nicht gewährt.

Die Direction.     


Echten Harzkäse
Holsteinischen Käse,
gut durchgelegen und von schönen Geschmack,         
empfiehlt billigstens                           
                                                    Aug. Spehr.


Bunzlauer Bierkruken,
do. Einmachtöpfe

von 1-8 Liter Inhalt zu äußerst billigen Preisen

empfiehlt          
Aug. Spehr.     


Von Mittwoch den 28. d. M. fährt mein Omnibus
          aus Carlow Morgens 5 Uhr,
          aus Schönberg Morgens 8 1/2 Uhr

F. Borchert.     


25 originelle Scherzkarten versendet gegen 50 Pfg. in Marken.
Gotthilf Koch, Berlin S. W.


1800 Pianinos

sind aus der Fabrik von Th. Weidenslaufer, Berlin, Doratheenstrasse 88 bereits hervorgegangen und über ganz Deutschland versandt. Frachtfreie Lieferung mit 3 Wochen Probezeit, kleinste Theilzahlungen oder Baar mit hohem Rabatt. Kauflustige erhalten, sofort gratis und franco Preis-Courant mit ehrenden Zeugnissen über die Güte des Fabrikats und die rühmliche Reellität dieses Fabrikhauses.


Technicum Mittweida.
(Sachsen.) - Höhere Fachschule für Maschinen-Ingenieure und Werkmeister. Vorunterricht frei.
Aufnahmen: Mitte April u. October.


Gefunden wurde eine Stange Eisen. Abzufordern gegen die entstandenen Kosten bei

                                                    P. Maass,
                                                    Makler und Commissionair.


Tesch's Garten.
Kinder=Vergnügen.
Am Sonntag den 1. August.

Kinder in Begleitung der Eltern oder Verwandten haben Zutritt. Spiele mit Gewinnen verschiedener Art. Wozu freundlichst einladet

Fr. Tesch und Frau.     


Zu Michaelis c. soll das hiesige Pfarrwittwenhaus im Ganzen oder in einzelnen Theilen wiedervermiethet werden. Es wird hierdurch tüchtigen Handwerkern, namentlich Rademachern und Schlachtern, die es hier nicht giebt, Gelegenheit zu ihrem Fortkommen geboten.
Demern, den 23. Juli 1880.

G. Fischer,     
Pastor.         


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 1. August.
Frühkirche: Fällt aus.
Vormittagskirche: Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Kämpffer.


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


(Hierzu Officieller Anzeiger Nr. 24.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


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