No. 8
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 25. Januar
1867
siebenunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 1]

Es wird hiermit bekannt gemacht, daß in Folge des Publicandi hoher Großherzoglicher Landesregierung vom 10. d. M. die Wählerlisten zwecks der Wahl eines Abgeordneten zum norddeutschen Parlamente vom heutigen Tage an ausliegen, und zwar an folgenden Orten:

1) für die Stadt und die Vogtei Schönberg, sowie für die Vogtei Rupensdorf im Registratur=Gebäude zu Schönberg,
2) für die Vogtei Stove bei dem Landreiter Struck in Carlow,
3) für die Vogtei Schlagsdorf bei dem Landreiter Krüger in Schlagsdorf und
4) für die Vogtei Mannhagen bei dem Forstaufseher Krüger in Mannhagen.
Einsprachen gegen dieselben sind binnen 14 Tagen, also bis zum 29. d. M. bei der Großherzoglichen Landvogtei hieselbst anzubringen. Dieselben werden vor der Wahl erledigt und die Listen darauf geschlossen.
Nur Diejenigen sind zur Theilnahme an der Wahl berechtigt, welche in diese Listen aufgenommen sind.
Schönberg, den 15. Januar 1867.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben. C. L. v. Oertzen. Seip.


Schönberg, 24. Jan. Gestern Abend gegen 7 Uhr ließ eine in südlicher Richtung sichtbare ziemlich bedeutende Erleuchtung des Horizonts einen Brand in unserer Nähe vermuthen, was auch bald durch die Nachricht bestätigt wurde, daß das Hauswirth Maß'sche Wohnhaus in Törpt in Flammen stehe, welches leider auch nach näheren Berichten sammt seinem ganzen Inhalt ein Raub derselben wurde. Sämmtliches Mobiliar, Betten, Leinzeug, Wirthschafts= und Sielen=Geschirr, sowie 3 Kühe, alle Schaafe und Federvieh, circa 20 Fuder Stroh, 18 Fuder Heu und Klee, 18 Scheffel Weizen, 10 Scheffel Schrot, 6 Scheffel Weizenmehl etc. etc. wurden von dem rasch um sich greifenden Feuer mit verzehrt. Auch die Dienstboten haben Alles verloren, was sie im Hause hatten. Die Ursache des Brandes ist bis jetzt unbekannt.
- Langsam, aber sicher wächst die Bedeutung des türkischen Krieges. Die Candioten haben ein türkisches Heer von 5000 Mann geschlagen. Die Athenienser, um ihren Stammesgenossen zu Hülfe zu kommen, bewilligten große Summen zur Anschaffung von Gewehren und zur Ausstattung außerordentlicher Gesandten an die großen Höfe. Der russische Gesandte in Wien ließ bei offener Tafel die Griechen leben und eine officiöse Zeitung in Berlin veranstaltet Sammlungen für die Candioten.
- Die Coburger sind sehr stolz. Die Residenz Dresden ist eine Filiale der englischen Gesandtschaft in Coburg geworden; Master Bernard, der englische Gesandte in Coburg versieht zugleich die Geschäfte in Dresden.
- Auf der Insel Sardinien herrscht furchtbare Hungersnoth. In Städten und Dörfern werden Alle, die noch etwas haben, von Leuten überlaufen, welche Arbeit suchen oder ein Darlehen in Korn oder Geld erbitten oder ein Stück Land um jeden Preis verkaufen oder ihre Ackergeräthe, ihre Küchengeschirre, ihre Kleider etc. verkaufen wollen. Auf den Landstraßen begegnet man auf jedem Schritte Leuten, welche die bittende Hand ausstrecken, man sieht ganze Züge von Männern und Frauen, welche ihr bißchen Habe zum Verkaufe tragen. Die Noth verleitet die armen Leute zum Diebstahl.
- Kaiserin Charlotte von Mexico ist von ihrer Geisteskrankheit wiederhergestellt; ihre Wahnbilder sind erloschen.
- In Genf schneite es 2 Tage (vom 13.-15. Januar) ununterbrochen, was seit 16 Jahren am Genfer See nicht vorgekommen ist. Dem Schneefall ging ein Gewitter voraus. Auch im südlichen Flankreich ist so viel Schnee gefallen, daß der Verkehr stockt.
- Bei Rorschach am Bodensee wurden mit einem Netzwurfe 150 Centner Fische, Karpfen und Hechte, gefangen, am folgenden Tage 300 Centner. Der Segen war so groß, daß das Pfund Karpfen etwa um 1 Schilling (Mecklenburg) verkauft wurde.
- In Paris sind 8 Personen seit einiger Zeit spurlos verschwunden, Frauen und Männer, junge und alte, unter andern eine reiche verheirathete Amerikanerin. Sie sind wahrscheinlich unter irgend einem Vorwande an abgelegene Orte gelockt und unsichtbar geworden. Die 10äugige Polizei sucht sie vergeblich.
- Alter, sagte eine Bauerfrau in Niederösterreich zu ihrem Mann, unser Seppi darf kein Soldat werden, mach' dich auf die Bein' und kauf' ihn los. - Der Alte sah seinen 3jährigen Buben an, der munter spielte, steckte zwei 500 Guldennoten in die Tasche und marschirte drei Stunden weit in's Amt. Als er aber bezahlen wollte, war die große Brieftasche fort. Mußt' sie suchen, dachte er und ging zurück. Habt Ihr nichts gefunden? fragte er die Begegnenden auf dem langen Wege. Keiner hatte die Brieftasche gefunden, da kam ihm sein Knecht entgegen gelaufen und winkte schon von weitem. Er heult, sagte der Bauer, was hat er? - Der lustige Seppi war in die Hauslache gefallen und todt. - "Bub' weg, Geld weg! jammerte der Alte. - Was Geld? So ist das Eure Brieftasche, die ich gefunden? - Freilich ist sie's und 's ist gut, daß du sie gefunden, aber der Bub' wäre mir doch lieber als das ganze Geld!



[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 2]

Heinrich der Arme.
Eine Dorfgeschichte von Fr. Büchner.
[Erzählung]
(Fortsetzung.)


[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 3]

Anzeigen.

Vom 1. Februar c. ab werden die Großherzoglichen Landbeschäler
1) Comet, schwbr. H. v. Venture a. e. Norfolk=Stute (in England gezogen),
2) Y. Boradil, br. H. v. Boradil, a. e. mecklenb. Stute,
3) Y. Mambrino, dkbr. H. v. Mambrino, a. e. mecklb. Stute,
auf der Station Schönberg zur Benutzung des Pferde züchtenden Publikums aufgestellt sein.
Neustrelitz, den 21. Januar 1867.
Großherzogliches Marstallamt.
von Bernstorff.


Lübeck-Kleinen Eisenbahn.
Die Zeichner der Stamm= und Priorität=Actien unserer Gesellschaft werden nach Maßgabe der Bestimmungen der §§. 11. und 12. des Gesellschafts=Statuts hierdurch aufgefordert:
bis zum 11. März dieses Jahres
auf die von ihnen gezeichneten Stamm= und Prioritäts=Actien die zweite Einzahlung
mit zehn Procent des Actien=Capitals,
oder 10 Thaler Pr. Courant pro Stamm=Actie
und 20 Thaler Pr. Courant pro Prioritäts=Actie
im Bureau der Gesellschaft, Königstraße Nr. 662 (Jakobi=Quartier), zu leisten.
Bei dieser Einzahlung sind die Quittungsbögen vorzuzeigen, damit auf diesen für die neue Einzahlung quittirt werde.
Für Zinsen für geleistete erste Einzahlung sind pro Stamm=Actie Ein halber Thaler Preußisches Courant und pro Prioritäts=Actie Ein Taler Preußisches Courant in Abzug zu bringen.
Vom 11. März dieses Jahres an beginnt die Verzinsung des neuen Einschusses mit 4 1/2 Procent für das Jahr.
Lübeck, den 21. Januar 1867.
Die Direction der Lübeck=Kleinen Eisenbahn=Gesellschaft.


Es hat dem Herrn gefallen, mir heute mein inniggeliebtes Söhnchen Wilhelm im Alter von 1 3/4 Jahren plötzlich durch den Tod am Krampf zu entreissen. Tiefbetrübten Herzens mache ich allen Theilnehmenden diese für mich so schmerzliche Anzeige.
Schönberg, den 24. Januar 1867.
W. Saur, Justizamts-Assessor.


Todes=Anzeige.
Heute Morgen um 4 1/2 Uhr wurde mein guter braver Mann, der frühere Seiler Gottfried Müller, nach einem schweren Krankenlager durch den Tod von meiner Seite gerissen. Tief betrübt widme ich diese Anzeige Verwandten und Freunden zu stiller Teilnahme.
Schönberg, den 24. Januar 1867.
Marie Müller, geb. Schwiesow.


Dienstag, den 22. d., und folgende Tage Ausverkauf von Kleiderstoffen, schwarzen und couleurten Seidenzeugen, französischen und gewirkten Long=Shawls, schwarzen und couleurten Beduinen, seidenen Mantillen und Paletots, Winter=Mänteln und Jacken.
Ferner einer Partie heller und dunkler Cattune, gestreifter und carrirter Baumwollenzeuge, 8/4 und 10/4 breite weiße Gardinen u. S. w.
Lübeck, Klingenberg 927. U. Beermann & Co.
Proben von Ausverkaufs=Sachen werden nicht versandt.


Meine Sprechstunden sind Morgens von 8-10 Uhr und Nachmittags von 3-4 Uhr.
Ratzeburg.
Dr. Redeker, Stabsarzt.


Club im Hause des Herrn Aug. Spehr in Schönberg am Mittwoch, den 30. Januar. Mittag=Essen 3 Uhr.


[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 4]

Der L. W. Egers'sche Fenchel=Honig=Extract
ist das lieblichste, aus dem edelsten Blumen=Honig (mel hortense), der Fenchel=Pflanze und vielen heilsamen Säften mit größter Gewissenhaftigkeit bereitete, für Magen, Lunge, Unterleib und Blut vortheilhafteste und unschädlichste Genußmittel für alle Kranke, namentlich aber bei Hals= und Brust=Leiden, Husten, Heiserkeit, Verschleimung etc. Bei Keuchhusten und anderen Kinder=Krankheiten gibt man ihn erwärmt. Kinder nehmen ihn für ihr Leben gern. Bei Hämorrhoidal= und Unterleibs=Leiden nimmt man ihn rein für sich oder in gutem Trinkwasser aufgelöst. In größeren Gaben bewirkt er leichte Leibesöffnung.
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Jede Flasche trägt die eingebrannte Firma, sowie Siegel, Etiquette nebst Faksimile des Erfinders L. W. Egers in Breslau. Die alleinige Niederlage ist bei Buchbinder C. Sievers in Schönberg.


Drei neue Anerkennungen der Hoff'schen Malz=Fabrikate.
Lychen, 12. December 1866: "Ew. Wohlgeboren bitte ich ganz ergebenst um eine neue Sendung Ihres preiswürdigen Malz=Extract=Gesundheits=Bieres etc. etc., wo möglich vor dem Weihnachts=Feste, da ich mit dieser Sendung gern eine Weihnachts=Freude bereiten möchte etc." Magnus, Pastor emeritus, in Lychen.
Der Herr Hospital=Oberarzt Dr. Siminowsky an den Herrn Dr. Werner, Director des polytechnischen Bureaus und vereidigten Chemiker in Breslau:
St. Petersburg, den 18. November 1866: "Geehrter Herr College! Meinen innigsten Dank für die freundliche Uebersendung der Hoff'schen Malz=Präparate, sowie für die Resultate Ihrer Analyse; ich habe sofort in meinem Hospital Versuche angestellt und gefunden, daß das Malz =Extract=Gesundheits=Bier einen überaus erfreulichen Erfolg bei meinen Kranken gehabt hat; nicht minder die Chocoladen=Präparate, deren Wirkung eine auffallend schnelle und erfreuliche war, so daß dieser wichtigen Erfindung nicht genug Anerkennung gezollt werden kann, und ich nicht umhin kann, sie noch vor völligem Verbrauche derselben zu ersuchen, mir umgehend 5 Pfund Chocolade und 50 Flaschen Malz=Extract=Gesundheits=Bier zu übersenden u. S. w." Dr. Siminowsky, Oberarzt.
Stolst, 10. October 1866: "Das Hoff'sche Malz=Extract=Gesundheits= Bier hat sich heilsam bewiesen bei Asthma, Unterleibs=Beschwerden, Skropheln, bei Gicht und Hypochondrie, und hat bei entnervten Personen, die in Folge von Nerven=Schwindsucht dem Tode zu verfallen schienen, fast Wunder gethan. Die Malz=Gesundheits=Chocolade hat sich als ein sehr kräftiges Heilnahrungsmittel bei sehr entkräfteten Kranken bewährt. Außerdem haben die Präparate von Malz=Zucker und Malz=Bonbons in Brust= und Hals=Krankheiten bei Kindern sich als sehr heilsam erwiesen." Dr. Weinschenk, Königl. Oberarzt des Invalidenhauses.
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Niederlage in Schönberg bei Wilh. Heincke.


Kunst=Anzeige.
Dem hochgeehrten Publikum der hiesigen Stadt und der Umgegend zeige ich hierdurch ergebenst an, daß ich Sonntag, den 27. d. Mts., im Saale des Herrn Aug. Spehr in Schönberg eine improvisatorische Abendunterhaltung geben werde. Der ungetheilte Beifall, den meine Vorträge in allen großen Städten Deutschlands und zuletzt in Schwerin fanden, läßt mich auf eine recht zahlreiche Betheiligung hoffen und freundlichst darum bitten.
Billets à 16 Schilling (Mecklenburg) und Familien=Billets 4 Stück 1 Taler (Mecklenburg) nebst Programm sind vorher beim Herrn Senator Spehr und Abends an der Casse zu haben.
Wilh. Herrmann, Improvisator aus Braunschweig.


Kirchliche Nachrichten.
Schönberger Gemeinde.

Geboren: 17. Januar dem Arbeitsmann Woisin zu Lindow eine Tochter. - 18. dem Sattlermeister Baer jun. hieselbst ein todter Sohn. - 19. dem Arbeitsmann Rieckhoff zu Torriesdorf eine Tochter. - 21. Ein unehelicher Sohn in Schönberg.

Gestorben: 11. Januar Anna Margar. Magdalena Stoffers, Schuhmachermeisters=Wittwe vor Schönberg, geb. Groth aus Wahrsow, 88 J. 9 M. alt. - 13. Joh. Peter Harms, Kiepenmacher vor Schönberg, 37 J. 1 M. alt. - 13. Heinrich Ernst Peter Hagen, Bäckermeisters=Sohn hieselbst, 7 M. alt. - 16. Vice=Wachtmeister Collin vor Schönberg, 73 J. alt. - 17. Jochen Ollmann vor Schönberg, Knecht aus Schlagsdorf, 30 J. alt. - 17. Heinrich Hans Joach. Suerbier zu Retelsdorf, 8 M. alt. - 19. Joh. Friedr. Voß, Arbeitsmanns=Sohn aus dem hiesigen Bauhofe, 19 J., 1 M. alt. - 23. Thies Hinr. Räsenhöft, Wittwer und Altentheiler zu Petersberg, 84 J. 10 M. alt.

Sonntag, den 27. Januar 1867.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Nachmittags=Kirche: Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Meteorologische Beobachtungen.
1867
Jan.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
22.
23.
24.
38.87
37.06
32.28
-5.3
-5.8
-4.9
-3.3
-4.0
3.6
SW
OSO
S
1
1
1
trübe.
-
-

Am 23. (Nachts) 48 Cubz. Regen auf 1 Quadratfuß.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund10 1/2 - 11 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund12 - 12 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Hasen, d. St. 32 - 40 Schilling (Mecklenburg).
Enten, d. St. 24 - 28 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.12 - 18 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Spickgans, d. St.32 - 40 Schilling (Mecklenburg).
Flickgans, d. St.16 - 20 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 4 - 5 St. für4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß5 - 6 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weitzen23 - 24Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Roggen14 - 15Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Gerste13 - 14Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Hafer9 - 10Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Erbsen14 - 16Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen10 - 11Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
W.=Rapsaat-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wint.=Rübsen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat20 - 21Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)


(Hiezu eine Beilage.)



Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Buchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 5]

Beilage
zu den Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 25. Januar 1867.


Lübeck=Kleinen Eisenbahn.

Die Lübeckischen Blätter (Nr. 3. d. Jg.) bringen eine Abhandlung über die Lübeck=Kleinen Eisenbahn, die wir, bei dem Interesse, welches diese Bahn auch für das Fürstenthum Ratzeburg hat, zur Orientirung über den bisherigen Stand dieses Unternehmens in Nachstehendem wiedergeben:
Bei der Wichtigkeit dieses Unternehmens für unsere Stadt dürfte es von nicht geringem Interesse sein, die Verhältnisse desselben einmal etwas näher in's Auge zu fassen.
Die Bahn ist concessionirt auf Grund eines Staatsvertrages zwischen den Regierungen von Mecklenburg=Schwerin , Mecklenburg=Strelitz und Lübeck d. d. 24. October 1864 mit einem Grundcapital von 3,700,000 Taler (Mecklenburg) Pr. Crt.
Das Capital ist bis auf 5000 Taler (Mecklenburg) ganz und gar gezeichnet von J. Barned & Co. in Liverpool, und sind darauf bislang dem Vernehmen nach nur eingezahlt 10 % oder 370,000 Taler (Mecklenburg).
Die Unternehmer sind laut § 12 der Concessionsbedingungen verpflichtet, die Bahn bis zum Ablauf des Jahres 1867 auf ihre Kosten und Gefahr so vollständig herzustellen, daß sie nach Ablauf dieser Frist in allen ihren Theilen dem Verkehr übergeben werden kann.
Für die pünktliche Einhaltung dieser Bedingung haben die Unternehmer eine Caution von 100,000 Taler (Mecklenburg) den betheiligten Staatsregierungen eingezahlt, wovon auf Lübeck 16,666 2/3 Taler (Mecklenburg) kommen. Die Caution wird mit 4 % verzinst.
Die acht Mitglieder der Direction erhalten laut § 50 des Statuts während der Bauzeit, außer der Erstattung ihrer baaren Auslagen, eine Remuneration von jährlich 250 Pf. Strl. für jedes Mitglied; außerdem erhält der Präsident noch 100 Pf. Strl. jährlich. Allein also für die oberste Geschäftsleitung hat die Bahn jährlich 2100 Pf. Strl. oder ca. 14,500 Taler (Mecklenburg) Pr. Crt. zu erbringen.*) Die Gehalte und Remunerationen der Rechtsconsulenten und der übrigen zahlreichen Angestellten der Gesellschaft sind nicht bekannt, werden aber, wie zu vermuthen, nach einem ähnlichen Maßstab zu bemessen sein, d. h. sie werden in den beschränkten Verhältnissen einer so winzig kleinen Bahn eine sachliche Rechtfertigung nicht finden können.
Von einem irgendwie ernstlichen Beginn der Bauten verlautet noch nichts. Nicht einmal der Platz, wo der Bahnhof in Lübeck erbaut werden soll, steht fest, geschweige denn, daß das hiezu nöthige Terrain erworben worden wäre.
Ist nun hienach kein Gedanke daran, daß die festgesetzte Bauzeit bis Ende dieses Jahres eingehalten werden könnte, so muß die Aussicht, daß die Bahn von den jetzigen Unternehmern und Zeichnern überall jemals fertig gebaut werden könnte, ganz schwinden, wenn man erwägt, in welchen Verhältnissen dieselben sich befinden. Die Inhaber der Firma J. Barned & Co. in Liverpool, Charles Mozley und Lewin Barned Mozley, seit dem Jahre 1858 associirt, betreiben dieses ihr Bankgeschäft mit höchst geringem eigenen Capital - ca. 20,000 Pf. Strl. -, und sahen dasselbe wie ihre ganze Stellung ernstlich gefährdet, als sie durch die Betrügereien eines ihrer Verwandten im Jahre 1865 einen Verlust von etwa 100,000 Pf. Strl. erlitten. Es war deshalb gewiß ein großes Glück für sie zu nennen, als es ihnen bald nachher, nämlich im Juli 1865 gelang, ihr Bankgeschäft mit allen Activis und Passivis, insbesondere aber mit allen daran hängenden faulen Unternehmungen, an eine von ihnen gebildete Actiencompagnie Barneds Banking Company zu übertragen. Da indeß die dieser Actiencompagnie überlassenen Activa sich bald als gänzlich nominell erwiesen, sah die Firma Barneds Banking Company sich bereits nach 9 Monaten, also im April 1866 genöthigt, ihre Zahlungen einzustellen, was denn zu einer Reihe von Enthüllungen führte, welche selbst in der letztverflossenen englischen Actienschwindelperiode großes Aufsehen erregt und welche überall selbst dort kaum ihres Gleichen gefunden zu haben scheinen. Es genügt hier hervorzuheben, daß die von J. Barned & Co. an Barneds Banking Company überwiesenen Verpflichtungen sich auf die colossale Summe von 2,037,402 Pf. Strl. bezifferten und daß die dagegen an die Actiengesellschaft übertragenen Activa der Firma J. Barned & Co. außer den gedachten fast durchweg gänzlich werthlosen Ausständen lediglich in einer Baarsumme von 18,177 Pf. Strl. bestanden, und daß die Herren Mozley sich für die Ueberlassung der Firma J. Barned & Co. an Barneds Banking Company von letzterer Gesellschaft eine Remuneration von 160,000 Pf. Strl. haben zahlen lassen, freilich in Actien von Barneds Banking Company, also in werthlosen Papieren.
Was die persönlichen Verhältnisse der beiden obgenannten Associes anlangt, so hat Lewin Barned Mozley selbst eidlich ausgesagt: "Außer dem Vermögen, welches ich in der Bank hatte, habe ich sehr wenig anderes Vermögen. Ich habe mein Privatvermögen nicht der Concursmasse von Barneds Banking Company überlassen; Alles und Jedes, was ich habe, kommt in die Hände meiner eigenen Concurs=Administratoren." Aehnlich ist es mit Charles Mozley, welcher gleichmäßig von der Concursmasse von Barneds Banking Company für eine Forderung von 160,000 Pf. Strl. in Anspruch genommen wird, eigenes nennenswerthes Vermögen aber nicht besitzen soll. Jedenfalls geht aus diesem ganz heillosem Schwindel, welcher jetzt den wohlbekannten Londoner Canzleigerichtshof beschäftigt und voraussichtlich noch manches Jahr beschäftigen wird, zur Genüge hervor, daß sowenig von J. Barned & Co., als von Barneds Banking Company, als von Lewin Barned Mozley, als endlich von Charles Mozley irgend ein weiterer Einschuß auf die von ihnen gezeichneten und rückständigen Actienbeträge von 90 % oder 3,325,500 Taler (Mecklenburg) zu erwarten ist. Diese Gewißheit, daß von den Zeichnern der Actien, d. h. von J. Barned & Co. kein Pfennig weiter zu erlangen ist, scheint auch für die Direction der Grund gewesen zu sein, weshalb sie von allen weiteren Aufforderungen zu Einzahlungen bisher noch abgesehen hat, ungeachtet der § § 11 und 12 des Statuts, und ungeachtet des Umstandes, daß die vorgeschriebene Bauzeit bereits im gegenwärtigen Jahr abläuft.
Was nun aus der Sache werden soll, dürfte einen Gegenstand der ernstesten Erwägung für die Betheiligten bilden müssen. An eine Uebernahme der Eisenbahn seitens unseres Staats wird nicht zu denken sein, da unser Staatseisenbahnwesen ohnehin schon wie ein fressender Krebs an unsern Staatsfinanzen zehrt. So lange die 27,644 Actien oder 5,528,800 Taler (Mecklenburg), welche unser kleiner Staat, d. h. eine Bevölkerung von 44,000 Köpfen, in der Eisenbahn angelegt hat, sich mit nur 2 9/10 % verzinsen - es ist dies die Durchschnittsdividende der 13 verflossenen Jahre, und für 1866 sinkt die Dividende mit 2 2/3 % sogar noch unter diesen kläglichen Durchschnitt hinab **) -, wäre es mehr als Leichtsinn, wenn man die geringen Steuerkräfte unseres Staats noch weiter mit der Alimentirung unproductiver Eisenbahnunternehmungen belasten wollte. Immer aber gehört unser Staat direct wie indirect zu den bei der Sache Betheiligten. Die Concession ist verliehen, "um die Eisenbahn zu bauen und zwar so, daß dieselbe bis Ende 1867 ganz und in allen

*) Die entsprechende Position beträgt bei Lübecks Büchen=Hamburg dem Vernehmen nach 1800 Taler (Mecklenburg), bei Altona=Kiel (Statut §. 74) betragen die Gehalte der fünf Direktoren zusammen nur 3000 Taler (Mecklenburg).

**) Die preußischen Staats=Eisenbahnen, unter welchen sich bekanntlich viele kostspielige und manche gering rentirende Strecken befinden, verzinsten das darin angelegte Capital von 34,700,000 Taler (Mecklenburg) in 1863 mit 6 %, 1864 mit 6 1/2 %, 1865 mit 6 7/10 % (Landtags=Verhandlungen vom 15. Januar 1867).

[ => Original lesen: 1867 Nr. 8 Seite 6]

ihren Theilen fertig dem Betriebe übergeben werden kann." Diese Bedingung wird nicht erfüllt, weil nicht effektiv gebaut wird und weil überall das erforderliche Baucapital nicht vorhanden ist. Sie kann von den insolventen Unternehmern überall nicht erfüllt werden. Es dürfte daher Sache der betheiligten Regierungen sein, hier endlich einzuschreiten und nicht länger zuzusehen, wie das geringe vorhandene Capital (der Einschuß von 10 Procent) durch phantastisch bemessene Gehalte, Remunerationen und sonstige Spesen gänzlich aufgezehrt wird. Ist es doch ein schreiender Widersinn, daß Gehalte und Remunerationen gezahlt werden, während die Bauausführung, für deren Ueberwachung und Oberleitung dieselben gezahlt werden sollen, gar nicht ernstlich vor sich geht.
Ganz abgesehen von vielfachen anderen Gründen scheint uns schon nach §. 240 des Allgemeinen Deutschen Handels=Gesetzbuchs ein Einschreiten motivirt zu sein. Derselbe besagt:

"Ergibt sich aus der letzten Bilanz, daß sich das Grundcapital um die Hälfte vermindert hat, so muß der Vorstand unverzüglich eine General=Versammlung berufen und dieser sowie der zuständigen Verwaltungs=Behörde davon Anzeige machen.
Die Verwaltungs=Behörde kann in diesem Falle von den Büchern der Gesellschaft Einsicht nehmen und nach Befinden der Umstände die Auflösung der Gesellschaft verfügen.
Ergibt sich, daß das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muß der Vorstand hievon dem Gericht behufs der Eröffnung des Concurses Anzeige machen."
Die Voraussetzung, daß sich das Grundcapital der Gesellschaft (bestehend laut §. 3. der Statuten aus 3,700,000 Taler (Mecklenburg), wovon zur Zeit 370,000 Taler (Mecklenburg) in geleisteten, 3,330,000 Taler (Mecklenburg) in noch zu leistenden Einzahlungen auf die gezeichneten Actien) um die Hälfte vermindert hat, liegt vor, ja das Capital hat sich um 9/10 verringert, da nach dem Obigen ein halbwegs verständiger Mann eine Forderung an J. Barned & Co. als ein Activum nicht mehr ansehen kann. Von diesem gesetzlichen Standpunkt aus ist die Solvenz der Lübeck=Kleinen Eisenbahn=Gesellschaft offenbar dadurch bedingt, daß an Stelle der längst werthlos gewordenen Zeichnung von J. Barned & Co. andere solvente Namen (etwa diejenigen der fünf übrigen hiesigen Directions=Mitglieder, welche als die einzigen überhaupt vorhandenen Actionäre gewiß die nächste Veranlassung und das nächste Interesse an der Sache haben) sich für die ausfallenden 3,325,500 Taler (Mecklenburg) verpflichten.
Um so dringender aber ist für die Staats=Behörden die Veranlassung zum Einschreiten, da einestheils die nur erforderte Caution von 100,000 Taler (Mecklenburg) - noch nicht drei Procent des Baucapitals - ungenügend war, um das Zustandekommen des Unternehmens sicher zu stellen, und da anderntheils es, gelinde gesagt, eine überaus große Leichtgläubigkeit war, wenn die Staatsbehörden sich für die Summe von 3,695,000 Taler (Mecklenburg) Pr. Crt. mit bloßen Handzeichnungen einer Firma, wie die von J. Barned & Co., zufrieden gegeben haben, einer Firma, deren Activa nach Tausenden, deren Passiva aber nach Millionen zählten.


- Ein schwedischer Wetterprophet verheißt uns für das Jahr 1867 folgende Witterung. Legt man im Allgemeinen solchen Prophezeiungen auch keinen Werth bei, so vergleicht doch Mancher gewiß gerne die einzelnen Tage.
1867. Januar: 1.-4. kalt und trübe mit Frost, 5.-10. trübe und rauh mit Regen, 11.-14. klar mit Frost, 15.-19. starkes Schneetreiben, 20.-26. klar mit starker Kälte, 27.-31. Schneetreiben und Kälte.
Februar: 1-9. klar mit starker Kälte, 10.-12. Schneetreiben, 13.-16. die strengste Kälte in Schonen während des Winters (20-25 Grad), 17.-28. trübe mit Schnee und Staubregen.
März: 1.-8. trübe und kalt, 9.-15. Schneetreiben und trübe mit Kälte, 16.-22. Schneetreiben mit strenger Kälte, 23.-26. schön aber kalt, 27.-31. starkes Wehen und Schneetreiben, trübe und Regen.
April: 1.-8. klare und mildere Luft, 9.-12. etwas Regen und trübe, 13.-30. klare und schöne Tage, während welcher der Schnee ohne Regen verschwindet.
Mai: 1.-4. halbklar und warm, 5.-6. etwas Regen und trübe, 7.-10. Schön, 11.-15. kleiner Regen und trübe, 16.-28. klar, schön und warm, 29.-31. Sturm mit Regen.
Juni: 1.-2. Schön, 3.-6. Regen, 7.-11. Schön, 12.-13. Regen, 14.-22. schön, 23.-25. ein guter Regen, 26.-28. Schön, 29.-30. trübe und etwas Regen (Juni kältere Tage als Mai).
Juli: 1.-11. Schön, 12.-13. starkes Gewitter und Regen, 14.-29. sehr warm und trocken, 30. Juli bis 8. August starkes Gewitter und viel Regen, besonders in England, wo es stark regnen wird von Mitte Juli an, 9.-22. Schönes Wetter, 23.-27. Regen; 28.-31. Schön.
September: 1.-5. Regen und starker Sturm, 5.-7. Schön, 8.-10. Regen und Sturm, 11. September bis 16. October beständiges und schönes Wetter, am Ende viel Regen, Anfang von November etwas besser und klar, das Ende sehr rauh mit Regen, Anfang von December klar und kalt mit Frost bis zum 22., da es neblig und trübe bis Jahresschluß werden wird.


Domhof=Ratzeburg, den 19. Jan. (Unglücksfall.) Am Sonnabend Nachmittag voriger Woche geht der Primaner Carl Weltner mit einigen seiner Collegen nach dem hiesigen sogenannten "Großen See", um Schlittschuh zu laufen. Da angekommen, entfernt er sich, nachdem er sich die Schlittschuhe angethan, vom Ufer, eilt auf die Höhe des See's hinan, hält das Eis auch da für haltbar; aber - er irrt, das Eis bricht, und - hinab fährt er in die Tiefe. Vergebens ist sein Bemühen, sich aus dem nassen, kalten Grabe herauszuarbeiten, und da die Hülfe Anderer ausbleibt, trifft ihn da der Tod. - Danach naht sich Hülfe, um das Wasser seiner so eben verschlungenen Beute zu entziehen; aber der Versuch mißlingt und die verhängnißvolle Stätte wird verlassen. - Inzwischen ist der Unglücksfall der Mutter des Verblichenen angezeigt und theilnehmende Herzen haben sich zu ihr gemacht, sie zu trösten; der ja auch der Trost so noth war, da sie als Wittwe da steht. Unter den Theilnehmenden befand sich auch der Cantor Willers. Herzzerreißend fleht die Mutter, ihr ihren Sohn wiederzuschaffen, sie muß ihn sehen. Der Jammer der Frau rührt das brave Christenherz des Herrn Willers, er ist entschlossen, ihren Schmerz zu lindern. Er begibt sich zu den Fischern hiesiger Stadt, beredet sie, die Leiche des Unglücklichen aufzusuchen und eilt mit ihnen, geführt von dem Primaner Unger, zur verhängnißvollen Stätte. Mit Mühe finden sie diesen Ort, denn der fallende Schnee hatte Manches ziemlich unkennbar gezeichnet. Durch Mühe und Anstrengung gelingt es ihnen endlich, abwechselnd auf Schlitten und Kahn heranzukommen. Nach ungefähr einem viertelstündigen suchen finden sie den Leichnam, der nun aus einer Tiefe von circa 100 Fuß herausgezogen und der betrübten Mutter überbracht wird. Es gibt doch immer Menschen, die gern den Schmerz Anderer stillen, und wenn das nicht in ihrer Macht liegt, willig und gern bereit sind, ihn möglichst zu lindern.


Backtafel für die Stadt Schönberg
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Schönberg, den 24. Januar 1867.
Bürgermeister und Rath.


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ZVDD