No. 30
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Dienstags und Freitags

Schönberg, den 25. Juli
1856
sechsundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1856 Nr. 30 Seite 1]

- Ein lange befürchteter Aufstand in Spanien ist am 14. zum Ausbruch gekommen. In Madrid war Straßenkampf zwischen Militair und Volk, der nach dreißigstündiger Dauer unterdrückt wurde. Während 12 Stunden regnete es Kartätschen auf die Kämpfenden und Kugeln auf die Häuser. Der Verlust muß auf beiden Seiten bedeutend gewesen sein, denn man erinnert sich nicht, in Madrid einen so blutigen Kampf erlebt zu haben. Anlaß dazu scheint zunächst die Entlassung des Premierministers Espartero zu sein, dem der Marschall O'Donnel als solcher gefolgt ist. In den Provinzen haben namentlich Geistliche und Carlisten den Aufstand befördert, angeblich wegen Theurung der Lebensmittel; das Volk wurde gegen die Reichen und Kornhändler aufgehetzt und den Aufrührern 300 Tage Ablaß versprochen. Mehrere Priester wurden eingesteckt. In den Provinzen wurde zum Theil die Ernte auf den Feldern angezündet. Spätere Berichte vom 17. d. melden, daß die Ruhe überall wieder hergestellt sei.
- Die französische Regierung hat mehreren Regimentern Befehl ertheilt, an die spanische Grenze zu rücken, um dort als Beobachtungskorps aufgestellt zu werden.
- Der französische Minister des Innern hat von den Präfecten die Zustände der sämmtlichen Gemeinden von Frankreich erhalten; dieselben klagen über den nachtheiligen Einfluß, den die seit mehreren Jahren unausgesetzte Theurung auf die Stimmung der Bevölkerung ausübt. In Paris ist den Hauseigenthümern, welche Arbeitern wegen Nichtzahlung der Miethe gekündigt haben, verboten die Kündigung durch Gerichtsdiener vollstrecken zu lassen.
- Marschall Pelissier ist in Konstantinopel angekommen. Ueberall waren Truppen aufgestellt, die ihn mit militairischen Ehrenbezeigungen empfingen, und ihm zu Ehren war ein großes Bankett veranstaltet, dem alle türkischen Minister beiwohnten. Sobald Pelissier abgereist ist, wird der englische General Codrington mit dem Rest der Truppen daselbst eintreffen.
- Ein englischer Lord kam am 8. Juli mit verbundenem Kopf und Arm in Konstantinopel an. Derselbe war einzig und allein nach der Levante gereist, um mit den Baschi=Bozuks, von deren Thaten die Zeitungen seine Phantasie ein wenig erhitzt hatten, nähere Bekanntschaft zu machen. Als er nun mit seiner jungen und hübschen Frau von Varna nach Schumla reiste, wo sich die Baschi=Bozuks befanden, begegnet ihm auf der Straße ein Schwarm dieser seiner Lieblinge, die, ohne ihm Zeit zu gönnen, ihnen recht ins Gesicht zu blicken, ihn überfallen, ausplündern und ihn mit Gewehrkolben so arg zurichten, daß der edle Lord kaum mit dem Leben davon kam. Wenigstens hat er das tröstende Bewußtsein, das Ziel seiner Reise erreicht und mit den Baschi=Bozuks eine wirklich ganz nahe Bekanntschaft gemacht zu haben.
- Aus Lauenburg wird der N. Pr. Ztg. berichtet, daß eine aus dem Vice=Landmarschall Graf Kielmansegge, dem Stadthauptmann Dahms und dem Bauervogt Ehlers bestehende Deputation der Ritter= und Landschaft, wie es heißt, nach Kopenhagen entsendet werden soll.
- In Neapel ist die Getreideausfuhr, welche bis zum 15. d. M. freigegeben war, wieder verboten.


Vermischtes.

- Am 27. u. 28. Juli allgemeines Scheibenschießen in Lübeck. Das Comittee desselben hat für den zweiten Festtag, Montag, eine Lotterie von 6000 Loosen veranstaltet, in welcher 150 Gewinne vorkommen, unter denen eine Büchse zu 100 Mark, ein Sopha zu 70 Mark, eine goldene Damenuhr zu 65 Mark, eine Mahagoni=Commode zu 56 Mark, ein Lehnstuhl zu 42 Mark, zwei Korblehnstühle zu 30 Mark etc. Loose zu 4 Schilling (Mecklenburg) sind in der Bude auf dem Festplatze zu erhalten.
- Seit dem Abschlusse des Friedens waren aus dem südlichen Rußland 250,000 Tschetwert Getreide, ungefähr 1 Million 250,000 Scheffel, nach Odessa herangefahren, obgleich man erwartet hatte, daß die Vorräthe im Lande erschöpft sein müßten. Aber es hat sich gezeigt, daß die gesegneten Gegenden Podoliens und der Ukraine noch eine ansehnliche Menge Getreide zu liefern im Stande waren, und auf den Straßen Odessa's drängen sich noch immer die Getreidefuhren in dichten Reihen. Ausgeführt wurden von dem obigen Quantum bis zum 4. Juli 129,000 Tschetwert. In den Gegenden des Asowschen Meeres stand das Getreide überall sehr gut und man hoffte auf eine sehr ergiebige Ernte. - Aus mehreren der kornreichsten Gouvernements im Westen des russischen Reichs wird geklagt, daß die Hoffnung auf eine ergiebige Ernte durch Hagelschlag, Sturm und Regengüsse zum Theil ganz vereitelt sei. Außer der Kartoffelkrankheit sucht eine bisher unbekannte Krankheit auch den Roggen heim, von dem die Blätter am Stiele anfangen zu welken, als wenn die Circulation der Säfte stockte.
- Auch in Oesterreich haben Hagel=Unwetter viele Gegenden heimgesucht, zum Theil so arg, daß fast alles Getreide und Futter auf dem Felde zu Grunde gegangen.
- Nach einem landwirthschaftlichen Berichte aus dem Mecklenburgischen im H. C. über die Ernteaussichten wird der Roggen als vielversprechend geschildert, der Körnerertrag des Weizens in Folge der ungünstigen Witterung zur Blütezeit als kein reicher und die Erbsen ein zufriedenstellendes Resultat geben. Am Schlusse dieses Berichtes heißt es alsdann: Fassen wir darnach Alles zusammen, so dürfte das Ernteergebniß dem von 1854 gleichkommen. Es erscheint uns als sehr verhängnißvoll und als bezeichnend und maßgebend für den Gang des Getreidehandels der nächsten Handels=Saison, daß, während die Ernte im südlichen und westlichen Europa bereits überall im vollen Gange ist und auch in mehreren anderen Gegenden bereits

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begonnen hat, irgend erhebliche Preisschwankungen noch fast an keinem Orte wahrgenommen werden, wie das doch im Jahr 1851 der Fall war; daß im Gegentheil die Stimmung im Geschäft fast überall eine feste, an manchen Plätzen sogar eine steigende Tendenz blieb. Wir müssen aus diesen Wahrnehmungen zu dem festen Schlusse kommen, daß die Preise für die nächste Saison hoch bleiben und daß die aus allen Orten gemeldete Nachricht der fast gänzlichen Erschöpfung der Läger nur zu sehr ihre Begründung finde. - Die Lupinen stehen auch in diesem Jahre fast überall sehr gut und es gewährt einen eigenthümlichen Anblick, wenn wir sehen, daß selbst Flächen der allerschlechtesten Bodenbeschaffenheit, auf denen wir sonst eine Benarbung kaum hervorzubringen vermochten, der leichte Wehsand oder wo der bekannte rothe Fuchs nur schwach mit tragbarer Ackerkrume bedeckt ist, jetzt mit dem schönsten Gelb und einem sehr üppigen Pflanzenwuchs bedeckt sind. Nicht minder erfreulich aber ist die Erscheinung, wie sie der Roggen nach Lupinen auf solchen Bodenqualitäten bietet; denn auch diese Frucht weiset sich vielfach und zwar ohne alle weitere Düngung hier noch besser und mit längeren und gefüllteren Aehren, als auf besserem Boden mit guter Stalldüngung. Freilich giebt es wieder einzelne wenige Felder, selbst besserer Qualität, wo die Lupinen minder gut oder nur sparsam stehen; daran ist dann aber die Saat oder auch die Bestellung des Ackers meistens schuld; denn die Erfahrung lehrt, daß man nicht allein auf gutes keimfähiges Saatkorn Bedacht nehmen müsse, sondern es auch an einer entsprechenden Bestellung nicht fehlen lassen dürfe.
- In Danzig war Roggen nicht unbedeutend gefallen.
- Zu kaufen: Eine gute Hökerei nebst Brod= und Mehl=Handlung, eine Stunde von Hamburg, freundlich belegen und einträglich, mit 3 Wohnhäusern, allen Einrichtungen, Gerätschaften, als: 2 Wagen, 2 Milchkühe, 4-5 Schweine, 1 Pferd etc., 4000 []Ruthen Weizenboden und Wiesen, ergiebigem Torfmoor, für 3600 Taler (Mecklenburg). Näheres bei Madame Seyfarth (Schauenburgerstraße 16) in Hamburg.


Die Inseln Sylt, Amrum und die Halligen.

Diese Inseln der Nordsee, welche, wie alte Ueberlieferungen und Sagen berichten, früher zusammenhingen, und gegen Ende des 14. Jahrhunderts durch heftige Stürme aus einander gerissen wurden, werden dennoch zuweilen sowohl unter einander, wie mit dem festen Lande wieder vereinigt, und zwar wenn in strengen Wintern das Eis seine krystallenen Brücken schlägt. So sind unter Anderm in diesem Jahre Fußgänger von der Insel Pellworm, auch Schlitten und Wagen von der Insel Nordstrand nach Husum gekommen, und die Bewohner Sylts besuchten zu Fuß und zu Wagen den nächstgelegenen Ort des Festlandes, nämlich Hoyer. - Springfluthen und Stürme haben von jeher die Westküste Schleswigs zerrissen und zerklüftet, blühende Städte und reizende Dörfer wurden vernichtet, das empörte, orkangepeitschte Meer riß Alles in seinen bodenlosen Abgrund hinunter, und wo sich früher Saatfelder und üppige Wiesen ausdehnten, wo Kirchen sich erhoben, und wo die Wohnungen der Marschbauern standen, da rollt jetzt die See in lang gedehnten Schlägen ihre nimmer rastenden Wogen über die versunkenen Trümmer hin. Heine berichtet in seinen Liedern aus der Nordsee, in dem Gedichte "Seegespennst", wie er am Rande des Schiffes liegend, in das spiegelklare Wasser hinabschaute, und drunten Kirchenkuppel und Thürme, so wie eine ganze Stadt, alterthümlich niederländisch und menschenbelebt erblickte.
In den Jahren 1612-18 litt die Insel Nordstrand durch Ueberschwemmungen entsetzlich, die Gewalt der Wogen spottete der Dämme und Deiche; Kirchen und Mühlen wurden niedergerissen, die Kirchhöfe aufgewühlt, die Gräber geöffnet, und die theils halb, theils ganz verwesten Leichname wurden in ihren Särgen an höher gelegene Orte getrieben. Im Jahre 1634 ereignete sich die schrecklichste aller Fluthen, die von 8000 Menschen, welche auf Nordstrand lebten, kaum 1500 übrig ließ. Auch noch in neuerer Zeit haben rasende Stürme an dem Vernichtungskampf gegen die Friesen Theil genommen.
Die Kliffe und Dünen Sylts und Amrums gewähren bei klarem, schönem Wetter einen imposanten, großartigen Anblick; sie bilden einen Damm gegen das majestätisch einherrollende Meer, das diese von der Natur gebildeten, riesigen Dämme nicht zu durchbrechen vermochte, und hängt von ihrer Existenz wesentlich die Erhaltung der Inseln und der hinter ihnen am Festlande liegenden Marschen ab. An den Dünen wird die Gewalt der Wogen und des Sturmes gebrochen, und letzterer wirbelt und peitscht mit seinen Eisenhänden den Sand oft so mächtig, daß man sich eher in die Sahara, vom Tod verbreitenden Samum überfallen, als nach einer Insel der Nordsee versetzt wähnen könnte. Man nimmt an, daß die Dünen dort entstanden, wo das Meer sandigen Boden und Sandbänke genug hat, und wo diese dann, eine Ufergränze bildend, durch den Sand, welchen die Fluth heranwälzte, vergrößert wurden. Auf der, über das Meer emporragenden Fläche schlugen alsdann Gräser ihre Wurzeln und befestigten dadurch den lockern Boden; Wirbelwinde häuften den Sand immer mehr an, welcher durch die allmälig fortschreitende Vegetation fester gebunden, endlich als Dune dem dahinter liegenden Lande Schutz gewährte. Andere behaupten, daß diese Dünen, welche ihre Stirn gegen Westen wenden und dem Gischt und den Stürmen Trotz bieten, einst die äußerste Grenze des festen Landes bildeten. Der schwächere Theil der Sylter Dünen befindet sich in der Mitte, aber die Bewohner haben bereits eine solche Fertigkeit in dem Anbau des Halms, des Sandroggens und Sandhafers erlangt, daß sie dadurch die Insel gegen die heftigsten Angriffe der Stürme zu schützen vermögen. So hängt denn gleichsam von kleinen und winzigen Pflanzen, welche den Boden befestigen und den Flugsand auffangen, die Existenz der Insulaner ab. - Der Charakter der Sylter ist ehrenhaft und höchst schätzenswerth, sie sind vortreffliche Seefahrer, wie alle Friesen mehr oder weniger. So wie auf Föhr besorgen die Frauen die Feldarbeit; die ältern Männer, welche nicht mehr zur See fahren, liegen dem Fischfang ob, und verfertigen aus dem Halm der Dünen die Seile, welche zum Dachdecken benutzt werden, so wie Besen; auch als Viehfutter und Brennmaterial bedienen sie sich des Halms. Ferner vertritt getrockneter Dünger, so wie eine eigene Erdart, der Salztorf, welcher gegraben wird, die Stelle der Feuerung. Der Baumwuchs gedeiht auf Sylt nur kläglich, und die rauhen Winde der Nordsee lassen keine hochstämmigen Bäume aufkommen, und dennoch müssen einst Wälder die Insel geschmückt haben, da man noch jetzt beim Graben Baumwurzeln und Baumstämme findet. Die Häuser der Dörfer sind gleichförmig gebaut und massiv, die Gärten werden von hohen, schrägen Steinwällen umringt, vielleicht um die Sträucher, Stauden und Küchengewächse gegen die rauhen Winde zu schützen. Der Sylter ist Seemann in seinem ganzen Wesen, die Sylterin ist von junonischem Wuchs, fleißig und im höchsten Grade ordnungsliebend, thatkräftig und freundlich, und scheinen bei ihr alle guten Eigenschaften des Frauenzimmers vertreten zu sein; ihre Keuschheit ist sprichwörtlich geworden, und scheint sie darin mit den Kliffen ihrer Insel, welche allen Angriffen der Stürme und des Meeres Trotz boten, zu wetteifern. Ihre Vergnügungen bestehen in Ballspiel und Tanz, und wenn die Tanzenden vom Promeniren zum Walzen übergehen, so wird dies durch einen Kuß angedeutet, eine Sitte, deren Nachahmung gewiß viele Herren auf dem Festlande wünschten.
Viele Dörfer, die früher auf Sylt standen, sind theils vom Meere vernichtet, theils vom Flugsand verschüttet worden, und mußten die Bewohner derselben sich immer weiter vor ihren unermüdlichen Feinden zurückziehen. Noch jetzt kommen dann und wann Trümmer von Häusern, Kirchen und Kirchhöfen zum Vorschein, welche an die untergegangenen

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Ortschaften erinnern. Die Dörfer Rantum und Nieblum haben mehrere Male dem andringenden Flugsande, der die Felder verwüstete, weichen müssen. - In dem nördlichen Theil der Insel findet man auf der Heide noch viele Hünengräber oder Riesenbetten, welche aus der heidnischen Zeit herstammen; einige enthalten Grabkammern, und findet man in denselben Menschenknochen und steinerne Waffen. Diese Gräber lassen sich auf das sogenannte Steinalter und in die graue Vorzeit zurückführen, als die Bewohner die Metalle noch nicht zu bearbeiten verstanden. Dieser Hügel sind jedoch nur wenige vorhanden, in größerer Menge dagegen sind die runden Grabhügel vertreten, in denen man Urnen, welche Asche enthalten, so wie kupferne und bronzene Waffen findet. Diese Grabhügel stammen aus einer spätern Zeit, dem sogenannten Bronzealter, als man die Verstorbenen verbrannte und über ihrer Asche und ihrer Grabkammer die Hügel zum Andenken an die Entschlafenen errichtete.
Von der Südwestspitze Föhrs ist die Insel Amrum durch einen eine halbe Meile breiten Sund getrennt, und kann man während der Ebbe von Amrum nach Föhr gehen. Wie bereits erwähnt, sind die Sylter größtentheils Seefahrer, die Bewohner Amrums dagegen, deren eigentliches Element gewiß ebenfalls einst der endlose Ocean war, haben sich mehr dem beschaulichen Leben hingegeben. Die gefährlichen Sandbänke Amrums führen den Untergang so manchen stolzen Schiffes herbei, dessen Ladung die Wogen dann an's Ufer wälzen, und dies hat die Bewohner verleitet, dem trügerischen Elemente die Sorge ihres Unterhaltes anzuvertrauen, und sind sie deshalb weniger Seefahrer als vielmehr Berger, welchen von dem Strandgute nach alten Gesetzen ein bestimmter Antheil zukommt. Clement, der die Lebens= und Leidensgeschichte der Friesen geschrieben, sagt: "Das Strandgut bringt weder Wohlstand noch Segen, sondern Fluch. Kein Strandungsunfall ist ohne Lärm u. s. w." Ja, der Strand hat die Bewohner nicht gesegnet, welche früher beteten, daß, wenn ein Schiffbruch sich ereignen sollte, der liebe Gott denselben doch an ihrer Küste möge eintreten lassen. Das Bergen des Strandguts, welches zuweilen einträglich, hat die Bewohner Amrums abgehalten, sich der Schifffahrt mehr zuzuwenden. Da der Strand nun aber nicht ergiebig, so hat der Reichthum der Insulaner ebenfalls Schiffbruch gelitten und ist bedeutend gesunken. Die Bewohner nähren sich hauptsächlich vom Austerfischen, vom Fischfang, vom Verkauf der Seehundsfelle und dem Flechten des Halms, welcher auf den Dünen wuchert. Ackerland trifft man auf der Insel wenig an, dagegen mehr Wiesen und öde Heide. Die Häuser sind im Vergleich mit denen auf Sylt ärmlich und gewähren keinen erfreulichen Anblick. Die Bewohnerinnen der Insel kleiden sich wie die Föhringerinnen. Die Dünen auf Amrum gleichen den Dünen Sylts, und beinahe 2/3 der ganzen Insel besteht aus Sand, mit dem die heftigen Winde ihr neckisches Spiel treiben; sie arbeiten rastlos an den Dünen, welche sich bald kegelförmig erheben, bald gleichsam Pfeiler zu bilden scheinen, und die eine Höhe von 80-120 Fuß erreichen. Die Dünen sind melancholisch und still, wie überhaupt die ganze Insel in tiefe Stille versenkt zu sein scheint, die auf den Besucher einen eigenthümlich feierlichen Eindruck hervorbringt. Möven erblickt das Auge in Unzahl, sie sind wie der Storch und die Schwalbe poetische Vögel, und Verkündiger des nahenden Sturms; die großen nisten auf den hohen Dünen, die kleinen auf niedrigen hart am Strande, und das Suchen der Eier dieser, so wie anderer Seevögel gewährt den Bewohnern einen kleinen Verdienst.
Die bis jetzt beschriebenen Inseln, werden durch Dünen, so wie durch künstliche Deiche und Dämme gegen die Wuth der Wellen und Stürme mehr oder weniger geschützt, aber zu den Inseln Nordstrand und Pellworm gehören noch einige kleine, weder durch Dünen noch durch Deiche beschützte, wie Langenes, Abeland u. a., die sogenannten Halligen; sie liegen östlich von Amrum und südöstlich von Föhr. Halligen nennt man im weitern Sinne alles an der See liegende, uneingedeichte Land, welches bei der Fluth mehr oder weniger überschwemmt wird, im engern dagegen die bereits erwähnten Inseln. Sie liegen in offener See, und nur bei der Ebbe scheinen sie bis auf einige Wasserrinnen festes Land zu bilden. So wie aber die Fluth eintritt, werden sogar die einzelnen Wohnungen von einander getrennt, welche alsdann auf dem Wasser zu schwimmen scheinen. Der Boden der Halligen besteht aus Moorgrund, den die Fluth lockert, die darauf eintretende Ebbe mit sich fortführt und ihn an den Deichen des Festlandes als Schlick wieder ansetzt, so daß man mit Recht behaupten kann, die Halligbewohner können das ihnen entrissene Land an den Küsten des Herzogthums Schleswig wieder finden.
Auf den Halligen gedeiht kein Baum, dessen Grün das Auge erfreuen könnte, kein Busch, keine Staude rauscht im Winde, nur ein feines, kurzes Gras bedeckt den Boden, das den Schafen als Futter dient und zur Heugewinnung gemäht wird. Nicht selten führt die Fluth den kärglichen Ertrag des Bodens mit sich fort und beraubt den Halligbewohner der spärlichen Ernte. Die Häuser sind auf Hügeln, auf sogenannten Werften erbaut, um bei Sturmwinden gegen den Schwall der Wogen geschützt zu sein; aber oft steigt die Fluth höher und höher, wälzt sich brausend über die Werfte hin, pocht gegen Fenster und Thüren und treibt die Bewohner bis unter's Dach. Die Häuser sind so gebaut, daß, wenn auch die Mauern derselben niedergerissen werden, das Dach dennoch auf den Pfeilern und Ständern stehen bleibt, welche der vorsichtige Erbauer bis auf den Grund der Werfte hineingetrieben hat. Nimmt aber die Wuth des Orkans nicht zur rechten Zeit ab, so wird auch die Werfte vernichtet, die Pfeiler, welche das Dach stützen, schwanken und erbeben in ihren Grundfesten, und nur einer mächtigen Woge bedarf es dann, um Alles zu zertrümmern, und den schwanken Bau mit seinen Bewohnern in die endlose Tiefe hinabzuziehen.
So traurig die Lage der Insulaner ist, so lieben sie dennoch den paradiesischsten Ort der Erde nicht wie ihre Heimath, die nur Noth und Schrecken zu bieten scheint. Daß der Schweizer in fremden Ländern seiner stolzen Alpen und grünenden Thäler in süßer Freude und tiefer Wehmuth gedenkt, ist leicht erklärlich, daß aber der Halligbewohner, der als Seefahrer die Wogen durchschneidet, mit noch größerer Anhänglichkeit seine nackte Insel liebt, wo er sich einst niederzulassen und sein Auge zu schließen hofft, das ist rührend und herzerschütternd, und läßt uns ahnen, welchen Zauber die Heimath auf jedes unverdorbene Gemüth ausüben muß. - Es soll vorgekommen sein, daß bei hoher Fluth und während der Nachtzeit große Schiffe dicht bei den Werften der Halligbewohner vorbeifuhren, und die Seefahrer es dann nicht zu deuten wußten, wenn sie plötzlich neben sich in ein traulich erhelltes Zimmer, das von Wellen umgeben war, hineinschauten. - Brunnen sind auf den Inseln nicht vorhanden, sondern die Bewohner haben auf ihren Werften eine Art Cisterne gegraben, die sie mit Grassoden aussetzen, und in welcher sie Regenwasser auffangen, das ihren Schafen zum Saufen und ihnen zur Bereitung des Thees dient, und müssen sie bei anhaltender Dürre das Trinkwasser vom festen Lande holen. Während der großen Fluthen, in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. (1634), zogen viele Friesen von den Halligen nach Föhr, und ließen sich in Wyk und dem Dorfe Nieblum nieder, wo sich auch bis jetzt die ursprüngliche Tracht der Frauen erhalten hat. - Die Bewohner der Halligen sind kühn und unerschrocken, zurückhaltend und schweigsam; einsam leben sie auf ihrer Werfte, sich um die Außenwelt wenig kümmernd, nur bei einer Hochzeitfeier, die jedoch der wenigen Bewohner wegen selten vorkommt, geben sie sich der Freude des Tanzes hin. Die Frauen kleiden sich in enge Futterhemden von wollenem oder seidenem Damast; die langen Aermel, welche nach vorn weit offen stehen, sind an den Seiten mit silbernen Knöpfen besetzt; das Leibchen, welches sie unter dem Futterhemde tragen, steht ebenfalls weit offen, und schließt nur unten; an jeder

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Seite sitzt eine Reihe von achtzehn massiven silbernen Haken, an welchen eine Kette, ebenfalls von Silber, hin= und hergewunden wird, an dem obersten Ende derselben tragen sie auf der Brust eine goldene oder silberne Schaumünze. Das ist noch eine alte Nationaltracht, welche die nüchterne und unschöne der Frauen des Festlandes beschämt.


Vorladungen.

Auf Imploriren Dris. Witt für den engeren Ausschuß der Direction des liquidirenden Neuen Feuerversicherungs=Vereins der Lübecker Landbewohner vom Jahre 1847, nämlich Maximilian Winckler hieselbst, Pensionair Stamer zu Mechow und Pächter Hans Joachim Stephan Dühring zu Crumesse, befindet sich hieselbst ein öffentliches Proclama angeschlagen, wodurch alle diejenigen, welche an den, nunmehr in Liquidation befindlichen Neuen Feuerversicherungs=Verein für die Lübecker Landbewohner vom Jahre 1847, die Direction oder den Bevollmächtigten desselben Hans Joachim Stephan Dühring als solchen, irgend welche Forderungen und Ansprüche zu haben vermeinen, ingleichen diejenigen, welche mit Zahlungen an den gedachten Verein im Rückstande sind, aufgefordert und schuldig erkannt werden, innerhalb Jahres und Tages, von der Erkennung dieses Proclams angerechnet, also spätestens am 10. September 1856, die Schuldner ihre Schuld, bei Vermeidung abermaliger Zahlung, an den Bevollmächtigten Hans Joachim Stephan Dühring zu entrichten, die Gläubiger dagegen ihre Ansprüche im Actuariate des Landgerichts, und zwar Auswärtige unter Bestellung eines gehörig legitimirten Bevollmächtigten, zum Professions=Protocolle anzumelden und rechtsgenügend zu bescheinigen, widrigenfalls sie mit ihren Ansprüchen gänzlich ausgeschlossen und die überschüssigen Activa des Vereins nach Maaßgabe des §. 28. der Vereinsgesetze zur Theilung gebracht werden sollen.
So geschehen Lübeck im Landgericht den 27. Juli 1855.

In fidem                                                      Leopold Weber, Dr.,
Protocollführer.


Präklusiv=Bescheid.

Auf Antrag der Curatel der Kinder und Erben des zu Sahmkow verstorbenen Hauswirts Johann Heinrich Wiencke, giebt das

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg,

nachdem die Bescheinigungen wegen vorschriftsmässiger Bekanntmachung der öffentlichen Ladung vom 24. April d. J. zu den Acten genommen worden, hiermit zu Recht den

Bescheid:

Daß nunmehr alle Diejenigen, welche so wenig in dem angesetzten Liquidations=Termin am 7. d. M. als bisjetzt sich gemeldet, mit ihren etwaigen Ansprüchen und Forderungen an den Nachlaß dieses Verstorbenen dadurch für immer abgewiesen und ausgeschlossen sein sollen.

Von Rechts Wegen!
Schönberg, den 22. Juli 1856.                          
                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     Reinhardt.


Bekanntmachung.

Alle Diejenigen, welche ihre Beiträge zur zweiten Hebung der Armensteuer nicht berichtigt haben, werden hiermit aufgefordert, solche Rückstände binnen 8 Tagen an die resp. Vorsteher zu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist aber müssen die Listen zur Einforderung solcher Beiträge an Großherzogliche Landvogtei abgegeben werden.
Schönberg, den 24. Juli 1856.

                                                    Die Armenbehörde.


Vermischte Anzeigen.

      Nachstehende, aus Großherzoglicher Landvogtei uns gewordene Verfügung, also lautend:

      "Die Aelterleute der Maurer= und Zimmerzünfte allhier werden benachrichtigt:
wie hohe Großherzogliche Landesregierung nach einem Rescripte vom 17. Juni genehmigt hat, daß der Lohn der Maurer= und Zimmergesellen bis auf weitere Bestimmung um 4 Schilling (Mecklenburg) pro Tag erhöhet werde,"
bringen wir mit dem Bemerken hierdurch zur allgemeinen Kenntniß, daß Montag, der 21. d. M., als der Normaltag, von welchem an diese Erhöhung eintritt, angesehen werden soll.
      Schönberg, den 17. Juli 1856.

                          Die Aelterleute der Maurer= und Zimmerzünfte.


Die am 21. d. M. erfolgte glückliche Entbindung meiner Frau von einem gesunden Knaben zeige allen Bekannten und Freunden statt besonderer Meldung hiemit ergebenst an.

                                                    H. Stamer.

Mechow den 24. Juli 1856.


Am Montag den 28. d. M., 10 Uhr Vormittags, werden auf dem Stover Felde Rapsschoten verbrannt.

Stove, 20. Juli 1856.                                                     Kaiser.


Das Fahren mit Stein= und Kornwagen über das Kuhlrader Moor wird hierdurch bei gerichtlicher Strafe verboten.

                                                    Die Dorfschaft Kuhlrade.


Volks-Conversations-Lexikon.
Umfassendes Wörterbuch des sämmtlichen Wissens
Bearbeitet von Gelehrten, Künstlern, Gewerbe= und Handeltreibenden.
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                                                    Dittmer'schen Buchhandlung
                                                    in Lübeck.


Am nächsten Sonntag, als am Tage des Lübecker Allgemeinen Schieß=Festes, wird mein Omnibus nach Lübeck fahren. Personen, die mitfahren wollen, bitte ich, sich im Voraus bei mir zu melden. Auch am Montag wird derselbe dahin abgehen, wenn hinlänglich Personen sich finden werden. Abfahrt von hier um 7 Uhr.

                                                    F. Fick.


Ball
auf der
Maurinmühle am Dienstag den 29. d. M.,
wozu freundlichst einladet
                                                    Chr. Spehr.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

Weizen 2 Taler (Mecklenburg) 20-30 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 8-12 Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1 Taler (Mecklenburg) 32-42 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen 1 Taler (Mecklenburg) 20-24 Schilling (Mecklenburg),
Gerste 1 Taler (Mecklenburg) 18-20 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 27-28 1/2 Mark (Lübeck)
Hafer 1 Taler (Mecklenburg) 4-  6 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat 26-28 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg) 24-28 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 17-18 Mark (Lübeck)
Butter 10-11 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln, neue 8 Schilling (Mecklenburg).
Altona=Hamburger Viehmarkt.
Fette Schweine, gut, 100 Pfund 40-42 Mark.


(Hiezu: Officieller Anzeiger No. 5 )


Redaktion, Druck und Verlag von L. Bicker.


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