No. 4
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 25. Januar
1856
sechsundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1856 Nr. 4 Seite 1]

- Der Kaiser von Rußland hat die von den Westmächten durch Oesterreich gemachten Friedensvorschläge angenommen. Diese Nachricht, schreibt man aus Wien, hat einen um so größeren Eindruck hier gemacht, als dieselbe eine ganz unerwartete war. Der Kaiser erhielt diese frohe Nachricht auf einem Balle, wo er sie der versammelten hohen Gesellschaft mittheilte. Die persönliche Ansicht des Kaisers Alexander bei einem großen Kriegsrathe in Petersburg soll den Ausschlag gegeben haben. Man glaubt, daß schon in nächster Zeit ein Waffenstillstand vorgeschlagen werden wird. - Aus Berlin schreibt die N. Pr. Z.: Die ungeheure Wichtigkeit des Schrittes, den das St. Petersburger Cabinet gethan hat, springt in die Augen. Zunächst hat derselbe fast ganz Europa überrascht, denn gewiß nur sehr Wenige haben geglaubt, daß Rußland seinen Feinden so weit entgegenkommen werde auf der Bahn des Friedens. Auch seine Gegner selbst haben dies nicht erwartet; namentlich in England vermuthete man nicht blos, man wünschte sogar, daß Rußland nicht annähme. Preußen dagegen hat noch vorgestern, den 16. d., in St. Petersburg aufs Dringlichste dazu gerathen, daß die russische Regierung für den Frieden Europa's Alles, was nur irgend möglich wäre, thun möge. Die Annahme ist nun erfolgt und die Präliminarien sind also festgestellt, auf deren Grundlagen demnächst in Friedens=Conferenzen unterhandelt werden wird. Ueber den Ort, wo diese Conferenzen stattfinden sollen, scheint noch nichts bestimmt zu sein; man nennt in dieser Beziehung Paris, Dresden und Frankfurt a. M. Jedenfalls wird diese Frage sehr bald entschieden werden. Was die etwanige Betheiligung Preußens an den Conferenzen betrifft, so wird das Berliner Cabinet sich einer Mitwirkung dabei gewiß nicht entziehen, wenn diese Mitwirkung von den streitenden Mächten allseitig gewünscht wird. Sonst aber hat Preußen keine Veranlassung, eine solche Mitwirkung seinerseits zu erstreben. Denn die bevorstehenden Verhandlungen werden einerseits dazu führen, daß Garantieen übernommen werden müssen, deren Gewicht und Tragweite sich nicht leicht ermessen lassen. Andererseits ist Preußen gestärkt und gekräftigt genug, um ohne Gefahr für seine Stellung dem bevorstehenden Friedenswerke auch fern bleiben zu können. - Die Grundlagen für Friedens=Unterhandlungen sind nun also angenommen; die Friedens=Conferenzen werden folgen. Ob aber der Friede das Resultat derselben sein wird, das ist freilich noch immer sehr fraglich. - An den Börsen zu London und Paris war die Aufregung über die von Rußland angenommenen Friedenspunkte ungemein. Die Staatspapiere gingen erheblich in die Höhe.


Der Mövenberg bei Schleswig.
(Schluß.)

So vergingen einige Wochen. Erich blieb verschwunden, und Abel, dem schon längst nach der königlichen Würde gelüstet hatte, traf Anstalten, den erledigten Thron von Dänemark in Besitz zu nehmen. Er war der nächste Thronerbe, da Erich ohne Hinterlassung männlicher Nachkommen aus der Welt gegangen war. Indeß vermochte der Herzog sein Ziel doch nicht so schnell zu erreichen, als er es wünschte. Die Rächer Erich's, die Möwen, hinderten ihn daran. Es schien, als hätte ihr unaufhörliches Klagen es vermocht, die Fesseln des Erschlagenen und in der Schlei Versenkten zu lösen; denn zwei Monate nach der Blutthat zeigten sich auf der Oberfläche des Wassers bei Mosund blaue Flämmchen des Nachts und empor aus der Tiefe stieg der Leichnam des Königs, die rechte Hand zum Himmel aufstreckend und langsam den Strom hinabtreibend. Schreiend folgte ihm die dichte Wolke der Möwen. Fischer erkannten den Todten, hoben ihn aus der Fluth und brachten ihn nach Schleswig. Es war unmöglich, dem Volke noch länger zu verheimlichen, daß König Erich eines gewaltsamen Todes gestorben sei. Herzog Abel läugnete freilich die That und ließ den wiedergefundenen Todten unter großem Gepränge feierlich im Dome zu Schleswig beisetzen. Dort ruht er noch jetzt. Ein geschmackvolles Denkmal vor dem Altare deckt seine Gruft. Wie sehr aber auch Herzog Abel sich vermaß, keine Schuld zu haben an dem Tode seines Bruders, es half ihm doch nichts. Denn hatten bis zum Aufsteigen des Leichnams aus dem Wasser die Möwen den Ort bewacht, der ihn barg, so begleiteten sie jetzt die Leiche bis zum Dome, und erst als der Erschlagene in geweihte Erde gebettet worden war, verließen sie ihn, nicht aber, um für immer zu verschwinden, sondern um ihr Rächeramt fortzusetzen und den Urheber des Mordes rastlos zu verfolgen und zu peinigen. Herzog Abel sollte darthun, daß er nicht der Mörder Erich's sei. Wenn er dies vermöge, wollte ihn Dänemark als König anerkennen.
Nun saß der Mörder seines Bruders auf der einsamen Insel im Schleistrome und sann nach, wie er es anzufangen habe, dem Verlangen der Dänen zu entsprechen. Sein Geist war nicht arm an Hülfsmitteln, auch gab es der Gefälligen genug, die um Sündenlohn sich erkaufen ließen zu falschem Zeugniß und Schwur. Aber die Mahner, die Gott dem Mörder zusendet, verließen den Herzog nicht. Seit der Beisetzung Erich's im Dome waren die Möwen hinübergezogen nach der Schleiinsel find bedeckten, wie früher bei Mosund die Wasserfläche, so jetzt die Giebel und Zinnen der Jurisburg. Am Tage umkreisten sie das Schloß, in dessen Gemächern Herzog

[ => Original lesen: 1856 Nr. 4 Seite 2]

Abel ruhelos umherirrte, in wildem Fluge. Neigte sich die Sonne zum Untergange, so stiegen sie empor in die Luft und schwebten gleich einer leuchtenden Wolke über der Burg, so laut und vernehmlich klagend, daß die Bürger in Schleswig und der fernwohnende Bauer am Danevirke ihr Geschrei vernahmen und sich bekreuzten, denn ihr Rufen klang immer wie "Erich! Erich!" - Breitete nun die Nacht ihre dunkeln Schleier über Land und Meer, dann ließ sich der Möwenschwarm nieder und besetzte alle Fenster der Jurisburg. Da breiteten sie ihre Fittige aus, schlugen damit gegen die Scheiben, pochten mit den Schnäbeln daran und riefen dem entsetzten Mörder ohn' Unterlaß den Namen seines Bruders zu. Gleich beschwingten Geistern saßen die furchtbaren Vögel allüberall und beobachteten mit ihren klugen Augen jeden Schritt des Herzogs. Wollte Abel die Burg verlassen, so hüpften die geisterartigen Vögel vor ihm her oder schlugen ihn mit ihren Flügeln in die Augen, daß er nicht aufzusehen vermochte und er noch lieber ihr Geschrei im Innern der Burg hören als von ihnen umschwärmt sein wollte. Die Möwen wurden Abel's Quälgeister. Entsetzen ergriff den Brudermörder. Er verließ die Jurisburg, um fortan fern von dem Schauplatze zu bleiben, der ihn in den Besitz der Macht gebracht hatte. Anfangs fürchtete Abel, es könne das Schicksal des Bischofs Hanno von Mainz ihm bevorstehen, weshalb er angstvoll auf das Geschrei jedes vorüberschwebenden Vogels achtete. Aber die Möwen begleiteten ihn nicht auf seinem Zuge nach Norden. Sie blieben an dem Gemäuer sitzen, in dessen Innerm der Entschluß zur Blutthat gereift war. Dies beruhigte den Herzog. Er glaubte sich sicher für immer, sein Muth wuchs und ohne weiteres Bedenken genügte er dem Verlangen des Volkes, indem er sich durch einen feierlichen Meineid von der entsetzlichen Mordthat reinigte. Mit diesem neuen Verbrechen schwang sich Abel auf den Thron von Dänemark und nahm am ersten November 1250 auf dem Reichstage zu Roeskilde die Huldigung seines Volkes an.
Jetzt glaubte sich der neue König sicher und zu jeder That berechtigt. Schon Erich hatte fortwährende Kämpfe wegen seines Pfluggeldes zu bestehen. Um sich das Volk zu gewinnen, hätte Abel darauf denken sollen, die vielen Lasten, die es drückten, zu erleichtern. Allein das fiel ihm nicht ein. Seine erste wirkliche Regierungshandlung gab sich in der Ausschreibung einer allgemeinen Landsteuer kund, welche nicht nur von dem eigentlichen Dänemark, sondern auch von Süderjütland, dem heutigen Herzogthum Schleswig erhoben werden sollte. Die Dänen fügten sich, nicht so die Nordfriesen. Diese weigerten sich, die neue Steuer zu bezahlen, indem sie nachwiesen, daß der König kein Recht habe, ihnen außer der gewöhnlichen Steuer noch eine andere Schatzung aufzulegen. - Abel beschloß, die widerspenstigen Nordfriesen, die an der Westküste des Landes zwischen Hewer und Eider wohnten, zu züchtigen. Er sammelte zu diesem Behufe ein Heer und fiel im Herbst 1251 in Nordfriesland ein. Die Friesen aber hatten sich ebenfalls gerüstet und jeden streitbaren Mann aufgeboten, um dem Heere des Königs die Spitze bieten zu können. In der Landschaft Eiderstedt kam es zwischen beiden Heeren zur Schlacht, die mit der gänzlichen Niederlage der königlichen Truppen endigte. Abel mußte fliehen, nur um sein Leben zu retten. Diese schimpfliche Niederlage, die ihm ein von ihm verachtetes Volk von Bauern und Schiffern beigebracht hatte, ergrimmte den König dermaßen, daß er Tag und Nacht auf Mittel sann sich zu rächen.
Abel ging jetzt mit nichts Geringerem um, als mit dem Gedanken, den ganzen nordfriesischen Stamm, dessen Unabhängigkeitssinn ihm unerträglich war, auszurotten und wo möglich von der Erde zu vertilgen. Er warb deshalb ganz in der Stille während des Winters ein Heer und überfiel mit diesem im nächsten Jahre Nordfriesland auf's Neue. Diesmal aber begnügte sich König Abel nicht, das reiche Land von einer Seite anzugreifen, er gedachte es zugleich von Ost und West zu beunruhigen, auf solche Weise die Bauern zu verwirren, ihre Streitkräfte zu zersplittern und dadurch sie leichter erdrücken zu können. Während ein Landheer über die Geest nach dem Eiderstedtischen zog, liefen Abel's stark bemannte Kriegsschiffe von der Nordsee in die Mündung der Eider ein und nahmen auch von dieser Seite eine feste Stellung am Lande. In der Gegend von Oldesworth landete die Macht des Königs und verschanzte sich sogleich, während Abel selbst mit seinem Landheere sich an der Mildeburg aufstellte.
Die Friesen, welche einsahen, daß nur festes Zusammenhalten und einmüthiges Handeln sie retten könne, beschlossen, sich bis auf's Aeußerste zu vertheidigen. Das Land der Westküste war damals noch nicht von den Fluthen der Nordsee in so viele Inseln zerrissen, wie heutigen Tages, und stark bevölkert. Es zerfiel in sieben einzelne Horden, die, weil sie aus Marschland und Inseln bestanden, sich die sieben Schiffshorden nannten. Diese vereinigten sich mit ihren sieben Bannern, denn jede Horde für sich führte ein eigenes Banner - auf der gemeinsamen Dingstelle, welche Burmanswai (Bauermannsweg) genannt wurde. Hier entwarfen die Friesen ihren Schlachtplan, der in einem nächtlichen Ueberfalle auf das Lager des Königs bestand.
Inzwischen hatten Abel's Mannen, die bereits sechs Tage lang müßig lagen, das Land umher geplündert und eine Menge Gold und Silber zusammengeschleppt, das in ihren Zelten aufgehäuft lag. Als nun das Heer der vereinigten Friesen im Dunkel der Nacht sie angriff - es war der 3. Juli 1252 - da entsetzte sich der König. Es war unmöglich, dem furchtbaren Andrange der wilden, erbitterten Friesen Stand zu halten. Abel und sein ganzes Heer dachten nur, wie sie sich retten möchten und zogen sich mehr fliehend als kämpfend nach der Eider, um hier ihre Schiffe zu besteigen und auf diesen das rettende Meer zu gewinnen. Allein während der Nacht war Ebbe eingetreten, die Schiffe lagen fest im zähen Schlick und konnten um keinen Preis flott gemacht werden. Gedrängt von den Friesen, die bereits mehrere Hunderte der Seinigen erschlagen hatten, mußte er sich einen Weg mitten durch das feindliche Land zu bahnen suchen. Er wandte sich nordwärts, und als er eine Stelle erreicht hatte, wo ihm auf der einen Seite das Meer gegen eine Umgehung schützte, beschloß er, es noch einmal mit den wüthenden Friesen aufzunehmen. Es entspann sich ein grauenhaft blutiger Kampf, worin auf beiden Seiten sehr viele erschlagen wurden. Endlich aber siegte die Tapferkeit und das innige Zusammenhalten der Friesen. Die Dänen mußten weichen und abermals fliehen. Zum Angedenken an dies Gemetzel nannte man den Ort Königskamp und noch heut weiß jeder Nordfriese den Platz jener denkwürdigen Schlacht zu finden. Aber die Leiden dieses Tages sollten mit diesem ersten Zusammentreffen noch nicht zu Ende sein. Bei Koldenbüttel kam es abermals zum Gefecht. König Abel verlor wiederum Viele der Seinigen und mußte endlich nördlich gegen die Geest flüchten. Allein auch dies rettete weder ihn noch sein Heer. Am sogenannten Milderdamme, der einzige Weg, der ihm offen stand, erreichten ihn die nachsetzenden Friesen zum dritten Male und drangen mit solcher Wuth auf ihn ein, daß nach den Berichten der Chronisten auch nicht Einer der Feinde entkam. - Bei den blutigen Kämpfen dieses Tages zeichneten sich vor Allen die Friesen der Nordwestküste aus, die man wahrscheinlich ihres seegewohnten Lebens wegen Seehunde nannte (im Friesischen Sellager). Von ihnen blieben Viele im Kampfe, weil sie mit unbändiger Wildheit sich in die dichtesten Heerhaufen der Feinde

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wagten. - Glücklicher als seine Begleiter war König Abel. Es gelang ihm auf seinem schnellfüßigen Streitrosse die Schaaren der in immer dichteren Haufen anstürmenden Friesen zu durchbrechen und nordwärts zu entkommen. Schon hatte er seinen Verfolgern einen bedeutenden Vorsprung abgewonnen, schon sah er über den Saatfeldern den Silberspiegel des Meeres aufblitzen und hörte dumpf rauschend die ferne Brandung; da ereilte ihn unvermuthet das Geschick. Wie sein Bruder Erich in jenen Augenblicken, wo Gudmanson seinen Leuten befahl, den Gefesselten auf der Schlei zu tödten, vorausgesagt hatte, so endigte der Brudermörder Abel. Als nämlich der eiligst Fliehende über den Milderdamm der Küste zusprengte, hob sich aus einem Gebüsch am Wege die riesige Gestalt eines Friesen von Pelworm. Die Chronisten bezeichnen den Mann als Rademacher. Mit hochgeschwungener Axt fiel er den fliehenden König an, schlug ihm das Schwert aus der Hand und zerschmetterte ihm mit gewaltigem Schlage den Schädel. Dies geschah unfern der Stelle, wo sich heute die alterthümliche Stadt Husum am Ausflusse der Hewer in die Nordsee erhebt. Abel stürzte in den Schlamm und blieb längere Zeit unbeachtet und unbeerdigt unter freiem Himmel liegen; denn die Friesen, welche ihn und sein Heer erschlagen hatten, betrachteten ihn als einen von Gott gezeichneten Missetäter.
Erst nach einiger Zeit erbarmten sich die Schleswiger des Erschlagenen. Sie hoben den im Schlick bereits halb versunkenen Leichnam Abel's auf, schafften ihn nach der Schleistadt und begruben ihn im St. Petersdome neben seinem Bruder Erich. Allein der Unselige hatte keine Ruhe in seiner Gruft. Nahe dem Orte, wo er den Beschluß gefaßt hatte, sich des verhaßten Bruders durch Meuchelmord zu entledigen, wo er durch einen feierlichen Meineid von der Blutschuld zu reinigen sich erfrechte, fanden sich die Zeugen des an König Erich verübten Frevels wieder ein. Zahllose Möwen zogen von den öden Hallen der Jurisburg herüber zum Dome und umflatterten ihn unter nie endendem Klaggeschrei. Diese schrillenden Rufe der Möwen schienen selbst die Wände der Gruft zu sprengen, denn die Domherren vernahmen, wie das Grab Abel's sich öffnete und sein Geist, von dem Jammerruf der Seevögel gepeinigt, ruhelos in den Gewölben des Domes umherirrte. Gebete und Seelenmessen, wodurch man den Spuk zu bannen hoffte, blieben erfolglos. Der Lärm ward in jeder Nacht ärger, so daß den Domherren ein Grausen ankam und die Ueberzeugung sich in ihnen festsetzte, der Unselige werde niemals Ruhe finden können in geweihter Erde. So beschloß man denn, Abel's Leichnam wieder aus seinem Grabe hervorzuholen. Ganz in der Stille, ohne alles Gepränge schaffte man den Sarg aus der Kirche fort, trug ihn westlich von der Stadt in das hinter dem Schlosse Gottorp sich fortziehende Gehölz, den Pölerwald, und versenkte ihn hier in einen Sumpf. Mitten durch den Sarg, also auch durch den Leichnam Abel's, trieb man einen spitzen, langen Pfahl, um die Leiche an die Erde zu binden und so glaubte man, den Todten dadurch an gespenstischem Umgehen zu hindern. Seitdem ward die Ruhe des Domes nicht mehr gestört, den gehofften Frieden des Grabes jedoch sollte Abel auch im Pölerholze nicht finden. An gewissen Tagen oder Nächten im Jahre verließ der Unselige sein einsames, von allen Menschen gemiedenes Grab, schwang sich, in schwarze Stahlrüstung gehüllt, auf sein gespenstisches Roß und besuchte, durch die Luft in wildestem Galopp fortsausend, gefolgt und umgeben von feuerschnaufenden Hunden, seinen ehemaligen Sitz auf der Schleiinsel. Dreimal umkreiste er die Zinnen der verfallenden Jurisburg, auf deren geschnörkelten Thurmspitzen, Gesimsen und Vorsprüngen zahllose Möwen saßen und den nächtlichen Besuch mit Geschrei und Flügelschlag begrüßten. Kehrte Abel wieder zurück in sein Grab, dann verfolgte die düstere Gestalt eine Anzahl Möwen, während die zurückbleibenden das alte Gemäuer und die Insel mit ihren Fittigen gleichsam bedeckten.
Jahrhunderte sind seitdem vergangen, die Jurisburg ist bis auf ein paar unscheinbare Mauerreste, die man nur mühsam entdecken kann, zerfallen, aber die rächenden Möwen hat bis auf den heutigen Tag von der unfruchtbaren, kleinen Insel im Schleistrome noch keine menschliche Macht zu verscheuchen vermocht. Zu Tausenden nisten die graziösen Seevögel auf dem stillen Eilande, in dessen hohem Binsengestrüpp der Wind pfeift. Bei hellem Sonnenlicht glänzt ihr Gefieder wie polirtes Silber und einer merkwürdig leuchtenden Wolke gleich kreisen sie über dem fahlgrünen Erdflecke. Des Nachts flattern sie unruhig umher, schaukeln sich auf den Wogen der Schlei oder verbergen sich im schirmenden Binsengras. - Die gegenwärtige Generation weiß wenig mehr von den Geschicken, die sich an den unscheinbaren Inselbrocken in der Schlei heften; sie hat großentheils den Namen der Burg vergessen, die sich dereinst mit ihren stolzen Thürmen und Hallen auf derselben erhob; aber von dem Grabe König Abel's im Pölerholze, von der Ermordung Erich's auf der Schlei bei Missunde und von den nächtlichen Wanderungen des Brudermörders nach der Insel und hinab bis an den Ort, wo er den Bruder tödten ließ, spricht noch jetzt alle Welt im Lande Schleswig. - Gegenwärtig ist der Ort, wo sich die glänzende Residenz Herzog Abel's erhob, ein wüster Erdfleck, der nur einmal, im Jahre von Menschen betreten wird. Beherrscher dieses unfruchtbaren Eilandes sind die Möwen, weshalb dasselbe schon seit unvordenklicher Zeit den Namen "Möwenberg" führt. Im Monat Juli, wenn die junge Brut flügge zu werden beginnt, wird an einem dazu bestimmten Tage Jagd auf die harmlosen Vögel gemacht, und dieser Tag ist für alle Bewohner Schleswigs ein Festtag. Die Insel in der Schlei wird auf ein gegebenes Zeichen, das aus drei Schüssen besteht, förmlich erstürmt, worauf die Möwenjagd, "das Möwenschießen oder der Möwenpreis" genannt, beginnt. Diese Schlacht endigt mit Vernichtung der jungen Brut; die älteren Möwen, sofern sie den Geschossen ihrer erbarmungslosen Verfolger entgehen, verlassen auf kurze Zeit die Schleiinsel, fliehen klagend meerwärts, gehen aber nur selten weiter östlich, als bis Missunde. Hier streichen sie fort und fort über dem Wasserspiegel auf und ab, als müßten sie noch immer den Leichnam des rechtlos Erschlagenen auf dem Grunde der Fluth bewachen. Erst nach Wochen steigt der Möwenschwarm wieder aufwärts, es zeigen sich einzelne über der Stadt Schleswig, andere flattern auf= und niedersteigend um den zertretenen Grabhügel ihrer Kinder, und noch ehe der Herbst eintritt, ist der Möwenberg, dieser Ort, wo sonst die Jurisburg thronte, von den weherufenden Vögeln, welche die Ermordung Erich's mit ansahen, wieder bevölkert.


Vermischtes.

- Die Gothaer Feuer=Versicherungsbank, welche auf Gegenseitigkeit beruht, hat bekannt gemacht, daß sie ihren Theilnehmern für 1855 nicht weniger als 70 Procent Prämien=Einlagen zurückgeben wird.
- Die Bevölkerung Londons beträgt 2,500,000 Einwohner. Noch nie hat eine Stadt eine so große Bevölkerung gehabt. Das alte Rom im höchsten Glanze faßte 1,200,000 Menschen und hatte 48,382 Häuser, die also durchschnittlich von 25 Personen bewohnt wurden, während Paris nur je 23 Personen unter Einem Dache birgt. Unbestritten ist aber London die größte Stadt, wo zugleich die wenigsten Menschen Ein Haus, nämlich je 8 Personen, bewohnen.


[ => Original lesen: 1856 Nr. 4 Seite 4]

Präklusiv=Bescheid.

In Sachen betreffend die Anmeldung von Ansprüchen an eine verloren gegangene, am 6. April 1839 von dem Handelsmann Johann Joachim Friedrich Geiseler, damals hieselbst, und dessen Ehefrau, Catharina, gebornen Busch, an den Altentheiler=Schmied Cord Christoph Johann Staeding zu Selmsdorf und dessen Ehefrau, Marie, geborene Freitag, über ein Gesammtcapital von 400 Taler (Mecklenburg) N 2/3 vor hiesigem Justiz=Amte ausgestellte Pfandverschreibung, giebt das

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg

reproductis ad acta proclamatibus cum documentis aff, et refixions, nec non insertionis, auf das Termins=Protocoll vom 10. d. M. hierdurch den
Bescheid:

daß, da sich so wenig in dem anberaumt gewesenen Termine als bis jetzt irgend ein Anspruchsberechtigter gemeldet, die, in der Ladung vom 30. October v. J. angedroheten Nachtheile nunmehr, wie hierdurch geschieht, zu vollstrecken, mithin alle etwaige Anspruchsberechtigte mit ihren Ansprüchen, wie hierdurch geschieht, zu präcludiren und die bezeichnete Schuldverschreibung zu mortificiren ist.

Von Rechts Wegen.
Decretum Schönberg, den 15. Januar 1856.
                                                    C. L. v. Oertzen.
(L. S.)


Verkaufs=Anzeigen.

Holzverkauf.

Am Donnerstag den 31sten Januar sollen im Selmsdorfer Kirchenholz:

  1 1/2 Faden buchen Olm,
  9        Faden buchen Knüppelholz,
  5 1/2 Faden buchen Stämme,
     1/2 Faden eichen Kluftholz,
  3 1/4 Faden eichen Knüppelholz und
16        Haufen buchen und eichen Zweigholz
gegen baare Zahlung meistbietend verkauft werden, und wollen Kaufliebhaber sich am gedachten Tage, Morgens 10 Uhr, beim Schlagbaum am Kirchenholze einfinden.
Schönberg, den 24. Januar 1856.

                                                    Danckwarth.


Holzauction.

Am Sonnabend den 26. Januar sollen in der Nähe des Wittwe Grothschen Gasthofes bei Schönberg 30 starke, 2 bis 3 Fuß auf dem Stamme haltende, 24-40 Fuß lange, bereits gefällte canadische Pappeln, einige Ellern und Weiden, so wie mehrere Fuder Pappeln=Buschholz meistbietend gegen baare Zahlung verkauft werden, und wollen sich Kaufliebhaber am gedachten Tage im oben benannten Gasthause, Morgens 10 Uhr, einfinden. Das Holz, welches sich zu Tischler =, Wagner = und Moldenhauer=Arbeit besonders eignet, kann jeder Zeit in Augenschein genommen werden.


Vermischte Anzeigen.

Auf der Station Schönberg sind die Großherzoglichen Landbeschäler vom Anfang Februar ab zur allgemeinen Benutzung aufgestellt,

Effendi. dunkelbraun,
Phönix, schwarz,
Captain Carr, schimmel,
Jupiter, rothbraun,
Rococo, rothbraun.
Neustrelitz, den 21. Januar 1856.

                          Großherzogliches Marstall=Amt.
                          F. v. Rauch.


Von dem 1. Februar bis Ende des Monats werden sämmtliche bei der Inventur heruntergesetzten Manufaktur=Waaren, darunter auch Mäntel und Mantillen, zu sehr niedrigen Preisen verkauft, bei

                                                    U. Beermann & Co.
                                                    in Lübeck,
                                                    Klingberg Nro. 927.


Der früher am Donnerstag vor Reminiscere abgehaltene hiesige Frühlings=Kram= und Viehmarkt ist, wie auch schon in den diesjährigen Kalendern bemerkt worden, auf

Donnerstag vor Fastnacht

verlegt und wird daher in diesem Jahre bereits am 31. Januar stattfinden.
Rehna, den 7. Januar 1856.

                                                    Bürgermeister und Rath.


Wegen meiner Uebersiedelung nach Hamburg bin ich genöthigt mein

Tuch- und Manufactur-Waaren-Lager

so rasch als möglich zu verkaufen. Um dieses zu bewerkstelligen, habe ich die Preise noch um 25 Procent billiger gestellt als bisher.
Ich verkaufe feines Tuch
die Elle zu 1 Taler (Mecklenburg) 8 Schilling (Mecklenburg), reeller Preis 1 Taler (Mecklenburg) 40 Schilling (Mecklenburg),
die feinste Sorte
die Elle zu 1 Taler (Mecklenburg) 24 Schilling (Mecklenburg), reeller Preis 2 Taler (Mecklenburg) 24 Schilling (Mecklenburg),
eben so alle anderen Waaren in demselben billigen Verhältniß.
Nicht so leicht dürfte sich eine solche Gelegenheit zu spottbilligen Einkäufen wieder ereignen, und darf ich um so mehr mit Recht auf zahlreiche Besuche Rechnung machen.
Der diesjährige Rehnaer Frühjahrsmarkt findet am 31. Januar statt, wovon ein verehrliches Publikum gefälligst Notiz nehmen wolle.

Achtungsvoll                          
                                                    S. J. Saul in Rehna,
                                                    Bülowerstraße.


Schutzmarke Dr. Koch's Kräuterbonbons Die aus den vorzüglichst geeigneten Kräuter= und Pflanzensäften mit einem Theile des reinsten Zuckerkrystalls zur Consistenz gebrachten
Doctor Koch'schen
(K. P. Kreis=Physikus zu Heiligenbeil)
KRAEUTER-BONBONS

haben sich durch ihre Güte auch in hiesiger Gegend rühmlichst bewährt und sind in Originalschachteln à 8 u. 16 Schilling (Mecklenburg) stets ächt vorräthig bei

                                                    J. P. Bade in Schönberg.


Kirchliche Anzeige.
Sonntag Serag. Hauptpredigt: Pastor Rußwurm.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

Weizen 2 Taler (Mecklenburg) 2-12 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 16-20 Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1 Taler (Mecklenburg) 32-40 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen 1 Taler (Mecklenburg) 12-20 Schilling (Mecklenburg),
Gerste 1 Taler (Mecklenburg) 8-12 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat - Mark (Lübeck)
Hafer 1 Taler (Mecklenburg) 2-4 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat - Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg) 24-32 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 23-24 Mark (Lübeck)
Butter 11 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.      Kartoffeln, a Faß 8 Schilling (Mecklenburg).


Redaktion, Druck und Verlag von L. Bicker.


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