[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 1] In Gemäßheit des § 13 der Verordnung vom 9. December 1876, betr. die Musterung und Aushebung der Mobilmachungspferde, wird hierdurch bekannt gemacht, daß im Aushebungsbezirke des hiesigen Fürstenthums auf den Zeitraum der Jahre 1895 bis 1900 incl. zu Mitgliedern der Districtsvorstände resp. deren Stellvertretern bestellt sind:
1. im Musterungsdistrict der Stadt Schönberg. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Bezirksthierarzt Reimer=Schönberg. |
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Thierarzt Schmidt=Schönberg. |
Vorstandsmitglieder. |
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Ackerbürger Peter Burmeister=Schönberg. |
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Ackerbürger J. Boye=Schönberg. |
Pferdehändler J. Kniep=Schönberg. |
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Ackerbürger Böckmann=Schönberg. |
2. im Musterungsdistrict der Vogtei Schönberg. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Kaufmann Lundwall=Schönberg. |
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Pächter Hildebrandt=Hof Menzendorf. |
Vorstandsmitglieder. |
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Hauswirth Siebenmark=Falkenhagen. |
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Schulze Siebenmark=Schwanbeck. |
Schulze Kähler=Kl. Siemz. |
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Hauswirth Burmeister=Rodenberg. |
3. im Musterungsdistrict der Vogtei Rupensdorf. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Pächter Dierking=Hof Lockwisch. |
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Erbpächter Prüß=Lauen. |
Vorstandsmitglieder. |
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Schulze Ollrogge=Niendorf. |
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Hauswirth H. Lühr=Kl. Mist. |
Schulze Hagendorf=Boit. Resdorf. |
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Hauswirthsanerbe Oldörp=Boit. Resdorf. |
4. im Musterungsdistrict der Vogtei Stove. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Pächter Rusch=Kl. Rünz. |
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Schulze Rieckhof=Gr. Rünz. |
Vorstandsmitglieder. |
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Pfarrackerpächter Pumplün=Carlow. |
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Halbhufner Seeler=Samkow. |
Schulzenanerbe Hartmann=Demern. |
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Hauswirth Stein=Cronscamp. |
5. im Musterungsdistrict der Vogtei Schlagsdorf. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Pächter Stamer=Mechow. |
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Pächter Ledeboer=Hof Schlagsdorf. |
Vorstandsmitglieder. |
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Schulze Oldenburg=Schlagbrügge. |
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Schulze Stein=Rieps. |
Hauswirth Retelsdorf jun.=Gr. Mist. |
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Schulze Meier=Schl. Sülsdorf. |
6. im Musterungsdistrict der Vogtei Mannhagen. |
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Dirigent. |
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Stellvertreter. |
Viceschulze Brüggemann=Mannhagen. |
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Hauswirth Heinr. Nehls=Mannhagen. |
Vorstandsmitglieder. |
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Schulze Brüggmann=Walksfelde. |
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Hauswirth Schmidt=Walksfelde. |
Viceschulze Ehlers=Panten. |
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Hauswirth Hr. Stamer=Panten. |
Schönberg, den 18. December 1894.
Der Großherzogliche Bezirkscommissarius.
Cl. v. Oertzen.
- Der Alt=Reichkanzler Fürst Bismarck ist am Freitag Abend kurz vor 11 Uhr wohlbehalten in Friedrichsruh angelangt. Der Berliner Blitzzug hatte Friedrichsruh mit einer Viertelstunde Verspätung erreicht, der Zug hielt genau so, daß der Salonwagen des Fürsten vor dem Parkthor zu stehen kam. Von diesem bis zum Bahngeleise waren über die Landstraße Läufer gelegt worden, Fackeln tragende Mannschaften der Ortsfeuerwehr bildeten vom Parkeingang bis zum Schloß Spalier, sodaß der breite Weg hell erleuchtet war. Hinter den Fackelträgern stand ein zahlreiches Publikum, doch ertönte kein Hochruf beim Erscheinen des Fürsten, die Menge verharrte in tiefem Schweigen, die Stimmung und den Schmerz des Fürsten achtend, der zum ersten Mal ohne die geliebte Lebensge=
[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 2]fährtin in sein Heim im Sachsenwalde zurückkehrte. Beim Aussteigen aus dem Wagen hatte sich Fürst Bismarck auf den Arm seines treuen Oberförster Lange gestützt, Graf Herbert Bismarck und Prof. Dr. Schweninger hatten den Fürsten auf der Reise begleitet, in Friedrichsruh erwarteten ihn außerdem sein Schwiegersohn, Graf Rantzau und sein Gutsnachbar Baron Merck, und dessen Gemahlin.
- Seit einiger Zeit werden in Preußen die Insassen der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf= und Gefangenen=Anstalten mit der Herstellung von Bekleidungs= und Ausrüstungs=Gegenständen für die Truppen des Heeres, sowie für den Kasernen= und Lazaret=Haushalt beschäftigt. Dem Vernehmen nach hat sich diese Neuerung bisher gut bewährt, sodaß eine weitere Ausdehnung dieser Beschäftigungsart der Gefangenen demnächst erfolgen dürfte.
- Eine Dienstanweisung an die Reichstagsbeamten zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den weitläufigen Räumen des Reichstagsgebäudes hat der Präsident des Reichstags erlassen und den Abgeordneten mit dem Bemerken zugestellt, daß es sich empfehlen dürfte, ihren Freunden und Bekannten, welche die Abgeordneten im Reichstagsgebäude erwarten wollen, eine allgemeine Legitimation für einen gewissen Zeitraum oder für einen bestimmten Tag zum Vorzeigen an die controlierenden Beamten einzuhändigen.
- Der Berliner "Lok.=Anz." erfährt, daß die Strafe der entlassenen Oberfeuerwerksschüler durch die Untersuchungshaft als verbüßt erachtet wurde. Die 15 am schwersten Belasteten sollen noch in Magdeburg sein, sie sollen dort vorläufig verbleiben.
- In Straßburg traf schon wieder ein Verzeichniß in Frankreich verstorbener Fremdenlegionäre ein. Es enthält diesmal die Namen von 12 Elsaß=Lothringern.
- Nach der Schätzung eines englischen Handelsblattes beträgt die Gesammtvollernte von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais im Jahr 1894 nur 2992,8 Mill. Hektoliter gegen 3166,8 im Vorjahr und 3132 im Jahr 1891. Wenn diese Zahlen stimmen, dann ist es möglich, daß die Getreidepreise im Lauf des nächsten Jahres sich wieder heben werden. Der deutschen Landwirthschaft, die gegenwärtig nicht einmal den Selbstkostenpreis des Getreides herauszuschlagen vermag, wäre das von Herzen zu gönnen!
- Nach amtlichen Berichten beträgt die Länge der bis jetzt in Sibirien gebauten Eisenbahnstrecke 1518 Werst, d. i. etwas weniger als ein Viertel der ganzen Linie.
- Die am Grabe Alexanders III. niedergelegten Kränze stellen nach der Schätzung von Sachverständigen einen Werth von ungefähr 700 000 Rubel dar.
- Ein merkwürdiger Fall von Kleptomanie beschäftigte dieser Tage die neunte Pariser Strafkammer. Die Angeklagte, eine Frau Bide, strebte nicht nach Modewaaren oder glänzendem Tand, sondern machte die Pfeifengeschäfte unsicher. Sie war eine leidenschaftliche Raucherin. Als sie jüngst auf frischem Pfeifenraube ertappt wurde, ergab die Haussuchung, daß sie 2600 Pfeifen zusammengestohlen hatte. Schön angeraucht hatte sie von diesem Vorrathe nur 39 Stück. Das Gericht verurteilte sie zu 8 Monaten Gefängniß.
- Aus ganz England kommen Nachrichten über Schäden, die der Sturm daselbst verursacht hat; insgesammt sind dabei 40 Personen getötet und mehr als 100 verletzt worden. In Scheffield hat ein einstürzender Schornstein 5 Personen erschlagen.
- Von einem Rudel Wölfe wurde der Kaufmann Jakob Bleier und Frau auf dem Wege nach Mihaleny (im ungarischen Komitat Hunyad), wohin sie zur Hochzeit von Verwandten fahren wollten, überfallen und bis auf die Knochen, welche aufgefunden wurden, aufgefressen.
- Ein Erdbeben richtete in Iglesias in Argentinien Ende November so furchtbare Verheerungen an, daß kein Haus stehen blieb. Die ganze Stadt bildet einen einzigen Trümmerhaufen. Während des Erdbebens quollen schwarze Wasserströme aus den Spalten des Bodens. Der Berg Agua Negra bei Cruz Piedra und San Roque spaltete sich von oben bis unten in zwei Stücke. Ganze Massen von Erde und Gerölle wurde in die Luft geschleudert. In Chumillango und Potreros de Tumman öffnete sich der Erdboden und Wassermassen spritzten in die Luft. Auf der Straße von Jachal nach San Juan ist die entstandene Erdspalte über drei englische Meilen lang.
- Die "New=York World" bringt eine Beschreibung von der Einnahme Port Arthurs. Darnach dauerte die Niedermetzelung der unbewaffneten Bewohner solange, bis die ganze Bevölkerung niedergemacht war. Bis zum Einzug in Port Arthur war das Verhalten der Japaner dem Feind gegenüber großmüthig. Die Japaner hatten 78 Kanonen, darunter Feldbatterien und Belagerungsgeschütze. Der Brief beschreibt ausführlich den Angriff auf die Forts und lobt die Haltung der Verteidiger. Das Thal war mit Minen gefüllt, welche die Chinesen jedoch in der Hitze des Gefechts zu sprengen vergaßen. Die mit Männern, Frauen u. Kindern gefüllten Dschunken wurden durch Torpedos zum Sinken gebracht. Nachdem die nach der Stadt führende Brücke genommen war, entflohen die Chinesen. Die in die Stadt einziehenden Japaner fanden die Köpfe der erschlagenen Kameraden mit abgeschnittenen Nasen und Ohren vor. Es folgte eine große Metzelei. Die wütenden Soldaten töteten jeden, der ihnen in den Weg kam, und plünderten die Stadt. In der Schlacht wurden nicht mehr als 100 Chinesen getötet und später jedoch wenigstens 2000 niedergemetzelt.
- Das waren zwei "Stolze" Jagden, an denen der Kaiser am Montag und Dienstag voriger Woche theilgenommen hat. In Neu=Gattersleben hat am Montag die Gesammtstrecke 1586 Hasen, 44 Fasanen, 5 Kaninchen und 2 Eulen betragen. Davon sind auf die Strecke des Kaisers entfallen: 287 Hasen, 29 Fasanen, 3 Kaninchen und 2 Eulen. Die Gesammtstrecke in Barby am Dienstag hat ergeben: 1452 Hasen, 3 Rehböcke und 4 Kaninchen. Hiervon hat der Kaiser erlegt: 687 Hasen, 3 Rehböcke und 4 Kaninchen.
- Als moderner Salomo wollte sich jüngst ein ländlicher Friedensrichter im nordamerikanischen Staate Georgia aufspielen, aber der weise und gerechte Richter hatte Pech dabei. Auch zu ihm kamen, wie einst zu Salomo zwei Frauen, die sich um die Mutterschaft eines etwa 10 Monate alten Knaben stritten, und ganz wie der König Salomo befand sich auch unser Richter in der größten Verlegenheit. Plötzlich fiel ihm die heilige Geschichte ein, vielleicht die einzige, die er noch kannte, er zog sein Federmesser aus der Tasche, legte den Knaben auf einen Tisch und erklärte den beiden Damen, daß er jetzt das Kind in Stücke schneiden und jeder von ihnen die Hälfte geben werde. Aber das, was er erwartete, traf nicht ein. Die beiden Frauen schrien zu gleicher Zeit: "Genug, genug! Töten Sie ihn nicht! Behalten Sie ihn lieber! Sprachens und verließen eilenden Schrittes die Amtsstube, dem überraschten Richter das Kind zurücklassend.
- Guten Morgen Herr Fischer! Ueber die Entstehung dieser Redensart schreibt man der "Frankf. Ztg.": Durch die Rheinbundakte wurde das Reichsfürstenthum Hohenlohe mediatisirt und zum Theil von Württemberg in Besitz genommen. König Friedrich schickte nun im Jahre 1807 nach Oehringen, der Hohenloheschen Residenz, den Oberamtmann Fischer, der die Hohenloher, die unter ihrem milden Fürsten etwas "verweichlicht" waren, auf gut schwäbisch zusammeregieren sollte. Oberamtmann Fischer besorgte dies auch so gründlich, daß er bald im ganzen Lande verhaßt war. Das Wort "gestrenge Herren regieren nicht lange" bewahrheitete sich auch hier. Vielleicht dem Einfluß des mediatisierten Fürsten am Stuttgarter Hofe gelang es, den gefürchteten Beamten zu stürzen. Am gleichen Tage, als Fischer die Nachricht von seiner Amtsenthebung erhielt, drang auch schon die Kunde davon in seine Umgebung. Zu dieser gehörte ein alter Diener, der u. a. die Aufgabe hatte, den Gestrengen allmorgendlich zu wecken und ihm die geputzten Stiefel mit dem Gruße vor das Bett zu stellen: "Wünsche allerunthänigst einen guten Morgen, Herr Oberamtmann." Am Morgen nach der Amtsenthebung erschien auch der Diener wieder, diesmal aber warf er die Stiefel polternd in das
[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 3]Zimmer und rief einfach: "Guten Morgen, Herr Fischer!"
- Glatteis für Zungen. Den Züricher Schützen widmet ein Schützenbruder in der "Schweizer Schützen=Zeitung" nachstehenden Spruch zum Schnellsprechen bei, wie er sich diskret ausdrückt, "später Abendstunde": Daß die Schützen Schützenleben schätzen - Das ist ganz am Platz, - Doch sie schätzen auch daneben - Ihren treuen Schützenschatz. - Schätzen Schützen ihre Schätze, - Jeder Schütz den Schatz beschützt, - Hoch der Schatz den Schützen schätzen, - Schützen = Schatz schätzt seinen Schütz.
- Das Siebenhühner=Dorf. In dem Dorfe Pölsfeld bei Sangerhausen, das 90 Einwohner zählt, giebt es nicht weniger als 50 Familien, die den Namen Siebenhühner führen. Da die Vornamen nicht ausreichen, um die Leute zu unterscheiden, hilft man sich durch Beinamen. So führt z. B. eine Familie den Beinamen Hörings=Karl, eine andere Enkes=Karl, weil die Frauen der betr. Karl Siebenhühner geborene Hörning bezw. Enke sind. Andere führen wieder als Beinamen den Truppentheil, in dem sie ihrer Militärpflicht genügt haben; da heißt es z. B. Karl Siebenhühner der Husar, der 71er, der 36er etc. Ein Karl Siebenhühner wird sogar mit dem Beinamen "Faule Grete" belegt, weil seine Frau einst als Schulmädchen von einem strengen Lehrer wegen ihrer Trägheit so genannt worden ist; sie hat diesen Namen nicht nur behalten, sondern auch auf den geheiratheten Mann übertragen.
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[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 4]Koulante Bedienung.
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Am Sonntag, den 30. December d. J. Abends 6 Uhr, findet im Vereinslocal die
Weihnachtsbescheerung
für die Kinder der Kameraden statt, was hierdurch zur Kenntniß der Beteiligten gebracht wird.
Der Vorstand.
Hauptversammlung
der Schuhmacher-Innung
am
Montag, den 7. Januar 1895
Vormittags 10 Uhr im Innungslocale.
Tagesordnung:
Rechnungsablage.
Vorstands=Wahl.
Div. Innungs=Angelegenheiten.
Die Mitglieder werden freundl. ersucht zahlreich zu erscheinen.
Schönberg, im Decbr. 1894.
Der Vorstand.
Schützenhaus.
Am Sylvester Tanzkränzchen
mit Tannenbaumfeier.
Anfang 7 Uhr. Ende 12 1/2 Uhr.
Sowie am Neujahrstage:
großes Tanzkränzchen
für die Nacht.
Tanzschleife für Herren 50 Pf.
Eintritt frei.
Zu recht zahlreichem Besuch von Stadt und Land ladet ergebenst ein
W. Hagen, Schützenwirth.
Am Sonntag, Sylvester und Neujahr
musikalische Unterhaltung
Unter anderem:
"die Rieke aus Nixdorf."
Sylvester Abend: Tanz.
Hierzu ladet ergebenst ein
Joh. Krüger.
Bahnhofs-Restauration.
Sonntag und Neujahr
Bockbier-Anstich
wozu ergebenst einladet
F. Richter.
Stadt Lübeck.
Am Sylvestertage:
Tanzmusik
Zur musikalischen Abendunterhaltung und
Tanzmusik
am Sylvester ladet so freundlichst wie ergebenst ein
J. Wiencke.
Sülsdorf, im Decbr. 1894.
Am Sylvester
Tanzmusik
für die Nacht
bei Michaelsen, Gastwirth,
Selmsdorf.
Neujahrskarten
in großer Auswahl empfiehlt
Paul Buchholz.
Kirchliche Nachrichten.
Sonntag nach Weihnacht.
Vormittagskirche: Consistorialrath Kaempffer.
Abendkirche: fällt aus.
Montag (Sylvester.)
Abendkirche (6 Uhr): Consistorialrath Kaempffer.
Amtswoche: Consistorialrath Kaempffer.
Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck:
9,59 Vorm. 12,18 Mitt. 3,12 Nachm. 7,32 Abends 11,57 Nachts.
nach Kleinen:
8,1, Morg. 10,25 Vorm. 12,44 Nchm. 5,43 Nachm. 8,54 Abends.
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 51.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 5]Beilage
zu Nr. 102 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 28. Dezember 1894.
- Feldberg. Zum zweiten Male ist wie durch ein Wunder, unser Reichstagsabgeordneter Hr. Nauck=Gr. Schönfeld in schwerer Lebensgefahr behütet worden. Als derselbe am 21. d. M. nachmittags zur Beerdigung des Hrn. Dr. Bahlcke nach hier fuhr und das Gefährt selber lenkte, gerieth dasselbe auf dem letzten Berge der Chaussee vor Feldberg gegen einen Prellstein. Alle vier Stränge der Pferde rissen, und Hr. N. wurde von den Pferden, die fortstürmten, während der Wagen stehen blieb, an der Leine kopfüber vom Bocke auf die Chaussee geschleudert. Da Hr. N. die Leine losließ, wurde er zum Glück nur einige Schritte mit fortgeschleift und erlitt außer einer Contusion des rechten Knies keine weiteren Verletzungen. Wie stark die Gewalt des Sturzes war, ist daraus zu ersehen, daß die Uhr in der Westentasche des Hrn. N. zertrümmert war.
- Wider den Pastor Müller in Rostock ist das Disziplinarverfahren eingeleitet, auch ist er für die Dauer desselben vom Amte suspendirt, sodaß er schon im Weihnachtsfest nicht mehr predigte.
- Nach 4tägiger Verhandlung verurtheilte die Strafkammer in Güstrow den Direktor der verkrachten mecklenburgischen Viehversicherungsgesellschaft Marci, wegen Betrugs und Untreue zu 1 1/2 Jahren Gefängniß, 2 Jahren Ehrverlust und 1500 Mark Geldstrafe. Zwei mitangeklagte Direktoren wurden freigesprochen.
- Auf dem Weihnachtstisch des Kaisers, des Kronprinzen und der Prinzen Eitel Friedrich und Adalbert werden auch in diesem Jahre die von der Leibcompagnie des Garde=Grenadier=Regiments z. F. einer alten Sitte gemäß gespendeten großen braunen Pfefferkuchen mit dem aus weißem Zuckerguß hergestellten Gardisten und der Aufschrift: "Leib=Compagnie I. Garde=Regiment z. F. Weihnachten 1894" nicht gefehlt haben. Hauptmann v. Plüskow überbringt sie am heiligen Abend persönlich.
- Wegen "suggerirter Liebe" wurde vor einigen Tagen vor dem Schwurgericht in München gegen den Lehrer der französischen Sprache, Hypnotiseur und Magnetiseur Czeslaw Czinski aus Stryi in Galizien verhandelt. Die Verhandlung war sowohl vom allgemeinen als auch vom wissenschaftlichen und insbesondere juristischen Standpunkte aus höchst interessant. Es handelte sich zum erstenmale vor einem deutschen Gerichte um Suggestion, indem dem Angeklagten zur Last gelegt wird, er habe einer reichen adeligen Dame im posthypnotischen Schlafe Liebe suggerirt. Die Dame bestreitet dies aufs Entschiedenste. Die Anklage lautete auf Verbrechen wider die Sittlichkeit, Urkundenfälschung etc. Eine Reihe von Sachverständigen, darunter auch Prof. Hirt von der Breslauer Universität, waren geladen, um Gutachten über hypnotische Suggestion abzugeben. Der Hypnotiseur Czinski wurde von der Anklage wegen Sittlichkeitsverbrechens freigesprochen, aber wegen Anstiftung zum Vergehen gegen die öffentliche Ordnung und wegen Urkundenfälschung zu einer dreijährigen Gefängnißstrafe und fünfjährigen Ehrverlust verurtheilt.
- Im Nationalrathe zu Bern erklärte bei der Verhandlung über das Konzessionsgesuch von Guyer=Zeller (Zürich) für eine Eisenbahn von der Kleinen Scheidegg über Eiger und Mönch auf den Gipfel der Jungfrau Abgeordneter Forrer (Winterthur), er habe das Gefühl, die Behörden begingen mit der Konzessionierung eine Narrheit. Die Bahn werde nicht bloß 8, sondern 20 Millionen kosten. Das jährliche Betriebsbudget von 65 000 Frs. erscheine angesichts der Haftpflicht und der Betriebsgefahr lächerlich klein. Wenn ein Zug hinunterstürze, wäre die Gesellschaft außer Stande, die Hinterlassenen der Passagiere zu entschädigen.
- Bei der Ziehung der Panama=Loose in Paris fiel der Hauptgewinn von 500 000 Francs einem Bäckergesellen namens Chambarlin zu.
- Ein heftiges Erdbeben, welches eine Minute dauerte, fand am Mittwoch abend 10 Uhr 35 Min. in Oravica in Süd=Ungarn statt. Zahlreiche Häuser stürzen ein; massive Gebäude erhielten Risse. Dächer wurden abgedeckt und Gesimse stürzten herab. Um 1 Uhr und nach 3 Uhr wiederholte sich der Stoß schwächer. Unter der Bevölkerung herrscht große Panik. Die Einwohner kampiren trotz der Kälte im Freien.
- Ein Sohn des jüngst verstorbenen Wiener Millionärs Königswärter, der eine Katholikin geheirathet hatte, die zum jüdischen Glauben übergetreten war, ist am Mittwoch mit seiner Frau, einer geborenen Blaskowich, in Großwardein vom Kardinal Schlauch getauft worden. Königswärter geht dadurch im Sinne des Testamentes seines Vaters eines großen Theiles seines väterlichen Erbes verlustig.
- Der griechische Millionär Kaufmann Zafiropulo, der kürzlich starb, hinterließ 6,5 Millionen für Wohlthätigkeitszwecke. Es sollen 125 000 Fr. an die Kinder vertheilt werden, die in Marseille, wo er zuletzt lebte und starb, innerhalb der Woche nach seinem Todestage von armen Müttern geboren werden.
Aus der See-Chronik.
(Schluß.)
Unten in den Wohnräumen waren die Betten sauber gemacht, Hüte und Röcke hingen daneben, Wasser und Lebensmittel waren reichlich vorhanden, nur die kleineren Boote, sowie die Schiffspapiere und das Logbuch fehlten. Auf dem Schiff war weder Namen noch Bezeichnung des heimathlichen Hafens zu finden. Die geretteten Matrosen nahmen sich des verlassenen Schiffes an, überholten nach kurzer Zeit die Boote ihrer Gefährten und fuhren nach Rio weiter. Weder dort, noch in Bahia konnte der Name des aufgefundenen Fahrzeuges nachgewiesen werden, und schließlich wurde es zum Besten der schiffbrüchigen Matrosen verkauft. Einige Monate später wurde das Schiff als der "Golden Star" aus San Francisco erkannt, welcher vor längerer Zeit seine Reise um Cap Horn angetreten hatte. Von dem Schicksal der 23 Mann starken Besatzung hat man bis jetzt nichts erfahren. Was sie bewegen konnte, ihr tüchtiges Schiff zu verlassen, alles im Stich zu lassen bis auf die paar Sachen, welche die Identität des Fahrzeuges nachweisen konnten, bleibt bis heute noch ein unaufgeklärtes Geheimniß. Die 23 Namen werden in der Seemannsliste unter der Rubrik "Verschollen" aufgeführt.
Ein ähnliches Schicksal hatte der stattliche Klipper "Heather Belle", welcher mit zehn Fahrgästen und reichlicher Besatzung an Bord von Glasgow nach Shanghai fuhr. In der Nähe des Caps der guten Hoffnung wurde das Schiff von einem anderen derselben Linie aufgefunden, verlassen, doch in bester Ordnung; nur die Boote fehlten. Das Schiff war fest und unbeschädigt, trug keinerlei Spuren von Sturm oder Unfall, aber Fahrgäste und Mannschaft waren verschwunden, und niemals eine Spur von ihnen aufgefunden worden.
So merkwürdig diese Geschichten sind, sie werden doch durch eine andere übertroffen, die sonderbarste, welche die Annalen der Seefahrt aufzuweisen haben. Die "Marie Celeste", ein tüchtiges Segelschiff, eine wertvolle Ladung tragend, verließ Newyork mit der Bestimmung nach Villa Franca am Mittelmeer. Am Bord war die Besatzung, der Capitän nebst Frau und Kind, im Ganzen dreizehn Personen. Das Schiff hatte die belebteste Strecke des Weltmeeres in der günstigen Jahreszeit zu befahren, und
[ => Original lesen: 1894 Nr. 102 Seite 6]man konnte auf eine schnelle und glückliche Reise rechnen. Ungefähr dreihundert Seemeilen westlich von Gibraltar wurde die "Marie Celeste" von einem englischen Schiffe angerufen, gab aber keine Antwort. Befremdet näherte sich das zweite Schiff. Auf dem Deck der "Celeste" war kein lebendiges Wesen zu sehen. Trotz dem wachsenden Gefühl des Grauens bestieg der Capitän ein Boot und holte das ruhig treibende Schiff bald ein. Still wie das Grab war das Verdeck, aber rein und ordentlich; jedes Tau an seinem Platze, Masten, Takelage und Ruder unversehrt. Unten in den Wohnräumen der Mannschaft lagen auf dem Tische die Ueberreste einer halbverzehrten Mahlzeit, Kleider hingen vor den Betten, Kisten und Kasten waren in bester Ordnung. Im Zimmer des Capitäns schien ebenfalls die Mahlzeit Soeben unterbrochen worden zu sein. In einer Ecke stand eine offene Nähmaschine, darauf ein halbfertiges Kinderkleidchen, Fingerhut und Scheere lagen neben der Arbeit. Geld, Werth= und Schiffspapiere, Uhren und Schmucksachen waren alle vorhanden. Oben auf Deck waren sämmtliche Boote wohlverwahrt an ihrem Platze, und an einer Leine am Vorderdeck hingen Kleidungsstücke zum Trocknen. Das letzte Verzeichniß im Logbuch war vor 42 Stunden eingetragen und berichtete von dem bisherigen günstigen Verlauf der Reise. Nicht die geringste Spur von Unfall oder Kampf war an dem Schiff zu entdecken. Da die Boote alle noch vorhanden waren, war das Verschwinden der Menschen geradezu unbegreiflich, umsomehr, wenn man bedenkt, daß sie sich in keinem abgelegenen Theil des Meeres befanden, sondern in der Fahrstraße mehrerer großer Dampfschifflinien und unzähliger Handelsschiffe.
Die "Celeste" mit der reichen Ladung wurde nach Villa Franca und dann nach Newyork zu den Eigenthümern zurückgebracht. Sämmtliche Consuln und Zollbeamte der Welt wurden von dem Vorfall unterrichtet, aber das Schicksal der 13 Menschen, die ohne Boote, ohne Geld und Lebensmittel das Schiff auf hoher See in so unerklärlicher Weise verlassen, bleibt unbekannt.
Wahrlich, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt. Oder auch mehr, als unsere Romandichter sich träumen lassen!
Zur Beruhigung der "Landratte" auf der ersten Seereise können wir übrigens versichern, daß solche Fälle sehr selten sind, und daß die Gefahr des spurlosen Verschwindens für den Fahrgast eines großen Ozeandampfers kaum besteht. Die schlimmste Gefahr für den ängstlichen Reisenden ist gerade die, die er am wenigsten ahnt. Auf hoher See, umgeben von der Unendlichkeit des Meeres und des Himmels, zittert der Binnenländer vor Angst, und athmet erst auf, wenn er sich dem sicheren Lande nähert und sich von Schiffen groß und klein, von dem Lärm des belebten Hafens umgeben sieht. Wenn er aber nun die Listen der großen Unfälle zur See durchstudirt, erfährt er zu seinem großen Erstaunen, daß gerade die grausigsten Unglücksfälle, diejenigen, die mit einem Verlust von Hunderten von Menschenleben verzeichnet sind, alle ohne Ausnahme dicht in der Nähe des Landes, manche sogar bei Tage, und im belebten Hafen stattgefunden haben. Und denkt man ein wenig nach, so ist es ganz begreiflich. Die großen Dampfer des modernen Weltverkehrs sind mit Hülfe aller Errungenschaften der Baukunst zusammengefügt, sind von Officieren befehligt, die auf der Höhe ihrer Kraft und ihrer Fähigkeiten stehen, die ein verdienstvolles und erfahrungsreiches Leben hinter sich haben. Diese mächtigen Schiffe sind ein Zeugniß der Macht des Menschen über die Elemente, sie trotzen Wind und Wetter, für sie giebt es auf hoher See kaum eine Gefahr mehr. Die felsige Küste aber mit ihrem tückischen Nebel und den ewig wechselnden Strömungen, der Hafen mit dem malerischen Kranze der Berge, die den Wind auffangen und ihn in kurzen, unberechenbaren Stößen zurücksenden, die vielen Fahrzeuge, die mit rasender Schnelligkeit oder mit plumper Schwerfälligkeit das Gewässer durchkreuzen, diese bilden ein feindliches Heer, welches gefahrdrohend das Schiff umringt, und durch diese Gefahren hindurch die lebendige Fracht sicher zum Lande zu geleiten, ist die Sorge, die das Herz des Capitäns schwer bedrückt und sein Haar oft vor der Zeit grau macht.
Obenan auf der Liste der großen Unfälle steht die Geschichte des englischen Vergnügungsdampfers "Prinzeß Alice." Dieser, ein großer schwerfälliger Holzbau, kehrte eines Tages, mit Fahrgästen überfüllt, von einem Ausflug nach der Themsemündung nach London zurück. Bei Woolwich, an einer belebten Stelle des Stromes stieß das Schiff mit einem andren Dampfer zusammen. Der Stoß war leicht, aber die plötzliche Bewegung der nach vielen Hunderten zählenden Menge nach der einen Seite brachte den plumpen Koloß aus dem Gleichgewichte; er kippte vollständig um. Es war ein klarer, ruhiger Tag, ein guter Schwimmer hätte ohne Anstrengung das Ufer erreichen können, auf dem Strome wimmelte es von Fahrzeugen aller Art, und dennoch sind 600-700 Menschen umgekommen!
Zunächst in der Reihe, wenn auch 100 Jahre früher, kommt der so oft besungene Verlust des englischen Kriegsschiffes "Royal George", bei welchem ein Königssohn und viele tapfere Krieger und Seeleute, im Ganzen 600 Menschen, ums Leben kamen. Das Schiff, der Stolz der englischen Flotte, lag bei Spithead vor Anker. An den aufgehißten Segeln arbeitete die Mannschaft an kleinen Reparaturen, auf Deck oder in den Cajüten lagerten bequem Officiere und reichliche Besatzung, die See war ruhig, der Himmel kaum bewölkt. Ein plötzlicher, unvorhergesehener Windstoß riß in den ausgebreiteten Segeln, die starken Ankerketten hielten fest und die stolze Fregatte lag, Kiel oben, auf dem Wasser. So plötzlich kam die Katastrophe, daß kaum Einer der Insassen gerettet wurde. Das ganze Land, vom Königspalast bis zur Hütte, trauerte um seine Söhne.
Dann hundert Jahre weiter, in allerletzter Zeit, hatten wir einen dritten großen Unfall. Im März 1891 fuhr der Passagierdampfer "Utopia" von Neapel nach Newyork mit achthundert italienischen Auswanderern an Bord. Bei der Einfahrt in den Hafen von Gibraltar fuhr die "Utopia" auf den Sporn eines englischen Kriegsschiffes und sank, von einer Seite zur anderen durchbohrt, binnen einer halben Stunde. Sie war kaum eine halbe Seemeile vom Ufer entfernt. Dicht an der Unglücksstätte lagen fünf große Kriegsschiffe, die sofort Hülfe sandten; dennoch war ein Verlust von 576 Menschen zu verzeichnen.
Im Winter des Jahres 1876 strandete an einem unwirthlichen Felsen bei Halifax (Nova Scotia) der Passagierdampfer "Atlantic" von der White Star Linie mit einem Verlust von 560 Menschenleben. Direkt war die Fahrlässigkeit des Capitäns, aber indirekt die strenge Seedisciplin an diesem Unglück schuld. Der erste Officier erkannte die Gefahr des eingeschlagenen falsches Kurses, doch der Capitän bestand auf der Richtigkeit seiner Berechnung, und so mußte sich der Untergebene fügen, bis der Tod so vieler Menschen ihm recht gab.
Der "Birkenhead", ein englisches Truppenschiff, gekentert in Simons Bay, Afrika, mit einem Verlust von 454 Menschen; der "Große Kurfürst", gesunken durch Zusammenstoß, Verlust 300 Menschen; die "Cimbria", von Hamburg nach Newyork, gesunken durch Zusammenstoß im englischen Kanal, Verlust 400 Mann, sind nur einige der weiteren Namen unserer Liste, die sich allzugrausig in die Länge zieht. So verschieden im Einzelnen alle diese Unfälle auch sind, das Eine haben sie alle gemeinsam, daß sie dicht in der Nähe des Landes stattgefunden haben.
Unter den auf hoher See verunglückten oder verschollenen Schiffen giebt es nur zwei oder drei mit einem Verlust von zwei= bis dreihundert Menschenleben, während in den vielen am Lande untergegangenen zwanzig oder mehr diese Zahl übertreffen. Wo er den Menschen ganz in seiner Gewalt hat, behandelt ihn der Ocean mild, um ihn dann, wo er sich selbst in Sicherheit wähnt, ganz ins Verderben zu stürzen. Oder, will er ihm vielleicht zeigen, daß sein ärgster Feind - die Nähe seiner Mitmenschen ist?
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