No. 96
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 09. Dezember
1890
sechzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 1]

Bekanntmachung.
betreffend die Prämientarife für die Versicherungsanstalten der Tiefbau=Berufsgenossenschaft und der Hamburgischen Baugewerks=Berufsgenossenschaft.
Vom 24. November 1890.
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Auf Grund des § 24 des Bauunfallversicherungsgesetzes vom 11. Juli 1887 (Reichsgesetzblatt S. 287) wird nach Anhörung der betheiligten Genossenschaftsvorstände Folgendes bestimmt:
Die durch die Bekanntmachung vom 11. September 1889 (Reichsanzeiger Nr. 219 vom 14. September 1889, Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamtes 1889 S. 376, Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg 1889 Nr. 83) beziehungsweise vom 18. April 1889 (Reichsanzeiger Nr. 96 vom 20. April 1889, Centralblatt für das deutsche Reich 1889 S. 275, Amtliche Nachrichten des Reichs=Versicherungsamtes 1889 S. 309, Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg 1889 Nr. 34) festgesetzten revidirten Prämientarife für die Versicherungsanstalten
1. der Hamburgischen Baugewerks=Berufsgenossenschaft und
2. der Tiefbau=Berufsgenossenschaft
bleiben vom 1. Januar 1891 ab für die nächsten drei Jahre - vorbehaltlich anderweiter Festsetzung noch vor Ablauf dieser Zeit - mit folgenden Maßgaben in Geltung:
Bei der Tiefbau=Berufsgenossenschaft wird für diejenigen Arbeiten, welche in die Gefahrenklasse C gehören (sämmtliche Sprengarbeiten, Stollen= und Schachtbau) der Lohnprozentsatz von 8 auf 5 Prozent und somit der auf jede angefangene halbe Mark des in Betracht kommenden Lohnes entfallende Prämienbetrag von 4 auf 2 1/2 Pfennig ermäßigt
Berlin, den 24. November 1890.

Das Reichsversicherungsamt.
Dr. Bödicker.


Der Kaufmann Heinrich Georg Bernhard Radbruch und der Kaufmann Franz Adolf Karsten zu Lübeck haben für ihre in Lübeck unter der Firma "Heinr. G. Radbruch" bestehende offene Handelsgesellschaft hier in Schönberg unter gleicher Firma eine Zweigniederlassung errichtet. Nachdem sie die Eintragung der Hauptniederlassung bei dem Handelsgerichte derselben nachgewiesen und die Firma der Zweigniederlassung beim hiesigen Großherzoglichen Amtsgerichte angemeldet haben, ist heute in's hiesige Handelsregister Fol. LV Nr. 68 eingetragen:

Handelsfirma der Zweigsniederlassung: Heinr. G. Radbruch.
Ort der Zweigniederlassung: Schönberg, im Fürstenthum Ratzeburg.
Name u. Wohnort des Inhabers der Gesellschafter: Kaufmann Heinrich Georg Bernhard Radbruch und Kaufmann Franz Adolf Karsten, beide zu Lübeck.

Schönberg im Fürstenthum Ratzeburg,                          
den 29. November 1890.                          
Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
                                                    A. Dufft.


Im Auftrage mehrerer Gläubiger des Buchbinders W. Heitmann fordern wir hierdurch dessen sämmtliche Gläubiger auf, sich am Mittwoch, den 10. d. Mts., Abends 8 Uhr bei dem Gastwirth Boye hierselbst zu einer Berathung einzufinden. Vertreter haben Vollmacht mitzubringen und wird angenommen, daß die nicht erscheinenden Gläubiger mit dem Beschlusse der erschienenen einverstanden sind.
Schönberg, den 7. December 1890.

                                                    H. Fölsch,
                                                    Rechtsanwalt.


Auctions=Abkündigung.

Der auf Mittwoch, den 10. December d. J., Vormittags 10 Uhr, in Selmsdorf angesetzte Verkauf von Pfandsachen findet nicht statt.

                                                    Staffeldt, Gerichtsvollzieher.


Außerordentliche General=Versammlung
des landwirthschaftlichen Vereins kleinerer Landwirthe für das Fürstenthum Ratzeburg.
am Donnerstag, den 18. December 1890,
Nachmittags 2 Uhr,
im großen Saale des Herrn J. Boye in Schönberg.
Tagesordnung:

Vortrag des Herrn Schriftstellers Quade aus Schwerin über: das Alters= und Invaliditätsversicherungsgesetz unter Berücksichtigung der landwirthschaftlichen Verhältnisse.

                                                    Der Vorstand.

NB. Nichtmitglieder soll der Besuch dieser Versammlung gerne gestattet sein.

                                                    D. O.


[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 2]

Gewerbe=Verein.
Hauptversammlung
Am Montag, den 15. d. M., Abends 8 Uhr.
                          Tagesordnung:

1. Geschäftliches (Vorstandswahl u. a.)
2. Die Invaliditäts= und Altersversicherung, und zwar Beantwortung etwaiger Fragen, und soweit es gewünscht wird, specielle Berechnung und Anweisung für die einzelnen Mitglieder des Vereins.


Hochfeinen Syrup
bei 5 Pfund à 18 Pfg.
Besten englischen Syrup,
30 Pfg.,
sowie sämmtliche Gewürze zu Pfeffernüssen empfiehlt billigst                                                    
                                                    H. Brüchmann.


Eröffnung
der
Weihnachts-Ausstellung
bei
Heinr. Pagels,
Lübeck, Breitestr. 93. Die Ausstellung bietet viele
interessante Neuheiten
in allen Preislagen.


Sicherheits-Stall-Laterne
D. R.=Patent 50181.

Dieselbe bietet folgende besondere Vorzüge:

1. vollkommene Sicherheit gegen Feuersgefahr durch sofortiges, selbstthätiges Erlöschen der Flamme beim Umfallen oder Herabfallen der Laterne,
2. vollkommene Sicherheit gegen Explosion,
3. der doppelte Boden des Schornsteins ist mit einer Asbestplatte versehen, um das Durchbrennen zu verhindern,
4. doppelter Schornstein sodaß die Laterne auch bei dem stärksten Sturm im Freien gebraucht werden kann.
5. einfachste Handhabung.

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Preis M. 8,50 ab Hamburg.
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W. Butenschön,
i. F.: Aug. Friedr. Müller & Co. Hamburg.
Gutachten vieler maßgebender Fachmänner sowie Zeitschriften liegen vor.


Christbaum-Confect

in den überraschend neuesten Mustern von hochfeinem Geschmack versendet die Kiste, 500 Stück enthaltend, wobei sehr viel Chocolade, gut verpackt gegen nur 3 Mark Nachnahme. Kiste berechne nicht. Bei Mehrabnahme hohen Rabatt.

R. O. Dietrich.
Dresden-Plauen.


Von heute ab verkaufe alle in meinem Geschäft befindlichen Waaren zu und unter Einkaufspreis.

                                                    Achtungsvoll
                                                    H. Bohnhoffs Ww.


Eine bedeutende Auswahl in
Hängelampen, Tischlampen, Wandlampen, Wagenlaternen, Stalllaternen, Taschenlaternen, Ofenvorsetzer, Ofengeräthen mit Ständer, Kohlenhelmen, Ascheimern, Wassereimern, Toiletteneimern, Fleischhack-Maschinen, Wurststopf-Maschinen, Reibe-Maschinen, Kaffeemühlen, Mörsern, Kochapparaten, Gebäckkästen, Besteckkörben, Theebrettern, Brodkörben, Geldkasten, Briefkasten, Toilettenkasten, Sparbüchsen,
ferner emaillirte Kochtöpfe, Theekessel, Kaffeekannen, Spülwannen, Waschgeschirr u. s. w.

                                                    empfiehlt
                                                    W. Wieschendorf.
                                                    Klempner.


Tischmesser, Forken,
Löffeln,
Rasiermesser,
Taschenmesser,
Scheeren,
Barometer und Thermometer
empfiehlt in reichster Auswahl, vorzüglichster Güte und wohlfeilen Preisen

                          Diedrich Tesschau, Lübeck,
                          Messerfabrikant, Breitestraße 24.
                          Reparatur und Hohlschleiferei.


Pfeffernuß=Syrup
à Pfund 18 Pf. und 23 Pf. bei Abnahme von 5 Pfund
empfiehlt                                                    
                                                    J. F. Eckmann.


Ein Klavier
hat zu verkaufen                                                    
                                                    J. Wegner, Lehrer.


Zu Ostern nächsten Jahres sucht ein                          
Mädchen
bei hohem Lohn                                                    
                                                    Helene Montag
                                                                              Schönberg.


Von Neujahr ab ist der Abonnementspreis der im größten Format täglich erscheinenden

Eisenbahn-Zeitung
nebst illustrirter Sonnabendsbeilage
auf vierteljährlich
2 Mark 25 Pfg.

ermäßigt. Der Inhalt der Zeitung wird unverändert derselbe reichhaltige bleiben wie bisher.
Man kann bei jeder kaiserlichen Postanstalt die Eisenbahn-Zeitung für nur 2 Mark 25 Pfg. vierteljährlich abholen lassen; wer sich dieselbe von einem Postboten ins Haus bringen läßt, zahlt dafür eine geringe Gebühr an die Postanstalt.


[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 3]

Zu Weihnachts-Bäckereien
empfehle
hochfeinen engl. Syrup,
feinste gemahlene Raffinade,
Sultana- und Elmé-Rosinen,
Succade, cand. Orangenschalen,
süsse und bittere Mandeln.
Ferner grosse
Messina-Citronen
und Gewürze aller Art in bester Qualität.
A. Wigger Nachfolger.


Hugo Heincke
Weihnachtseinkäufen:

Velour=, Filz=, Stepp= u. gestrickte Röcke, Damen= und Kinderschürzen, Herren=, Damen= und Kinderwäsche, Glacé=, Tricot= und Strickhandschuhe. Herren=Cravatten, Oberhemden, Kragen u. Manschetten, Normal=Unterzeuge, Kopfhüllen, Taillentücher, Schulterkragen, Reinleinene Taschentücher für Herren und Damen.

Regenschirme in sehr großer Auswahl.
Tricottaillen u. Blousen,  Corsets in den modernsten Facons.

Angezeichnete Stickereien. Wollstickereien, reinwollene Kleiderstoffe. Buskins, Jagdwesten, Strickjacken und Hosenträger.


Engl. Syrup,

Ia Weizen=Dampfmehl, Succade, Pomeranzenschaale, gereinigte Pottasche, Hirschhornsalz, ganze und gemahlene, garantirt reine Gewürze, sowie sämmtliche Artikel zur

bevorstehenden Festbäckerei

empfiehlt in bester Waare billigst

                                                    A. Zander.


Leichtbrechende
grüne und gelbe Kocherbsen,
Engl. Salz
empfiehlt                                                    
A. Wigger Nachfolger.


Christbaum-Confect!
(delicat im Geschmack und reizende Neuheiten für den Weihnachtsbaum) 1 Kiste enthält ca. 440 Stück, versende gegen 3 Mark Nachnahme. Kiste und Verpackung berechne nicht.
Wiederverkäufern sehr empfohlen                                                     Hugo Wiese,
                                                    Dresden, Grunaer Str. 26.


Englisches Salz
à Pfund 10 Pfg.
empfiehlt                                                    H. Brüchmann.


Prima engl. Syrup,
feinste gemahl. Raffinade,
Ia. Weizenmehl,
bittere und süße Mandeln,
Succade, Orangeat,
Pottasche u. Hirschhornsalz,
sowie sämmtliche Gewürze in bester Qualität
empfiehlt                                                    W. Wieschendorf.


"Kornblume"
hochfeiner Tafel=Aquavit.
bester Ersatz für feinsten Cognac.
1890 goldene und silberne Medaille.
Preis M. 1.20 per Flasche
incl. Verpackung.
Alleinige Fabrikanten
Andersen, Nissen u. Cn.,
Kornbrennerei.      Ottensen.


Meine diesjährige mit vielen Neuheiten ausgestattete

Weihnachts=Ausstellung

empfehle einem geehrten Publikum und bitte um zahlreichen Besuch.

                                                                         Achtungsvoll
                                                                         Emil Hempel,
Schönberg.                                                    Buchbinder.


Als passende Weihnachtsgeschenke
empfiehlt
eine große Auswahl
Gold- und Silberwaaren,
Corall- und Granatschmuck
in den neuesten Mustern,
zu den billigsten Preisen
                                                                         C. Roepstorff,
Schönberg.                                                    Goldschmied.


Nächste Woche erhalte 300 Stück                                                    
Christ=Bäume,
womit ich mich zum Weihnachtsfest empfohlen halte.
                                                    Aug. Green.


[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 4]

Unsern großen
Weihnacht - Ausverkauf
empfehlen als günstige Gelegenheit zu billigen Einkäufen.                                                    
                                                    Gebrüder Burchard.


Spielwaaren-Ausstellung aller Art

darunter gekleidete und unbekleidete Puppen in den verschiedensten Sorten und noch bedeutend größerer Auswahl als im vergangenen Jahre

Reichhaltiges Lager in Schmucksachen
für Herren und Damen.

Mache noch besonders darauf aufmerksam, daß ich in diesem Jahre "persönlich" den Einkauf in Leipzig, Sonneberg und versch. Oertern in Thüringen und Böhmen gemacht habe, wodurch ich viele interessante Neuheiten und zu besonders billigen Preisen liefern kann.

                                                    H. Brüchmann.


Zu einer Weihnachtsbescheerung für arme Kinder erbitten wir freundliche Gaben aus der Gemeinde und ersuchen, solche und gütigst bis zum 21. d. Monats zukommen zu lassen.
Schönberg, den 4. December 1890.

Kaempffer.                           Langbein.


Stadt-Theater in Lübeck.
Sonntag, den 14. Dezember 1890,
Nachmittags 4 Uhr,
Fremdenvorstellung.
Gastspiel der
Balletmeisterin und 1. Solotänzerin
Fräulein
Paula Tagliani
vom Metropolitan=Opera=House in New=York.
Mit durchweg neuer, glänzender Ausstattung an Costümen, Dekorationen, Maschinerien, Requisiten etc.
Sensationeller Erfolg!
Die Puppenfee,
Pantomimisches Ballet=Divertissement
von Haßreiter und Gaul.
Musik von Beyer.
Dargestellt und getanzt vom gesammten Solo= und Chorpersonal.
Vor der Puppenfee:
Das Pensionat,
Kom. Oper in 2 Akten von Suppé.
Sensationeller Erfolg!
Preise der Plätze: I. Rg. Balcon u. Loge M. 3,50; Parquet M. 3,00; Parterre M. 1,50; II. Rg. Balcon M. 1,75; II. Rang=Loge M. 1,50.
Als Adresse für Billet=Bestellungen genügt:
Stadttheater=Lübeck.
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Abends 7 1/2 Uhr
Zum 2. Male:
Der Widerspenstigen Zähmung,
Kom. Oper in 4 Akten von Goetz.


Gegen M. 1000 Gehalt u. Provision suchen wir einen Vertreter für d. Verkauf von Caffee, Cigarren etc.

                                                    F. Löding & Co. Hamburg.


Wer hilft mir, ohne seiner Spende für die Bescheerung armer Kinder etwas zu entziehen, auch den Wanderern in der Herberge zur Heimath und Verpflegungsstation eine Weihnachtsfreude zu bereiten?
Etwaige Gaben erbitte ich bis 18. d. Mts.

                                                    C. Langbein, Pastor.


Die freundlichst abgerundete Einnahme im gestrigen Kirchenconcert betrug: 120,00 Mark. Der an mich abgelieferte Reinertrag, mit Einrechnung zweier nachträglicher Gaben von resp. 3 Mk. und 1 Mk. beträgt 108,55 Mark - ein sehr reicher und dankenswerther Ertrag.

                                                    C. Langbein,
                                                    Kassenführer für die Kirchenheizung.


Dem Gesangverein Teutonia, wie dem Herrn Organisten Carlau und allen, die durch bereitwilliges Mitwirken zu dem so schönen Gelingen des Kirchenconcerts zum Besten der Kirchenheizung beigetragen haben, spricht der Kirchenvorstand hiermit seinen herzlichen Dank aus.


Heute wurde meine liebe Frau Marie, geb. Völckers von einem todten Knaben entbunden.
Ziethen den 3. December 1890.

                                                    P. Russwurm.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
6,55 Vorm. 9,50 Vorm. 3,21 Nachm. 7,19 Abends. 11,12 Nachts.
Nach Kleinen:
7,51 Morg. 10,13 Vorm. 12,51 Nachm. 5,29 Nachm. 8,48 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 96 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 9. Dezember 1890.


Das Invaliditäts= und Altersversicherungsgesetz.
I. Wer ist versicherungspflichtig?

Alle über 16 Jahre alten männlichen wie weiblichen Personen, welche gegen Gehalt, Lohn, Tantiémen oder Naturalbezüge beschäftigt werden und deren Jahresarbeitsverdienst 2000 Mark nicht übersteigt:

Betriebsbeamte, Handlungsgehilfen, Gewerbegehilfen, Gesellen, Arbeiter, Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und Flußschiffe, Lehrlinge, Bediente, Knechte, Tagelöhner, Mägde.
Nicht versicherungspflichtig sind Reichs= und Staatsbeamte, mit Pensionsberechtigung angestellte Communalbeamte und Personen, welche bereits invalide sind, bezw. auf Grund des Invaliditäts=Versicherungsgesetzes eine Invalidenrente beziehen; ferner die Angestellten mit wissenschaftlicher Vorbildung, welche auf Universitäten, Seminaren und ähnlichen Anstalten erworben wurde; ferner die in Apotheken beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge; ferner die nur gegen freien Unterhalt Beschäftigten; ferner Personen des Soldatenstandes, welche dienstlich als Arbeiter beschäftigt werden.
Versicherungspflichtig werden können durch Beschluß des Bundesraths alle Betriebsunternehmer eines Gewerbes, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter (nicht Lehrling) beschäftigen; ferner die selbständigen Hausgewerbetreibenden eines Gewerbes, welche im Auftrag anderer Gewerbetreibenden arbeiten.
Auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit sind die Empfänger von Pensionen oder Wartegeldern, welche das Reich, der Staat oder ein Communalverband zahlt, ferner die Empfänger von Unfallrenten von mindestens 114 Mark 70 Pfennig.

II. Wem steht es frei, sich zu versichern?

Sich selbst versichern, jedoch nur in der zweiten Lohnklasse, können vor dem vollendeten 40. Lebensjahre alle Betriebsunternehmer, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter (nicht Lehrling) beschäftigen und mindestens noch ein Drittel des ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagearbeiter verdienen; ferner unter denselben Bedingungen alle selbständigen Hausgewerbetreibenden, einerlei, ob sie Lohnarbeiter beschäftigen oder nicht, wenn sie nur im Auftrag anderer Gewerbetreibenden arbeiten.
Wer versicherungspflichtig gewesen ist und in Folge Berufswechsels oder Gehaltserhöhung aus den Versicherungspflichtigen ausscheidet, bleibt in der zweiten Lohnklasse versicherungsberechtigt, wenn bereits für mindestens 117 Beitragswochen gleich 2 1/2 Beitragsjahren Beiträge geleistet worden sind. Solche freiwillig Versicherte müssen sich außer den Marken noch Zusatzmarken kaufen.

III. Was haben die Versicherungspflichtigen und die Versicherungsberechtigten zu thun?
(Von Quittungsmarken, Quittungskarten und Bescheinigungen.)

Jede versicherungspflichtige und versicherungsberechtigte Person besorgt sich eine Quittungskarte. Die Stelle, durch welche die Quittungskarten kostenlos zu beziehen sind, wird amtlich bekannt gemacht. Unterläßt ein Versicherungspflichtiger, sich mit einer Quittungskarte rechtzeitig zu versehen, so schafft der Arbeitgeber für Rechnung des betreffenden Versicherungspflichtigen eine Quittungskarte an. Der vom Arbeitgeber verauslagte Betrag darf bei der nächsten Lohnzahlung dem Versicherungspflichtigen in Anrechnung gebracht werden.
Der oder die Versicherungspflichtige zeigt die Quittungskarte bei der Lohnzahlung vor und empfängt die Quittungskarte, in welche vom Arbeitgeber bezw. dessen Stellvertreter Marken eingeklebt werden, zurück. Doch kann auch der Versicherungspflichtige die Quittungskarte im Gewahrsam des Arbeitsgebers lassen.
Die Versicherungsberechtigten müssen sich die einzuklebenden Marken bei der Post selbst kaufen und in die Quittungskarte einkleben.
Ist die Quittungskarte vollgeklebt, so reicht der Versicherte sie bei der amtlich bekannt gemachten Ausgabestelle zum Umtausch gegen eine neue ein und erhält zugleich eine Bescheinigung über die bisher geleisteten Beiträge. Diese Bescheinigung hat der Versicherte aufzubewahren.
Wer länger als 7 Tage krank ist und die Arbeit unterbricht, läßt sich vom Vorstand der Krankenkasse die Dauer der Krankheit bescheinigen. Hat er einer Krankenkasse nicht angehört, so muß die Gemeindebehörde bescheinigen. Mit dieser Bescheinigung geht er zur amtlich bekannt gemachten Ausgabestelle, nimmt auch die Bescheinigung mit, welche die Ausgabestelle ihm beim Austausch der vollgeklebten Quittungskarte gegen eine neue ausgestellt hat und läßt sich in diese Bescheinigung einen Vermerk über die Krankheitszeit machen. Hat die Krankheitszeit nicht länger als ein Jahr gedauert, so sind ihm die Beiträge für die Krankheitszeit erlassen, ohne daß er irgend einen Anspruch dadurch verliert.
Wer zum Militär eingezogen wird, geht, wenn die Dienst= oder Uebungszeit um ist, mit seinen Militärpapieren zur amtlichen Ausgabestelle und läßt sich in die Bescheinigung, welche er beim Quittungskarten=Umtausch erhalten hat, die Dienst= oder Uebungszeit vermerken, für die er keine Beiträge zu zahlen hat, unbeschadet seiner Versicherungsrechte.
Wer aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheidet und das Versicherungsverhältniß freiwillig fortsetzen will, verlangt von der Post Doppelmarken und klebt dieselben in die Quittungskarte weiter selbst ein. Der freiwillig Versicherte, welcher während vier auf einander folgender Kalenderjahre nicht wenigstens 47 Doppelmarken einklebt, geht seines Anspruchs verloren.
Wer seine Quittungskarte verliert, oder wessen Quittungskarte beschädigt und unbrauchbar ist, hat sich die Zahl der eingeklebten Marken vom Arbeitgeber bescheinigen zu lassen und mit dieser Bescheinigung zur amtlichen Ausgabestelle zu gehen, wo er eine neue Quittungskarte erhält.
Wer sich nicht nachträglich von den Arbeitgebern ausgestellte und von den Behörden abgestempelte Bescheinigungen über seine Arbeitsverhältnisse in den letzten 3-5 Jahren vor dem ersten Januar 1891 beschafft, geht des Anspruchs auf Invalidenrente in dem Fall verlustig, daß er zwischen dem 1. Januar 1891 und dem 31. December 1896 erwerbsunfähig wird. (Näheres darüber unter V. Invalidenrente.)

IV. Was haben die Arbeitgeber versicherungspflichtiger Personen zu thun?

Der Arbeitgeber hat für diejenigen versicherungspflichtigen Personen, welche sich nicht selbst mit einer Quittungskarte versehen haben, die nöthigen Quittungskarten durch die amtliche Ausgabestelle sich zu beschaffen. Er ist berechtigt, den dabei verauslagten Betrag bei der nächsten Lohnzahlung einzubehalten.
Der Arbeitgeber hat ferner für die versicherungspflichtigen Personen die bei jeder Postanstalt oder einer sonstigen Verkaufsstelle vorräthigen Marken zu kaufen und dieselben am Schlusse jeder Lohnzahlungsperiode in die Quittungskarten einzukleben. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, die Quittungskarte des Versicherten wider dessen Willen zurückzubehalten, doch darf er sie im Einverständniß mit dem Versicherten im Gewahrsam behalten.
Der Arbeitgeber darf in die Quittungskarten keine Eintragungen über die Führung oder die Leistungen der Versicherten noch sonstige Vermerke machen.
Für die versicherungspflichtigen Personen hat der Arbeitgeber für jede Woche der Beschäftigung eine Marke der betreffenden Losklasse einzukleben. Zu dem Zweck hat der Arbeitgeber den Jahresarbeitsverdienst des Versicherten und die Lohnklasse (siehe VI) desselben festzustellen und die für diese

[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 6]

Lohnklasse bestimmte Marke zu verwenden. Will der Versicherte in einer höheren Lohnklasse zahlen, so verwendet der Arbeitgeber die Marke der betreffenden höheren Klasse.
Der Arbeitgeber kann dem Versicherten die Hälfte des für die Marken verausgabten Betrages bei der Lohnzahlung in Abzug bringen.
Arbeitet ein Versicherter in einer Woche bei verschiedenen Arbeitgebern, so klebt derjenige Arbeitgeber die Marke ein, welcher den Arbeiter zuerst beschäftigt hat.

V. Wer erhält eine Invalidenrente?

Versicherungspflichtige Personen, welche das 21. Lebensjahr vollendet haben und so erwerbsunfähig sind, daß sie durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechende Lohnarbeit nicht mehr ein Sechstel vom Durchschnitt der Lohnsätze der letzten 5 Beitragsjahre, vermehrt um ein Sechstel von dem 300fachen Betrage des ortsüblichen Tagelohns, verdienen können, erhalten eine Invalidenrente.
Beispiel: Der Arbeiter A. in B. arbeitete in den letzten 5 Beitragsjahren, gleich 235 Beitragswochen

  35 Wochen zu Lohnsatz 600 M. = 21,000 M.
100 Wochen zu Lohnsatz 800 M. = 80,000 M.
100 Wochen zu Lohnsatz 950 M. = 95,000 M.
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235 Wochen          zusammen 196,000 M.

Um den Durchschnitt zu finden, theilt man 196,000 Mark mit den 235 Beitragswochen = 834 Mark. Ein Sechstel davon ist 139 Mark. Der ortsübliche Tagelohn in B. ist 1 Mark, der 300fache Betrag davon 300 Mark, ein Sechstel davon 50 Mark. Das Lohnminimum ist gefunden; es beträgt:

 139 Mark
+ 50 Mark
 189 Mark.

Wenn A. in B. diese 189 Mark jährlich nicht mehr verdienen kann, ist er erwerbsunfähig und erhält eine Invalidenrente.
Renteberechtigt für die Dauer seiner Erwerbsunfähigkeit ist außer den oben näher Bezeichneten ohne Weiteres auch Derjenige, welcher während eines Jahres ununterbrochen erwerbsunfähig gewesen ist.
Die Invalidenrente wird monatlich im Voraus in baarem Geld von der Post ausgezahlt. In bestimmten ländlichen Bezirken kann den land= und forstwirthschaftlichen Arbeitern die Rente bis zu zwei Dritteln in Form von Naturalleistungen, (Lebensmittel, Wohnung, Feld= oder Gartennutzung) gewährt werden
Notorischen Trinkern kann die Rente ihrem vollen Umfang nach in Naturalleistungen gewährt werden.
Wer beim Eintritt der Erwerbsunfähigkeit noch nicht 235 Wochenbeiträge (gleich 5 Beitragsjahre) geleistet hat, hat nur in den ersten 5 Jahren vom 1. Januar 1891 bis 31. December 1895 Anspruch auf Invalidenrente und auch dann nur, wenn er mindestens schon 47 Wochenbeiträge nach Inkrafttreten des Gesetzes entrichtet hat. Die zu 235 Wochen fehlenden Wochen muß er nachweislich vor Inkrafttreten des Gesetzes in versicherungspflichtigem Lohn, Gehalt u. s. w. gestanden haben. Der Nachweis muß der Behörde durch Bescheinigungen über die früheren Arbeitsverhältnisse erbracht werden.

VI. Wie hoch sind die Beiträge?

Bei einem Jahresarbeitsverdienst bis zu 350 Mark einschließlich zählt
der Versicherte zur 1. Lohnklasse.
Bei einem Jahresarbeitsverdienst von mehr als 350 bis 550 Mark zählt der Versicherte zur 2. Lohnklasse.
Bei einem Jahresarbeitsverdienst von mehr als 550 bis 850 Mark zählt der Versicherte zur 3. Lohnklasse.
Bei einem Jahresarbeitsverdienst von mehr als 850 Mark zählt der Versicherte zur 4. Lohnklasse.

Der wöchentl. Beitrag in der 1. Lohnklasse beträgt 14 Pfennig (Mecklenburg).
Der wöchentl. Beitrag in der 2. Lohnklasse beträgt 20 Pfennig (Mecklenburg).
Der wöchentl. Beitrag in der 3. Lohnklasse beträgt 24 Pfennig (Mecklenburg).
Der wöchentl. Beitrag in der 4. Lohnklasse beträgt 30 Pfennig (Mecklenburg).

Der Arbeitgeber kann die Hälfte des Wochenbeitrages dem Versicherten bei der Lohnzahlung in Abzug bringen.

VII. Wie viel beträgt die Invalidenrente?

Die Höhe der Invalidenrente richtet sich nach der Lohnclasse und der Zahl der Beitragswochen Das Reich zahlt jährlich einen festen Zuschuß von 50 Mark.
Die Versicherungsanstalt zahlt jährlich einen festen Grundbetrag von 60 Mark.
Jeder vom Versicherten geleistete Wochenbeitrag zählt

in der 1. Lohnclasse  2 Pf. Rente.
in der 2. Lohnclasse   6 Pf. Rente.
in der 3. Lohnclasse   9 Pf. Rente.
in der 4. Lohnclasse 13 Pf. Rente.
Beispiel.
1) Zuschuß des Reichs 50 M.                                                        
2) Grundbetrag 60 M.                                                                
3) 100 Wochenbeiträge in der 1. Lohnclasse = 100 x   2 Pf. =   2 M.
4) 100 Wochenbeiträge in der 2. Lohnclasse = 100 x   6 Pf. =   6 M.
5) 200 Wochenbeiträge in der 3. Lohnclasse = 200 x   9 Pf. = 18 M.
6) 300 Wochenbeiträge in der 4. Lohnclasse = 300 x 13 Pf. = 39 M.
                                                    Jährliche Invalidenrente: 175 M.

Die durch Krankheit von länger als sieben Tagen und durch militärische Dienstleistung ausgefallenen Wochenbeiträge werden bei der Berechnung der Invalidenrente mit 6 Pf. pro Woche, also nach der zweiten Lohnclasse in Ansatz gebracht.

VIII. Wer bekommt eine Altersrente?

Die Versicherungspflichtigen, welche in der Zeit vom 1. Januar 1888 bis 1. Januar 1891 mindestens 141 Wochen in einem Arbeitsverhältnisse gestanden haben (wofür eine beglaubigte Bescheinigung beizubringen ist), und welche am 1. Januar 1891 älter als 40 Jahre sind, beziehungsweise das 40. Lebensjahr vollendet haben, erhalten vom vollendeten 70. Lebensjahr an eine Altersrente.
Alle übrigen Versicherungspflichtigen - also alle, welche am 1. Januar 1891 noch nicht 40 Jahre alt sind - müssen mindestens 30 Jahre lang jedes Jahr 47 Wochenbeiträge geleistet haben (Zeiten der Krankheit und militärischer Dienstleistung sind dabei eingerechnet), ehe sie vom vollendeten 70. Lebensjahre an eine Altersrente erhalten.
Wer auf diese oder jene Weise berechtigt zum Empfang der Altersrente ist, braucht nicht auch noch erwerbsunfähig zu sein; er erhält die Altersrente sogar, wenn er noch weiter arbeiten kann.
Wer schon Invalidenrente bezieht, erhält keine Altersrente. - Wer schon Unfallrente bezieht, erhält nur soviel Altersrente, daß beide Renten zusammen 415 Mark betragen.

IX. Wie viel beträgt die Altersrente.

Das Reich leistet einen festen Zuschuß von jährlich 50 Mark.
1410 Wochenbeiträge kommen in Anrechnung. Der Wochenbeitrag wird gerechnet:

in Lohnclasse 1 zu   4 Pfennigen
in Lohnclasse 2 zu   6 Pfennigen
in Lohnclasse 3 zu   8 Pfennigen
in Lohnclasse 4 zu 10 Pfennigen

Sind mehr als 1410 Wochenbeiträge geleistet worden, so werden aus der Gesammtzahl die 1410 höchsten Wochenbeiträge in Anrechnung gebracht. Beispiel: Reichszuschuß 50.- M.
  410 Wochenbeiträge in Lohnclasse 2 =   410 x   6 = 14.60 M.
1000 Wochenbeiträge in Lohnclasse 4 =1000 x 10 = 100.- M.
                                                    --------------------------------------
                                                    Jährliche Altersrente 174.60 M.
Hat der Versicherungspflichtige nicht 1410 Wochenbeiträge leisten können, weil er beim Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1891. älter als 40 Jahre gewesen ist, so würden bei der Berechnung der Altersrente für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in Anrechnung gebracht:
innerhalb der Zeit vom 1. Januar 1891 bis 31. December 1900 diejenige Lohnclasse, welche dem durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst des Versicherten während der 141 Wochen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entspricht, und
nach Ablauf des 31. December 1900 diejenige Lohnclasse, in welcher der Versicherte nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Beiträge geleistet hat.

[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 7]

Die Altersrente wird monatlich im Voraus durch die Postanstalt des Wohnortes in baarem Gelde ausbezahlt. Land= und forstwirthschaftlichen Arbeitern kann die Altersrente bis zu zwei Dritteln in Naturalien (Lebensmittel, Wohnung u. s. w.) gezahlt werden. Notorischen Trunkenbolden kann die ganze Rente in Naturalien gegeben werden.

X. Giebt die Versicherungsanstalt beim Ausscheiden etwas zurück? und wie viel?

Weibliche Personen, welche eine Ehe eingehen, nachdem sie für mindestens 5 Beitragsjahre (1 Beitragsjahr = 47 Beitragswochen) Beiträge entrichtet haben, erhalten auf ihren Wunsch die Hälfte der Beiträge zurückerstattet. Doch müssen sie ihren Anspruch binnen drei Monaten nach der Verheirathung bei der amtlich bekannt gemachten Versicherungsstelle anmelden.
Die Wittwen und die hinterlassenen ehelichen Kinder unter 15 Jahren eines Versicherten, welcher bis zu seinem Tode noch nicht in den Genuß einer Rente gelangt ist, aber für mindestens 5 Beitragsjahre (1 Beitragsjahr = 47 Beitragswochen) Beiträge geleistet hat, erhalten auf Wunsch die Hälfte der geleisteten Beträge zurück.
Die Kinder unter 15 Jahren einer versicherten Frauensperson, welche 5 mal 47 Wochenbeiträge bereits geleistet hat und stirbt, bevor sie in den Genuß einer Rente gelangt ist, erhalten, falls sie keinen Vater haben, die Hälfte der geleisteten Beiträge zurück.

XI. Wo meldet man seine Ansprüche an?

Wer Anspruch auf eine Invaliden= oder Altersrente hat, meldet sich bei der zuständigen, amtlich bekannt gemachten unteren Versicherungsbehörde des Wohnorts und reicht zu dem Zweck die letzte Quittungskarte, die Bescheinigungen über die früheren Quittungskarten und ein ärztliches Attest über die Invalidität, falls man auf eine Invalidenrente Anspruch hat, ein.
Die untere Behörde hört die zuständigen Vertrauensmänner des Wohnorts und den Vorstand der Krankenkasse und übersendet den Antrag des Versicherten sowie die beigebrachten Urkunden mit ihrer gutachtlichen Äußerung dem Vorstande derjenigen Versicherungsanstalt, an welche der Antragssteller zuletzt Beiträge entrichtet hat.
Der Vorstand der Versicherungsanstalt prüft und stellt event. die Höhe der Rente sofort fest. Der Empfangsberechtigte erhält einen schriftlichen Bescheid, sowie einen Berechtigungsausweis.
Lehnt der Vorstand den Antrag des Versicherten ab, oder erscheint dem Versicherten die Rente nicht richtig berechnet, so kann der Versicherte binnen 4 Wochen nach Zustellung des Bescheids Berufung bei dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts einlegen.
Gegen die Entscheidung des Schiedsgerichts steht beiden Parteien, dem Versicherten wie dem Vorstand der Versicherungsanstalt binnen vier Wochen das Rechtsmittel der Revision beim Reichsversicherungsamt in Berlin zu.

XII. Strafen.

Mit Ordnungsstrafe bis zu 500 Mark können Arbeitgeber oder deren Beauftragte belegt werden, welche wider besseres Wissen oder aus grobem Versehen falsche Eintragungen in Versicherungspapiere machen.
Mit Ordnungsstrafe bis zu 300 Mark können Arbeitgeber oder deren Beauftragte belegt werden, welche versäumen, vorschriftsmäßig Marken zu verwenden.
Geldstrafe bis zu 300 Mark oder Haft trifft den Arbeitgeber oder dessen Angestellten, welcher wissentlich mehr als die Hälfte des Wochenbeitrags einem Versicherten bei der Lohnzahlung in Anrechnung bringt.
Mit Geldstrafe bis zu 2000 Mark oder mit Gefängniß bis zu 6 Monaten wird bestraft, wer in die Quittungskarten Vermerke macht.
Mit Gefängniß nicht unter 3 Monaten wird das Marken=Fälschen und das abermalige Verwenden bereits entwertheter Marken bestraft.


Die Konferenz zur Reform des höheren Schulwesens wurde Freitag Mittag um 11 Uhr im Sitzungssaale des Kultusministeriums im Berlin eröffnet
Die anwesenden Mitglieder der Konferenz wurden durch den Minister von Goßler dem Kaiser einzeln
vorgestellt. Der Minister eröffnete die Verhandlungen mit einer längeren Ansprache an den Kaiser, worin er den Entwicklungsgang des preußischen höheren Schulwesens geschichtlich skizzierte. Der Kaiser dankte sodann dem Minister in sehr huldvollen Ausdrücken für Alles, was er als Kultusminister geleistet habe, und entwickelte in längerer Rede seine Anschauungen über die Reform des höheren Unterrichtswesens. Er ging dabei von seinen persönlichen Erfahrungen auf dem Gymnasium in Kassel aus und betonte die Nothwendigkeit einer nationalen Erziehung. Vor aller Dingen müsse man in der nationalen Geschichte Bescheid wissen. Von dem Großen Kurfürsten, dem siebenjährigen Krieg, den Freiheitskriegen, der französischen Revolution sei auf dem Gymnasium nichts durchgenommen worden. Er habe nur durch ergänzende Vorträge Hinzpeters darüber erfahren. Der Kaiser sagte wörtlich:

"Warum werden denn unsere jungen Leute verführt? Warum tauchen so viele unklare, konfuse Weltverbesserer auf? Warum wird immer an unserer Regierung herumgenörgelt und auf das Ausland verwiesen? Weil die jungen Leute nicht wissen, wie unsere Zustände sich entwickelt haben und daß die Wurzeln in dem Zeitalter der französischen Revolution liegen. Und darum bin ich gerade der festen Ueberzeugung, daß, wenn wir diesen Uebergang aus der französischen Revolution in das 19. Jahrhundert in einfacher objectiver Weise in den Grundzügen den jungen Leuten klar machen, so bekommen sie ein ganz anderes Verständniß für die heutigen Fragen, wie sie es bisher hatten!
Weiter betonte der Kaiser, es werde in den höheren Schulen zu wenig Werth darauf gelegt, den Schülern praktische Kenntnisse für das Leben zu geben. Das müsse anders werden. Rundweg verwarf der Kaiser die lateinischen Aufsätze, die gar keinen Werth hätten. Man solle lieber mehr auf gute deutsche Aufsätze sehen. Auch in der Geographie müsse mit Deutschland angefangen werden, von fremden Ländern und Völkern lernte die Jugend später schon genug; erst müßte sie zu Hause Bescheid wissen. Die Zahl der Lehrstunden müßte ermäßigt und die Heranbildung eines Gelehrtenproletariats verhütet werden. Er werde kein Gymnasium mehr ohne zwingenden Grund genehmigen, es seien heute schon zu viel. Ferner ist noch hervorzuheben, daß der Kaiser die Berechtigung zum einjährig=freiwilligen Dienst an ein eigenes, nach vollendetem sechsten Gymnasialjahr abzuleistendes Examen geknüpft sehen will und daß er dem Realgymnasium die Existenzberechtigung absprach. Der Schluß der Rede des Kaisers hat folgenden bezeichnenden Wortlaut: "Ich habe Ihnen nun im allgemeinen die Gesichtspunkte für die Reform entwickelt, Dinge, die mein Herz bewegt haben, legen mir die Verpflichtung als Landesvater auf, zu erklären: es geht nicht so weiter. Meine Herren, die Männer sollen nicht durch Brillen die Welt ansehen, sondern mit eigenen Augen und Gefallen finden an dem, was sie vor sich haben, ihrem Vaterlande und seinen Einrichtungen. Dazu sollen Sie helfen.
Das Gesetz über die Vereinigung Helgolands mit Deutschland ist vom Reichstag in zweiter Lesung genehmigt worden.
Für die Angliederung Helgolands an Schleswig Holstein sind alle Vorbereitungen getroffen, um den Anschluß bis etwa Mitte März zu vollziehen. Bis dahin wird die Angelegenheit im preußischen Landtage erledigt sein müssen.
Der Bundesrath nahm in den § 28 der dem Reichstage zugegangenen Krankenkassennovelle eine Bestimmung auf, wonach Arbeiter, die durch Vertragswidrigen Austritt aus der Beschäftigung erwerbslos werden, ihrer Ansprüche an die Kasse verlustig gehen.
In der Provinz Westfalen ist die Veranstaltung von Massenpetitionen gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes im Werke. Die gegen die Rückkehr des Ordens gerichtete Bewegung greift immer weiter um sich.
Wie verlautet wird die preußische Regierung die Aufnahme von Schwindsüchtigen in Privatkliniken zur Behandlung nach Koch'scher Methode verbieten, um alle Mißbräuche oder ungenaue Behandlung unmöglich zu machen.

 

[ => Original lesen: 1890 Nr. 96 Seite 8]

Die Reichstagsfraktionen haben gegenwärtig folgende Stärke: Deutsch=Conservative 70, Reichspartei (Freiconservative) 19, Centrum und Welfen 113, Polen 16, Nationalliberale 41, Deutsch=Freisinnige 65, Volkspartei 10, Sozialdemokraten 35, Wilde 27.
Die neue Waffe für die Seekadetten und Kadetten der kaiserlichen Marine, der Dolch, wird in nächster Zeit zur Vertheilung gelangen. Derselbe hat die gewöhnliche Dolchform und eine Länge von ca. 50 Centimetern einschließlich des Griffes. Die Klinge ist damaszirt und steckt in einer metallenen, bronzepolirten Scheide. Der Griff ist aus Knochen und trägt als Knopf eine bronzene Kaiserkrone. Getragen wird die Waffe an einem nach Form der Säbelkoppel aus marineblauer, geflochtener Wollschnur hergestelltem Gehänge.
Der österreichische Finanzminister Dr. von Dunajewsky hat am Donnerstag im Abgeordnetenhaus den Staatsvoranschlag für 1891 eingebracht. Darnach beträgt das Gesammterforderniß 564 474 940 Gulden, die Gesammtdeckung 566 759 572 Gulden, der Gesammtüberschuß 2 285 625 Gulden.
Die feierliche Bestattung der Leiche des Königs der Niederlande erfolgte am Donnerstag in der Kirche zu Delft. Das Leichenbegräbniß verlief in höchst imposanter Weise. Die Kopf an Kopf gedrängte Menge zeigte eine ehrfurchtsvolle, sympatische Haltung. Der Sarg war mit Blumen und Kränzen überdeckt. Dem Leichenwagen folgte ein Wagen, auf welchem die Kränze, die auf dem Sarge keinen Platz gefunden, mehrere Meter hoch aufgethürmt waren. Der Fürst von Waldeck und Phyrmont ging mit den Großherzögen von Sachsen und Luxemburg an der Spitze des Leichenzuges; darauf folgten die anderen Fürstlichkeiten und die auswärtigen Vertreter.
Wie man aus Petersburg meldet, wird daselbst an der Errichtung einer Fabrik für die Erzeugung rauchlosen Pulvers mit großem Eifer gearbeitet, damit, entsprechend dem Wunsch der Regierung, mit der Herstellung dieses Pulvers im Januar 1891 begonnen werden könne.


- Neustrelitz. Die Zeitungsnachricht, S. K. H. der Erbgroßherzog sei zur Beisetzung des Königs von Holland nach dem Haag gereist, bestätigt sich nicht. S. K. H. der Erbgroßherzog hat sich am 3. Dec. nach Dessau begeben.
- Schönberg. Das zum Sonntag von dem Gesangverein Teutonia unter Mitwirkung des hier bestehenden gemischten Chors und einiger Schülerinnen der hiesigen Mädchenschule veranstaltete Kirchenconcert war sehr gut besucht und kann, was die Ausführung der einzelnen Nummern des reichhaltigen Programms betrifft, als durchweg gelungen bezeichnet werden. Auch der Ertrag, der sich auf 120 M. stellt und der Kirchenheizungscasse zugeführt werden soll, ist sehr zufriedenstellend.
- Schönberg. Das Ergebniß der diesjährigen Volkszählung in hiesiger Stadt war folgendes: Ortsanwesend waren am 1. Dec. 1390 männliche und 1440 weibliche, zusammen also 2839 Personen. Am 1. Dec. 1885 betrug diese Zahl 2951 Personen, die Einwohnerzahl hat sich also in den letzten 5 Jahren um 112 Personen vermindert. Auf dem Amtsgebiete befanden sich am 1. Dec. d. J. 52 männl. und 62 weibliche, zusammen also 114 Personen; diese Zahl ist gegen 1885 gleichfalls zurückgegangen und zwar um 8 Personen. Auf dem hiesigen Bauhofe befanden sich am 1. December d. J. 37 männliche und 49 weibliche, Zusammen 86 Personen, welche Zahl in den letzten 5 Jahren sich ebenfalls um 11 Pers. verminderte, während die Personenzahl auf dem hiesigen Bahnhofe, mit 11 m. und einer weibl. Person, die gleiche von 1885 geblieben ist. Die Stadt hat jetzt 331 gegen 327 Häuser im Jahre 1885, in welchen jetzt 774 Haushaltungen sich befinden, gegen 783 im Jahre 1885.
- Schönberg. An der hiesigen Molkerei=Anlage nehmen jetzt 18 Mitglieder und ein Lieferant theil, die zusammen ca. 380 Kühe besitzen, deren Milch in der Molkerei verarbeitet wird.
- Güstrow, 5. Dec. Tableau der diesjährigen ordentlichen Schwurgerichtsperiode:
Montag, 8. Dec. Knecht Fr. Jenß aus Hof Kirch=Mulsow: § 154 Str.=G.=B. (Meineid). Knecht Heinrich Wegner, gen. Frock, aus Weitendorf: §§ 177, 43 (Nothzuchtsversuch).
Dienstag, 9. Dec. Arbeiterfrau Sophie Bielefeldt, geb. Dethloff, zu Rostock § 154 (Meineid).
Mittwoch, 10. Dec. Schnitterin Valdaria Gajdus aus Schwarzwald: § 217 (Kindestödtung). Dienstmädchen Auguste Boldt aus Rostock: § 217 (Kindestödtung).
Donnerstag, 11. Dec. Schnitterin Antonie Haß aus Alt=Körtnitz: § 217 (Kindestödtung). Schmiedegeselle Theod. Matz aus Triebsees: § 176 (unzüchtige Handlungen).
Freitag, 12. Dec. Webermeister Wilh. Behrens aus Friedrichsberg und Kaufmannsfrau Emilie Soldin, geb. Pinne, aus Berlin: §§ 154, 159, 48, 74 (Meineid, resp. Anstiftung zum Meineid).
Sonnabend, 13. Dec. Erbpächter Fritz Pröhl aus Neuenrode: § 176 (unzüchtige Handlungen).
Montag, 15. Dec. Stadtförster Heinrich Diesing aus Waren: § 2682, 263 (Urkundenfälschung und Betrug).
Dienstag, 16. Dec. Schusterfrau Wilh. Knüppel, geb. Blanck, und Wirthschafterin Martha Knüppel aus Malchow: §§ 211, 217, 48 (Mord und Kindestödtung).
Mittwoch, 17. Dec. Schnitterin Anna Zander aus Liebenow: § 217 (Kindestödtung).
Donnerstag, 18. Dec. Schäfer Carl Lehnert aus Kritzkow: § 211, 43 (Mordversuch).
Am ersten Tage beginnt die Sitzung Vorm. 10 Uhr, an den übrigen Tagen Vorm. 9 Uhr. Den Vorsitz führt der Oberlandesgerichtsrath Dr. Buchka, die Stellvertretung Landgerichtsrath Sibeth.
- Fürst Bismarck gedenkt das Weihnachtsfest wie in früheren Jahren im Kreise seiner Familie in Friedrichsruh zu begehen. Die Uebersiedelung nach dort wird jedoch erst um den 20. d. Mts. erfolgen. Der ehemalige Reichskanzler wird bei dieser Gelegenheit von seinen sämmtlichen Kindern und Enkelkindern umgeben sein. Den größten Theil ihrer Weihnachtseinkäufe werden der Fürst und die Fürstin in Hamburg besorgen. Das Befinden des Fürsten darf augenblicklich als ein recht befriedigendes bezeichnet werden.
- Aus einer Reihe von deutschen Städten liegen bereits Resultate der letzten Volkszählung vor. Magdeburg hat 200 071 Einwohner, Altona mit Ottensen 144 636, Stettin rund 116 000, Wandsbeck 29 466, Speyer 17 710, Dresden 276 085, Berlin 1 574 485.
- Der berühmte englische Chirurg Sir Joseph Lister ist aus Berlin nach London zurückgekehrt und den Studenten in Kings College angekündigt, Dr. Koch werde binnen drei bis vier Wochen zwei neue Entdeckungen bekannt machen, welche zwei der schrecklichsten ansteckenden Krankheiten heilen und verhindern würden.
- Der weltberühmte Hamburger Lootse Dreyer hat am Dienstag den Dampfer Hansa bei Freiburg auf Grund gesetzt und sich dieses Mißgeschick so zu Herzen genommen, daß er, nachdem er einige Zeilen an seine Frau geschrieben hatte, in die Elbe gesprungen und ertrunken ist.
- Das große Loos (50 000 Mk.) der Hamburger Rothen Kreuz=Lotterie fiel auf eine von zwei Bürgern in Bocholt gemeinschaftlich gespielte Nummer. Die glücklichen Gewinner sind ein Bäcker und ein Schuster, der diesmal kein Pech gehabt.
- Das Reichsgericht hat, wie die Frankfurter Zeitung mittheilt, entschieden, daß das Sitzenbleiben bei einem Hoch auf den Kaiser als Majestätsbeleidigung zu bestrafen ist. Das Reichsgericht hat nämlich einen darauf bezüglichen Revisionsantrag des Schuhmachermeisters Gloger aus Glatz gegen ein ihn zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilendes landgerichtliches Erkenntniß verworfen.
- Aus Orenburg wird telegraphisch gemeldet, daß in Folge des plötzlichen Uebergangs der Temperatur von 3 Grad Wärme mit Regen auf 30 Grad Kälte 30 durch die Steppe reitende Kirgisen buchstäblich erfroren sind. Der außerordentliche Temperaturwechsel hat ferner eine Anzahl Pferde, Schafe und Kameele getödtet; außerdem sollen in der Steppe noch Menschen und Vieh einer ganzen Waarenkarawane umgekommen sein.


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