Nr. 11 des Offic. Anzeigers pro 1885 für das Fürstenthum Ratzeburg enthält in der
          I. Abtheilung.

(5.) Verordnung, betreffend den Transport und die Aufbewahrung von Petroleum.

(1.) Bekanntmachung, betreffend die zur Abstempelung von Spielkarten befugten Zoll= und Steuer=Stellen.

(2.) Bekanntmachung, betreffend die Einverleibung des Königreichs Siam in den Weltpostverein.

(3.) Bekanntmachung, betreffend Geldsendungen nach Adrianopel und Philippopel.

(4.) Bekanntmachung, betreffend Geldsendungen nach Bulgarien.

(5.) Bekanntmachung, betreffend das Umrechnungsverhältniß bei Postanweisungen nach den Vereinigten Staaten von Amerika und nach Canada.

(6.) Bekanntmachung, betreffend die Packetsendung nach Spanien.

Einen Kaiserlichen Erlaß, datirt vom 29. Juni aus Ems, betr. die Weiterführung der Geschäfte des Statthalters für Elsaß=Lothringen, veröffentlicht die Straßburger Landeszeitung. Laut diesem wird einstweilen Staatssecretär v. Hoffmann die Geschäfte des Statthalters führen.
In seiner Sitzung am Donnerstag hat der Bundesrath folgenden Beschluß gefaßt: "Die Ueberzeugung der verbündeten Regierungen geht dahin, daß die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig, da sich derselbe in einem dem reichsverfassungsmäßig gewährleisteten Frieden unter den Bundesgliedern widerstreitenden Verhältniß zu Preußen befindet, und im Hinblick auf die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Gebietstheile dieses Bundesstaates mit den Grundprincipien der Bundesverträge und der Reichsverfassung nicht vereinbar ist. Davon ist die braunschweigische Landesvertretung zu verständigen." Der Herzog von Cumberland kommt demnach nicht auf den Thron von Braunschweig.
Der Anarchist Lieske ist nach 3tägiger Verhandlung der Sache in Frankfurt zum Tode verurtheilt. Wenige Minuten vor 4 Uhr wurde der Wahrspruch der Geschworenen, der Lieske mit mehr als 7 Stimmen des Mordes des Polizei=Rath Rumpff schuldig erklärt, verkündet. Wenn bisher noch die Meinungen über seine Schuld getheilt waren, so hat die aufregende Scene, welche sich bei Verkündung des Urtheils im Gerichtssaal abspielte, allen Zweifeln ein Ende gemacht. Als Lieske wieder in den Gerichtssaal eingeführt und durch den Gerichtsschreiber das Verdikt der Geschworenen verlesen war, auch der Staatsanwalt den Antrag auf Todesstrafe gestellt hatte, sprang Lieske, seine bisherige erzwungene Fassung vollständig verlierend, mit gleichen Füßen mehrmals kräftig von seinem Platze gleich einem wilden Thier in die Höhe, so daß der Fußboden zitterte, stieß einige unarticulirte Laute aus, aus welchen dann einzelne Worte verständlich herausklangen: "Eure Bluturtheile werden ein Ende nehmen! Ist mir etwas bewiesen?" (damit schlug er mit geballten Fäusten auf die Barrière vor sich), dann schrie er dem Staatsanwalt entgegen: "Das war das letzte Bluturtheil, welches Sie gefällt haben." Die mahnende Zusprache, welche der Präsident inzwischen an Lieske gerichtet hatte, blieb vollständig wirkungslos. Lieske sank dann auf seinen Sitz, während der Gerichtshof sich zur Urtheilsfassung zurückzog. Das Gesicht Lieske's, das vorher blutroth gewesen, nahm nach und nach eine leichenähnliche Farbe an, und die gespannten Züge wurden vollständig schlaff. Das Publikum, das Kopf an Kopf gedrängt den Zuhörerraum füllte, war während dieser Vorgänge in eine unbeschreibliche Aufregung gerathen, die sich, nachdem der Gerichtshof sich zurückgezogen hatte, durch laute Rufe und Gestikulationen äußerte. Nach kurzer Berathung erschien der Gerichtshof wieder und sprach auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen das Todesurtheil über Lieske mit den üblichen Nebenstrafen aus. Lieske wurde sodann rasch abgeführt; im Herausgehen lachte er laut auf, hob die Arme in die Höhe, klatschte nochmals kräftig in die Hände und schrie: "Ha, ha ha - Rumpff ist kaput!" Dann wurde er ins Inculpatenzimmer geführt, wo er die zahlreiche Wachmannschaft wild höhnte und beleidigte und ihnen u. A. zurief: "Ihr kommt noch Alle an die Reihe." Kurz darauf wurde Lieske mit gefesselten Händen unter starker Bedeckung in die Droschke gebracht, die, umgeben von reitenden Schutzleuten nach dem Gefängniß davanfuhr. - (Werft Dynamitbomben! rief Lieske der Volksmenge zu, als er in den Wagen stieg. In seiner Anklage meinte der Staatsanwalt, L. habe Hintermänner gehabt; dafür spreche auch die Beiseiteschaffung des Schustermessers. Er macht auf die Erklärung der Most'schen "Freiheit" aufmerksam: "Zur Ausführung von Thaten können wir nur junge, unbekannte Leute verwenden." Das passe auf L. vollständig.)
Die Elsässer sind kluge Leute. Aus Straßburg kommt nämlich die Nachricht, daß sich im Elsaß sowohl wie in Lothringen eine Bewegung geltend macht, die dahin geht, ein Gesuch an den Kaiser zu richten, daß er als neuen Statthalter einen Prinzen aus dem Haus Hohenzollern dorthin entsende. Der Vorschlag ist gewiß nicht übel und Prinz Albrecht in Hannover, der bereits als Nachfolger v. Manteuffels genannt wurde, würde als Kaiserlicher Statthalter in Elsaß=Lothringen gewiß am Platz sein.
Unter den Sozialdemokraten, unter denen lange Zeit Uneinigkeit geherrscht hat, soll wieder Friede, Einigkeit, Ruhe und Glückseligkeit eingekehrt sein. Es soll, wie Berliner Blätter erfahren haben wollen, in einer Stadt Mitteldeutschlands vor Kurzem eine Zusammenkunft der Führer stattgefunden haben, bei welcher es zwischen Bebel, Hasenclever, Auer, Keyser, Frohme, Kräcker, Grillenberger u. s. w. zur Aussöhnung und Bruderküssen gekommen sei. Wir werden ja sehen, ob's wahr ist und, wenn es wahr ist, wie lange es dauert.
Das kommt vom Striken. Die Maurergesellen in Berlin bekamen bei 10stündiger Arbeit täglich 4 M. Das war ihnen nicht genug, sie wollten 5 M. und später M. 4.25 haben. Das war den Mei=

stern zu viel und deshalb ließen die sich für die nöthigsten Bauten von anderswoher fremde Maurer kommen. Und die Berliner? Die suchen nun in anderen Städten Arbeit und ein Theil derselben hat sich nach Sagan in Schlesien gemeldet, wo sie 2 M. pro Tag erhalten. Darüber aber sollen die Saganer ungehalten sein und ihrerseits striken wollen.
Auch in Aranjuez ist die Cholera ausgebrochen; in 24 Stunden sind dort auf 4000 Einwohner 104 Todesfälle vorgekommen. Der belgische Arzt v. Enderbergen hat sich für die Ferrau'sche Impfung ausgesprochen. Die Truppen in Aranjuez sollen geimpft werden. In Madrid ist der Gesundheitszustand noch gut, indessen ist zu bedenken, daß Aranjuez nur 10 Kilom. von Madrid entfernt ist.
Herr Gladstone hat trotz seiner 76 Jahre und seiner vielen Mißerfolge die Politik noch immer nicht satt. Er hat an seine Wähler in Schottland ein Dankschreiben gerichtet, in welchem er verspricht, für die Kraft und Einigung der liberalen Partei alles zu thun, was in seinen Kräften stehe. Das neue englische Ministerium scheint in Egypten etwas Besonderes vorzuhaben; es sind aus Woolwich nicht weniger als 2 Millionen Patronen nach Egypten geschickt worden.

- In Bieberich an der Mosel ist der Forstmeister Carl Arndt, der einzige seither noch lebende Sohn Ernst Moritz Arndts gestorben.
- Die Ernteberichte aus Amerika versuchen nachzuweisen, daß die diesjährige Weizenernte in den Vereinigten Staaten die ungünstigste seit 20 Jahren werden soll, was aber vielseitig in Abrede gestellt wird. Nach Berichten aus russischen Geschäftskreisen ist das Wetter in Rußland in letzter Zeit für alle Landeserzeugnisse sehr günstig gewesen und hofft man dort auf eine reichliche Ernte. Die letzten Meldungen aus den tonangebenden Productions=Distrikten Oesterreich=Ungarns über den Stand der Getreidefelder lassen eine gute Mittelernte erhoffen.
- Was ist eine Illusion? In einer seiner letzten Vorlesungen über geistige Zurechnungsfähigkeit vor Gericht sprach Herr Professor Mendel in Berlin über Halluzinationen, Illusionen und Visionen. Durch ein Beispiel erläuterte er die gegebenen Definitionen in folgender Weise! Wenn ich hier ganz ruhig sitze, gar nicht an Engel denke und mit einem Mal einen leibhaftigen Engel vor mir zu sehen glaube, so ist das eine Halluzination. Wenn ich dagegen mich eifrig mit religiösen Studien beschäftige und in meinem Glaubenseifer eine "englische" Erscheinung habe, so ist das eine Vision. Hingegen, wenn ich von einem von Ihnen glaubte, daß er mit allen Tugenden der Engel ausgestattet sei, in ihm also einen "Engel" erblicke, so ist das eine Illusion! Homerisches Gelächter und Beifallsrufe schlossen das lustige Intermezzo.
- Operation an einem Tiger. In der königlichen Villa bei Genua beendet sich in einem Zwinger ein Prachtexemplar von einem Tiger, den König Humbert vor zwei Jahren von einem afrikanischen Potentaten zum Geschenk erhalten hat. Im Laufe der Zeit waren dem Thier an den beiden Vorderfüßen die Nägel in das Fleisch gewachsen, so daß dasselbe kaum mehr aufrecht stehen konnte. Man entschloß sich daher, zu einer Operation zu schreiten. Zu diesem Zweck wurden aus dem Gitter des Zwingers zwei Eisenstangen entfernt, worauf man durch die Oeffnung eine lederne Schlinge in den Käfig schob. Einer der beiden kranken Füße war bald in der Schlinge und nun zog man ihn gewaltsam zum Käfig heraus. Gleich nachher war auch der Zweite kranke Fuß gefangen. Die Operation ging glücklich von Statten, da sich das Thier während derselben ganz ruhig verdielt. Jetzt befindet sich der "Patient" schon bedeutend besser und läßt sich aus Dankbarkeit für seinen Operateur, Professor Bargioli, von diesem liebkosen.
- Die ischt recht. In einem Hinterwäldlerdorfe trat ein neuer Pfarrer an, der mit Vorliebe die großen Weinbergsschnecken verspeiste und fleißig darauf Jagd machte. "Der ischt recht," sagte ein derber Bauer, "der frißt unser Ungeziefer weg."

Im letzten Augenblicke.
[Erzählung.]
(Fortsetzung.)

Im letzten Augenblicke.
[Erzählung.]
[Fortsetzung.]

Anzeigen.

In der Konkurssache über das Vermögen des Oelmüllers A. Capell zum Hammer ist zur Eröffnung des Distributionsbescheides und event. Beendigung des Debitwesens auf

Sonnabend, den 11. Juli 1885,
Vormittags 10 Uhr,

vor dem unterzeichneten Großherzoglichen Amtsgerichte Termin angesetzt, wozu die interessirenden Gläubiger mit dem Bemerken hiedurch geladen werden, daß auch im Falle ihres Nichterscheinens mit dem Zwecke des Termins wird verfahren werden.
Schönberg, den 24. Juni 1885.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.       

Antragsmäßig soll über die zu Herrnburg sub Nr. II belegene Vollstelle c. p. der Ehefrau des Hauswirth Retelsdorf daselbst, Caroline geb. Mette,daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Donnerstag, den 17. September 1885,
Vormittags 10 Uhr

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger welche ihre Forderungen auf einem mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 26. Juni 1885.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.       

Scheibenschießen.

Zu dem am Sonntag und Montag, d. 12. u. 13. Juli d. J. stattfindenden Scheibenschießen lade ich meine geehrten Freunde und Gönner hierdurch freundlichst ein.

Am Montag Tanzmusik.                                                     Gastwirth Kaven, Pogetz.

                          Von der Reise zurückgekehrt.
Schönberg, den 6. Juli 1885.                                                    
                                                    Dr. Max Marung.

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Am Mittwoch, den 8. Juli und folgenden Tagen auf dem Schützenplatz in Schönberg

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