[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 1] Politische Rundschau.
Deutschland. Die schon längst angekündigte Zusammenkunft der Kaiser von Rußland und Oesterreich hat am Sonnabend in Reichstadt in Böhmen stattgefunden. Auch die beiderseitigen Reichskanzler, Gortschakoff und Andrassy, haben an derselben theilgenommen; und es ist wohl anzunehmen, daß dort eine wichtige Entscheidung gefallen ist. Auch dürften die Resultate dieser wichtigen Zusammenkunft bald bekannt werden, denn alles deutet darauf hin, daß in Reichstadt über Krieg oder Frieden Europas entschieden ist. Sowohl Rußland als auch Oesterreich und England haben bisher unausgesetzt und in großem Umfange gerüstet; und die Interessen Rußlands und Oesterreichs scheinen in letzter Zeit mehr und mehr auseinanderzugehen. Das von den Maggyaren beherrschte Ungarn, das im eigenen Lande auf die Slaven einen schlimmen Druck ausübt, fürchtet nichts mehr, als einen Erfolg der Slavenstaaten Serbien und Montenegro der Türkei gegenüber und die etwaige Gründung eines größeren Slavenstaates an der ungarischen Grenze, und diese maggyarische Furcht scheint auch Oesterreich mehr und mehr von dem Boden des Dreikaiserbündnisses hinweggedrängt zu haben, denn Rußland begünstigt die Slaven entschieden; ja bedeutendere russische Zeitungen fordern bereits offen ein Einschreiten Rußlands zu Gunsten der Slaven, indem sie an die deutsche Intervention in Schleswig=Holstein erinnern, wo die Deutschen unter weit geringerem Drucke gestanden hätten, als jetzt die Slaven in der Türkei. Man wird sich also auf alles gefaßt machen müssen, wenn es auch möglich ist, daß diesmal in Reichstadt, wenn auch vielleicht nur auf kurze Zeit, durch die Friedensliebe des Kaisers von Rußland ein schlimmerer Konflikt vermieden worden ist.
Offenbar im Zusammenhang mit der orientalischen Frage mit der in Reichstadt gefallenen Entscheidung steht auch die Zusammenkunft unseres Kaisers mit dem Reichskanzler Fürsten v. Bismarck, die gestern in Würzburg beabsichtigt war.
Die Organe der liberalen Partei können sich je länger desto weniger verhalten, daß durch unser ganzes deutsches Volk jetzt eine tiefe Entrüstung über die bisherige liberale Aera geht; aber sie suchen die Schuld an den gewordenen Zuständen von sich abzuwälzen und allein der Regierung zuzuschieben. So schreibt der bekannte Prof. Springer in einem "Dunkle Wolken" überschriebenen Artikel: in Deutschland sei die liberale Partei nicht zur Regierungspartei geworden (!); sie nehme keinen Antheil an der Regierung und sei durch kein Mitglied im Ministerium vertreten. Die ganze Methode der Regierung und der Gesetzgebung, wie sie sich allmählig im Reichstage entwickelt habe, errege jedenfalls die allgemeine Unzufriedenheit. Es bekümmere "uns" das stetige Zurückkommen auf eben erst erlassene Gesetze, um an denselben zu ändern und zu mäkeln. Sowie die Hast und Eile, mit welcher Gesetze entlassen werden, um augenblicklichen Bedürfnissen zu genügen, ohne rechte Vorbereitung und ohne vollkommene Beherrschung des Gegenstandes, das stückweise Verfahren, wodurch nicht selten der Zusammenhang großer Gedankenkreise (!) durchbrochen werde, mit einem Wort die mangelhafte Regierungs=Technik." - Abgesehen von der Tendenz sind diese Bekenntnisse und Zugeständnisse des Liberalismus sehr anerkennenswerth.
Dem gegenüber trifft der "Reichsbote" unzweifelhaft das richtige, wenn derselbe darauf hinweist, daß eine bloße Aenderung der Gesetze uns nichts helfen und auf die Dauer unhaltbar sein würde, wenn nicht auch in der Gesinnung und den Anschauungen des Volkes eine Aenderung vor sich ginge. "Unser Volk erntet die Früchte des bösen Geistes," schreibt das Blatt, "den es seit Jahrzehnten unter sich hat groß werden lassen und dem es in seiner großen Masse gehuldigt hat. Unser Volk ist systematisch entchristlicht und dem Naturalismus in die Arme getrieben worden . . . . nur ein entchristliches naturalistisches Volk ging in die ausgelegten Netze der Gründerei und machte den tollen Tanz ums goldene Kalb mit, bei dem eine gewisse Klasse reich und die Masse arm geworden ist." -Ja eine Rückkehr zu christlichen Anschauungen und zu christlicher Sitte ist nothwendig. Dann wird auch die hoffentlich bevorstehende "Aenderung der Gesetze" und zumal die Revision der Gewerbegesetzgebung im christlichen Sinne geschehen und dem Volke rechten Segen bringen können, und die Wunden, welche der Kulturkampf unserem Volke geschlagen hat, werden wieder heilen können. "Es ist ein Jammer," schreibt der "Reichsbote," "das Herz blutet einem, wenn man daran denkt, wie kraft= und machtvoll, strotzend in blühender Gesundheit das deutsche Volk im Frühjahr 1871 als die Glocken den Frieden des so unvergleichlich glorreich geführten französischen Krieges durchs blühende Vaterland verkündeten, dastand - und wie übel zugerichtet, aus tausend Wunden blutend, von denen manche geradezu tödtlich sind, wenn nicht ernstlich Heilung versucht wird, das deutsche Volk, jetzt dasteht! Noch selten ist ein Volk so jäh zurückgegangen, als das deutsche Volk in den letzten fünf Jahren. Damals lag Frankreich wie zerschmettert zu unseren Füßen, und wir fuhren ganze Eisenbahnzüge voll Geld aus seinem Lande - und jetzt? - In Frankreich herrscht Wohlstand und die Geschäfte blühen, während sie bei uns daniederliegen und die Noth allenthalben einkehrt; und die Weltausstellung legt unsern wirthschaftlichen Rückgang vor aller Welt bloß."
Der Brief des Herrn Reuleaux über die deutsche Ausstellung in Philadelphia scheint einigen offiziösen Zeitungen wie der "Post" und der "N. A. Ztg." Sehr wenig zu behagen. Die erstere hat es "mit einigem Befremden erfüllt, wenn gerade der Vertreter der deutschen Regierung es für seine Aufgabe hält, dem deutschen Volke eine solche Strafpredigt zu halten." Aber von wem soll denn unser Volk die Wahrheit hören, wenn nicht von der Regierung und ihren Vertretern?
Für die Reichsbeamten soll eine einheitliche Dienstuniform, welche bei besonderen Festlichkeiten anzulegen ist, und die bisher nicht bestanden hat, eingerichtet werden. Dabei soll, wie es heißt, an die Stelle der preußischen Frackform die Rockform treten; und allerdings dürfte es wohl endlich ein=
[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 2]mal an der Zeit sein, den häßlichen Frack - um kein stärkeres Adjektiv zu gebrauchen - beiseite zu legen.
Baden. Die badische Kammer hat sich dem Druck von oben gefügt und mit 11 gegen 9 Stimmen das Gesetz angenommen, durch welches die konfessionslose Volksschule obligatorisch gemacht, d. h. zwangsweise eingeführt werden soll. Die konfessionslose Schule bestand bisher in Baden nur fakultativ; da aber das Volk trotz allen Drängens nicht recht Gebrauch von derselben machen wollte, so hat der Liberalismus nicht geruht, bis er das Volk nun zu derselben zwingen kann. Das ist die Freiheit, die der Liberalismus verspricht und bringt.
Frankreich. Die Gemahlin des Präsidenten Mac Mahon hat dem deutschen Botschafter Fürsten Hohenlohe 25,000 Francs für die Ueberschwemmten im Elsaß überwiesen; und wie es heißt, will dieselbe eine ähnliche Summe direkt nach dem Elsaß schicken.
Türkei. Die Nachrichten vom Kriegsschauplatz sind sehr unsicher und einander widersprechend. Wahrscheinlich haben die serbischen Truppen in einigen Gefechten gesiegt.
Der Vicekönig von Aegypten, sowie der Bey von Tunis sollen sich entschlossen haben, dem Sultan mit Truppen zu Hülfe zu kommen.
Vereinigte Staaten. Der deutsche Gesandte v. Schlozer hat dem Präsidenten der nordamerikanischen Union ein Handschreiben Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm überreicht, in welchem das nordamerikanische Volk zu der Jubelfeier der Gründung der nordamerikanischen Union und zu deren ohne Beispiel dastehenden Entwickelung beglückwünscht wird.
- Kaiser Wilhelm hat für die Ueberschwemmten im Elsaß 10,000 Mark aus seiner Schatulle bewilligt.
- Der österreichische Kronprinz Rudolf traf am 2. d. Mts. in Königgrätz ein, besichtigte das Schlachtfeld und wohnte in der Stadtkirche einer stillen Messe für die in der Schlacht Gefallenen bei.
- Nach einer Bekanntmachung der Rudolstädtischen Regierung sind in neuerer Zeit durch Stiche von Fliegen, welche Leichengift in ihren Rüssel aufgenommen, lebensgefährliche Erkrankungen und der Tod herbeigeführt worden; es wird deshalb zur Vorsicht beim Verscharren von Thierleichen aufgefordert und den Polizeibehörden zur Pflicht gemacht, gegen einschlägige Mißstände einzuschreiten.
- Der kürzlich verstorbene Professor Albrecht, einer der Göttinger Sieben, bat die Universität Leipzig zum Erben eingesetzt und außerdem 30,000 Mark zu einer Stiftung für Kinder achtungswerther unbemittelter Eltern bestimmt.
- In Bremen wurden in amerikanischen Reissäcken, die aus New=York gekommen waren, lebende Colorado= oder Kartoffelkäfer entdeckt und der Behörde übergeben. Sie waren trotz mehr als 20tägiger Hungerkur ganz munter.
- Es drückt uns Alle der Schuh. Darum ist auch für Alle die Ausstellung von Schuhen und Stiefeln aller Art interessant. Der Aussteller sind 370 und unter ihnen die Kriesgministerien von Preußen, Bayern, Oesterreich, Italien, England, Rußland, der Schweiz und der schwedischen Flotte. Der Militärstiefel, der Europa am meisten drückt, ist also sehr stark vertreten.
- Wir haben die Ankläger gegen die deutsche Industrie auf der Ausstellung in Philadelphia gehört, hören wir auch die Vertheidiger. Faul ist viel in der Industrie, sagen sie, aber nicht so faul und nicht so allgemein, wie die Anklage lautet. Die deutsche Industrie ist in Philadelphia aus vielen Gründen nicht so vertreten, wie es unter anderen Umständen hätte der Fall sein können. "Ein Hauptgrund, weshalb die Deutschen nicht viel nach Philadelphia gesandt haben, ist der, daß die Industrie in der Zeit seit 1873 doch im Ganzen nicht so wesentliche Fortschritte gemacht haben konnte und gemacht hat, um überall eine neue Weltausstellung zu motiviren. Dann ist zu bedenken, daß die Nordamerikaner ihre Industrie durch so hohe Zölle gegen Einfuhr geschützt haben, daß bei den meisten Artikeln eine reele Concurrenz gar nicht möglich ist. Mein Fabrikat z. E. muß einen Zoll von 40 Proc. zahlen, wenn es in die United States eingeführt werden soll. Reele Käufer findet man bei solchen Verhältnissen, wenn der Artikel irgend im Lande dort selbst producirt werden kann, nicht mehr, und hat man sich bei Anknüpfung von Verbindungen zwei= und dreimal zu fragen, ob man s. Z. auch wohl sein Geld erhalten wird. Dann wirkt auch hauptsachlich der Umstand mit, daß wohl zu keiner Zeit die Creditverhältnisse in Amerika derart zerrüttet waren, wie gerade jetzt. Am liebsten bricht der Kaufmann seine Verbindungen gänzlich ab, da er voraussichtlich doch Verluste zu tragen hat. Soll man würdig auf einer Ausstellung vertreten sein, so sind sehr erhebliche Kosten damit verbunden, wie ja die Crefelder Seidenindustrie ca. 40,000 Thaler ausgegeben hatte, um ihre Ausstellung in Wien würdig auszuschmücken und herzustellen. Der Kaufmann nun muß sich bei jedem Geschäfte fragen, ob und was er dabei verdient. So haben denn auch eine Menge deutscher Industrieller nichts nach Philadelphia geschickt, weil nichts dabei herauskommt. Ich lege meine Preisliste bei und ersehen Sie daraus, daß ich auf allen Industrieausstellungen, die ich besucht habe (Paris habe ich nicht beschickt) erste Preise erhalten habe, aber ich habe nichts nach Philadelphia geschickt, weil nie ein Vortheil daraus erwachsen konnte." So schreibt ein Industrieller in Lübeck.
- Der Bayern leben in Berlin sehr viele, einmal in der Woche kommen sie in einem Gasthof zur geselligen Unterhaltung zusammen. Diese bayerischen Abende, an denen es recht lebhaft und gemüthlich hergeht, haben in Berlin einen guten Ruf und große Anziehungskraft. Große Freude war neulich, als der König dem Verein sein Bild als Geschenk sandte. Sie haben nun immer ihren König in Lebensgröße vor Augen und im Herzen.
- In Bayern sind für die Dauer der bevorstehenden Ernte und zwar auf vier Wochen umfassende Beurlaubungen in der Armee eingetreten. In den Infanterie=Regimentern werden 56 Mann à Compagnie beurlaubt.
- Die Berliner Wohnungsnoth mit ihren haarsträubenden Preisen und Miethskontrakten scheint sehr stark im Niedergange begriffen zu sein, nachdem die zahlreichen Bauten der letzten Jahre für Wohnungen, Läden, Lagerräume, Werkstätten etc. ausreichend gesorgt haben. Man hat wenigstens die Wahrnehmung gemacht, daß der weit überwiegend größte Theil der Wohnungskündigungen am 1. Juli von Seiten der Miether, welche sich verbessern wollen, und nur ein kleiner Theil von den Hauswirthen ausgegangen ist. Schon haben die Miethen vielfach einen nicht unerheblichen Abschlag erfahren. Man erzählt sich von einem Berliner, welcher bei dem Besitzer einer Villa anfragte, ob er vielleicht während der Sommermonate Wohnung bei ihm finden könne. Diese Anfrage versetzte den Herrn Besitzer in einen förmlichen Freudenrausch: O bitte, mein Herr, entgegnete er unter steten Verbeugungen, die ganze Villa steht zu ihrer Verfügung, aber ich habe noch eine andere unweit von hier, die steht ebenfalls gänzlich leer, wählen Sie, welche Sie wollen, ich acceptire jeden Preis. Vielleicht gefällt Ihnen dann eine davon, und Sie kaufen mir eine ab, ich würde sie Ihnen sehr, sehr gern ablassen! Solche Geschichten hören sich vom Standpunkte der Miether freilich recht angenehm an, aber es liegt auf der Hand, daß sie auch zu sehr ernsten Schlüssen berechtigen.
Anzeigen.
Zur Beachtung.
Da es vorgekommen, daß einzelne sog. Berechtigte mit dem "zum ermäßigten Preise" erhaltenen Torf Handel treiben, so wird hiedurch bekannt gemacht, daß für die Zukunft jedem Verkäufer solchen Brennmaterials, welches er "zum ermäßigten Preise" von Herrschaftswegen empfangen, die bisherige Vergünstigung entzogen werden wird.
Schönberg den 8. Juli 1876.
Großherzogl. Domainenamt und Forst.
F. Graf Eyben. C. Hottelet.
[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 3]Zur Beachtung
für Waldbesucher.
Um, während des Sommers in den Waldungen, so leicht entstehenden Brandschäden möglichst vorzubeugen, wird den Besuchern der herrschaftlichen Cammerreviere, zumal der Hohemeiler Tannen, das Tabak=, Cigarrenrauchen und Feueranmachen innerhalb der Waldgrenzen, hiedurch strenge verboten. Zuwiderhandelnde werden im Betretungsfalle zu Bruch geschrieben.
Schönberg den 10. Juli 1876.
Der Oberförster
C. Hottelet.
Holzverkauf.
Am Freitag den 14. Juli, Morgens 9 Uhr soll im Kruge zu Carlow nachstehendes Loheichenholz etc. meistbietend verkauft werden.
I. aus dem Gr. Rünzer Zuschlage:
93 Rmtr. eichen Kluft und Knüppel etc.
1 eichen Nutzholzdrumm,
2 tonnen Bauhölzer,
II. aus dem Carlower Holze:
205 Rmtr. eichen Kluft, Knüppel etc.,
19 eichen Enden zu Walzenkrümmel etc.,
1 Fuder eichen Durchforstungsholz I. Cl.,
10 Lärchen Wesebäume II. Cl.;
III. aus dem Röggeliner Holze:
3 Fuder eichen Durchforstungsholz I. Cl.
Schönberg, den 10. Juli 1876.
Der Oberförster
C. Hottelet.
Die geehrten Mitglieder des landwirthschaftlichen Vereins für das Fürstenthum Ratzeburg werden hierdurch dringend ersucht, die Zeitschriften des Verein regelmäßiger cursiren zu lassen.
Namens des Vorstandes:
Burmeister,
z. Z. Secretair.
Loose zur Tombola
am 2. Königschußtage d. J. sind erschienen und werden in Parthieen (an Wiederverkäufer) und auch einzeln abgegeben von den
Schaffnern der Schützen=Zunft.
Wilh. Heincke. J. Ludw. D. Petersen.
Schönberg, Juli 1876.
Gesucht
wird zu Michaelis ein Mädchen vom Lande gegen guten Lohn von
Schönberg.
Heinrich Freitag,
Bäckermeister.
Superphosphat
aus der Fabrik von Herrn
H. Burghard & Co. in Hamburg,
welche unter der Controle von Rostock stehen, empfehlen zu Fabrikpreisen
Gustav & Julius Ahrens
in Grevismühlen.
Selters und Sodawasser
von Herrn Eduard Gottschalk, Lübeck, empfiehlt zu Fabrikpreisen
J. Ludw. D. Petersen
in Schönberg.
|
|
Täglich frischen Kalk
und echt englischen
Portl.=Cement
bei W. J. Heymanson,
Lübeck. |
Besten
Matjes=Hering
empfiehlt J. Ludw. D. Petersen
in Schönberg.
Baker-Superphosphate etc.,
unter Controlle der Versuchsstation in Rostock stehend, empfehle zu Fabrikpreisen.
F. Heitmann.
Schönberg.
Fried. Matz.
Lübeck,
Breitestrasse 804.
Lager von Tapeten, Borden, Goldleisten Rouleaux & Teppichen.
Düngergyps empfiehlt F. Heitmann. Schönberg.
Amerikanische Burdick & Kriby
Getreide- und Gras-Mähmaschinen,
sowie
eiserne Pumpen
in jeder Größe, billiger als hölzerne, empfiehlt zu bedeutend herabgesetzten Preisen
Die Maschinen=Anstalt von
J. Arndt, Lübeck,
Fleischhauerstraße 70.
Sey empfiehlt C. Schwedt in Schönberg.
Tausende verdanken ihre Heilung von der
Trunksucht
meinem, seit Jahren bewährten, von den berühmtesten Aerzten untersuchten und warm empfohlenen Mittel, mit und ohne Wissen anwendbar. Man wende sich vertrauensvoll an Albert Kraehmer in Dresden, Holbeinstraße 4. - Aerztliche Gutachten gratis und franco.
Zahnschmerzen jeder Art werden, selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmtem Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei
Emil Jannicke, Bandagist.
Honig,
à Pfd. 75 Pf.,
bei D. Hempel, Schönberg.
Neuen
Sommerfang=Hering
empfiehlt J. Eckmann, Schönberg.
Gesucht wird zu Michaelis d. J. ein Mädchen von
J. Ludw. D. Petersen.
Schönberg.
Hopfen empfiehlt C. Schwedt in Schönberg.
Am Sonntag, den 23. und Montag, den 24. Juli findet bei mir ein
Scheibenschießen
nach Gewinnen
statt und lade ich Schießlustige hierzu freundlichst ein. Büchsen u. s. w. werden von mir gehalten, der Satz von 3 Schüssen kostet 1 M.
Krüger Jabs
in Schlagresdorf.
[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 4]Vom 20. März d. J. bis heute sind nachstehende Schäden bei unsrer Gesellschaft angemeldet:
1) Vom Hauswirth Böttcher zu Rieps 1 Pferd 150 M.
2) Vom Bäckermeister Hagen hieselbst 1 Kuh 135 M.
3) Vom Büdner Jabs zu Resdorf 1 Pferd 450 M.
4) Vom Webermeister Kähler hieselbst 1 Kuh 135 M.
5) Vom Pächter Nehls zu Kleinfeldt 1 Kuh 105 M.
6) Vom Ackerbürger P. Burmeister hieselbst 1 Kuh 135 M.
7) Vom Hauswirth Holst zu Schlag=Sülsdorf 1 Pferd 600 M.
8) Vom Landreiter Krüger=Schlagsdorf 1 Kuh 135 M.
9) Vom Büdner Bade zu Petersberg 1 Kuh 120 M.
10) Vom Hauswirth Seeler=Sahmkow 1 Pferd 300 M.
und werden unsere Mitglieder ersucht, hierzu einen Beitrag von 60 Pfennigen pro 100 M. Versicherungssumme am
Montag den 17. Juli d. J., Morgens 10 Uhr,
im Boye'schen Gasthause hieselbst einzuzahlen.
Schönberg, den 6. Juli 1876.
Direction der Viehversicherungs=Gesellschaft im Fürstenthum Ratzeburg.
Bilanz
der
Mecklenburgischen Lebensversicherungs- und Spar-Bank
in Schwerin
pro ultimo Juni 1876.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Schwerin, im Juli 1876.
Mecklenburgische Lebensversicherungs= und Spar=Bank.
C. A. Schwerdtfeger, Director.
C. L. F. Soltau, General=Agent.
Die Mecklenburgische Lebensversicherungs= und Spar=Bank
in Schwerin
schließt Lebensversicherungen, Leibrenten=Versicherungen, Kapital=Einlage=, Darlehns= und alle sonstigen Geld=, Inkasso= und Commissions=Geschäfte durch das unterzeichnete Bureau zu den vortheilhaftesten Bedingungen ab. Die Geschäfts=Prospekte (Nr. I. für Lebensversicherungen, Nr. II. für Leibrentenversicherungen, Nr. III. für Spar=Bank=Geschäfte) sind bei derselben unentgeltlich zu entnehmen und wird jede gewünschte nähere Auskunft bereitwilligst ertheilt.
Bureau der Mecklenburgischen Lebens=Versicherungs= und Sparbank in Schönberg.
W. Stephan. W. H. Schacht.
Zum
Königschuß
am 24. und 25. d. M.
laden wir ergebenst ein.
Rehna, den 9. Juli 1876.
Die Aelterleute.
A. Behrmann. Rodlender.
Matjes=Hering
in feinster Waare empfiehlt
Schönberg. Aug. Spehr.
Scheibenschießen.
Zu dem bei mir am 20. und 21. Juli abzuhaltenden Scheibenschießen nach Gewinnen lade ich Freunde und Gönner ergebenst ein.
Büchsen, sowie Schießbedarf werden von mir geliefert und kostet der Satz von 3 Schüssen 1 M.
Krüger Oldenburg
in Lockwisch.
Ausgeschleuderten Honig à Pfd. 75 Pf., empfiehlt A. Lenschow, Sabow.
Getreide=Preise in Lübeck. |
Waizen | 19 | M | 50 | |
bis | 23 | M | - | . |
Roggen | 18 | M | - | |
bis | 19 | M | - | . |
Gerste | 16 | M | 50 | |
bis | 17 | M | 50 | . |
Hafer | 18 | M | - | |
bis | 19 | M | 50 | . |
Erbsen | 16 | M | 50 | |
bis | 19 | M | 50 | . |
Wicken | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Buchwaizen | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Winter=Rappsaat | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Winter=Rübsen | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Schlagleinsaat | - | M | - | |
bis | - | M | - | . |
Markt=Preise in Lübeck. |
Butter pr. 500 Gr. M | 1,10 . |
Enten d. St. M | 1,80 . |
Küken d. St. M | 1,00 . |
Tauben d. St. M | 0,45 . |
Schinken pr. 500 Gr. M | 0,82 . |
Wurst pr. 500 Gr. M | 1,10 . |
Eier 6 St. für M | 0,30 . |
Kirschen pr. 500 Gr. M | 0,50 . |
Kartoffeln pr. 10 Lit. M | 1,20 . |
(Hierzu eine Beilage.)
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 5]Beilage
zu Nr. 53 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 11. Juli 1876.
- Wir haben s. Z. den Lesern von Tissot's Buch: "Reise in das Milliardenland" berichtet. Tissot ist ein französischer Schweizer, das Milliardenland ist das deutsche Reich. Tissot berichtet in seinem französisch geschriebenen Buche den Franzosen das unsinnigste und gehässigste Zeug aus und über Deutschland. Sein Buch wird wahrhaft verschlungen, ist drüben in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet und trägt ungemein zur Verhetzung der Franzosen bei. Die neueste Fortsetzung derselben ist: "Die Preußen in Deutschland." Wir wollen auch aus diesem Einiges mittheilen. - In Hamburg logirte Herr Tissot in der Vorstadt St. Pauli, auf dem berüchtigten Hamburger Berg, und er selber sagt, daß es ihm nirgends besser gefallen hat, dort (unter Matrosen und ihren Mädchen etc.) sei fröhliches Leben, zauberhafte abendliche Kellerbeleuchtung, die schönsten Tingl=Tangs u. s. w. Herr Tissot fährt in Deutschland, um Deutsche zu sehen und kennen zu lernen, absichtlich nur "dritter Classe," in den ersten Classen trifft man nach ihm nur Russen, Engländer und Amerikaner. - Die vierte Classe hat er zu benutzen sich gefürchtet, "aus Furcht, daß sich die Thiere, welche die Kopfhaare der Deutschen bevölkern, aus Nationalhaß auf mich stürzen möchten." Ueber die Stellung der Frauen in Deutschland sagt er: "Abends gehen die Familienväter, die Hofräthe, die Geheimräthe, die Legationsräthe etc. allein ins Gasthaus des Ortes - lassen ihre Frau und Kinder fein zu Hause, welche indessen Eichelkaffee trinken und Kartoffeln essen!" Das nennt das tugendhafte Deutschland Familienleben." Bei Gelegenheit der Erwähnung des Hermanndenkmals nennt er Herrmann den Tropmann des Teutoburger Waldes. In Frankfurt am Main besuchte er mit einem dortigen Beamten den Palmgarten und vergilt dessen Gastfreundschaft dadurch, daß er erzählt, er sei mit demselben um zehn Uhr zurückgekehrt, nachdem der Herr Steuerrath seine sechszehnte Wurst gegessen und seine Tochter den sechsten Schoppen Bier getrunken habe. Die Würste spielen überhaupt in Tissot's Phantasie eine große Rolle. Nach ihm sieht man zu jeder Tageszeit Deutsche in Bierhaus hinter großen Bergen von Sauerkraut und Kartoffelbrei, auf welchen, wie Kanonen auf Festungswällen, lange Würste liegen. An der Berliner Börse werden im Nebenzimmer Würste gegessen. In Würzburg hat Herr Tissot das außerordentliche Glück, einen alten Studiengenossen Bismarcks kennen zu lernen, oder vielmehr einen Mann, dessen Freund ein solcher war. Dieser erzählt ihm: "Bismarck ist ein brutaler Mensch, ein Mann von Eisen. Wenn er Streit in den Wirthshäusern hatte, so verfehlte er niemals, seinen Stuhl auf dem Kopfe seines Gegners entzwei zu schlagen, und ohne sich weiter aufzuregen, rief er den Wirth und forderte die Rechnung für das Zerbrochene." - Aus Nürnbergs Vorzeit erzählt er, daß dort zahlungsunfähig gestorbene Schuldner in Särgen begraben worden seien, welche man "Nasendrucker" genannt habe. Durch die Nürnberger Spielsachen lernen die deutschen Kinder schon ganz früh die Kunst, die Zuaven zu durchboren, Franctireurs aufzuhängen und Städte zu bombardiren. Jede Schachtel enthält einen deutschen Sieg. Die Knaben spielen nur noch Soldaten und üben sich für den Einfall in Frankreich ein. In Essen besucht er Krupps Eisenwerke und sieht vom Wasserthurm aus "Le Fichtengebirge." Er schließt mit einer großen geschichtlichen Enthüllung: "Bekanntlich hatte Richard Wagner großen Einfluß auf den König von Bayern; er benutzte denselben, um 1870 den König auf Preußens Seite und in den Krieg gegen Frankreich zu ziehen und ihn später zur Annahme der Kaiserwürde zu bringen. Und warum that dies Wagner? Aus Haß gegen Frankreich, weil seine Oper Tannhäuser in Paris ausgezischt worden war." Wir haben also R. Wagner das deutsche Reich zu verdanken.
- Verfälschung der Kleesaat. Wir machen die Herren Landwirthe darauf aufmerksam, daß nach einer Notiz in dem Oesterreich. Landwirthschaftl. Wochenblatt die böhmische Kleesaat jetzt häufig durch Quarzsteinchen, die in bedeutender Quantität darunter gemischt werden können, auf so täuschende Weise verfälscht wird, daß es auch einem geübten Auge kaum möglich ist, die Verfälschung zu entdecken. Es soll in der Nähe von Prag eine Fabrik bestehen zur Anfertigung dieser Quarzsteinchen durch Sieben und Färben mit Chromlack und Berlinerblau, sowohl für Rothklee, als auch für Grün= und Weißklee, sowie für schwedischen Klee. Zur Entdeckung dieser und anderer Verfälschungen von Samen und Nahrungsmitteln, wie Mehl, ferner von Textilstoffen - Leinwand und dergl. - dürfte jedem strebsamen Landwirth, ja jedem Familienvater die Anschaffung eines kleinen Microscops, das jetzt billig und gut zu beschaffen ist, sehr zu empfehlen sein. Nächstens vielleicht mehr über dieses Thema. - Uebrigens kann die Verfälschung der Kleesaat durch Quarzsteinchen wohl auch leicht durch Schlemmen oder Verwaschen der Saat entdeckt werden.
- Auf der Jagd kommen bisweilen Dinge vor, die Niemand glauben würde, wenn nicht der glaubwürdige Erzähler die Bürgschaft dafür übernähme. So macht jetzt in Mainzer Kreisen eine solche Jagdgeschichte die Runde, deren Held, mit einem Doppelgewehr bewaffnet, sich in der Nähe von R. am Main auf dem Anstande befand. Plötzlich sah derselbe einen mächtigen Keiler auf sich zukommen. Er wollte sich schußfertig machen, stolperte aber dabei über eine Baumwurzel und drückte unwillkürlich seine beiden Schüsse ab. Natürlich dachte er, sie seien ins Blaue gegangen, aber als er hinsah, lag nicht nur das Wildschwein todt am Boden, sondern der zweite Schuß hatte einen eben vorbeilaufenden Hirsch getroffen, der im Niederstürzen mit jeder Stange einen Hasen gespießt hatte.
- Verwundert über das Glück, ließ der Jäger das Gewehr fallen und wollte die Hände über den Kopf zusammenschlagen, aber er kam nicht dazu, denn im Hinauffahren fing er mit jeder Hand eine Schnepfe.
- Das Neueste in Bezug auf weibliche Toilette. Eine Amerikanerin, Mrs. Gearing, hatte bei Besichtigung eines Eiskellers in London den eines Columbus würdigen Einfall, die Kleidung der Damen in sofern gründlich zu reformiren, daß diese nun aus einer doppelten Lage Stoffs hergestellt und der Zwischenraum zwischen beiden Lagen mit einem schlechten Wärmeleiter, z. B. Sägespänen, gefüllt werden soll. Die Vortheile einer solchen Mode - das "Emancipirten=Costüm" wird ein darnach hergestelltes Kleid genannt - leuchten ein. Nicht bloß kann ein solches Kleid sowohl bei der größten Sommerhitze, als bei der bittersten Winterkälte getragen werden, sondern die Inhaberin kann auch ganz nach dem Stande des Thermometers die Sägespänfüllung der Kleider so reguliren, daß sie sich jeweils ganz behaglich fühlt. Die Frage, ob dem Schönheitssinn des schwächeren Geschlechts durch diese nach physikalischen Grundsätzen construirte Bekleidung genüge geleistet wird, muß allerdings vorläufig als eine offene betrachtet werden.
- Ein unbestellbarer Brief. Es ist bekannt, daß die deutsche Reichspost in der Beförderung der ihr anvertrauten Sendungen mit sehr lobenswerther Gewissenhaftigkeit zu Werke geht. Daß es ihr aber manchmal unmöglich ist, einzelne Briefe an den Mann zu bringen, beweist, wie die "Frankf. Ztg." mittheilt, nachstehendes Schreiben eines achtjährigen Mädchens in Koblenz: "An Herrn Klapperstorch! Sie haben meiner Tante ein Kindchen geschickt, sind Sie so gut und schicken mir auch eins, Papa und Mama sind damit einverstanden. In der Erwartung, daß Sie meinen Wunsch erfüllen werden,
[ => Original lesen: 1876 Nr. 53 Seite 6]grüßt recht freundlich R. K." - Der Brief der Post übergeben, wanderte zunächst nach Frankfurt an der Oder, und da dort selbst die Polizei keine Auskunft über den Klapperstorch geben konnte, wurde der Adressat in Frankfurt am Main aufgesucht; aber wiederum vergebens, weshalb das Schreiben wieder zurückkam, wo es amtlich geöffnet und der kleinen Schreiberin als unbestellbar eingehändigt wurde.
- Ein junger vermögender Offizier, welcher in Berlin bei seiner Mutter wohnte, begab sich, wie die "Staatsb. Ztg." meldet, nach einem Café. Mütze und Degen legte er im Vorzimmer ab und ging dann in das anstoßende Zimmer, wo seine Kameraden Platz genommen. Als er nach Verlauf einiger Stunden wieder nach seiner Behausung zurückkehren wollte, vermißte er seine Mütze und schickte deshalb einen Aufwärter nach Hause, um eine andere Kopfbedeckung zu holen. Wie erstaunte er, als ihm seine abhanden gekommene Mütze gebracht wurde. Eiligst kehrte er in seine Wohnung zurück und erfuhr hier, daß ein anständig gekleideter Herr seine Mütze abgegeben und dafür den Helm und 25 Thaler in Empfang genommen habe, indem er der alten Dame vorgeschwindelt, der Herr Lieutenant müsse sofort in Dienstangelegenheiten nach Potsdam reisen.
- In Werdersdorf bei Danzig lebten zwei Tagelöhner, Cirks, 22 Jahre alt und Rose 24 Jahre alt, ein paar furchtbar rohe und gewaltthätige Burschen, die der Schrecken der Umgegend waren. Sie haßten einen braven Arbeiter Jurtzik, der ihnen an Kraft überlegen und ihren Gewaltthaten mehrmals entgegengetreten war. Sie verbargen aber ihren Haß und als sie in einer Januarnacht mit ihm aus dem Wirthshaus heimgingen, schlugen sie ihn mit armsdicken Prügeln hinterrücks nieder. Als er am Boden lag, spalteten sie ihm dreimal den Schädel, zertrümmerten die Kinnladen und zerfetzten das Gesicht mit 28 Messerstichen. Noch immer lebte der Unglückliche und bat wimmernd um sein Leben, aber vergebens, sie thaten noch einen Trunk im Wirthshaus und säbelten ihm dann mit stumpfen Messern die Kehle ab. Er war so furchtbar zugerichtet, daß man ihn nur an der Kleidung erkannte. Beide wurden von dem Schwurgericht in Danzig des Todtschlags schuldig befunden und zu je 15 Jahren Zuchthaus verurtheilt. -
- In französischen Offizierkreisen coursirt folgende Anekdote: Der Unterlieutenant Verdier war in der ganzen Garnison berühmt und gefürchtet, weil er seine sämmtlichen Wetten gewann. Keiner seiner Kameraden konnte sich rühmen, jemals ihm gegenüber Sieger geblieben zu sein, und deshalb mochte Niemand mehr gegen ihn pariren. - Eines Tages wurde Verdier zu einem andern Regiment versetzt. Der Ruf seines Glückes eilte ihm voraus, und bei dem am Tage seiner Ankunft zu seinen Ehren arrangirten kameradschaftlichen Souper - gerade als der Champagner aufgetragen wurde - fragte ihn sein neuer Chef:
"Ist es wirklich wahr, daß Sie jede Wette gewinnen?"
"Ja wohl, mein Oberst!"
"Na, zum Teufel, wie machen Sie das?"
"O, sehr einfach! Ich bin Physiognomiker und wette nur, wenn ich meiner Sache völlig sicher bin."
"Sie sind Physiognomiker? Nun gut, was sehen Sie zum Beispiel jetzt auf meinem Gesicht?"
"Ich sehe, daß Ihre alte Wunde am Oberschenkel aufgebrochen ist und Sie heftig schmerzt."
"Unsinn! Ich habe nie eine Wunde am Oberschenkel gehabt!"
"Verzeihung, mein Oberst? - Aber -"
"Kein Aber, mein Herr! Wenn ich es Ihnen versichere!"
"Sie mögen vielleicht nicht davon reden wollen - vielleicht in einem Duell - was weiß ich!"
"Da soll doch gleich! . . . Was gilt die Wette ?"
"Wie Sie wünschen, mein Oberst!"
"500 Francs!"
"Gut, 500 Francs!"
"Die Herren sind Zeugen!" Mit diesen Worten entledigte sich der Oberst, ungenirt wie Suwarow, seiner Pantalons und eine genaue Ocularinspection ergab sofort daß weder Kugel noch Säbel seinem Schenkel jemals ein Leid gethan.
"Sie haben verloren, Lieutenant!" rief der Oberst triumphirend.
"In der That! Ich habe verloren. Man kann sich eben irren! Hier sind 500 Francs."
Schmunzelnd strich der Oberst seinen Gewinn ein, ließ sich Papier und Feder geben und schrieb an den Commandeur von Verdier's früheren Regiment, einen alten Kriegskameraden: "Lieber Freund! Die Geschichte mit dem Verdier ist ja der reine Humbug! Er hat so eben um 500 Francs mit mir gewettet, daß ich eine Wunde am Oberschenkel hatte und hat natürlich verloren!" Die Antwort lautete: "Du bist von rührender Naivetät. Dein Gewinn von 500 Francs kostet mich baare 2000. Verdier hat mit mir gewettet, daß er Dich am Abend seiner Ankunft zwingen würde, Dich bei voller Offizierstafel Deiner Inexpressibles zu entledigen und mir dies Factum eigenhändig zu melden!"
- Ueber den "Todtenblick" erzählt die liebenswürdige einst viel gefeierte Schauspielerin Caroline Bauer, die schon 1844 einer theuren Hand ins Stillleben folgte, in ihren interessanten "Commödiantenfahrten": Auf der Reise nach Braunschweig erzählte mir die Mutter von den drei alten unglücklichen Großtanten in Gandersheim, die viele Jahre hindurch mit einander unter einem Dach still und zurückgezogen ihren traurigen Erinnerungen lebten. Die Großtante Präsidentin war in ihrer Jugend durch ihre Schönheit berühmt gewesen, hatte aber unglücklich geheirathet, sie war überdies mit den schönen traurigen Augen tief unglücklich durch die wunderbare Gabe des - Todtenblicks. Sah sie in das jugendfröhlichste, gesundheitstrahlende Gesicht, so konnte sie plötzlich laut aufschreien vor Weh und Entsetzen . . . das Gesicht hatte die Blässe und Starrheit einer Leiche angenommen . . . und nach Wochen oder Monaten war es erblaßt und erstarrt unter dem eisigen Todeskusse. Dies seltsame Todtahnen schloß die Arme zuletzt ganz von der Außenwelt ab; sie konnte es nicht ertragen, Leichen wandeln zu sehen. - Die zweite Schwester beweinte ihre einzige gute und schöne Tochter, deren Herz brach in hoffnungsloser Liebe zu einem vornehmen französischen Emigranten. Und dennoch war die dritte Schwester Ursula vielleicht die unglücklichste. Diese Großtante Ursula heirathete einen gelehrten Professor und liebte ihn mit der Inbrunst einer ersten Liebe. Der Gute hat sie auch nie wissentlich betrübt. Aber in seinem gelehrten Herzen war kein Plätzchen für sie frei. Das füllte ganz seine weitberühmte, wunderseltene - Schmetterlingssammlung aus. Als sie endlich zu dieser trostlosen Erkenntniß gekommen war, da trocknete sie ihre Thränen, nahm den Strickstrumpf in die Hand und ein perennirendes Abonnement in der Leihbibliothek. So strickte sie Strumpf auf Strumpf und las dazu Buch auf Buch - viele Jahre lang und erstarrte nach und nach zur Strick= und Lesemaschine. - Als die Mutter den alten Damen den jungen, schönen lebenslustigen Vater in der Offiziersuniform vorstellte, gewannen sie das junge Paar so lieb, daß sie ihre schöne Besitzung in Gandersheim verkauften und den Eltern nach Heidelberg folgten - trotz ihrer siebenzig Jahre. Aber die Präsidenten wurden stiller und stiller. Sie hatte den beiden Schwestern - den Tod angesehen. Das vertraute sie der Mutter. Doch bald kam sie mit verklärtem Lächeln: "Christiane, jetzt ist alles gut. Auch mir ist heute Morgen der Tod aus dem Spiegel entgegengetreten. Ich werde die Charlotte und die Ursel nicht lange überleben!"-Und ehe das erste Jahr in Heidelberg abgelaufen war, entschlummerten die drei alten Schwestern an Einem Tage still und friedlich, wie fromme Kinder. Ja, Hamlet hat Recht: "Es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen läßt."
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