No. 10
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 04. Februar
1876
sechsundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 1]

[Ursprünglich als Nr. 11 gedruckt]


   Unter den Kühen des Hauswirths Kock in Rüschenbeck ist die Maulfäule ausgebrochen.
   Schönberg, den 28. Januar 1876.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


   Die Maulfäule unter den Kühen des Schulzen Siebenmark in Schwanbeck und des Vollhüfners Boye in Retelsdorf ist wiederum erloschen.
   Schönberg, 1. Februar 1876.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


Politische Rundschau.

Mecklenburg. Vor wenig Tagen, am Montag dieser Woche, hat im deutschen Reichstage ein Vorgang stattgefunden - unsere Feder sträubt sich in tiefstem Widerstreben, davon zu berichten - ein Vorgang, der geeignet ist, jedem Mecklenburger die Schamröte ins Angesicht zu treiben und jedes echte Mecklenburgerherz mit tiefem Schmerze zu erfüllen. Ein Landsmann nämlich, ein Mecklenburger von Geburt, der bekannte Rostocker und Reichstagsabgeordnete Wiggers hat es über sich vermocht, seinen Landesherrn, den edelsten und loyalsten Fürsten vor dem Reichstage der Ungesetzlichkeit zu zeihen und auf "Reichsfeindschaft" zu verklagen! Den Fürsten, der sein Leben fürs deutsche Vaterland hat eingesetzt, den verklagt man auf "Reichsfeindschaft!" Doch "man?" - nein, "man" hat das nicht gethan, sondern ein Unterthan eben dieses Fürsten, ein mecklenburger Landeskind hat das fertig gebracht! Wenn ein mißrathener Sohn seinen eigenen Vater durch Wort oder That beschimpft oder gar das Gericht gegen ihn anruft, so nennen wir das Unnatur; wie wollen wirs denn nun nennen, wenn ein Landeskind seinen Landesvater so schnöde als Gesetzesübertreter und Reichsfeind zu brandmarken sucht? - doch berichten wir kurz. Durch einen Erlaß der mecklenburgischen Regierungen vom 19. Aug., bezw. vom 19. Sept. v. J. ist verordnet worden, daß die Standesbeamten und deren Stellvertreter, falls sie nicht schon einen Dienst= oder Huldigungseid u. s. w. geleistet haben, nach einem Formular beeidigt werden sollen, dessen Schlußsatz lautet: "so wahr mir Gott helfe und Sein heiliges Wort." Ferner hat der Großherzog von Mecklenburg=Schwerin in einem Erlaß vom 7. Januar d. J. im Anschluß an den § 82 des Reichsgesetzes ausgesprochen, daß er die Erfüllung der kirchlichen Pflichten in Bezug auf Taufe und Trauung von allen landesherrlichen Dienern bestimmt erwarte und Personen, welche diesen Pflichten in der einen oder anderen Weise nicht nachgekommen sind, nicht anstellen werde. Und endlich hat der schweriner Oberkirchenrath in einem Erlaß vom 4. Nov. v. J. verordnet, daß die Trauung dem bürgerlichen Akte vor dem Standesbeamten womöglich noch am selben Tage folgen solle, daß in diesem Falle die Braut als Jungfrau anzureden sei u. s. w. Diese drei Erlasse machte nun am letzten Montag die Fortschrittspartei durch ihren Sprecher, den Reichstagsabgeordneten Wiggers zum Gegenstande einer gehässigen Interpellation. Letzter behauptete, alle drei Erlasse seien ungesetzlich, denn jenen Eid könne z. B. ein Jude nicht schwören, durch den zweiten Erlaß werde für die Beamten das Zivilehegesetz rein aus der Welt geschafft, und nichts schütze "uns" davor, daß dies nächstens nicht auch für die Nichtbeamten geschehen werde; der letzte Erlaß aber mißachte die bürgerlichen Folgen des Zivilehegesetzes aufs gröblichste und verhöhne geradezu das Gesetz; aber "das Ansehen, die Ehre und die Würde des Reiches" gebieten die Beseitigung dieser Erlasse!

Der Reichskanzleramts=Präsident Delbrück erwiderte auf die Interpellation: die beiden ersten Verordnungen seien dem Reichskanzleramte mitgetheilt worden; aber dieses habe in denselben nichts gefunden, was mit dem Gesetze in Widerspruch stehe. Für einen Juden würde vorkommendenfalls die Eidesformel geändert werden - (diese Nothwendigkeit sehen wir allerdings nicht ein, denn ein Jude kennt doch auch wohl einen "Gott und Sein heiliges Wort?") - und der zweite Erlaß bewege sich auf dem Gebiete der Dienstpragmatik, die nicht der Reichsaufsicht unterliege: der dritte Erlaß aber gehöre dem innerkirchlichen Gebiete an und entziehe sich darum der Reichsaufsicht.

Trotzdem so die Interpellation völlig abgeblitzt war und ihren Zweck verfehlt hatte, trat der Reichstag dennoch in eine Besprechung derselben ein. Man hätte wohl meinen sollen, nun würden unsere mecklenburgischen Reichstagsabgeordneten wie ein Mann aufgetreten sein, um ihr Vaterland und ihren Fürsten gegen die fanatischen Anschuldigungen und Verdächtigungen ihres Landsmannes zu vertheidigen; und allerdings war der erste Redner, der nun auftrat, wiederum ein Mecklenburger, nämlich der bekannte Protestantenvereins=Agitator Professor Dr. Baumgarten aus Rostock; aber wie mans von dem Hasse dieses Mannes nicht anders erwarten konnte, ergriff er nur das Wort, um "nachzuweisen," daß eine "Verletzung des Reichsgesetzes" vorliege. Und unsere übrigen Abgeordneten? Sie schwiegen, sie hatten kein einziges Wort für ihren edlen Fürsten, kein einziges Wort für ihr armes Vaterland, auf das nun wieder in der folgenden Debatte mit Fingern gewiesen und aller Hohn eines erbitterten Liberalis=

[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 2]

 

[ Die Seite 2 ist im Original nicht verfügbar.]

 

 

 

 

 


[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 3]

 

[ Die Seite 3 ist im Original nicht verfügbar.]

 

 

 

 

 


[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 4]

Durch neue Einkäufe ist mein Lager auf das beste assortirt und halte dasselbe namentlich für Confirmanden=Anzüge bestens empfohlen.

Schönberg.                           Julius Schweigmann.


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Schönberg, den 1. Februar 1876.

H. Spieckermann,
Amtsverwalter.


60 Mark Belohnung.

Vor Kurzem ist mir aus meiner zu Schaddingsdorf belegenen Buschkoppel buchen Klafterholz gestohlen. Ich sichere Demjenigen 60 Mark Belohnung zu, der mir den Thäter so nachweist, daß ich ihn gerichtlich belangen kann.

Hausw. Hellmann.


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Joh. Hoff, Hoflieferant Berlin.


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der mit Pferden umzugehen versteht und zu allen häuslichen Arbeiten gegen guten Lohn bei familiärer Stellung zum 1. Mai gesucht. Näheres bei Gastwirth Moll, Lübeck, gr. Burgstr. 605.

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in Kösters Saal zu Schönberg.
Anfang präcise 7 Uhr.

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Der Controlle wegen können Maskenbillets ausschließlich nur vorher bei mir entnommen werden.
Sowohl für die beste Herren=, als auch für die beste Damen=Maske ist eine Prämie ausgesetzt.

J. Köster Wwe.


Ein Sohn rechtlicher Eltern, der Lust hat, Stellmacher zu werden, kann zu Ostern in die Lehre treten bei

W. Badstein.     

Schönberg, v. d. Sabowerstraße Nr. 3.


Zu Ostern d. J. finden einige Schüler oder Schülerinnen vom Lande, die die hiesigen Schulen besuchen sollen, freundliche Aufnahme in einer Bürgerfamilie. Reflectanten wollen die Adresse erfragen in der Expedition der Anzeigen in Schönberg.


Eintragungen in die Standes=Register
des Standesamtsbezirks Schönberg.

Geboren: D. 16. Jan. dem Webergesellen J. H. Teut zu Schönberg ein Knabe. - D. 29. dem Arbm. J. H. Wigger zu Kl. Siemz ein Knabe. - D. 31. dem Arbm. F. H. J. Beck zu Schönberg ein Knabe. - D. 1. Febr. dem Anerben P. H. Arndt zu Sabow ein Knabe.

Gestorben: D. 14. Jan. Catharina Maria Meyer geb. Balck, Arbm.=Wittwe zu Schönberg, geb. zu Schlutup, 93 J. alt.- D. 16. Carl Bernhard Voß, Hauswirthssohn zu Wahlsdorf, 4 J. alt. - D. 18. Johann Joachim Heinrich Runge zu Schönberg, geb. zu Carlow, 22 Wochen alt. - D. 23. Anna Maria Wilms, geb. Kohlhaase zu Schönberg, Hauswirthswittwe aus Petersberg, 77 J. alt. - D. 24. Ludwig Heinrich Johann Matthias Friedrich Creutzfeldt zu Schönberg. 2 J. alt. - D. 26. Jochen Heinrich Conrad Dehn, Reifergeselle zu Schönberg, 25 J. alt. - D. 27. Johanna Wilhelmine Catharina Maria Burmeister zu Schönberg, 7 J. alt. - Anna Catharina Magdalena Schmüser, Arbm.=Tochter zu Westerbeck, 6 J. alt.


Kirchliche Nachrichten.

Sonntag den 6. Februar.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Nachmittags=Kirche: Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen15 M -Pfennig  bis 20 M -Pfennig.
Roggen15 M -Pfennig  bis 16 M -Pfennig.
Gerste16 M -Pfennig  bis 16 M 80Pfennig.
Hafer15 M 50Pfennig  bis 16 M -Pfennig.
Erbsen16 M -Pfennig  bis 19 M -Pfennig.
Wicken- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Buchwaizen14 M -Pfennig  bis 15 M -Pfennig.
Winter=Rappsaat- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Winter=Rübsen- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Schlagleinsaat- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,20 .
Hasen d. St. M4,00 .
Enten d. St. M4,00 .
Hühner d. St. M1,50 .
Küken d. St. M1,50 .
Tauben d. Stück. M0,60 .
Spickgans d. St. M3,00 - 4,00 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,75 - 0,80 .
Schweinskopf pr. 500 Gr. M0,45 - 0,50 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,00 .
Eier 4 St. für M0,30 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 10 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 4. Februar 1876.


Unseres Roberts italienische Reise.
Ein Blatt aus der Familienchronik. Von E. Hartner.
(Fortsetzung.)

[ => Original lesen: 1876 Nr. 10 Seite 6]

Unseres Roberts italienische Reise.
Ein Blatt aus der Familienchronik. Von E. Hartner.
[Fortsetzung.]


Im Marstall des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich Karl.

Warum soll man sich nicht auch einmal mit den Pferden Berlins beschäftigen? Das Pferd spielt seit alten Zeiten die Rolle eines treuen Gefährten des Menschen. Wer sähe nicht an dem Gespann alsbald, ob in der Equipage ein Aristokrat oder ein ehrsamer Bäcker oder Schlächter sitzt? Im Großen und Ganzen erregt der Reichtum Berlins an schönen Pferden die Bewunderung jedes Fremden. Der Hof geht mit rühmlichem Beispiel voran, und seine modellartig schönen Pferde zwingen selbst den enragirtesten Schwarzgelben zu dem Geständniß, daß gegen Sie die ramsnasigen Galakolosse der Wiener Hofburg nicht aufkommen können. Ein charakteristischer Unterschied waltet zwischen den Marställen des Kaisers und denen des Kronprinzen sowie des Prinzen Friedrich Karl ob. Beim Kaiser bildet den Grundbestand Graditzer und Trakehner Geblüt, bei den beiden Prinzen eigene Zucht. Der Kronprinz züchtet seine Pferde in Bornstedt, Prinz Friedrich Karl auf Düppel. Der letztere deckt fast nur seinen Bedarf; Bornstedt gibt einen respektablen Ueberschuß an Zucht, der den Weg aller Pferde wandelt. Aus diesem Grunde ist der kronprinzliche Stall weniger konservativ und wechselt häufiger seinen Bestand. Der kronprinzliche Marstall ist in zwei Abtheilungen untergebracht: die Reitpferde im Hintergebäude des Palais, die Wagenpferde gegenüber in den Ställen des Prinzessinnen=Palais. Die Wände der Hintergebäude des kronprinzlichen Palais sind mit kolossalen Epheustämmen dicht bezogen, in denen Hunderte von Sperlingen nisten und ein ohrzereißendes Gekreisch vollführen. Die vorlauten Burschen sind aber ein sehr nothwendiges Aequivalent gegen die Fliegen der Ställe und werden deshalb geduldet, ja gepflegt. An Comfort in Einrichtung und Ausstattung läßt der kronprinzliche Marstall natürlich nichts zu wünschen übrig. Er enthält circa 50 Pferde, meist hohe, prachtvolle Thiere englischen Geblütes, zum großen Theil Bornstedter Zucht. In Bornstedt stehen gegen 20 edle Zuchtpferde. Das Lieblingspferd des Kronprinzen ist ein Trakehner Fuchswallach, "Wörth", in der gleichnamigen heißen Schlacht geritten, 9 Jahren alt. Der "Wörth" besitzt hohe Tugenden und erfreut sich einer sehr zärtlichen Zuneigung seines hohen Besitzers, der das edle Thier fast täglich besucht. Das zweite Leibpferd ist "Champion", ein englischer brauner Wallach, 7 Jahre alt. Nr. 3 ist die "Vineta", eine englische braune Stute, die der Kronprinz besonders bei seinen Inspektionsreisen in Süddeutschland benutzt. Sie ist ruhig, verläßlich und leicht lenksam, so daß sie die Aufmerksamkeit des Reiters nicht allzu sehr in Anspruch nimmt. Das vierte Reitpferd ist der "Caresbrock", ein dunkelbrauner Wallach von imposanten Dimensionen, den der Kronprinz besonders gern bei Paraden reitet und auf dem er ein prächtiges Reiterbild liefert; endlich der Bornstedter Fuchswallach "Sadowa", erst 4 Jahre alt, welcher noch für den Kronprinzen zugeritten wird. Ein brauner Wallach, "Lightning", gehört der Kronprinzessin und dient besonders bei Paraden. Auf ihn führte die hohe Frau bei den letzten Herbstmanövern in Schlesien dem Kaiser ihr Husarenregiment vor. Außerdem enthält der Marstall noch einige Ponies, so wie etliche ältere Araberschimmel zum Gebrauch für die kronprinzlichen Kinder. - Der Marstall des Prinzen Friedrich Karl liegt auf dem Grundstücke Stallstraße 6 und beherbergt 45 Pferde, meist englisches Vollblut, Selbstzucht des prinzlichen Gestütes "Düppel". Der Stolz des Prinzen ist der selbstgezogene 5 Jahre alte Fuchshengst "Wildling", für den Liebhaber schon große Summen vergebens geboten haben. Wildling ist zum Zuchthengste für Düppel designirt. Ein historisches Pferd ist der 12 Jährige Schimmelwallach "Unverzagt", den der Prinz bei Königgrätz geritten hat. Das durch zahlreiche Abbildungen populär gewordene Thier ist noch aktiv, aber sehr strapazirt, sein Halbbruder ist der braune Hengst "Münchengrätz", den der Prinz besonders bei Kavalleriemanövern reitet. Ein jüngerer Bruder von "Münchengrätz" ist der fünfjährige braune Wallach "Königgrätz". Die Mutter der beiden ist die 15 Jahre alte englische Zuchtstute "Emarald", die noch auf Düppel aktiv ist. Das Lieblingspferd des Prinzen ist die 9 Jahre alte braune Stute "Vionville". An ihm haften für den Prinzen besonders traurige und besonders stolze Erinnerungen. Auf diesem Pferde wurde bei Vionville Oberstlieutenant v. Ziethen tödtlich getroffen, den der Prinz durch seine persönliche Freundschaft auszeichnete. Das Roß war vom Blute des Tapfern überströmt. Bei der Uebergabe von Metz nahm Prinz Friedrich Karl auf der "Vionville" das Defilée der Armee Bazaine's ab. Der "Marquis Baumont" ist ein berühmter englischer Renner, der mehrfach Preise auf Rennbahnen davongetragen hat. Er wurde im Jahre 1870-1871 viel vom Prinzen geritten. Jetzt ist er 15 Jahre alt und soll später als Zuchtpferd auf Düppel Verwendung finden. Die übrigen Pferde des Marstalls tragen fast sämmtlich historische Namen, die in Beziehung zu dem Leben und den Kriegsthaten stehen. Unter den Zugpferden befindet sich ein echtes Kosakenkleeblatt, "Villaga", "Kura" und "Balla", ein eben so flinkes wie ausdauerndes Dreigespann, dessen sich der Prinz bei weiteren Ausflügen und auf seinen zahlreichen Jagden besonders gern bedient. Die kleinen munteren Thiere sind die Komiker des Marstalls. Einen eigenthümlichen Schmuck desselben bilden zahlreiche Jagdtrophäen, deren der Prinz so viele besitzt, daß er nur die schönsten Geweihe zum Schmuck seiner Zimmer im hiesigen Schlosse, in Glinicke und Dreilinden hat verwenden können. Das Personal seines Marstalls besteht fast ausnahmslos aus ehemaligen Ziethenhusaren, flinken Kerls und dreisten Reitern. - Nimmt man den königlichen Marstall mit den beiden prinzlichen zusammen, so beherbergt die kurze Strecke Berlins vom Schloß bis zur Gegend der Akademie der Künste über drei und ein halbes hundert Pferde erster Qualität. Die Pferde spielen also hier in der That eine große Rolle.     (L. Z.)


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