No. 35
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. August
1864
vierunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1864 Nr. 35 Seite 1]

- Die Conferenzen zur Feststellung des Friedens werden im Laufe dieser Woche zu Wien ihren Anfang nehmen.
- Der König von Preußen ist zum Besuche des Oesterreichischen Kaisers in Wien eingetroffen und mit großer Herzlichkeit von diesem empfangen worden. Dieser Besuch wird von Österreich, wie von preuß. Blättern als ein für die Zukunft Deutschlands hocherfreuliches Ereigniß betrachtet. Ein officiöses Wiener Blatt sagt darüber: Der Besuch des Königs bei dem Kaiser erhält eine höhere Bedeutung im Hinblick auf die glorreichen Waffenthaten, welche die Einigung Oesterreichs und Preußens auch in neuester Zeit erzielte, so wie durch die überall stärker hervortretende Ueberzeugung, daß in ihr eine der wesentlichsten Bürgschaften des europäischen Friedens, der Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands begründet ist. Ein Blick in die wichtigsten Journale Preußens beweist, daß die ausgesprochene Ansicht eine gegenseitige ist. Wir hegen das feste Vertrauen, daß diese gesunde patriotische Ueberzeugung in allen Kreisen sich immer mehr befestigen, die Freundschaftsbande immer fester schließen wird, welche Oesterreich, Preußen und Gesammtdeutschland, in brüderlichem Verständniß mit seinen Großmächten, zur treuen, herzlichen Bundesgenossenschaft vereinigen.
- Eine preußische Flottille ist am 23. August in Travemünde angekommen. Sie besteht aus drei Corvetten und fünf Kanonenbooten und wird sich nur einige Tage dort aufhalten.
- In Kopenhagen mehren sich die Anzeichen, daß es dort nächstens zu einem Entscheidungskampfe kommen werde. "Du oder ich," so stehen sich Reichsrath und das neue Ministerium gegenüber. Man meint das Ministerium habe alle Aussicht auf Sieg, da auch das Militair die democratische Wirthschaft in Kopenhagen satt habe.
- In ganz Schleswig wurde der Geburtstag des Kaisers von Oesterreich am 18. d. festlich begangen. - Den nach Süden abziehenden Truppen bereiten die Einwohner überall bei ihrem Ab= und Durchmarsch Feste.
- Hunderttausende von Menschen drängten sich am Napoleonstage, dem 15. August, auf dem elysäischen Felde bei Paris und seltsam: alle hatten ein neues Stichwort gefunden. "He, Lambert, wo ist Lambert?" war das Loosungswort, das aus hunderttausend Kehlen bei jedem Anlaß ertönte. Nun wenige wußten, was es bedeutete; die meisten riefen es nur nach, und die riesige Schnelle, mit der es sich in aller Munde befand, erklärte nur einigermaßen, wie es möglich ist, daß bei wichtiger und ernster Gelegenheit ein Ruf, anfangs nur von Wenigen in Paris hineingeschrieen, bald mit wahrer Wuth wiederholt wurde. Wer dort das He Lambert! hörte, das sich bald in das nach der Melodie: Des Lampions gesungene Vivat Lambert umwandelte und die Wirkung sah, welche diese einfachen Worte auf die Stimmung von 5-600,000 Menschen ausübten, konnte begreifen, wie es möglich ist, daß Paris seine Revolutionen so schnell ausführt, aber ebenso schnell wieder das Opfer des Gegenstoßes wird. Welche Bedeutung eigentlich die Worte He Lambert! hatten oder haben sollten, will ich nicht weiter untersuchen, sondern mich darauf beschränken, das mitzuteilen, was mir nach langem Umherfragen über den Ursprung zu Ohren kam. Eine sehr wohlbeleibte, etwas auffällig gekleidete Dame, die von Paris nach Havre fuhr, soll, so erzählt die Fama, beim Einsteigen in den Wagen ihren Mann verloren haben. Bei jeder Station, wo der Zug stillhielt, sprang dieselbe aus ihrem Waggon und rief mit Verzweiflung: He Lambert! wo ist Lambert? etc. Die Reisenden riefen bald mit, und als der Zug in Havre ankam, ertönte es in allen Straßen. Von Havre kam das Wort nach Paris zurück.
- Lambert, der große Unbekannte, ist älter als das Napoleonsfest in Paris. Lambert war nur todt und ist wieder auferstanden. Lambert war ein Nationalgardist, der Anno 1848 mit vielen andern von Paris nach Cherbourg fuhr und unterwegs abhanden kam. Lambert, he Lambert! riefen damals die abfahrenden Cameraden ebenfalls, aber Lambert hörte nicht. Auf jeder neuen Station riefen alle Passagiere zum Wagen heraus: He Lambert, Lambert, wo bist Du? - Habt Ihr Lambert nicht gesehen? - Der französische Lambert ist der deutsche Kieselack, dessen Namen man einst an allen Felsen, Stegen und Wegen traf.
- Kein deutscher Gastwirth von Bedeutung wird vom 13.-15. September daheim sein, sondern alle in Braunschweig, wo sie gemeinschaftlich zu Rathe sitzen wollen, wie sie ihren Gästen das Leben angenehm machen. Sie fürchten zwar selber, daß sie in einem Jahre nicht damit fertig werden, denn sie wollen jedes Jahr von neuem berathen. Auf dem ersten Programm stehen die Trinkgelder, die geregelt werden sollen, da sie einmal bei dem landesüblichen Durst der Deutschen nicht ganz abgeschaft werden können. In manchen Gegenden u. Gasthöfen wird ein mäßiges Trinkgeld auf die Rechnung gesetzt, in andern dagegen läuft der abreisende Fremde durch die lange Reihe der händeaufhaltenden dienenden Geister förmlich Spießruthen - und das ist weder angenehm noch billig.
- In der Nacht vom 15. August hat der Oberaufseher der Schleuse am Pont Neuf in Paris, Simon Foivre, in Gemeinschaft mit seinem Sohne

[ => Original lesen: 1864 Nr. 35 Seite 2]

wieder einen Ertrinkenden aus der Seine gezogen. Der Vater hat bereits 113, der Sohn, der erst 15 Jahre alt ist, 11 Menschen das Leben gerettet.
- In Folge der anhaltenden Kälte, nassen und ungemein stürmischen Witterung haben die Schwalben in der Umgebung von Salzburg meist ihre Nester und Eierbrut verlassen und sind in ein wärmeres Klima gezogen, daher aber auch viele Tausend junge Schwalben verhungert und todt in den Nestern zurückgeblieben. Selbst die ältesten Leute wissen sich eines solchen Falles nicht zu erinnern.
- (Sin Zauber=Diner.) Ein vornehmer Russe hat in Paris ein Aufsehen erregendes Diner in den Sälen der Freres=Provencaux gegeben. Wir übergehen die Aufzählung der einzelnen Gänge und erwähnen bloß, daß die Säle der berühmten Restauration in eben so viele Gärten voll der seltensten tropischen Pflanzen umgewandelt waren. In diesen Gärten rauschten Fontainen und waren riesige Aquarien aufgestellt. In einer Laube wurde das eigentliche Diner, das Dessert in einem wirklichen Obstgarten eingenommen, in welchem Jeder nach Gutdünken die seltensten Früchte beider Zonen pflücken konnte. In allen Gärten flatterten seltene Vögel, während ein treffliches, hinter Blumengebüschen verborgenes Orchester Musikstücke aufführte. Vierundzwanzig Stunden hatten zur Herstellung eines solchen feenhaften Festes hingereicht, bei welchem der Festgeber für jeden Gast 750 Fr. (etwa 200 Thlr.) bezahlte.
- Die Trave in Lübeck ist durch Ostwinde und anhaltende Regengüsse unterhalb der Fischergrube aus ihren Ufern getreten. Die hart an derselben gelegenen Waarenschuppen mußten schleunigst geräumt werden.
- Die Königin von Spanien hat ihren Gemahl nach Paris geschickt, um den für den vorjährigen Besuch der Kaiserin Eugenie in Spanien den schuldigen Gegenbesuch zu machen. Da der Kaiser nicht mit in Spanien war, so hätte sie sich lieber den kleinen Finger abgebissen, als daß sie selber gekommen wäre. Da der König=Gemahl ein eifriger Bourbone und auch sonst nicht viel mit ihm zu sprechen ist, so giebt man ihm lauter rauschende Feste, ungefähr wie eine Musiktruppe um so mehr die Trommeln schlägt, je schwächer die Composition ist. Sehr gespannt sind die Pariser auf die große Parade; der arme König=Gemahl muß bei ihr zu Pferde erscheinen, soll aber, wie die Pariser sagen, nur einen Gaul reiten können, den er mitzubringen vergaß.
- Das Fest in Versailles, welches der Kaiser der Franzosen diesem Titular=Könige von Spanien, am 20. August gegeben hat, überbot an Pracht und Glanz alle bisherigen Festlichkeiten des Kaiserreichs. Der ungeheuere Aufwand erinnert an die Feste unter Ludwig IV., welche den Bourbonen so verhängnißvoll geworden sind. War auch das Wetter sehr ungünstig, so hat doch Versailles seit langen Jahren kein so glänzendes Fest mehr gesehen; es war einem Nachkommen der Bourbonen vorbehalten, die Ursache zu sein, daß das alte königliche Schloß sich nochmals in seiner ganzen Pracht zeigte. Das Fest selbst begann um 5 Uhr Nachmittags, wo die Wasserkünste zu spielen anfingen. Der Hof sah das Schauspiel in offenen Wagen an. In dem ersten fuhren der Kaiser und der kaiserliche Prinz (auf dem Vordersitze) und die Kaiserin und der König (auf dem Rücksitze). Der General Fleury ritt am rechten Wagenschlage. Zehn andere Wagen folgten. Nach der Fahrt begann das Diner, während welcher Zeit die letzte Hand an die Vorbereitungen zur Illumination gelegt wurde. Nach dem Diner begann das Theater. Die kaiserliche Loge war so hergerichtet, wie bei der Festvorstellung in der großen Oper zu Paris. Der Kaiser hatte zu seiner Rechten den König von Spanien, die Kaiserin und den Prinzen Murat, zu seiner Linken den kaiserlichen Prinzen (derselbe wohnte der Vorstellung in der großen Oper nicht bei) und die Prinzessin Mathilde. Der Kaiser trug wieder den Orden des goldenen Vließes und der König den Großcordon der Ehrenlegion. Die Kaiserin war wörtlich mit Diamanten überdeckt; der kaiserliche Prinz trug einen schwarzen Anzug; er war der einfachste im ganzen Saale. Die Anwesenden trugen fast alle große Uniform. Ueberall strahlte und strotzte es von Gold. Die Damen selbst waren in glänzendster Toilette. Der Werth des Diamantenschmuckes, mit dem sich die ganze hohe Gesellschaft, Herren und Frauen, beladen hatte, muß, wenn Alles echt war, über hundert Millionen betragen haben. Die Hundertgarden fehlten natürlich weder in der kaiserlichen Loge noch auf der Scene. Gegen 11 Uhr erhob sich der Kaiser und begab sich mit den Eingeladenen in den Park. Der Regen hatte aufgehört, wenn auch das Wetter noch unfreundlich war. Der ganze Park war auf's prächtigste illuminirt mit venetianischen Lampen, bengalischem und electrischem Feuer. Besonders prachtvoll machten sich die Wasser, die mit bengalischem Feuer erleuchtet waren. Das Bassin Latone bot besonders einen wunderbaren Anblick dar; es war kein Wasser mehr, das sich in die Luft erhob, es waren Diamanten und Krystalle. Die bengalischen Feuer, die auf allen Seiten aufloderten, wurden vermittels der Electricität angezündet. Von der großen Treppe des Schlosses konnte man das Ganze übersehen. Die glänzend erleuchteten Gewässer, die Feuerguirlanden, die sich um alle Beete, Wiesen, Baumgruppen und Bassins herumzogen, die Tausend u. Tausende von bunten Lampen, die man bis in die Spitzen der höchsten Bäume erblickte, - es war ein herrlicher Anblick. Um 11 Uhr wurde das Feuerwerk abgebrannt. Es war vielleicht das prachtvollste, großartigste, das Paris jemals gesehen. Ueber 25,000 Raketen, Bomben etc. wurden abgebrannt, das Bouquet bestand allein aus 16,000 Raketen. Schade, daß das schlechte Wetter dem Feuerwerk einigen Abbruch gethan. Nachdem das Bouquet in die Luft geflogen und man vorher die spanischen Wappen in der Luft hatte umherirren lassen wurden 600 bengalische Flammen angesteckt. Wegen des starken Dampfes blieben sie ohne besondere Wirkung. Die, welche im Park von Versailles zugelassen worden waren, und die fast ohne Ausnahme große Begeisterung an den Tag legten, waren in drei Klassen getheilt. Die erste waren die, welche zu allen Festlichkeiten Zuritt hatten, die zweite war durch einen Militair= Cordon von den eigentlich Eingeladenen des Kaisers getrennt, und die dritte konnte nur aus weiter Ferne zusehen. Ein Befehl des Kaisers brach aber die Schranken, welche die zweite von der dritten Kategorie trennte, und als dann später auch die lebende Schranke durchbrochen worden, welche die erste von der zweiten Klasse trennte, blieb nur noch ein ganz kleiner Raum für den Kaiser und seine eigentlichen Gäste übrig. Nach dem Feuerwerk war aber Alles außer Rand und Band gekommen, und der Kaiser und die Kaiserin, der König und die übrigen 200 Personen, welche zum Souper geladen waren, mußten sich durch die dichte, freilich ganz schwarz befrackte Menge hindurch drängen. Dieses würde wohl in andern Ländern nicht auffallen, aber hier sind und waren solche Vertraulichkeiten mit den Majestäten nie gebräuchlich. Der Hof kehrte erst um 1 Uhr wieder nach St. Cloud zurück.


Aus dem Leben der Nordfriesen.

Austern=Jahrmarkt. Brautwerber.

Nach den Jahrbüchern für Landeskunde Schleswigs.

Die R=Monate (September bis April) bringen den Austernfischern Arbeit und Verdienst. Der Austernfang wird von Amrum aus mit 12 Booten betrieben, deren jedes mit 3 Fischern bemannt ist. Diese Boote Segeln vom Amrumer Hafen aus nach den mehr oder weniger entfernt liegenden Austernbänken. Der Sage nach hat Knut der Große die ersten Austernbänke in diesen Gegenden angelegt

[ => Original lesen: 1864 Nr. 35 Seite 3]

Die Sage ist aber unecht; denn die hiesigen Austernbänke ruhen auf versunkenen Ortschaften, Acker= und Wiesenländereien des alten Nordfrieslands. Seit dem 17. Jahrhundert scheinen die Friesischen Austern ein landesherrliches Regale gewesen zu sein. Austernfelder oder Austernbänke sind größere oder kleinere sowohl zur Ebbe= wie zur Fluthzeit mit Wasser bedeckte Flächen, die bald mehr, bald weniger dich mit Austern übersäet sind. Es giebt Austernbänke, die ungefähr eine halbe Meile lang sind. Wie die Wattenflächen und Wattenstraßen der oft veränderten Strömung wegen fortwährend dem Wechsel und Wandel unterworfen sind, so werden auch die Austernbänke von Jahr zu Jahr anders; alte Bänke verschwinden und neue werden entdeckt. Strenger und anhaltender Frost werden den Austernbänken leicht gefährlich. Schwache Bänke, d. h. solche, die vom Frost gelitten haben, müssen geschont werden; noch andere können jahrelang nicht befischt werden, wenn sie sich wieder erholen sollen. Das Geräth der Austernfischer ist sehr einfach. Der Schleppsack oder Schaber, d. h. ein aus eisernen Ringlein zusammengesetztes Netz, das mit seiner Mündung an das mit drei eisernen Stäben mit scharfen Kanten zusammengefügte Streicheisen befestigt ist, wird auf den Grund des Meeres hinabgelassen und im Segeln mit fortgeschleppt. Das scharfe Eisen streicht die Austern los und in das eiserne Netz hinein, welches, wenn es voll ist, heraufgezogen wird. Mit den Austern werden viele andere Bewohner der Tiefe heraufgezogen, z. B. Seesterne, Seemäuse, große und kleine Muscheln verschiedener Art, nicht selten mehr als hundert verschiedene Arten.
. . . Der Wycker Herbstmarkt ist ein Volksfest für die Nordfriesischen Insulaner. Von allen Inseln und Halligen segeln Boote und größere Fahrzeuge mit bunten Wimpeln hinüber nach "de Wyck"; die Insel= und Halligkinder, welche zum erstenmale mit hinüberfahren, sind voller Erwartung der Dinge, die da kommen sollen. Man findet es lebendig an dem kleinen Hafen und in den Straßen des Fleckens. Man wundert sich, daß die Welt so groß ist, daß es so viele Menschen giebt. Da sieht das staunende Kind die treuherzigen Halligmänner mit ihren verwitterten Gesichtszügen, die geputzten Halligfrauen und Mädchen mit ihrem spitzen Turban auf dem Kopfe, die Sylterinnen mit ihren weißen Kopftüchern, einzelne Fischermädchen von Röm und Fanoe mit ihren kurzen rothen und grünen Röcken, Husumer und Bredstedter Krämer und Krämerinnen mit allerlei Galanteriewaaren - und fühlt sich zuletzt beengt in dem Gewühl, zumal, wenn ihm die Aussicht auf das Meer benommen ist. Man hat "die große Welt" gesehen und sehnt sich wieder zurück nach der stillen Dünen= und Marschinsel. Die Halligleute und Insulaner haben sich für den Winter mit den Bedürfnissen des Hauses versehen; sie lichten die Anker, und Jeder kehrt aus "der großen Welt" in die so liebe kleine Welt zurück. Nach dem Wycker Herbstmarkte beginnt das "Aufsitzen." Beim Aufsitzen werden die gewonnenen Vorstellungen und Gedanken von Jung und Alt weiter verbreitet und es geht nach dem Wort unseres Dichters: "In dem kleinsten Vaterlande - Lernt der Mensch die Welt verstehen."
. . . Auf der sonst so stillen Insel Amrum wird's lebendig, besonders zur Abend= und Nachtzeit. Das "Fenstern" ist eine alte Sitte auf der Insel. Der Freier steigt am späten Abend durch ein offen gelassenes Fenster in die Kammer seiner Geliebten und trägt ihr seine Liebesgedanken und Wünsche vor. Unter Geplauder verrinnt eine Stunde nach der andern. Niemand darf einen Liebhaber von dem man allgemein glaubt, daß er's treulich meine, bei den Bewerbungen und den Aufwartungen, die er seiner Geliebten macht, stören oder in das Haus einzudringen versuchen. Wehe aber demjenigen Liebhaber, von dem die Fama sagt, er komme in unreiner Absicht und habe anderswo eine Braut; die jungen Burschen lauern ihm bei seiner Rückkehr auf und necken ihn auf alle erdenkliche Art. Hat der Freier, etwa um Weihnachten oder zwischen Weihnachten und Petritag, das Jawort der Geliebten und die Einwilligung seiner und ihrer Eltern zum "Ausbringen" erhalten, so wird der "Ausbringetag", immer ein Sonntag festgesetzt. Das Ausbringen besieht darin, daß das junge Brautpaar sich öffentlich als solches zeigt und die Gratulationen entgegennimmt. Braut und Bräutigam gehen zur Kirche (früher jeder für sich, jetzt aber gemeinschaftlich) die Braut im besten Nationalstaat, wozu namentlich die weiße Schürze und die silberne, das Oberkleid über der Brust zusammenhaltende Kette mit dem silbernen Herzen daran gehört, der Bräutigam mit seiner feinsten Seemannstracht, jedoch immer im Rock. Nach der Predigt verfügt der Bräutigam sich zur Kirchenthür, wo er (draußen) der Braut harrt, ihr seinen Arm anbietet und sie nach seinem väterlichen Hause führt, wo das Mittagsmahl, früher der bunte Mehlbeutel mit Schinken, eingenommen wird. Am Nachmittage machen sie die Runde bei Verwandten, Nachbarn u. guten Freunden. Hier und da werden sie mit Ehrenschüssen begrüßt; überall aber werden ihnen Glückwünsche und Erfrischungen entgegengebracht.
Die Sitte des Fensterns ist alt und wird trotz obrigkeitlicher Verbote nicht sobald abgestellt werden. Auch kann man keineswegs behaupten, daß die Sittlichkeit durch dieselbe besonders gefährdet wäre, da man auf den Friesischen Inseln Gemeinden findet, wo in mehreren Jahrzehenden keine einzige uneheliche Geburt in's Kirchenbuch einzutragen war.
Auf Silt heißt das Fenstern "bi Düür stunnen", d. h. bei der Thür stehen. Im Winter gehen die ledigen Burschen, oft vier und fünf zusammen, sobald es Abend geworden, nach einem Hause, wo eine heiratslustige Tochter zu finden ist. Nachdem sie eine Weile in der Stube oder im Pesel (Saal) gesessen und sich mit Alten und Jungen gar ehrbar unterhalten haben, klopft einer seine Pfeife aus und verabschiedet sich von den Alten; das Mädchen folgt ihm aber bis zur Hausthür. Hier, innerhalb der Thür, stehen sie nun oft eine ganze Stunde, die unter angenehmer Unterhaltung verfließt. Es ist gewissermaßen Gesetz, daß Keiner ein solches Pärchen stören darf. Kommt Einer von der Straße herein, so geht er still vorüber; die Gäste in der Stube dürfen aber nicht weggehen, ehe das Mädchen wieder zurückgekehrt. Nach und nach verabschieden sich die jungen Leute, Einer auf's Mal, und das Mädchen muß jeden begleiten und eine Weile mit ihm "bi di Düür" stehen.


Anzeigen.

Es wird hiemit gemeinkundig gemacht, daß in Gemäßheit der Allerhöchsten Verordnung vom 28. December v. Js. der Assessor Saur hieselbst zum Handelsrichter constituirt ist, und wird derselbe demnächst die Ladungen an die betreffenden Kaufleute, zwecks Eintragung in das Handelsregister, erlassen.
Schönberg, den 18. August 1864.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L.S.) A. Dufft.


Zur Publication des in der Debitsache des Maurermeisters Oldenburg zu Schönberg abgefaßten Prioritätserkenntnisses ist Termin auf Freitag, den 16ten September d. J., Morgens 11 Uhr, anberaumt worden, wozu die nicht präcludirten Oldenburg'schen Gläubiger hiemit unter dem Nachtheil vorgeladen werden, daß auch im Falle ihres Nichterscheinens mit der Publication wird verfahren wird.
Schönberg, den 25. August 1864.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L.S.) O. Reinhadrdt.


[ => Original lesen: 1864 Nr. 35 Seite 4]

Decretum præclusivem.

Wider alle Diejenigen, welche sich mit ihren Forderungen und Ansprüchen an das, dem Arbeitsmann Lenz seither zuständig gewesene, im Mariengange unter Nr. 285 hieselbst belegene, im Wege der Execution zum Verkaufe gebrachte Wohnhaus, im Professions=Termine am 19. d. M nicht gemeldet haben, ist unterm heutigen Tage die Präclusion erkannt.
Ratzeburg den 22. August 1864.
Stadtcommissarius.
Bürgermeister und Rath.
(L. S.) In fidem
Richter, Stadtsecretair.


Verkaufsanzeigen.

Die zum Nachlasse des verstorbenen Apothekers Friedrich Siedenburg gehörige, auf dem Domhofe bei Ratzeburg belegene Apotheke soll, auf Antrag der Vormünder der Kinder und Erben des Verstorbenen, und unter Vorbehalt der Genehmigung der Obervormundschaftlichen Behörde, des Hofgerichts des Herzogthums Lauenburg, und dessen zu diesem Verkaufe erforderlichen decreti de alienando, vor dem unterzeichneten Justizamte in einem einzigen, dazu auf Montag den 29. August d. J., Morgens 11 Uhr, anberaumten Termine öffentlich meistbietend verkauft werden, und werden Kaufliebhaber hiemit eingeladen, am bestimmten Tage und festgesetzten Stunde vor dem unterzeichneten Justizamte zu erscheinen.
Die Verkaufsbedingungen, die von der Siedenburgschen Vormundschaft in den Wirthshäusern dem Publikum zur Einsicht ausgelegt, sowie demnächst im Verkaufstermin verlesen werden, sind von dem Herrn Hofgerichtsprocurator Hornbostel in Ratzeburg, bei dem dieselben gleichfalls einzusehen sind, auf Erfordern in Abschrift zu erhalten, und wird über das sonst die Domapotheke Betreffende Auskunft von demselben ertheilt werden.
Schönberg, den 16. Juli 1864.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L. S.) A. Dufft.


Nach dem Beschlusse des Patriotischen Vereins, soll mit der im nächsten Jahre hierselbst stattfindenden Hauptversammlung auch eine Landes=Gewerbe=Ausstellung für Mecklenburg=Schwerin und Strelitz verbunden werden, was hiermit vorläufig zur Kenntniß aller Industriellen beider Großherzogthümer gebracht wird, mit dem Bemerken, daß für möglichste Erleichterung des Transportes für die zur Ausstellung einzuliefernden Gegenstände Sorge getragen wird.
Wismar im August 1864.
Im Auftrage der von der Hauptversammlung des Patriotischen Vereins eingesetzten Committee.
C. Beckmann, Apotheker.


Oeconomie im Waschen.
Eine neue und wichtige chemische Erfindung von Waschpulver, in Packeten zu 2 Schilling (Mecklenburg) mit Gebrauchsanweisung, empfiehlt Aug. Spehr.


Hausstands=Seife
das Pfund 2 1/2 Schilling (Mecklenburg), in LPfund billiger, bei Aug. Spehr.


Auf dem Pfarrgehöfte zu Carlow liegen zehn sechswöchentliche Ferkel zum Verkauf.


Frisches Kartoffel=Mehl und Graupen das Pfund 3 Schilling (Mecklenburg), ferner eine Kartoffelmühle zum Vermiethen, per Tag 8 Schilling (Mecklenburg), bei Bäckermeister Oldenburg.


Auf dem Kirchsteige von Duvennest nach Herrnburg ist ein porte=monnaie gefunden worden, das der Eigenthümer gegen Erstattung der Insertionskosten beim Hauswirth Lüer in Duvennest zurückerhalten kann.


Circus gymnasticus.
Sonntag den 28. August finden zwei Vorstellungen in der höhern Reitkunst und Pferde=Dressur statt. Anfang der ersten Vorstellung Nachmittags 4 1/2 Uhr, der zweiten Vorstellung Abends 7 Uhr.
Viele neue Abwechselungen.
Zu diesen beiden unwiderruflich letzten Vorstellungen bittet die Direction um recht zahlreichen Besuch.
A. Haustein.


Durch alle Buchhandlungen ist zu beziehen:
Kirchliche Ethik Bd. 1.
von B. Wendt.
Ferner:
Der Kampf des Glaubens in der Mecklenburgischen Landeskirche.
Von B. Wendt.
Preis 16 Schilling (Mecklenburg).


Zu Menzendorf bei Schönberg wird zu Michaelis d. J. ein Hausmädchen gesucht.
L. Langermann.


Zwei Mädchen finden in meiner Meierei zu Michaelis Dienst. Lohn 24 Taler (Mecklenburg) und 1 Sp. Lein gesäet.
C. Hancke.
Gr.=Molzahn im August 1864.


Am Sonntage den 28. August:
Großes Concert
vom Hautboisten=Corps des Königlich Hannöverschen 7. Infanterie=Regiments, unter Leitung ihres Directors Herrn C. Asche.
Anfang 4 Uhr. Entree 4 Schilling (Mecklenburg) à Person.
Baeck.
H. Spolert.


Getreide= und Markt=Preise in Lübeck am 24. August 1864.
Weitzen1Taler (Mecklenburg)8 - 14Schilling (Mecklenburg)
RoggenTaler (Mecklenburg)44 - 47Schilling (Mecklenburg)
Gerste-Taler (Mecklenburg)36 - 40Schilling (Mecklenburg)
HaferTaler (Mecklenburg)32 - 36Schilling (Mecklenburg)
ErbsenTaler (Mecklenburg)36 - 44Schilling (Mecklenburg)
WickenTaler (Mecklenburg)36 - 40Schilling (Mecklenburg)
BuchweizenTaler (Mecklenburg)44 - 50Schilling (Mecklenburg)
Winter=RapssaatTaler (Mecklenburg)23 26Mark (Lübeck)
RübsenTaler (Mecklenburg)23 25Mark (Lübeck)
SchlagleinsaatTaler (Mecklenburg)19 - 20
Butter10Schilling (Mecklenburg)pr.Pfund
Kartoffeln pr. Faß6Schilling (Mecklenburg).


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Hofbuchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


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