No. 85
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 23. Oktober
1866
sechsunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1866 Nr. 85 Seite 1]

Neustrelitz, 18. Okt. Die Feier des Geburtstages Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs wurde gestern von Seiten des Militärs durch eine große Reveille eröffnet. Zu Mittag war die feierliche Enthüllung des Denkmais, welches das Land dem hochseligen Großherzog Georg auf dem hiesigen Marktplatz errichtet hat, angeordnet worden. Zu diesem Zwecke hatte das mit Rasen und Gruppen von Gesträuchen bepflanzte und mit vier Springbrunnen geschmückte Rundtheil, in dessen Mitte sich das von einer Gardine umgebene Standbild befand, zu seiner dauernden Einfassung von Granitpfosten, die mit Eisenstangen verbunden sind, noch eine für diesen Tag bestimmte erhalten. Sie bestand aus 36 Flaggenstangen in den Landes=Farben, die mit Laubgewinden und Kränzen verbunden waren; Letztere trugen der Reihe nach je einen der Buchstaben des Spruches: "Das Gedächtniß der Gerechten bleibt im Segen", der auf diese Weise den ganzen Festplatz einschloß. Außerhalb des Rundtheils waren Tribünen errichtet, die etwa 700 Sitzplätze enthielten. - Gegen 11 Uhr nahm das Militär Aufstellung, bald darauf auch die hiesige Schützenzunft, welche die Altstrelitzer Schützenzunft, sowie Deputationen aus Wesenberg und Fürstenberg in sich aufgenommen hatte. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge, die zum großen Theil aus den übrigen Ortschaften des Landes gekommen war, besetzte die Tribünen und die übrigen freien Räume des Marktes, wie die Fenster der angrenzenden Häuser. Nachdem um 12 Uhr die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften mit großem Gefolge erschienen waren und im südwestlichen Zugang Platz genommen hatten, eröffneten die vereinigten Sänger=Chöre von hier, Altstrelitz und Mirow mit dem Choral: "Lobe den Herrn" etc. die Feier, worauf Herr Superintendent Dr. Ohl vortrat und die Festrede hielt, nach deren Beendigung und nachdem Seine Königliche Hoheit der Großherzog den Befehl zur Enthüllung zu ertheilen geruht hatte, die Gardine fiel. Als sich die liebe, freundliche Gestalt des allverehrten hochseligen Herrn in prachtvoller Ausführung den bewundernden Blicken der Anwesenden zeigte, brach ein jubelndes Hurrah! hervor, die Glocken läuteten, die Kanonen donnerten ihren Gruß und alsbald erklang das Mecklenburgische Volkslied "Vandalia" unter Führung der vereinigten Sänger=Chöre, womit die Feier ihren Schluß fand. Die festliche Stimmung aber fand im Laufe des Tages noch mehrfach Gelegenheit, sich kund zu geben. Das Festmahl war im Saale des Schützenhauses veranstaltet, wo auch Abends ein Ball stattfand. Die Tafeln der Hotels in der Stadt waren besonders von Auswärtigen zahlreich besetzt; bei Hofe war Gala=Diner und Ball. Das Denkmal aber, welches, am Abend durch acht Gassterne und häufig erneuerte bengalische Flammen in den Landesfarben erleuchtet, einen zauberhaften Anblick gewährte, wurde bis spät in die Nacht von dichtgedrängter Menschenmenge umwogt. (R. Z.)
Domhof=Ratzeburg. Am 19. October feierte der Organist von hiesiger Domkirche, Herr H. Mette, sein 25jähriges Dienst=Jubiläum. Die Liedertafel, deren Dirigent Herr Mette ist, begrüßte ihn um 7 Uhr Morgens mit dem Choral: "Nun danket alle Gott", worauf der hochwürdige, allverehrte Herr Propst Rußwurm in ergreifender, herzerhebender Rede den Jubilar im Namen der Gemeinde zu diesem wichtigen Tage beglückwünschte, unter Dank und Preis der Gnade Gottes gedenkend, welche demselben sammt seinem Hause in diesen 25 Jahren so reichlich zu Theil geworden, und ihm die volle Anerkennung für treue, gediegene Dienstleistung aussprechend. Im Auftrage mehrerer Gemeindeglieder überreichte er ihm sodann einen Pelz=Rock, worauf die Liedertafel mit den Liedern: "Das ist der Tag des Herrn" von Kreuzer und "Wem Gott will rechte Gunst erweisen" von Mendelssohn den Beschluß machte. Im Laufe des Tages empfing Herr Mette noch viele Beweise der Liebe und Theilnahme aus der Gemeinde und von seinen Schülern und Schülerinnen im Clavier= und Gesang=Unterricht und beschloß den Abend im frohen, gemüthlichen Kreise der Liedertafel, die ihm ein Bier=Seidel mit Namen und Datum und eine hübsche Pfeife zum Präsent machte. Möge er noch lange seinem gesegneten Wirkungskreise, der Domgemeinde und seiner lieben Familie erhalten bleiben. Deß walte Gott!
- Die letzten Oesterreicher haben Deutschland verlassen. Am 16. October räumten sie die Bundesfestung Ulm; sie zogen unter den Klängen des Radetzkymarsches und mit einem stillen Gebet vor dem Einsteigen ab. Aus den Wagen heraus brachten sie den Württembergern und Bayern ein Hoch. Am 18. October werden sie die deutsche Grenze überschreiten. Ein gedankenvoller Abschied! "Wenn heut' ein Geist herniederstiege!" sang Uhland am 18. October.
- Am 15. d. M. ist zwischen Preußen und Oldenburg ein Vertrag unterzeichnet, wonach die oldenburgischen Ansprüche auf Schleswig=Holstein Preußen übertragen werde und dafür preußischerseits das Amt Ahrensboek nebst einigen kleinen angrenzenden Districten dem Oldenburger Fürstenthum Eutin zugelegt wird.
- Bayerische Zeitungen bringen ein Gerücht, Preußen werbe unter den Großmächten für den Plan, der Dynastie Napoleon in Frankreich die Nachfolge zu sichern.
- Die preußische Provinzial=Correspondenz, die es wohl wissen kann, versichert 1) daß der unverweilte Friedensabschluß mit Sachsen bevorstehe und 2) daß das Befinden Napoleons keinen Grund zu Besorgnissen biete.
- Die "Post" hat einen Aufruf an die preuß. Nation erlassen: "dem Grafen Bismarck ein Natio=

[ => Original lesen: 1866 Nr. 85 Seite 2]

nal=Geschenk darzubringen, welches ebenso seiner Verdienste, wie der Ehre der Nation würdig ist."
- Die Leistungen der Aerzte in den preußischen Lazarethen und der Armee ist anerkannt worden. Eine sehr große Anzahl hat Orden, sogar mit Schwertern, erhalten.
- Das Chassepot=Gewehr, womit Napoleon seine Armee bewaffnen will, kommt das Stück auf 70 Francs (18 Thlr. 32 ßl.) zu stehen, doppelt so viel, als das seither eingeführte Percussions=Gewehr, und 10 Francs (2 2/3 Thlr.) mehr, als das preuß. Zündnadelgewehr. Da man, um auf alle Fälle vorbereitet zu sein, 1,600,000 solcher Gewehre machen lassen will, so ist dies allein eine Ausgabe von 112 Mill. Francs oder 31,533,333 Thlr. 16 ßl.
- In diesen stillen Zeiten wagen sich die Trichinen wieder heraus. In Posen sind am 13. Oct. 6 Personen an der Trichinenkrankheit gestorben.
- Die Chronikschreiber des Mittelalters berichten von acht Brüdern v. Freysingen, welche unter Friedrich Barbarossa in dem Lombardenkrieg mit großer Auszeichnung gefochten. So haben auch acht Brüder v. Treskow unter den Preußen gefochten. Zwei von ihnen wurden verwundet, die andern kamen unversehrt davon. Einer der Brüder, Franz, Rittergutsbesitzer auf Umultowo bei Posen, Premier=Lieutenant und Compagnie=Chef im 2. Landwehr=Husaren=Regiment, erschoß mit dem Revolver den Rittmeister von den Haller Husaren vor der Front, hieb 2 Offiziere vom Pferde und erschoß und hieb vom Pferde noch 4 Husaren im Zeitraum von 10 Minuten, bei Tobitschau.
- Bei der Restsendung der österreichischen Kriegskosten fiel es in Berlin auf, daß solche sich theilweise in Bierfässern vorfand. Bald aber erfuhr man, daß die österreichische Regierung, um den Zahlungstermin innezuhalten, ihre Zuflucht zu den Wiener Brauern nehmen und diese durch Militair zur Herausgabe der erforderlichen Fässer nöthigen lassen mußte.
- In Stein (Oesterreich) wurde ein an der Cholera rasch gestorbener Lehrling in die öffentliche Leichenkammer gebracht, Nachts aber wachte er auf, er hatte nur im Starrkrampf gelegen. Jetzt ist er wieder wohl und munter.
- Ein Viehhändler verlor bei Zürich eine Brieftasche mit 5000 Gulden in Banknoten. Zwei arme Bürschlein finden sie und bringen sie dem erfreuten Händler. Der lacht mit dem ganzen Gesicht, sucht lange in seinen Taschen nach kleinem Geld und giebt - 5 Batzen.
- Um die österreichischen Lügen zu verspotten, erzählte ein Berliner Schalk in der "Tribüne" höchst ernsthaft folgende Geschichte. "Wiederum erhalten wir aus Wien von einem glaubhaften Zeugen folgende Schauderthat. In Trautenau überrascht ein preußischer Kürassier den Küster beim Sturmläuten im Glockenhause des Thurmes, zweihundert Fuß über dem Meeresspiegel. Der Kürassier stürzt den unglücklichen Küster aus der obersten Thurmluke und holte ihn darnach hinauf, um ihn wieder hinabzustürzen. Das wiederholte der Unmensch sechs Mal und hätte sich der Küster vor dem siebenten Mal nicht durch eilige Flucht gerettet - wer weiß, wie oft der barbarische Preuße das Manöver wiederholt hätte." - Ein Spaßvogel schneidet den Artikel aus und schickt ihn an ein Pariser Blatt, das vor Preußenhaß berstet. Ganz "erschüttert" druckt es die Schaudergeschichte ab und setzt fein hinzu: "Und das erzählt sogar ein preußisches Blatt."
- Wie man aus Chamounix meldet, sind der Lust am Bergsteigen vier neue Opfer gefallen. Am vorletzten Freitag Morgen hat ein Engländer, ein Capitain Arkwright, in Begleitung von zwei Führern und einem Träger Chamounix verlassen, um die Besteigung des Montblanc zu unternehmen. Vor ihnen steigen der Eigenthümer der neuen Hütte auf den Grands=Mulets, Namens Sylvain=Gouttet, und ein Kutscher des Hotel Royal, beide mit einem Seile verbunden, den gleichen Weg hinan. Angekommen auf dem Grand=Plateau, entschlossen sich beide Caravanen den Weg einzuschlagen, den man vor dem Jahre 1820 zu verfolgen pflegte, seit jener Zeit aber wegen einer ähnlichen Catastrophe, wie die, welche sich wieder ereignen sollte, aufgegeben hatte. Nach einem halbstündigen Marsche hörte der Gastwirth, welcher Voranschritt, ein donnerähnliches Getöse über sich. Aufblickend, sah er mit reißender Schnelligkeit eine Lawine auf sich und seine Begleiter herabstürzen Mit dem Rufe "Reitet Euch! Nach rechts, nach rechts!" grub er, so wie der Kutscher, der die gleiche Bewegung machte, seinen Bergstock und das Gesicht tief in den Schnee. Kaum war dies geschehen, als auch die Lawine über sie hinwegbrauste. Einige Minuten später, da es wieder ruhig geworden war, erhoben sie sich, um sich nach ihren Reisegefährten umzusehen. Aber nirgends eine Spur von ihnen; sie sahen nichts, als eine tiefe, von der Lawine gegrabene Bahn und unten auf dem Grand=Plateau einen Berg von Schnee und Eisstücken. Eilig stiegen sie hinab, um den Unglücklichen, wenn möglich, noch Rettung zu bringen. In der That gelang es ihnen auch, einen derselben von den Schnee= und Eismassen zu befreien; aber leider war er todt. Da es spät geworden, so blieb ihnen nichts weiter übrig, als nach Chamounix zurückzukehren und das Unglück zu melden. Den Tag darauf brachen 15 der auserlesensten Leute auf, die Ausgrabungen fortzusetzen. Das Resultat ihrer Arbeit ist noch nicht bekannt.
- "Was steht da drauf?" fragte in Prag ein Böhme einen preußischen Soldaten, indem er ihm einen Papiergulden hinhielt. Der Preuße las:
ein Gulden.
Die k. k. Bank zahlt dem Inhaber etc.
Falsch!" rief der Böhme. "Dös müssen's halt nit so lesen. "Ein" und "Gulden" muß verkehrt gelesen wenden, und dann hat jeder Buchstabe seine Bedeutung. Schaun's so: "Nur In Estreich Nehmen Esel Diese Lumpen Und Glauben
Die k. k. Bank zahlt etc.
Dös ist a Wianer Witz!"
- In dem eine Stunde von Teltow belegenen Dorfe Stansdorf hat bei der letzten Einquartierung die Eifersucht zwei Opfer gefordert. Die 17jährige Geliebte eines dortigen Knechtes fand an den schmucken Dragonern mehr Geschmack, als ihrem Geliebten zusagte. Eine Zurechtweisung seinerseits brachte ihm eine ziemliche Portion Schläge ein. Er lag den nächsten Tag anscheinend krank zu Bette, stand aber am Abend auf, bemächtigte sich eines Karabiners mit dem erforderlichen Schießmaterial, lud ihn und begab sich an das Küchenfenster seiner Geliebten. Kaum hatte er hier wahrgenommen, daß sie nicht gleichgültig gegen die Aufmerksamkeiten blieb, welche ihr die Soldaten erzeigten, als er auch sofort den Carabiner auf sie anlegte und sie durch das Fenster todtschoß. Einige Minuten darauf hatte er eine zweite Kugel sich selbst in die Brust gejagt. Es war Alles so schnell geschehen und die Bestürzung so groß, daß man diesen zweiten Mord nicht mehr verhindern konnte.
- Eine Dame in Berlin benutzte eine Droschke, um nach dem Hamburger Bahnhof zu fahren Auf dem Wege dorthin kaufte sie sich eine halbe Flasche Wein, um sie auf die Reise mitzunehmen. Beim Aussteigen auf dem Bahnhofe wurden ihre Sachen abgeladen und die halbe Flasche Wein dabei vergessen. Erst, nachdem sie ihr Billet gelöst, erinnerte sie sich dessen. Es war noch Zeit, den Kutscher aufzusuchen, welcher auch gefunden wurde. Der Wagen wurde untersucht, der Wein jedoch nicht gefunden, und die Dame mußte ohne denselben abreisen. Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, so holte der Kutscher die halbe Flasche Wein unter dem Mantel vor und trank vier andern Kutschern zu. Diese fanden den Wein nicht nach ihrem Geschmack. Wie, hieß es, du willst das Berliner Fuhrwerk in schlechten Ruf bringen? Das leiden wir nicht. Sie riefen einen Schutzmann herbei, der Kutscher und Wein in sichern Gewahrsam abführte.


Der Hof zu Neustrelitz vor hundert Jahren.

(R. Z.) Im Jahre 1766 kam ein englischer Gelehrter, Thomas Nugent, über Hamburg und Lübeck nach Mecklenburg. Er hatte bereits einige

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Jahre früher den ersten Theil einer "History of Vandalia" (Geschichte Vandaliens, worunter er das alte Wendenland Mecklenburg verstand) herausgegeben, welcher aber wegen mancher darin vorgekommener Irrthümer von dem Publikum eben nicht mit großem Beifall aufgenommen war. Bei der Bearbeitung des zweiten Theiles glaubte er in den von ihm gesammelten Materialien noch verschiedene Lücken zu entdecken und entschloß sich, um diese auszufüllen, eine Reise nach Mecklenburg zu unternehmen und hier die Archive aufzusuchen und mit Gelehrten Verbindungen anzuknüpfen. Auf dieser Reise kam er auch nach Neustrelitz und hielt sich dort länger als vier Wochen (vom 6. October bis 7. November 1766) auf. An der Veröffentlichung des Werkes, dem die Reise galt, ward er bald nach seiner Rückkehr in sein Vaterland durch den Tod verhindert. Doch hatte er von Zeit zu Zeit über seine Reise=Erlebnisse in Briefen berichtet welche nach seinem Tode zuerst in englischer Sprache dann auch in deutscher Uebersetzung (Berlin und Stettin, bei Fr. Nicolai. 2 Thle. 1781. 1782.) veröffentlicht wurden. In diesen Briefen schildert er auch seinen Aufenthalt in Neustrelitz, welcher keineswegs blos der gelehrten Forschung, sondern zu einem nicht unbedeutenden Theile dem geselligen Vergnügen gewidmet war. Sein Ruf als Kenner der mecklenburgischen Geschichte und mitgebrachte Empfehlungen verschafften ihm Zutritt am Hofe des Herzogs Adolph Friedrich IV. Er beschreibt mit großer Ausführlichkeit und in dankbarem Sinne für die ihm zu Theil gewordene gute Aufnahme das damalige Hofleben und gibt manchen Beitrag zur Charakteristik des Hofes und der zu demselben gehörigen Personen. Da Fritz Reuter in neuester Zeit mit seinem "Dörchläuchting" die Aufmerksamkeit auf den Herzog Adolph Friedrich IV. von Mecklenburg= Strelitz zurückgelenkt hat, so mögen sich einige Auszüge aus Nugent's Briefen, die wir im Folgenden geben, als Beiträge zur historischen Charakteristik neben die poetische Zeichnung von Fritz Reuter stellen.

Neustrelitz, den 16. October 1766.

Den 6. d. Mts., Vormittags um 11 Uhr, fuhr ich mit Hauptmann Winckelmann aus Neubrandenburg. Gegen 1 Uhr erreichten wir eine starke Meile von Neubrandenburg das Dorf Nemerow an der Tollense. Etwa eine Meile von Altstrelitz hielten wir in einem Wirthshause an und gleich nachher sahen wir diese Stadt, die in einer weiten Ebene liegt, vor uns; wir erreichten sie in der Dämmerung und stiegen im Posthause ab, um hier erst zu essen. Eigentlich hätten wir nicht nöthig gehabt, Altstrelitz zu passiren, allein mein Gefährte hatte hier Geschäfte. Um 7 Uhr fuhren wir weiter und um 8 Uhr erreichten wir Strelitz; ich nahm mein Quartier beim Bürgermeister Strübing, an den Herr Pistorius mich empfohlen hatte. Hier nahm mein Reisegefährte von mir Abschied und seit der Zeit habe ich ihn nicht wieder gesehen. Bürgermeister Strübing ist zugleich ein wohlhabender Kaufmann; es logiren hauptsächlich bei ihm nur solche Personen, die Geschäfte bei Hofe haben.
Den andern Morgen um 8 Uhr ließ ich mich beim Herrn v. Dewiz anmelden; ich erhielt zur Antwort, daß er die Ehre haben würde, mich zwischen 12 und 1 Uhr bei Hofe zu sehen, indem er jetzt zum Herzoge gerufen wäre; um die bestimmte Zeit würde ein herrschaftlicher Wagen zu meiner Abholung bereit sein und der Hofmarschall würde mich Sr. Durchlaucht präsentiren. Der Wagen kam und ich fuhr zu Schloß. Ein Lakai führte mich zum Hofmarschall, der schon auf mich wartete. Als wir uns einander complimentirt hatten, erzählte er mir, daß er eben meine Geschichte gelesen hätte. Der Marschall spricht zwar kein Englisch, versteht es aber sehr gut und ist mit den besten Büchern unserer Literatur bekannt. Er heißt Zesterfleth, ist schon ziemlich alt, aber ein überaus feiner Mann. Er sagte mir, daß Herr v. Dewiz dem Herzog und der Prinzessin schon meine Ankunft bekannt gemacht hätte und wenn es mir gefällig wäre, so würde er mich jetzt Sr. Durchlaucht vorstellen.
Wir stiegen nun eine große Treppe hinauf, gingen durch verschiedene Ziemer, wo ich vielen Herren und Damen im Vorbeigehen meine Complimente zollen mußte, und so gelangten wir in's Vorzimmer Von hier ward ich in das gleich daran passende Zimmer geführt, wo beide Durchl. Herrschaften mich überaus gnädig empfingen. Der Herzog hatte einen blau sammtnen Rock an, blaßgelbe Unterkleider, weiße seidene Strümpfe, brillantne Schnallen und den Orden des Hosenbands um; die Prinzessin hingegen war gekleidet im Reithabit mit dem russischen Catharinen=Orden. Unsere Unterhaltung war kurz, betraf hauptsächlich die Entbindung der Königin von England (Sophie Charlotte, eine jüngere Schwester des Herzogs Adolph Friedrich), wovon man stündlich Nachricht erwartete, auch machten mir Se. Durchlaucht verschiedene gnädige Complimente wegen meiner Geschichte und setzten hinzu, Sie wünschten, daß mein Aufenthalt in Strelitz mir einiges Vergnügen schaffen möchte. Hierauf ging ich mit dem Marschall wieder in das Vorzimmer zurück, wo ich den Hrn. v. Dewiz vorfand. Da wir nicht Zeit hatten, sich lange zu unterhalten, so sagte er mir nur kurz, daß ich während meines Aufenthalts in Strelitz sowohl Mittags als Abends an fürstlicher Tafel speisen würde, dahingegen bäte er sich aus, daß ich bei ihm jedesmals frühstücken möchte, da er dann zugleich die Ehre haben würde, mich mit seiner Gemahlin, mit welcher er seit seiner Zurückkunft aus London verheirathet wäre, bekannt zu machen. Während dieser Unterredung gaben die Trompeten das Zeichen zur Tafel.
Gleich nachher erschien der Herzog, der seine Prinzessin Schwester führte, welchen verschiedene Herren und Damen paarweise in's Speisezimmer folgten, wo eine Tafel von etwa zwanzig Couverts gedeckt war. Nachdem einer von den Pagen laut und vernehmlich gebetet hatte, setzte der Herzog sich an seinen gewöhnlichen Platz; ihm zur Rechten saß die Prinzessin und linker Hand eine Hofdame, die übrige Gesellschaft setzte sich ohne Unterschied auf den ersten besten Platz. Hr. v. Dewiz nahm seine Stelle dem Herzog und der Herzogin gerade gegenüber und nöthigte mich neben sich, damit ich mich mit größerer Bequemlichkeit mit den Durchlauchten Herrschaften oder auch mit ihm unterhalten könnte. Die anwesende Gesellschaft bestand größtentheils aus Cavalieren, Hofdamen und Offizieren von der Garde; die Tafel selbst bestand aus einer Suppe, drei Gängen und dem Nachtisch. Wildpret war im Ueberfluß vorhanden, welches man hier aber nicht sonderlich zu achten scheint; von den Vielerlei Weinen gefiel mir der Burgunder am besten. Gesundheiten werden zwar sonst bei vornehmen Tafeln nicht getrunken, indessen ward diesmal von der Gewohnheit abgegangen, indem man des Königs und der Königin von Großbritannien Gesundheit ausbrachte. Auch hatten wir sehr gutes Bier aus des Herzogs Brauerei zu Mirow, sowie auch englisches Bier, wovon der Herzog ein sehr großer Liebhaber ist.

(Fortsetzung folgt.)


Anzeigen.

Vorladung.

Mittelst eines unterem heutigen Tage erlassenen Proclams sind alle Diejenigen, welche Forderungen oder Ansprüche an die, unter der Rechtswohlthat des Gesetzes und Inventars angetretene Hinterlassenschaft des verstorbenen Schlossermeisters Schultz zu haben glauben, zur Anmeldung und Bescheinigung derselben ein= für allemal, mithin peremtorisch und unter Androhung der Präclusion, auf Freitag den 30. k. Mts., Mittags 12 Uhr, zu Rathhause hieselbst verabladet.
Auswärtige Gläubiger müssen einen Bevollmächtigten hieselbst bestellen oder gewärtigen, daß

[ => Original lesen: 1866 Nr. 85 Seite 4]

ihnen ein solcher von Gerichtswegen wird zugeordnet werden.
Ratzeburg, 14. October 1866.
Königlich, Herzoglicher Stadt=Hauptmann, Bürgermeister und Rath.
(L.S.) In fidem Richter, Stadt=Secretair.


Vermischte Anzeigen.

Am Sonnabend, den 27. dieses Monats, von Morgens 9 Uhr an, werde ich auf gerichtliche Verfügung folgende, zur Debitmasse des Kaufmanns August Brandt hieselbst gehörige Colonial=Waaren, als:

Kaffee, Zucker, Reis, Bonbons, Rosinen, Syrup, Canehl, Häringe, Thee, Cichorien, Soda, Tabak, Glanzstärke, verschiedene Oelfarben und Oele etc.,
ferner
zwei gut erhaltene Wagen, zwei vollständige Sielengeschirre, Heu, Stroh und Dung u. s. w.
öffentlich meistbietend gegen sofortige Baarzahlung im Brandt'schen Wohnhause verkaufen und lade Kaufsliebhaber hiedurch dazu ein.
Rehna, den 18. October 1866.
Bruse, Gerichts=Actuar.


Delicaten Flomhäring, vorzüglich schön, sowie reines schönes Schweineschmalz empfiehlt C. Schwedt.


Auf der Chaussee zwischen Kl. Siemz und Niendorf ist am Sonntag, den 14. October, eine neue gedruckte Schürze gefunden worden, welche die Eigenthümerin beim Webermeister Hecht in Schönberg zurückerhalten kann.


200,000 Gulden
baares Silbergeld
kann Jedermann gewinnen, der sich bei der
großen Frankfurter Geld-Verloosung
betheiligt, sowie weitere Haupttreffer von Gulden 100,000, 40,000, 25,000, 20,000, 15,000, 12,000, 10,000, 6000, 5000 etc.
Diese von der hohen hiesigen Regierung genehmigte und von der Stadt garantirte
Neueste große Prämien=Verloosung
bietet den Theilnehmern in jeder Beziehung die größten Vortheile. Alle Nummern ohne Ausnahme werden gezogen.
Das ganze Einlagekapital wird binnen fünf Monaten mittelst Gewinn=Ziehungen zurückbezahlt und müssen planmäßig dis dahin sämmtliche 12,500 Gewinne, 11 Prämien und 18,400 Freiloose von den Interessenten erlangt werden.
Ganze Original=Loose kosten fl. 6. oder Thlr. 3. 13
Halbe Original=Loose kosten fl. 3. oder Thlr. 1. 22
Viertel Original=Loose kosten fl. 1 1/2. oder Thlr. -. 26
(Diese Original=Loose sind mit dem Stadt=Siegel versehen.)
Schon am 12. und 13. kommenden Monats beginnen die Ziehungen. Bestellungen unter Beifügung des Betrages oder gegen Post=Nachnahme werden sofort pünktlichst ausgeführt und die erforderlichen Pläne gratis beigefügt. Nach stattgehabter Ziehung erhält jeder Theilnehmer die amtliche Liste und Gewinne baar überschickt.
Jegliche Auskunft in Betreff dieser großen und interessanten Verloosungen wird gerne ertheilt und eine stets reelle gute Bedienung zugesichert. Man beliebe sich daher vertrauensvoll baldigst direkt zu wenden an
L. Steindecker=Schlesinger, Bank= und Wechsel=Geschäft in Frankfurt am Main.


Am Freitag, den 26. October, im Saale des Herrn Krüger Robrahn zu Carlow
Concert & Ball.
Entrée für Herren 16 Schilling (Mecklenburg), Damen 8 Schilling (Mecklenburg).
Anfang 6 1/2 Uhr. Es laden hiezu freundlichst ein
Schönberg, den 22. October 1866.
Die Vereins=Musiker.


Zahnschmerz   Die heftigsten Zahnschmerzen
beseitigen augenblicklich unfehlbar die berühmten
Tooth-Ache Drops.
Verkauf in Originalgläsern à 12 Schilling (Mecklenburg) od. 7 1/2 Sgr. in Schönberg bei J. P. Bade.
Aehnliche Anzeigen beruhen auf Anmaßung und Fälschung.


Ein Pferde=Knecht findet noch zum 24. October einen Dienst zu Hof Menzendorf.
Lohn 34 Thlr. und Reise=Rock.



Auf dem Fußsteige, der vom Rupensdorfer Stege nach Petersberg führt, wird seit einiger Zeit mit Schubkarren etc. gefahren; da uns bei dieser Gelegenheit unsere Saaten beschädigt werden, so sind wir genöthigt, künftig alle mit solchen Karren etc. darauf Betroffenen dem Gerichte anzuzeigen.
Hauswirth Wilms und
Hauswirth Bohnhof in Petersberg.


Apotheker Bergmann's Theerseife, wirksames Mittel gegen alle Arten Hautunreinigkeiten, empfiehlt à Stück 8 Schilling (Mecklenburg) J. F. Eckmann.


Backtafel für die Stadt Schönberg
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Schönberg, den 20. Oktober 1866.
Bürgermeister und Rath.


Meteorologische Beobachtungen.
1866
Okt.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
19.
20.
21.
22.
42.42
43.86
41.44
40.08
-0.6
0.5
0.2
1.2
8.8
9.5
9.5
8.8
O
OSO
SO
OSO
1
1
1
1
völlig heit.
-
heiter.
völlig heit.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund13 1/2 - 14 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund14 - 14 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Hasen, d. St. 28 - 32 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.12 - 16 Schilling (Mecklenburg).
Küken d. St.7 - 9 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Gänse48 - 60 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 6 - 7 St. für4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß5 - 6 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weitzen20 - 21Mark (Lübeck)12Schilling (Mecklenburg)
Roggen14 1/2 - 15Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Gerste13 - 13Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)
Hafer9 1/2 - 10Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Erbsen13 - 16Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen10 - 11Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
W.=Rapsaat-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wint.=Rübsen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat19 - 20Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Buchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


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