No. 88
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 10. November
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 1]

- Aus Anlaß des Spielerprozesses ist nach der "Voss. Ztg." eine Kabinetsordre des Kaisers an die Offiziere der Armee ergangen, die in den unzweideutigsten Ausdrücken das Hazardspiel verurtheilt und im Fall der Uebertretung strenge Strafen androht. Die Ordre ist in den letzten Tagen den Offizieren zur Kenntniß gebracht worden. - Es verlautet zuverlässig, daß eine Reihe von Offizieren infolge des Hannoverschen Spieler=Prozesses ihren Abschied erhalten werden.
- Rittmeister v. Meyerinck hat selbst Hand an sich gelegt. Er hat sich im Gefängnis erhängt. Als Schlinge hat er nach Privatmeldungen die Borde eines in seiner Zelle stehenden Sessels benutzt.
- Herzog Ernst Günther, der Bruder der Kaiserin, wird sich nach dem "Niederschl. Anz." mit der Tochter des Fürsten Karl zu Carolath=Beuthen, Sibylla, verloben. Der Herzog steht jetzt im 31. Lebensjahre, Prinzessin Sibylla ist 26 Jahre alt.
- Der Großherzog von Mecklenburg=Schwerin ist am Montag Vormittag zum Winteraufenthalt nach Kannes abgereist.
- Der Entwurf der Tabakfabrikatsteuer ist dem Bundesrathe zugegangen; er berechnet den Mehrertrag nur auf 45 Mill. M. Es wird als Zoll erhoben für Tabakblätter unbearbeitet, sowie Stengel und Tabaksaucen 40 M., für Cigarren 400 M., für Cigaretten 500 M., für anderen fabrizierten Tabak 250 M. pro 100 Kilogramm. Der Zoll für Rohtabak kann bis zu 9 Monat gestundet werden. Die Steuer für im Inlande hergestellte Cigarren und Cigaretten beträgt 33 1/3 Prozent, für Rauchtabak 66 2/3 Proz., für Kau= und Schnupftabak 50 Proz. des Fakturapreises, zu welchem die Fabrikate ausschließlich der Steuer vom Fabrikanten verkauft werden. Das Gesetz enthält in 78 Paragraphen Aufsichts=, Kontroll= und Strafbedingungen. - Checks= und Giroanweisungen unterliegen der Quittungssteuer von 10 Pfennig (Mecklenburg). Von dem Frachtbriefstempel bleiben alle Frachtbeträge unter 3 M. frei, auch das Passagiergepäck. - Der nächste Militäretat ist im Ordinarium um 35 Millionen höher als der des laufenden Jahres, indem die neue Militärvorlage nur mit einem halben Jahre wirksam ist. Die einmaligen Ausgaben sind um fast 60 Mill. niedriger, als im laufenden Jahre.
- Für den 19. November soll nach Berlin ein großer Tabakarbeiter=Congreß einberufen werden, um gegen die Tabakfabrikatsteuer Stellung zu nehmen. An die Mitglieder des Reichstags, der dann bereits versammelt sein wird, sollen Einladungen ergehen.
- Wie Pester Blätter melden, hat der Gesetzentwurf betreffend die obligatorische Zivilehe nunmehr die Zustimmung der Krone erhalten und wird dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden.
- Die Rüstungen in Spanien zum Kampf gegen die Kabylen werden fortgesetzt. Die Regierung hat die Jahrgänge der Reserve von 1889 bis 1891 unter die Waffen gerufen. Sie läßt ferner sechs leichte Schiffe ausrüsten, welche das Bombardement der Küste bei Melilla ausführen sollen, da die geringe Tiefe der dortigen Gewässer die Annäherung größerer Schiffe nicht zuläßt.
- Nach einem Telegramm der "Daily News" aus Constantinopel herrscht in mehreren Distrikten Armeniens eine große Hungersnoth, so daß der Preis des Weizens auf die siebenfache Höhe des normalen Preises gestiegen ist.
- Die Verwaltung der Wladikawkas=Eisenbahn hat gegen 40 000 Stück Kameele gemiethet. Dieselben sollen nach Vollendung der Petrowsker Zweiglinie zum Transport der Baumwolle aus Khokand bis zu den Stationen der Bahn benutzt werden.
- Das älteste Handelsschiff der Welt, der dänische Schooner "Svanen", der im Jahr 1777 in Eckernförde erbaut wurde, ist, wie man aus Kopenhagen meldet, am vorigen Freitag in der Nähe von Island untergegangen.
- Bauern. Landrat v. Boddien in Filehne erläßt folgende Bekanntmachung: "Es ist aus bäuerlichen Kreisen mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Bezeichnung "Bauer" zur Ungebühr mehr und mehr, besonders auch durch Einfluß der Behörden, verschwindet. Ich werde von jetzt ab diese ehrende Bezeichnung in den amtlichen Schreiben wieder überall gebrauchen und namentlich den nichtssagenden Ausdruck "Besitzer" dadurch ersetzen, da ich weiß, daß unsere bäuerlichen Wirte das Land nicht bloß besitzen, sondern auch bebauen wollen, was ihnen eben zur Ehre gereicht."
- Als warnendes Beispiel für die vielen Feinde der Radfahrer diene eine Gerichtsverhandlung, die vor einigen Tagen in Senftenberg stattgefunden hat. Ein Arbeiter Danniek machte sich den "Spaß", einen Radfahrer, der im vollen Fahren war, anzustoßen. Der Radfahrer stürzte in den Straßengraben, die Maschine zerbrach und der Fahrer verletzte sich den Fuß. Wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung angeklagt, hat Danniek nunmehr 3 Monate Zeit, darüber nachzudenken, daß solche Scherze höchst thöricht sind und vom Gericht mit Recht bestraft werden.
- Das beste Weinjahr des Jahrhunderts. Aus Bordeaux wird gemeldet, daß für das dortige Gebiet 1893 das beste Weinjahr des Jahrhunderts geworden ist. Vom Frühjahr bis zur Weinlese haben die Reben das günstige Wetter gehabt. Die Weinlese hat dabei früher als jemals, am 24. August, beginnen können. Es ist, aus sorgsamen Nachforschungen, nur einmal vorgekommen, daß im August geherbstet wurde, im Jahre 1822 nämlich, in dem die Weinlese am 31. August stattfand. An Güte wird der 1893er unbedingt zu den allerersten Marken gehören. Auch die Menge dürfte, dank einigen rechtzeitigen Regengüssen, ebenfalls sehr befriedigen, in vielen Orten war sie reichlicher als seit Menschengedenken.
- Der amerikanische Löwenbändiger Pearson kam vor einigen Tagen während einer Vorstellung in einer Menagerie zu Charkow in schrecklicher Weise ums Leben. In dem Augenblicke, als er den Kopf in den Rachen eines Löwen gesteckt hatte, schloß das Thier die Kinnbacken. Pearsons Kopf

[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 2]

wurde vollständig vom Rumpfe getrennt. Unter dem Publikum herrschte ein furchtbarer Schrecken; alle eilten ins Freie und bei dieser Flucht wurden viele Personen schwer verwundet.
- Ein mit Dynamit beladenes Schiff geriet in Santander in Spanien in Brand und flog mit ungeheurem Krach in die Luft. Alle Fenster in der Stadt und Umgebung sind gesprungen; brennende Trümmer wurden weit fortgeschleudert. Die Katastrophe hat zahlreiche Opfer gefordert. Die neuesten Meldungen besagen: Das Schiff, auf dem die Katastrophe stattfand, war der "Cabomachichaco". Das Feuer brach in dem Warenraum aus und verbreitete sich nach einer Kammer, welche 20 Kisten Dynamit als Kontrebande neben einer Ladung Petroleum enthielt. In diesem Augenblick fand die Explosion statt. Die Bemannung wurde getötet, ebenso diejenige des transatlantischen Dampfer Alphons XII., welcher zur Hilfeleistung herbeifuhr, ferner zahlreiche andere Personen alle bei der Bewältigung des Brandes thätigen Gendarmerie=Offiziere und Gendarmen außer zweien, der leitende Kapitän, seine Stellvertreter und der erste Steuermann. Die Trümmer wurden weit fortgeschleudert, fielen auf die benachbarten Häuser, zerstörten die Eisenbahngeleise und verwundeten und töteten eine große Zahl Menschen. Ein Personenzug, der gerade in den Bahnhof einlief, wurde zertrümmert, mehrere Reisende wurden getötet oder verwundet. - Unter den Getöteten, nachträglich auf 300 Personen geschätzt, befinden sich der Gouverneur der Stadt und andere Autoritäten. Außerdem standen infolge der Explosion 60 Häuser in Flammen; man befürchtet beim Mangel an Löschapparaten eine weitere Ausdehnung des Brandes. Der Telegraph ist unterbrochen.
- Ein Maschinenwärter und eine Millionärstochter ließen sich vor einigen Wochen in St. Paul, Minn., in Hymens Fesseln schmieden, aber schon jetzt hat die verliebte Schöne in die Scheidung gewilligt. Der junge Mann wird mit einer nicht unbedeutenden Summe Geldes abgefunden, und das ungerathene Töchterchen in ein Kloster in Newyork gesteckt.
- In Newyork ist kürzlich ein Oelgemälde, ein echter Rembrandt (Portrait von Rembrandts Frau), im Werth von 5000 Dollars gestohlen worden. Das Bild ist auf Holz gemalt und mit dem Zeichen R. 1640 versehen. Man vermuthet, daß der Dieb das Gemälde in Europa zu verkaufen versuchen wird.
- Ein gestrenger Herr ist der Direktor eines Seminars in der Provinz Sachsen. In einem Erlaß an die Eltern der Seminaristen schreibt er: "Schon seit längerer Zeit ist mißfällig bemerkt worden, daß die Internatszöglinge des hiesigen Seminars von ihren Eltern Zubrot, bestehend in Butter, Schmalz, Speck, Wurst, Schinken usw. in überreichlicher Menge erhalten. Da die Verpflegung der Seminaristen jetzt (!) völlig ausreichend ist, so sind solche Sendungen durchaus unnöthig, machen vielmehr die Seminaristen wählerisch beim Essen und geben auch zu Unfug Veranlassung, die in einem geordneten Anstaltsleben nicht geduldet werden darf. Daher verbiete ich hiemit die regelmäßige Zusendung von Zubrot an die Zöglinge des Seminars und gestatte sie hinfort nur bei besonderen Gelegenheiten, z B. bei "Kaisers Geburtstag", beim Geburtstag des betreffenden Seminaristen und beim sogenannten Schlachtfeste im elterlichen Hause. Die Eltern, deren Söhne trotzdem solche Sendungen von Zubrot erhalten, haben zu gewärtigen, daß ihren Söhnen, wenn sie ein staatliches Stipendium beziehen, dieses Stipendium sofort gekürzt oder gänzlich entzogen wird, und daß das bei Revisionen gefundene, von diesen Sendungen herrührende Zubrot auf meine Verordnung konfiszirt und dem Kastellan zum Verschenken an arme Leute in der Stadt übergeben wird. In besonderen Fällen werden auch noch anderweitige disziplinarische Bestrafungen der Seminaristen erfolgen.
- Fünfzig Tage gehungert. Von einem merkwürdigen Fall unfreiwilligen Hungerns berichten russische medizinische Zeitungen. Ein junges 19jähriges Mädchen wurde in der Nähe von Ruzino Gouvernement Moskau auf freiem Felde von der Nacht überrascht. Da sie sich fürchtete, in der Dunkelheit weiterzugehen, beschloß sie, unter einem strohgedeckten Schuppen zu verbringen. Kaum hatte sie sich hinein begeben, als ein fürchterliches Schneegestöber losbrach und das junge Mädchen bis zum nächsten Morgen unter einer Schneedecke begrub, die es nicht mehr imstande war, zu entfernen. Am ersten Tage nährte sie sich von 5 Brötchen, die sie bei sich hatte; von da ab bildete das einzige Erfrischungsmittel der Schnee. Erst nach 51 Tagen wurde sie unter der 3 1/2 Fuß hohen Schneedecke entdeckt und ins Hospital geschafft. Obwohl vollkommen entkräftet und nicht imstande ein Glied zu rühren, war sie doch bei vollem Bewußtsein und konnte auf Fragen mit schwacher Stimme antworten. Die Haut war kreideweiß und zeigte wassersüchtige Erscheinungen, die Schleimhäute waren vollkommen blutlos und keine Spur von Fett mehr am Körper; sogar das Muskelfleisch war zumteil geschwunden. Trotzdem war noch verhältnismäßig energisches Leben in dem Körper. In den ersten zwei Tagen befand sich die Kranke fast immer in einem Zustande halber Bewußtlosigkeit und Schlafsucht erholte sich aber schnell und war schon innerhalb einer Woche in voller Genesung.
- Hauskehricht zur Heizung, Straßenbeleuchtung und Pflasterung. Diese Verwendungsarten sind nicht etwa als ein schlechter Witz aufzufassen, sondern sie werden allen Ernstes erwogen. Nach Berliner Tageblättern hat eine Hausfrau dem Oberbürgermeister Celle den Vorschlag gemacht, die Verbrennung des Inhalts der Kerichteimer in der Küchenfeuerung zu verlangen. Sie beruft sich auf 27jährige Erfahrungen in verschiedenen Wohnungen und bestreitet, daß das Verbrennen irgendwo nicht möglich sei. Nur die Asche dürfe auf den Hof gebracht werden. Die ungesunde Ansammlung fauliger Abfälle und deren übelriechende Abfuhr durch die Straßen werde dadurch rasch und billig beseitigt, zum Vorteil der Bewohner wie der Stadtverwaltung. Professor Forbes in Paddington hat ausgerechnet, daß mit dem Hauskehricht der Stadt Edinburgh deren elektrische Straßenbeleuchtung für täglich 1,75 Stundenlampen zu 16 Normalkerzen erzeugt werden könne, und zwar derart, daß der Kehricht in großen Oefen verbrannt, dadurch Kessel geheizt und Dampfmaschinen betrieben werden, welche Wasserpumpen in Bewegung setzen, mittels deren ein Sammelweiher oberhalb der Stadt gefüllt wird. Alsdann läßt sich eine Turbinenanlage aus diesem Weiher speisen, mittels deren zur Bedarfszeit die Dynamomaschinen in Bewegung gesetzt werden. Ebenda wird die Gesammtmasse des Haus= und Straßenkehrichts in Berlin auf eine Million cbm jährlich veranschlagt. R. Schneider in Berlin hat nach einem Vortrage von Dr. Wehl in der deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege den Plan gefaßt, das Müll nicht zu verbrennen, sondern auf 1400 bis 1700° zu erhitzen und dadurch einzuschmelzen, dann in Formen zu gießen, die zu verschiedenen Zwecken, u. a. auch zu Straßensteinen verwendet werden können.

                                                    (Hann. Gewerbeblatt.)

- Compliziert. A.: "Mensch, Du siehst ja schrecklich aus, was fehlt Dir denn?" - B.: "O, ich komm mir vor wie eine Menagerie; gestern abend Schafskopf gespielt - Schwein gehabt - Bock getrunken - Spitz erwischt - Affen nach Hause gebracht - heute Kater - brrr!"
-Vom Kasernenhof. Wachtmeister: "Sie erhalten acht Tage Kasernenarrest, Einjähriger, weil Sie dem Herrn Leutnant ein zu familiäres Honneur erwiesen haben." - Einjähriger: "Der Herr Leutnant ist ja aber mein Vetter." - Wachtmeister: "Das ist ganz egal, respektieren müssen Sie ihn doch, und wenn er selbst Ihr Vater wäre."


Auf dem Schnepfenstrich.

Es war im Frühjahr 1886, als ich in der Königlichen Oberförsterei H . . . . in Begleitung zweier Forstbeflissenen auf den Schnepfenstrich ging. Der eine von diesen Anhängern war ein sehr eifriger und leidlicher Schütze, der andere jedoch das krasseste Gegenteil. Wir stellten uns auf eine Distriktslinie in einem jungen Erlenstangenholze mit je einem Abstande von ungefähr 200 bis 250 Schritten. Ich nahm den rechten Flügelposten, der

[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 3]

beste der beiden Forstbeflissenen war mein Nebenschütze, und so erwarteten wir die Tierchen, die da kommen sollten, und zwar versprach der Abend nach dem Wetter zu urteilen und falls schon Schnepfe da sei, sehr gut zu werden. Nach kaum 10 Minuten schreit mein Nebenmann mit halsbrecherischer Stimme in einemfort tire haut! tire haut! Ich glaubte jetzt ganz sicher, daß derselbe nicht recht bei Troste sei, jedoch sah ich, daß 2 Schnepfen von demselben die Linie entlang auf mich direkt zustrichen, jetzt hieß es flink sein, und richtig, die Doublette gelang. Mein Hund - ein großartiger Apporteur - sollte mir die letztgeschossene zuerst apportieren, da es mir vorkam, als sei dieselbe nicht ganz verendet aus der Luft gekommen, kam meinem Befehle nicht sofort nach, sondern holte mir die Erstgeschossene, und so vergingen einige Minuten, ehe der Hund die zweite suchte, derselbe blieb mir etwas lange aus und so sah ich mich genötigt, demselben nachzugehen, nach einiger Zeit brachte mir derselbe die noch lebende Schnepfe. Bei dem Nachgehen hatte ich die Hähne in Ruhe gesetzt, und so hatte ich das Vergnügen, als ich wieder auf die Linie trat und mich 2 Schnepfen sozusagen beinahe umstrichen, mit aller Gewalt die Abzüge zurückzuziehen und mir an dem Zeigefinger Blutblasen zu drücken, ohne jedoch etwas aus den Läufen zu bringen. Außer diesen 4 Schnepfen kamen mir noch 2 einzelne, welche ich leider fehlte. Wahrscheinlich war die Erregung über das vergebliche Drücken bei den vorigen beiden schuld. Während meines Schießens und Suchens hatten nun meine Begleiter ein regelrechtes Gefechtsfeuer eröffnet, so daß ich annahm, diese wütenden Nimrode haben mindestens so viele Langschnäbel erlegt, daß ich event. eine Schiebkarre holen mußte. Nach dem Strich pfiff ich ab, hierauf schrie mein Nachbar mit wahrhafter Riesenstimme: "Um Gotteswillen Herr St . . . . . lassen Sie doch Ihren Hund los, ich habe bestimmt 3 Schnepfen heruntergeschossen," ich erwiderte ihm, daß ich kommen wolle. Als ich bei ihm war, kam auch der andere Schnepfentöter mit einem ganz drolligen Gesicht und meinte: "nein die Tiere kann ich nicht treffen und ich gehe nicht wieder auf den Strich." Ich gab ihm hierauf auch den guten Rat, lieber zu Hause zu bleiben und Romane zu lesen. Der glückliche Schütze brachte mich auf die Stelle, wo seiner Meinung nach die zweite Schnepfe heruntergekommen sei. Die erste hatte er wirklich getroffen und auch gefunden, ich ließ meinen Flott verloren suchen, und nach kurzer Zeit brachte der Hund die geflügelte Schnepfe. Hierüber hocherfreut, sagte er: "ich gebe ein Faß Münchener, wenn du mein Hund, die dritte Schnepfe bringst." Ich sagte ihm, daß ich ihn beim Worte halte und ließ meinen Flott nochmals verloren suchen, was jedoch lange - wohl 10 Minuten - dauerte, ehe er wieder kam und wirklich mit der dritten Schnepfe. "Sofort gehen wir jetzt in die Kneipe und trinken unser Faß, das hast du brillant gemacht, mein Hund," sagte der glückliche Schütze, und wir wenden uns, nachdem wir alles, das Schießen, Vorbeischießen, Wetter und Hund usw. besprochen hatten, zum Heimweg. Wir mußten die Linie, welche wir gekommen waren zurückgehen, um die Jagdtasche mit der erstgeschossenen Schnepfe, welche auf einem ca. 1 Meter hoch abgeschnittenen Erlenstubben lag, mitzunehmen. Wer beschreibt aber das erstaunte Gesicht unseres soeben noch so glücklichen Schützen, als er seine Jagdtasche anstatt mit einer Schnepfe gefüllt mitnehmen will, dieselbe leer findet. Mir war sogleich der Gedanke in den Kopf gekommen, daß der Dieb mindestens mein Flott sei, da der arme Kerl eine dritte Schnepfe apportieren sollte, die garnicht gefallen war. Ich verriet diesen Gedanken nicht sogleich, da ich annahm, um daß Faß Bier geprellt zu werden, erst nachdem ich dem Schützen sagte, daß auch 2 Schnepfen für einen Anfänger 1 Faß Bier wert seien und dieser es bejahte, machte ich es ihm erst klar, daß Flott verstanden hätte, daß er, wenn er die dritte Schnepfe brächte, ein Faß Bier zum Besten geben wolle, und so habe derselbe auch die dritte gebracht, ohne daß sie getroffen sei. In Wirklichkeit hat der enttäuschte Schütze auch geglaubt, daß der Hund diese Unterredung verstanden hätte, jedoch ist er nur seinem Instinkt nachgegangen, um sich seiner Aufgabe zu entledigen. Dieser Vorfall ist gewiß für manchen Jäger von Interesse.

                                                    H. St., Kgl. Forstaufseher.


Anzeigen.

Offentl. Zwangsversteigerung.
Freitag, den 17. November d. Js.
Vormittags 11 Uhr

wird in Lüdersdorf eine fast neue Regulator=Uhr öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft.
Versammlung der Käufer beim Gastwirth Fahrenkrug.
Schönberg, den 9. November 1893.

                                                    Jacobs, Landreiter.


Geschäfts-Eröffnung.

Am heutigen Tage eröffne ich, Siemzerstraße 199, eine

Taback & Cigarren-Handlung.

Es wird mein Bestreben sein, die mich Beehrenden durch reelle und gute Bedienung zufrieden zu stellen und bitte ich mein Unternehmen durch gütiges Wohlwollen zu unterstützen.

                          Hochachtungsvoll
                                                    Friedr. Eckmann.
Schönberg, den 7. November 1893.                          


Zahnarzt Schleicher
früher Assistent bei Hofzahnarzt Schnoor, Schwerin,
                                                    Lübeck, Breitestraße 59, I.


Schleif-, Wetz- u. Scheuersteine
empfiehlt                                                     J. Ludw. D. Petersen.


Kuhfütterer
sucht zu sofort eine Stellung.
Näheres zu erfahren bei                          
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Ahorn= und Birken=Laubsägehölzer, Laubsägen und Feilen,
amerikanische Stuhlsitze
empfiehlt                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Lavatus.


Dauerbrand-Regulier und Petroleumheizöfen
besorgt nach Zeichnung zu soliden Preisen                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Gelbe und grüne Brecherbsen, geschälte Victoria Erbsen, weisse Bohnen, Linsen, Mannagrütze, Gries, Sago, Kartoffelgraupen, Kartoffelmehl, Hafermehl, lose und in Packeten, Reis, Reismehl, Buchweizenmehl, präparirtes Erbsenmehl, Graupen in allen Nummern. Alle Sorten Hafer-, Gerste- und Buchweizengrütze empfiehlt zu Tagespreisen.

                                                    H. Wolgast,
                                                    Bäckerei und Mehlhandlung.


Drainsspaten und Schaufel, eiserne Korn- u. Sandschaufel, Krauthacker etc.
in gut gearbeiteter Waare empfiehlt

                                                    J. Ludw. D. Petersen.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 4]

Zu dem am Donnerstag, den 23. November
bei mir stattfindenden
Landmannsballe

erlaube ich mir die Herren Hauswirthe hierdurch ergebenst einzuladen.

Schönberg.                                                     J. Boye.


Mein reich assortirtes Lager:                          
von Deutschen und amerikanischen Fleischhackmaschinen

Wurststopfmaschinen
Messingkesseln geschliffen
Brodbackformen verzinkt
Gebäckkasten
Petroleumkochern
Spirituskochern
Blumensprühern
Eierlöffeln
Schirmständern
Ofengeräthständern
Ofenvorsätzen
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Zugrollen mit und ohne Tisch,
Wringmaschinen

Plättpfannen mit amerk. Glanzplätten
Anlegeeisen
Augeneisen
Waschruffeln
Zeugklammern
Reibemaschinen
Ascheimern
Kohleneimern
Drahtausklopfern.

Neu

Glühstoffeisen, nicht dunstend, sowie Glühstoff in Cartons hält zu billigen Preisen bestens empfohlen

                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Reelles Heiratsgesuch.

Ein geb. Gutsinspektor 30 Jahre alt, sucht zwecks Gründung eines eigenen Heims mit einer vermögenden Dame in Correspondenz zu treten.
Discretion Ehrensache.
Offerten unter Z. 1.

                                                    postlagernd Schwerin.


Sonntag: Tanzmusik.
                                                    J. Boye.


18. Generalversammlung
des
landwirthschaftlichen Vereins kleinerer Landwirthe für das Fürstenthum Ratzeburg
am Donnerstag, den 16. November 1893,
Vormittags 9 1/2 Uhr
im Lokale des Herrn Gastwirth J. Boye=Schönberg.
                                                    Der Vorstand.


Bahnhofsrestauration.
Sonntag: Gulasch!
Täglich:
Pschorrbräu und Rostocker-Lagerbier
vom Fass
Grätzer Rauchbier, Pale Ale,
Porter und Imperial Brown Stout
in Flaschen,
empfiehlt ergebenst                                                    
                                                    F. Richter.


Gesangverein "Teutonia."
Am Donnerstag, den 16. November cr.,
Vereins-Ball
im Lokale des Herrn Gastwirth Boye hier.
Anfang 7 1/2 Uhr.
Einführung durch Mitglieder findet statt.
                                                    Der Vorstand.


Am Freitag, den 17. November cr.
findet bei mir ein                                                    
Landmannsball
statt, wozu ich freundlichst einlade.                                                    
                                                    H. Tretow, Demern.
Anfang Abends 6 Uhr.


Sonntag, den 12. d. Mts.
findet bei mir ein                                                    
Abendessen
statt                           Anfang 6 1/2 Uhr.                              
                                                    Wienck=Sülsdorf.


Verloren  eine Pferdedecke von der Marienstraße bis zur Wallstraße.

                                                    A. Wieschendorf.


Verloren am Sonntag auf dem Wege von der Kirche bis zum Baubrink ein Gesangbuch, mit den Buchstaben M. U. gezeichnet. Abzugeben gegen Belohnung in der Exped. d. Bl.


Am 9. d. Mts. Vormittags wurde auf dem Wege vom Ollndorfer Kruge (Eulen=Krug) bis Schönberg ein Sack mit Leinen u. ein Sack, leere Säcke enthaltend, verloren. Abzugeben gegen Belohnung bei Fuhrm.

                                                    Fanselow=Schönberg.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, 12. November.

Vormittagskirche: Pastor Krüger.
Abendkirche (6 Uhr): Consistorialrath Kaempffer.
   Amtswoche: Pastor Krüger.


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 55-57 M., große Schweine 56-57 M., Sauen 43-52 M., Kälber 80-95 M. per 100 Pfund.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends 11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1, Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nachm. 5,40 Nachm. 8,54 Abends.


Hierzu eine Beilage.
und Ilusrirtes Beiblatt Nr. 45.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 88 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 10. November 1893.


Reformationsfest.

In der Wittenberger Lutherhalle findet sich eine Silbermünze, die auf der einen Seite das Bild Friedrichs des Weisen zeigt, auf der anderen in Latein den Spruch trägt: Gottes Wort bleibt in Ewigkeit.
Die Reformation, deren Gedächtniß die Evangelischen begehen, ist wohl der großartigste Beweis für die Wahrheit dieses Spruchs. Erst mißverstanden, dann unverstanden. Schließlich verdrängt durch Menschenwort schien das Gotteswort zu veralten und zu vergehen. Da entdeckt ein Mönch die Segenskräfte dieses Wortes; Luther überträgt die Bibel in deutsche Art; sie wird zum Volksbuch, zum Schulbuch, zum Lebensbuch der Deutschen. Goethe sagt: "Je höher die Jahrhunderte an Bildung steigen, desto mehr wird die Bibel genützt werden können, freilich nicht von naseweisen sondern von weisen Leuten." Hat aber jeder Evangelische das Bibelbuch in seinem Hause ? Verstaubt die Traubibel nicht auf dem Sims ? Mahnt jeder Vater seinen Sohn beim Auszug ins Leben: Mit allem anderen gehe sparsam um, mit diesem Buche aber verschwenderisch?
Die Reformation gab uns die Bibel zurück. Auf das Bibelwort fußend trat Luther aller Menschensatzung entgegen, die mit diesen Worten nicht in Einklang zu bringen war, uns befreite Jener, der frei sein wollte, von den Fesseln, in denen die Seelen schmachteten. Man lese nur seine Schrift "von der Freiheit eines Christenmenschen."
Die deutsch=evangelische Christenheit feiert jährlich das Reformationsfest als Gedenktag der Befreiung von Menschensatzung und Menschenwort. Aber nur dann feiern wir in Segen, wenn die Erinnerung an das Erbe der Reformatoren uns antreibt, dies Erbe auch zu bewahren und vor leichtsinniger Verschleuderung oder vor Umtausch desselben gegen falsche Münze uns zu hüten. Ja, evangelisches Volk, halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme! Laß deine Glieder, sofern sie es noch nicht sind, freie Gotteskinder werden, frei vom Unglauben, frei vom Aberglauben, frei im Glauben.

                                                    S.


- Neustrelitz. Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin haben Höchstsich mit dem jüngsten Prinzen Herzog Karl Borwin Hoheit am Montag Morgen mit dem 8 Uhr Zuge der Nordbahn nach Dessau begeben.
- Neustrelitz. Auf Allerhöchsten Befehl legte der Großherzogliche Hof wegen des Ablebens Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Marguerite von Orléans Fürstin Czartoryska auf 8 Tage, sowie Sr. Durchlaucht des Prinzen Wilhelm zu Schleswig=Holstein=Sonderburg= Glücksburg auf 3 Tage Trauer an.
- Schönberg. Der hiesige Gartenbauverein hat sich für das Fürstenthum schon seit seiner Gründung um die Auswahl der ergiebigsten Kartoffelsorten verdient gemacht. Auch in diesem Jahre sind 10 Sorten versuchsweise angepflanzt und zwar von jeder Sorte 4 Pfd. Es ergab sich, daß Gloria, Phöbus und Prof. Merker die besten Erträge lieferten, Hebe war den Sommer im Kraut krank und eignet sich jedenfalls nicht für die hiesigen Verhältnisse. Das Versuchsfeld war starker ungedüngter Lehmboden.
- Schönberg. In Selmsdorf, wo im letzten Sommer in Folge des Lehrermangels außer dem Hauptlehrer nur ein Lehrer thätig war, ist nach Michaelis ein Hilfslehrer Zingelmann aus Dewitz bei Stargard angestellt worden. Auch die Lehrerstelle in Klocksdorf, zu der sich kein Bewerber gefunden hatte, ist nun endgültig durch den Lehrer Brandt aus Neukanow besetzt.
- Die Frage, ob die Inhaber von Eisernen Kreuzen sich "Ritter" oder nur Inhaber dieser Auszeichnung nennen dürfen, ist nunmehr im ersteren Sinne durch den Kaiser selbst bestätigt worden. Das Recht, sich Ritter des Eisernen Kreuzes zu nennen, ist den Inhabern desselben von jeher streitig gemacht worden, trotzdem Kaiser Wilhelm I. durch Kabinettsordre vom 4. Dezember 1871, betreffend die Reihenfolge, in welcher die preußischen Orden zu tragen sind, bestimmt hatte, daß von den im Knopfloch (an der Schnalle) zu tragenden preußischen Orden, Ehrenzeichen und Denkmünzen das Eiserne Kreuz II. Klasse (das Eiserne Kreuz I. Klasse wird bekanntlich auf der linken Brust getragen) vor dem Ritterkreuz vom königl. Hohenzollernschen Hausorden rangieren soll. Hieraus ging hervor, daß der unsterbliche Begründer des deutschen Reiches, Kaiser Wilhelm I., schon dem Eisernen Kreuze II. Klasse in der Reihe der Orden und Ehrenzeichen an der Brust der Ausgezeichneten den ersten Platz angewiesen hatte. Trotz alledem haben selbst Militärbehörden den mit dem Eisernen Kreuze geschmückten Mannschaften der deutschen Armee das Recht, sich Ritter des Eisernen Kreuzes zu nennen, bis jetzt immer noch streitig gemacht. Auf dem letzten Verbandstage der versammelten Vertreter sämmtlicher Vereine der Ritter des Eisernen Kreuzes in Dresden hatten nun dieselben dem auf Helgoland gerade anwesenden Kaiser ein Begrüßungstelegramm übersandt. Darauf ist folgende Depesche aus Helgoland an den Bundesvorstand eingegangen:

"Se. Majestät der Kaiser lassen den zum Bundestage versammelten Vertretern der Vereine der Ritter des Eisernen Kreuzes für das erneute Gelöbnis der Treue bestens danken.

                                                    v. Lippe, Oberst."

Hiernach ist die Bezeichnung "Ritter" des Eisernen Kreuzes somit also für immer bestätigt.
- Der "Reichsanzeiger" schreibt: Dem energischen Eingreifen der Behörden ist es gelungen, die Cholera überall, wo sie sich zeigte, so erfolgreich zu bekämpfen, daß nur noch ganz vereinzelte Fälle vorkommen. Gemäß einem Beschlusse der Cholerakommission des kaiserlichen Gesundheitsamtes werden daher vorab nur zweimal wöchentlich, später nur einmal wöchentlich die neu vorgekommenen Cholerafälle veröffentlicht.
- Nach den "Neuesten Nachr." beschlagnahmte die Polizei in München teils gestohlene, teils fälschlich mit der Signatur berühmter Künstler versehene Bilder im Werte von 54 000 Mark. Zwei Beteiligte wurden verhaftet.
- Zur Verzinsung der Reichsschuld dürfte für 1894/95 ein Mehr im Betrage von 5,3 Millionen gefordert werden. Davon würden etwa 5 Millionen auf die 3proz. Reichsschuld entfallen. Insgesamt kommen von den Zinsen auf die 4proz. Reichsschuld 18 Millionen, auf die 3 1/2proz. 26,5 Millionen und auf die 3proz. etwas über 25 Millionen. Die Gesamtschuld des Reichs dürfte sich für den 1. April 1895 auf 700 Millionen 3proz. Anleihe, 690 Mill. 3 1/2proz. und 450 Millionen 4proz. Anleihe belaufen.
- Die großen Fleischdiebstähle in der Centralmarkthalle in Berlin ziehen immer weitere Verhaftungen von Fleischergesellen nach sich. Soeben wurden wieder zwei Gesellen eines in der Thaerstraße wohnenden Großschlächtermeisters verhaftet, die ihrem Meister im Zeiträume von vier Monaten für etwa 1500 Mk. Fleischwaaren stahlen.
- In Schneidemühl ist nach den neuesten Nachrichten die Lage äußerst kritisch. Dem Unglücksbrunnen entströmt gegenwärtig eine dickflüssige Masse, welche mit ziemlich großen Thonstücken durchsetzt ist. Es wird befürchtet, daß ein Einbrechen des Erdbodens im Umkreise des Brunnens stattfinden und das hervorbrechende Wasser die Kleine Kirchenstraße überschwemmen könnte. Um eine solche Ueberschwemmung zu verhüten, wird wahrscheinlich ein Graben über die Große Kirchenstraße nach der Küddow gezogen werden, so daß die überfließenden Wassermassen in die Küddow geleitet werden könn=

[ => Original lesen: 1893 Nr. 88 Seite 6]

ten. Brunnenmeister Beyer bezweifelt jetzt, ob er die Quelle in nächster Zeit werde vollständig schließen können. Vorläufig hat der Magistrat ihm freie Hand gelassen. Es wird Tag und Nacht an der Quelle gearbeitet.
- Schon jetzt haben im Riesengebirge die Hörnerschlittenfahrten begonnen. Nach dem "Boten a. d. Riesengeb." sind nicht nur die Holzschlitten, auf denen das Zuthalrücken des im Sommer oben im Gebirge gefällten Holzes erfolgt, in Thätigkeit gesetzt, auch die Hörnerschlitten für die Thalfahrt der Touristen und anderer Personen thun schon ihre Dienste. Am Mittwoch sind u. a. zwei Hirschberger Herren, die nach der Peterbaude hinaufgewandert waren, mit Hörnerschlitten schon abwärts bis zur "Jägerhütte" gefahren.
- Die dänische Regierung zeigte dem Reichsmarineamt in Berlin an, daß an der Südküste von Langeland die Leiche eines deutschen Seeleutnants angetrieben ist, zweifellos die des Anfangs August an Bord des Panzerschiffes "Baden" verunglückten Leutnants zur See L. Oelsner.
- Ueber das Geschlecht v. Meyerinck, dem der verurtheilte Mitangeklagte im hannoverschen Spielerprozeß angehört, schreibt das von Prof. Kueschke herausgegebene Neue allgemeine Deutsche Adelslexikon Band 6 Seite 280 Folgendes: Meyerinck. Ein aus dem Clev'schen stammendes Adelsgeschlecht, aus welchem seit dem 17. Jahrhundert Sprossen in kurbrandenburgischen und königlich preußischen Diensten standen. - Dietrich Richard von Meyerinck wurde 1757 Generallieutenant und starb 1775 im Pensionsstande und Georg Wilhelm Ludwig von Meyerinck, königlich preußischer Wirklicher Geh. Rath und Kammerherr, früher königlicher Hofmarschall und Intendant der königlichen Schlösser, wurde später Ober=Schloßhauptmann und bekleidete diese Würde noch um 1860. - Die Familie besaß im Brandenburgischen 1767 und noch 1803 die Güter Biesow, Brunow, Lenenberg und Werftpfuhl im Kreise Ober=Barnim. Der Vater des in Hannover bestraften von Meyerinck gehört dem Hofstaate Kaiser Wihelm's I an. Im "Handbuch über den königlich preußischen Hof und Staat für 1876" z. B. Steht er unter dem Hofstaate verzeichnet als: Vice=Oberjägermeister Herr v. Meyerinck, Kammerherr. Rother Adlerorden 2. Klasse mit dem Stern, Eichenlaub und mit Schwertern am Ringe. Kronenorden 3. Klasse. Rechtsritter des Johanniter=Ordens. Commandeurkreuz des anhaltischen Haus=Ordens Albrecht des Bären und des braunschweigischen Hausordens Heinrich's des Löwen, Italienischer St. Mauritius= und Lazarusorden, Großoffizier. Sachsen=Ernestinischer Hausorden Comthurkreuz.
- In Paris ist der Senator Tirard, der es vom Goldarbeiter bis zum Ministerpräsidenten gebracht hatte, aus dem Leben geschieden, Tirard gehörte zu den vertrautesten Freunden des Präsidenten Carnot.
- Wie man aus Bordeaux schreibt, hat die diesjährige Trockenheit dem Weine in keiner Weise geschadet, und wie man jetzt beurteilen kann, so wird der 1893er eine berühmte Marke werden. Besonders die Qualität der bekannten Lagen läßt zu wünschen nichts übrig. Auch quantitativ ist das Resultat vorzüglich. So haben Chateau=Margaux und Chateau=Lasitte je 300 Tonnen geerntet und Pontet=Canet 325.
- Wie der Times aus Philadelphia gemeldet wird, hat das Schatzamt festgestellt, daß die Ausgaben im Oktober die Einnahmen um 5 Millionen Dollars übersteigen werden. Seit dem Juni bleiben die Einnahmen hinter den Ausgaben um 24 Millionen zurück. Die Zolleinnahmen seit dem Juni ergeben eine Verminderung um 19 Millionen Dollars.
- Nach einer Meldung des Londoner "Standard" aus Newyork soll das Defizit des Staatsschatzes durch allmälige Ausprägung von Silbermünzen bis zur Höhe von 53 Mill. Doll. gedeckt werden. Die Münzen in San Franzisko und New Orleans erhielten bereits vom Schatzamt den Auftrag, die Ausprägung von Silberdollars nach dem Normalgewicht wieder aufzunehmen.
- In England scheint man mehr und mehr zu der Einsicht zu kommen, daß das französisch=russische Bündnis nicht weniger gegen England als gegen Deutschland gerichtet sei und daß es sich bei einem künftigen Krieg vielleicht noch mehr um die Frage der Seeherrschaft, für welche letztere das Mittelmeer die erste und wichtigste Station ist, handeln werde, als um die elsaß=lothringische. Es gilt daher in englischen Marinekreisen als sicher, daß die Regierung dem Parlament in nicht allzu ferner Zeit umfassende Pläne für die Verstärkung der Stellung Englands im Mittelmeer vorlegen werde. Wenn England der vereinigten Seemacht Frankreichs und Rußlands gewachsen bleiben will, so thut diese Verstärkung auch dringend noth.
- Inmitten des schwedisch norwegischen Unionkonflikts ist am Sonnabend in Christiania der Jahrestag des Bestehens der Union festlich begangen worden. Der König hielt bei dem Festmahl im königlichen Schloß eine Rede, in welcher er betonte, daß die Union beider Königreiche nothwendig sei, um deren Unabhängigkeit und Neutralität zu sichern. Ebenso hob der König die Nothwendigkeit eines gemeinsamen Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten hervor und gab der Hoffnung Ausdruck, daß alle treuen Männer zusammenstehen würden, um die Union zu schützen. Der König schloß mit einem Hoch auf die Union. Die Rede wurde mit ehrfurchtsvoller Begeisterung aufgenommen, trotzdem erscheint es fraglich, ob sie viel nützen wird.
- Nach einer Meldung aus Petersburg werden sich der Zar und die Zarin demnächst nach dem Kaukasus begeben, um daselbst ihren zweiten Sohn, den Großfürsten Georg, zu besuchen, über dessen Gesundheitszustand ungünstige Berichte in der russischen Hauptstadt einlaufen.
- In Rußland sind durch einen soeben ergangenen Befehl 15 Reserve=Brigaden neu gebildet worden, 13 im europäischen Rußland, 2 im Kaukasus, sodaß jetzt allein das europäische Rußland im Kriegsfall 64 Infanterie=Divisionen aufstellen würde. Mit der Neubewaffnung der Infanterie ist man indes in Rußland noch lange nicht fertig. Nach der "Frankfurter Ztg." werden noch zwei Jahre vergehen, ehe das russische Heer mit den neuen Gewehren versehen ist.
- Der bekannte russische Clown Durow, der sich vor der Strafkammer in Stalluponen wegen Beleidigung des deutschen Kaisers zu verantworten hatte, ist zu dem Termin nicht erschienen. In Folge dessen hat der Gerichtshof beschlossen, den Haftbefehl zu erneuern und die vom Angeklagten gestellte, 8000 Mk. betragende Kaution innerhalb vier Wochen für verfallen zu erklären.
- Nach einer Wiener Meldung des Daily Telegraph äußerte sich der Kaiser von Oesterreich betreffs des Einflusses zukünftiger Koalitionsministerien auf den Dreibund folgendermaßen: Nichts wird mich von der Aufrechterhaltung des Dreibunds abbringen; es mag schwere Finanzopfer kosten und viele Sorgen und Unruhen verursachen, aber wie auch die Opfer beschaffen sein mögen, nichts wird mich hindern, Wort zu halten.
- In ganz Spanien nehmen die Truppenbewegungen großen Umfang an. In Andalusien sind 20 000 Mann abgestellt. Die Handelsstädte erbieten sich, in 20 Stunden Truppen an die marokkanische Küste zu bringen. Der Gouverneur von Melilla erhielt den Befehl, auf die Bewohner der Riffküste zu feuern. Der Sultan ist offiziell benachrichtigt worden, daß bis zum 15. November die Differenzen von ihm zu regeln seien. Wie verlautet, hat bei Melilla ein neues, für die Spanier günstiges Gefecht stattgefunden. Eine amtliche Bestätigung liegt jedoch noch nicht vor. - Die Kabylenstämme, welche neutral geblieben waren, beabsichtigen, sich gegen Spanien zu erklären.
- In der Marienkirche zu Lüttich ereignete sich am Mittwoch während der Allerheiligen=Messe ein schweres Unglück, indem die große Glocke plötzlich herabstürzte. Eine Person wurde getödtet, 7 verwundet.
- In Mailand beschloß, angesichts des anhaltenden Mangels an Kleingeld, der Handwerkerverein die Ausgabe einer größeren Summe in Einfrankscheinen. Der "Corriere della Sera" stellt fest, daß die Mailänder Staatskassen sich weigern, größere Staatsscheine in kleines Papiergeld umzuwechseln.


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