[ => Original lesen: 1890 Nr. 75 Seite 1] Die Regulierung des "Eisernen Thores."
Unter den Aufgaben, die der Berliner Congreß s. Z. im Interesse des Welthandels der österreichischen Monarchie diktirt hat, befindet sich auch die Regulierung des "Eisernen Thores." So heißt die berühmte Felsenenge an der Donau unterhalb Alt=Orsowa, eine der bedeutendsten und gefährlichsten Stromschnellen der Donau. Der eigentliche Eiserne Thor=Paß befindet sich bei der berüchtigten Felsbank, wo der Strom bei 51 Meter Tiefe auf eine Breite von nur 117 Meter eingeengt wird und wo Felsbänke und Felsvorsprünge, kolossale Steinklippen, heftige und gefährliche Wirbel, Wasserstürze und Widerströme mit einer rapiden Geschwindigkeit die Schiffahrt gefährden. Die "agrarische Partei" war es, die die Regulierung des Eisernen Thores immer und immer wieder vereitelt hat; jetzt endlich beginnt Oesterreich seinen Verpflichtungen nachzukommen und die ersten donnerartigen Schläge der in den Fels gebohrten Minen und Schachte verkünden den Beginn der Sprengarbeiten, welche angeblich 5 bis 6 Jahre dauern werden, bis der Weg für die Schiffahrt frei ist. "Von Budapest bis zum Meere eine einzige glatte wohlfeile Wasserstraße," das bietet eine Aussicht von seltener Großartigkeit. Auf dem Wege, der durch jenes Felsenlabyrinth gebahnt wird, werden nicht nur österreichische, englische und russische Fahrzeuge, sondern auch deutsche Schiffe stromaufwärts ziehen und der Handel mit den Balkanländern wird ein lebhafter werden. Die Oesterreich vom Kongreß auferlegte Aufgabe eines Kulturpioniers ist diesem Staat noch neu; namentlich Ungarn sieht den Sprengungsarbeiten mit sehr getheilten Gefühlen zu, obwohl Budapest bei dem sich steigernden Schiffsverkehr als bedeutendster Donauhafen doch nur gewinnen kann, und in österreichischen Finanzkreisen kursiert bereits das Gerücht, daß, falls nicht ein Umschwung in der europäischen Handelspolitik eintrete, man die natürlichen Scheidewände zwischen Oesterreich und dem Balkan durch eine künstliche, durch ein System hoher Zölle, zu verhindern wissen werde. Dieses würde allerdings dem freien Verkehr einen wirksameren Riegel vorschieben, als es das eiserne Thor mit all seinen Stromschnellen und Untiefen vermocht hat.
Die schlesischen Kaisertage gehören nunmehr der Vergangenheit an, aber die Politiker haben noch nicht aufgehört, sich mit der Bedeutung des Ereignisses zu beschäftigen. In den politischen Kreisen Wiens herrscht die größte Befriedigung über den Verlauf der Begegnung von Rohnstock. Es wird derselben ein vorwiegend militärischer Character zugeschrieben, daß sie vor aller Welt die Heftigkeit des deutsch=österreichischen Bündnisses kund gethan habe. Kaiser Wilhelm ist nun zur Abhaltung von Jagden nach Ostpreußen gereist und wird von dort nach Oesterreich gehen, um den Rohnstocker Besuch des Kaisers Franz Josef zu erwidern. Welch' angenehme Pflicht der Kaiser damit erfüllt, erhellt aus einer Aeußerung, die er nach Abreise seines hohen Gastes in Liegnitz gegenüber einem Prinzen gethan hat: "Ich bin glücklich, mit dem Kaiser recht bald wieder zusammenzukommen; er ist mir gegenüber wie ein Vater zu seinem Sohn." Nach den bisherigen Bestimmungen wird der Kaiser am 2. October vormittags in Wien eintreffen und vom Bahnhof direct nach Schönbrunn fahren, von wo er nach kurzem Aufenthalt mit dem Kaiser Franz Josef die Fahrt zu den Hochwildjagden nach Steiermark antreten wird. Ob Kaiser Wilhelm nach diesen Jagden noch einige Tage in Wien verweilen wird, ist bis jetzt noch nicht festgestellt.
Auf der Pürschfahrt in den wehrauer Forsten bei Klitschdorf am 23. d. hat der Kaiser einen Zweiundzwanzigender, einen Sechszehnender, einen Vierzehnender, zwei Zehnender, einen geringen Hirsch, sowie zwei Damhirsche zur Strecke gebracht. Der Kaiser war in der heitersten Stimmung.
Kaiser Wilhelm traf am Sonnabend nachmittag zum Besuche des greisen Feldmarschalls Grafen v. Moltke auf dessen Landsitz Creisau bei Schweidnitz aus Liegnitz ein und wurde in der zum Empfange errichteten Halle von dem Generalfeldmarschall und dessen Neffen, dem Major Moltke, empfangen. Die Fahrt zum Schlosse wurde in einem leichten Parkwagen zurückgelegt. Hier wurde der Kaiser an der Freitreppe von Frau Major v. Moltke empfangen, welcher der Monarch die Hand küßte. Nach kurzem Aufenthalte im Schlosse machten der Kaiser und Graf Moltke eine gemeinsame Spazierfahrt, nach welcher in Creisau größere Tafel stattfand. Graf Moltke dankte bei derselben für die ihm widerfahrene Ehre und brachte die Gesundheit seines hohen Gastes aus. Der Kaiser drückte dem Feldmarschall zum Danke gerührt die Hand. Abends 7 Uhr reiste der Kaiser von Creisau nach Bunzlau, um der Einladung des Grafen Solms zu einer Jagd auf der Herrschaft Plitschdorf zu entsprechen. Um 9 Uhr erfolgte die Ankunft in Bunzlau, wo Se. Majestät von dem Grafen Solms empfangen wurde. Im vierspännigen Wagen durchfuhr der Kaiser die glänzend erleuchtete Stadt. Montag Abend begab sich der Monarch zu einer mehrtägigen Jagd nach Theerbude in Ostpreußen und wird von da am 30. Sept. direct nach Wien reisen, um an den Hochwildjagden in Steiermark theilzunehmen.
Der Reichskanzler von Caprivi ist am Sonnabend Abend von den Kaisermanövern in Schlesien wieder in Berlin eingetroffen. Kaiser Franz Josef hat demselben das Großkreuz des Stephansordens in Brillanten verliehen.
Die 88jährige Großherzogin=Mutter Alexandrine von Mecklenburg=Schwerin, die einzige noch lebende Schwester Kaiser Wilhelms I., ist im Schlosse zu Schwerin erkrankt und muß andauernd das Bett hüten.
Die dem Fürsten Bismarck nahestehenden "Hamb. Nachrichten" behaupten, der preußische Kriegsminister von Verdi werde Anfang October von seinem Posten zurücktreten und durch den Generallieutenant v. Kaltenborn=Stachau ersetzt werden.
Das Reichsgesetz betr. die Invaliditäts= und Altersversicherung tritt gutem Vernehmen nach am 1. Januar in Kraft. Von vielen der in ganz Deutschland in der Zahl von 31 zu errichtenden
[ => Original lesen: 1890 Nr. 75 Seite 2]Versicherungsanstalten hört man, daß sie bereits die Wahlen zum Vorstand, sowie zum Ausschuß vollzogen haben. Die nächste Aufgabe dieser Versicherungsanstalten wird die Bildung von Schiedsgerichten für ihre Bezirke sein.
Auf höhere Anordnung ist in den königlichen Fabriken zu Spandau sämtliche Frauen=Nachtarbeit eingestellt worden.
Bei allen großen Manövern, die in diesem Herbst im Ausland stattgefunden haben, ist das Hauptinteresse auf die Wirkung des rauchlosen oder, besser gesagt, rauchschwachen Pulvers gerichtet gewesen, so auch in Frankreich, wo bei den unter der Oberleitung des Generals Billot abgehaltenen Manövern das neue Pulver im größten Maßstab zur Verwendung gelangt ist. Nach den vorliegenden Berichten haben dort die Schießversuche, deren Wirkung bei dem klaren Wetter der letzten Tage gut beobachtet werden konnte, im Allgemeinen ein recht befriedigendes Resultat geliefert. Der Rauch des Gewehrfeuers war selbst bei dem von ganzen Compagnien und Bataillonen ausgeführten Schnell= und Salvenfeuer unsichtbar. Kanonenschüsse erzeugten schwachen Rauch, dessen Grad der Sichtbarkeit sich von der Färbung des Terrains abhängig zeigte; da jedoch die beim Abfeuern entstehende Flamme auf weite Entfernungen erkennbar ist, so konnte der Standort der Batterien leicht festgestellt werden. Wenn die feindlichen Schützen sich in guter Deckung befanden, war es unmöglich, die Richtung, aus welcher die Schüsse kamen, anzugeben, ein Umstand, durch den der Aufklärungsdienst im höchsten Grad erschwert wurde. Wiederholt wurden in Folge dessen größere Infanterie= und Cavallerieabtheilungen vom Feind überrascht und umzingelt. Von allen Generalen, die dem Manöver beigewohnt haben, wird betont, daß in Zukunft in Folge der Anwendung des rauchlosen Pulvers höhere Anforderungen als bisher an die Umsicht und Kaltblütigkeit der Führer wie an die Disziplin und Tapferkeit der Soldaten gestellt werden müssen. Die Kleidung der französischen Soldaten dürfte bald eine Aenderung erfahren, da bei dem letzten Manöver von Neuem der Nachtheil der rothen Hosenfarbe hervorgetreten ist, welche sich auf weite Entfernungen, namentlich auf grünem Untergrund, deutlich abhebt.
General Dragomirow, einer der beiden Höchstkommandieren bei den letzten russischen Manövern, hat sich über den Verlauf derselben mit großer Offenheit ausgesprochen. Der General sagte u. a.: "Ich bin erfreut von den Resultaten der Manöver, dieselben haben soviel Licht= und Schattenseiten in unserer Armee aufgedeckt, daß ich selbst einen Nutzen von diesen Tagen nicht erwartet habe. Ich bin überzeugt davon, daß selbst, wenn die Manöver fünffach theurer gekommen wären, dennoch der erzielte Gewinn die Ausgaben wett gemacht hätte." Das Urtheil des General über die russische Armee, von der er jeder einzelnen Waffengattung seine Aufmerksamkeit zuwendet, ist für Rußlands Streitkräfte wenig schmeichelhaft.
Ueber den plötzlichen Tod des russischen Generals waren verschiedene Nachrichten verbreitet worden, u. a. die, daß der General beim Einsturz einer Manöverbrücke mit 200 Mann ertrunken sei. Daran ist, wie aus St. Petersburg berichtet wird, kein wahres Wort. General Bardowski starb während der Parade in dem Augenblick, als Großfürst Wladimir ihn begrüßte. Der General antwortete nicht, sondern schwankte im Sattel und sank, von einem Herzschlag getroffen, todt in die Arme der ihm zu Hilfe springenden Offiziere.
Verfälschte schwarze Seide.
Man verbrenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, erlöscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hellbräunlicher Farbe. - Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen die "Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff erschwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Das Seidenfabrik=Dépôt G. Henneberg (K. u. K. Hoflief.) Zürich versendet gern Muster von seinen ächten Seidenstoffen an Jedermann und liefert einzelne Roben und ganze Stücke porto= und zollfrei in's Haus.
Anzeigen.
Diejenigen Deputatisten, welche einen Theil ihres Deputatholzes pro 1890/91 der Forst gegen die Geldentschädigung zu überlassen beabsichtigen, haben dies bis zum 1. October c. hierher anzuzeigen.
Schönberg, den 22. September 1890.
Großherzoglich Meckl. Domainen=Amt.
Cl. v. Oertzen.
Es wird hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß die für die Stadt in der Zeit vom d. J. in hiesiger Rathsstube ausliegt. Gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Urliste können Einsprachen von Jedermann innerhalb einer Woche (vom 1. October d. J. angerechnet) erhoben werden, und sind solche schriftlich bei uns einzureichen.
Schönberg, den 22. September 1890.
Der Magistrat.
Torf=Auction.
Am Montag, den 29. September d. J., sollen auf dem Rüntzer= und Born=Moore öffentlich meistbietend
60 Mille Formtorf
versteigert werden.
Versammlung der Käufer Morgens 9 Uhr auf dem Gr. Rüntzer Moore.
Carlow, den 22. September 1890.
A. v. Listow,
Förster.
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Die Einsammlung des Opfers hat der Stadtdiener Stree übernommen und wird am Tage nach Michaelis beginnen. Diejenigen Zahlungspflichtigen, welche in der nächsten Woche nicht zu Hause sein sollten, werden ersucht, das Opfer bei einem Nachbar abzugeben.
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[ => Original lesen: 1890 Nr. 75 Seite 3]
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Sonstige Innungsangelegenheiten.
Der Vorstand.
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4. Ein Regulator.
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7. Eine Standuhr.
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Am Sonntg: Ball
bis über Mitternacht hinaus.
Zu dem am Sonntag, den 28. September, bei mir stattfindenden
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lade ich hierdurch ganz ergebenst ein.
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Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 28. September.
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Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Amtswoche: Pastor Kaempffer.
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nach Lübeck:
6,55 Vorm. 9,50 Vorm. 3,21 Nachm. 7,19 Abends. 11,12 Nachts.
Nach Kleinen:
7,51 Morg. 10,13 Vorm. 12,51 Nachm. 5,29 Nachm. 8,48 Abends.
Getreide=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1890 Nr. 75 Seite 5]Beilage
zu Nr. 75 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 26. September 1890.
Was ist für die Arbeiter schon geschehen?
Die "Krankenversicherung" ist für alle industriellen Arbeiter durchgeführt. Rund 5 Mill. Arbeiter nehmen daran Theil. Durchschnittlich jeder dritte Arbeiter erkrankt einmal im Jahre, die Dauer der Krankheit erstreckt sich auf durchschnittlich 3 Wochen. Also jeder dritte Arbeiter erfährt so lange an sich selbst, wie wohlthätig es ist, wenn er auf dem Krankenbette liegt, ohne deswegen von Wirthschaftssorgen bedrückt zu werden. Rund 95 Millionen Mark werden jährlich in die Krankenkassen eingezahlt und zwar rund 40 Millionen aus den Taschen der Arbeitgeber. Also 8 Mark auf den Kopf des versicherten Arbeiters zahlt der Unternehmer zu dieser Versicherung.
Die "Unfallversicherung" ist für alle industriellen Arbeiter vollkommen, großentheils auch für die anderen Gewerbe und für die ländlichen Arbeiter durchgeführt. Rund 13 Millionen Arbeiter nehmen daran Theil. 173 106 Unfälle wurden im vorigen Jahre angemeldet. Also von dreihundert Arbeitern verunglückten durchschnittlich vier im Jahre, und zwar je einer davon so schwer, daß er Monate, wo nicht Jahre unterstützt werden muß. Die gesamten Kosten dieser Versicherung trägt ausschließlich der Arbeitgeber, sowohl die Kosten der Verwaltung, als die der Entschädigung Allein zu letzterem Zweck, also an Rente und Entschädigung, wurden schon im vorigen Jahr 14 1/2 Millionen vorausgabt. Das sind über 82 Mark auf den Kopf des Verunglückten und 1 Mark 10 Pfennig auf den Kopf der sämtlichen Versicherten. Diese Ziffer wird in den nächsten 25 Jahren noch allmählich steigen und schätzungsweise Schließlich über 8 Mark auf den Kopf des Versicherten betragen.
Die "Invaliditätsversicherung" ist gesetzlich festgestellt und tritt nächstes Jahr in Kraft 11-12 Millionen Arbeiter nehmen daran Theil. Schätzungsweise werden 10 von 100 Arbeitern vor dem 70. Lebensjahre erwerbsunfähig. Sie sind dann dauernd unterstützt. Sie erhalten eine Rente von 120 bis 300 Mark jährlich.
Die "Altersversicherung" ist ebenfalls gesetzlich festgestellt und tritt nächstes Jahr in Kraft; auch hieran nehmen diese 11-12 Millionen Arbeiter Theil. Einhundertfünfzehn Tausend Arbeiter, die in diesem Jahre das 70. Lebensjahr vollenden, erhalten demnächst eine Altersrente von 120 Mark.
In die Kosten der Invaliditäts= und Altersversorgung theilen sich die Reichskasse, die Arbeitgeber und die Arbeiter zu gleichen Theilen. Die Kosten sind anfangs geringer, steigern sich aber zuerst von 18-20 im Laufe des Jahrzehnts noch auf 60-70 Mill. Mark. Im Durchschnitt der nächsten 10 Jahre werden sie etwa 40 Mill. jährlich betragen, wozu also das Reich und die Arbeitgeber 27 Millionen jährlich beisteuern. Das sind 2 1/4 Mark auf den Kopf des Versicherten. Später steigt diese Summe bis auf 14 Mk. und darüber!
Durch diese vierfache Versicherung sind also viele Millionen von Arbeitern in ihrem Hausstand geschützt gegen die Folgen der Erwerbslosigkeit aus Ursache der Krankheit, der Verunglückung und der Erwerbsunfähigkeit und für das hohe Filter ist ihnen eine Altersrente festgestellt, mit der sie sich bei den Kindern oder bei Verwandten eine angenehmere Stellung im Hause sichern können.
Die Zuwendung aus der Tasche der Unternehmer, bezw. aus der Reichskasse beträgt für die Zeit bis zum Jahre 1890 zusammen in der
|
im Durchschnitt der ersten 10 Jahre: |
auf den Kopf d. Versicherten: |
Krankenversicherung |
40 Millionen |
8 Mark, |
Unfallversicherung (ohne Verwaltungskosten) |
33 Millionen |
2 3/4 Mark, |
Invaliditäts= und Altersversicherung |
27 Millionen |
2 1/4 Mark. |
----------------------------------------------------------------- |
zusammen |
100 Millionen. |
13 Mark. |
- Von dem Senator und Ingenieur Gebhart in Grevesmühlen ist bereits im Auftrage der Interessenten ein detaillirter Plan und Kostenanschlag für eine von Klütz über Kalkhorst nach Dassow zu erbauende Secundär=Chaussee angefertigt worden, welche seit vielen Jahren dringend gewünscht, hoffentlich zu Stande kommen wird, um dann ihre Verlängerung von Dassow nach Schönberg zu finden.
- Die Hinrichtung des in dem Schwurgerichte vom 11. Juni d. J. wegen dreifachen Mordes, begangen an der Ehefrau und zwei Kinder, zum Tode verurtheilten Bergmanns Unkenstein aus Lübtheen ward heute auf dem Gefängnißhofe des Güstrower Landgerichts vom Scharfrichter Reindl aus Magdeburg unter Beistand von zwei Gehilfen mittelst Beiles am Blocke vollstreckt. Präcise 6 1/2 Uhr erschien das hohe Gericht, welches bestand aus dem Ersten Staatsanwalt Heydemann, den Landgerichtsräthen Dr. Wigger und Kerstenhann, dem Landgerichtssecretär Köhn, dem Hausmeister Baumgarten und dem Gefangenwärter Voß. Als Zeugen waren 12 Mitglieder des städtischen Gemeinde geladen und außerdem noch eine Anzahl von Personen gegenwärtig, welche gegen Karten Einlaß gefunden hatten. Auf ein Zeichen des Ersten Staatsanwalts erschien bald darauf Unkenstein, geführt von dem Anstaltsgeistlichen, Domprediger Wollenberg, welcher ihn am Eingangsthore mit Segensworten entließ. Dann nahm ihn der Hausmeister Baumgarten beim Arm und führte ihn vor den Tisch des hohen Gerichtes. Nachdem ihm hier sein am 11. Juli über ihn gefälltes Urtheil noch einmal verkündet worden, welches er scheinbar ruhig entgegennahm, und er dem Nachrichter zur Vollstreckung des Urtheils überwiesen worden war, ward er an den Richtplatz geführt. Mit der größten Sicherheit führte Reindel den hochnothpeinlichen Act aus und verkündete mit den Worten: "Das Urtheil ist vollstreckt" den Schluß der ernsten Handlung, welche im Ganzen kaum 5 Minuten in Anspruch genommen hatte. - Der Gerichtete ist anscheinend dem Tode ruhig entgegen gegangen. Er hat selbst nach der Ankündigung von der heutigen Vollstreckung des Urtheils noch eine gesunden Appetit befindet. Die gereichten Speisen, des Morgens Kaffee mit Semmeln, des Mittags Beefsteak resp. Schweinebraten mit Gemüse nebst einer halben Flasche Wein und Suppe, des Abends belegte Butterbröde nebst einer Flasche Bier, haben ihm recht gut gemundet. Auch sein Schlaf war wenig gestört. In der vorletzten Nacht hat er etwa 6 Stunden unausgesetzt geschlafen, in der letzte Nacht von 12 bis 4 Uhr Morgens. Um letztere Stunde trat der Seelsorger bei ihm ein, um bis zum letzten Augenblick ihm mit geistlichem Trost und Zuspruch zur Seite zu bleiben. Anscheinend ist die Kraft des Gotteswortes auch hier nicht ohne Wirkung geblieben; reumüthig hat der Abgeurtheilte seine Sünden bekannt, gestern gegen 9 Uhr das heilige Abendmahl genommen und nun mit Fassung und Ergebung dem Tod entgegen gesehen.
- Im Hundebusch bei Ratzeburg fand am letzten Sonntag Morgen ein Pistolenduell zwischen 2 Jäger=Offizieren statt. Reservelieutenant S. erhielt einen Schuß in den Arm.
- Die Troika, das Geschenk des Zaren für Kaiser Wilhelm, belebt jetzt täglich die Straßen Potsdams. Schon von Weitem hört man das Schellengeklingel, und namentlich sind es die drei prachtvollen Füchse, welche das Entzücken der Kenner erregen. Bei den täglichen Ausfahrten handelt es sich darum, die Pferde einzufahren und dem Kutscher, einem Armenier von Geburt, Lokalkenntnisse von Potsdam und der Umgebung zu verschaffen.
- Wie aus Parchim gemeldet wird, ist der Ankauf des Moltke=Hauses nunmehr gesichert.
- Der Centralausschuß des Vereinigten Innungsverbandes Deutschlands hat jetzt den deutschen Innungen Fragebogen zur Begutachtung des bürger=
[ => Original lesen: 1890 Nr. 75 Seite 6]lichen Gesetzbuches zugehen lassen. Die Hauptpunkte betreffen die Stellvertretung, das Verhältniß des Meisters zu Lehrlingen und Gesellen, das Arbeitsverhältniß im Allgemeinen und die Ausstände.
- Gedenkmünzen zur Erinnerung an das Ende des Sozialistengesetzes verbreiten jetzt die Sozialdemokraten in Massen. Dieselben sind aus Tomback gefertigt und führen die Inschrift: "Zum Andenken an den Sieg des deutschen Proletariats über das Sozialistengesetz 1890." Die Münzen werden zu 30 Pfennigen das Stück verkauft.
- Der deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hielt in Frankfurt a/M. seine Jahresversammlung ab. In einer Resolution wurde beschlossen, darauf hinzuwirken, beim Reichstage von neuem auf den Erlaß einer Gesetzgebung betreffend die Einschränkung der Trunksucht hinzuwirken.
- Aus der Rheingegend wird geschrieben: Auf die Weinberge haben die für die jetzige Jahreszeit ungewöhnlich warmen Tage eine überraschend günstige Wirkung ausgeübt. Die Frühburgunder haben sich vorzüglich gemacht. An einzelnen Orten ist nur eine viertel Ernte zu erwarten, an anderen Stellen jedoch erhofft man einen großen Weinertrag.
- Jenes Klavier, welches seiner Zeit Johann Seb. Bach im Gebrauch hatte, ein Flügel mit Federkielmechanik, befindet sich jetzt völlig restaurirt und wieder spielbar, im Besitz eines gewissen Paul de Wit in Leipzig, eines eifrigen Sammlers alter Instrumente.
- Wo immer der Zonentarif eingeführt wird, schreibt Herr Dr. Eduard Engel dem "Berliner Tageblatt", da zeigen sich seine segensreichen Wirkungen mit der Regelmäßigkeit eines Naturgesetzes, gleichviel ob der Zonentarif auf großen Eisenbahnnetzen oder auf kleinen Einzellinien in Kraft ist. Der Versuch, den die Eisenbahnverwaltung Udevalla-Herrijunga mit dem Zonentarif gemacht hat, ist ebenso glänzend gelungen, wie der in Ungarn. Auf der schwedischen Linie wurden seit der Einführung des Zonentarifs am 1. Juni 1890 befördert: im Juni 1890: 21,476 Personen (im Vorjahr nur 12,858 Personen). Einnahme Juni 1890: 12,939 Kronen (im Vorjahr nur 10,769 Kronen). Im Juli 1889 betrug die Einnahme nach Abzug von 2000 Kronen für einen großen vereinzelten Truppentransport zum Manöver: 10,037 Kronen, im Juli 1890, unter der Herrschaft des Zonentarifs 13,052 Kronen. Dazu bemerkt die schwedische Zeitung, der diese Zahlen entnommen sind, daß gerade der diesjährige Juni in Schweden äußerst regnerisch, der vorjährige dagegen ein Gutwettermonat war. Frage: Warum lassen sich die deutschen Eisenbahnverwaltungen hartnäckig die Mehreinnahmen entgehen, die sie durch die Einführung des Zonentarifs gewinnen können?
- Der "Agenze Roumaine" zugegangene Depeschen aus Sulina melden den Untergang des österreichischen Schiffes "Taurus" mit seiner gesammten, aus 4 Offizieren und 69 Mannschaften bestehenden Bemannung im Schwarzen Meere. Ursache und sonstige Einzelheiten sind bisher nicht bekannt.
- Bären in Südtirol. Man schreibt der Wiener "Presse" aus Trient: Im heurigen Sommer hat sich in unserer herrlichen Brentagruppe eine ungewöhnlich große Zahl von Bären bemerkbar gemacht. Vor wenigen Wochen erst wurden zwei prächtige Exemplare dieser seltenen Alpengäste, davon eines von dem in Madonna di Campiglio zum Sommeraufenthalt weilenden Fürsten Molfetta aus Mailand, erlegt. Am 8. d. Mts. ist eine ganze Ziegenherde in der Zahl von mehr als 70 Stück auf der Alpe Ben auf der Flucht vor einem Bären über einen steilen Felsabhang gestürzt und in jämmerlicher Weise zu Grunde gegangen. Eine große Bärin wurde erst vor wenigen Tagen in Begleitung zweier Jungen von Hirten bei Bocca di Brenta gesehen. Es ist begreiflich, daß unsere Bergbewohner von dieser Familienansiedelung des keineswegs gemüthlichen Meisters Petz, der besonders im Winter seine Anwesenheit unangenehm fühlbar machen dürfte, sehr wenig erbaut sich die Prämien, die auf seinen Pelz ausgesetzt worden sind, im eigenen Interesse zu verdienen trachten.
- Ein Wilderer in Unterengadin hat sich auf folgende gemeine Weise außer der Jagdzeit eine ausgiebige Menge von Gemsenfleisch zu verschaffen gewußt. Längere Zeit schon hatte er im Berg einem Rudel Gemsen an bestimmten Stellen Salz zum Lecken hingestreut, wie dies viele Jäger vor Anfang der Jagd zu thun pflegen, um die Thiere an einen bestimmten Strich zu gewöhnen. Als er nun bemerkte, daß die Gemsen alltäglich an jener Stelle von dem Salz naschten, mischte er unter das Salz Opium, das er sich aus Italien zu verschaffen gewußt hatte. Am folgenden Tag lagen sieben oder acht Stück der schönsten Gemsen, von dem genossenen Opium berauscht, am Boden. Nun machte sich der Frevler über die Thiere her und schlachtetete das Wild mit einem Messer ab, wie man Kälber im Schlachthaus absticht; er wurde dafür mit einer Geldstrafe von 160 Franken belegt, für einen solchen Frevel jedenfalls viel zu gering.
- Ungefähr 1000 Walfische sind unlängst in den Lofoten (nördl. Norwegen) gefangen worden. In der Nacht zum 4. d. wurde bei Svolvaer von einigen Böten ein Haufen Walfische gegen das Land getrieben, worauf die Fische mit Hülfe von Wurfnetzen an den Strand getrieben wurden. Der Fang besteht aus etwa 1000 Walfischen in der Größe von 9 bis 15 Fuß und wurde mittels 20 Netzreihen gemacht, die draußen zum Heringsfang ausgelegt waren.
- Als die kleinste Stadt der Welt ist in der Grafschaft Cumberland eine Stadt neuerdings zur Kenntniß gekommen, die den Namen Skiddaw trägt, und aus einem einzigen, aus alten Tagen übrig gebliebenen Hause besteht, dessen einziger Bewohner ein Hirt und "Waldhüter" ist. Die Stadt gehört einem Lord Leconfield.
- Die größte Uhr der Welt wird gegenwärtig im Thurm des Rathhauses zu Philadelphia aufgestellt. Das Zifferblatt mißt 10 Meter im Durchmesser, wird während der Nacht elektrisch erleuchtet und befindet sich in einer Höhe, die es für alle Punkte der Stadt sichtbar macht. Der Minutenzeiger ist 4, der Stundenzeiger 2 1/2 Meter lang. Die Glocke für das Schlagwerk wiegt 50 000 Pfund. Die Riesenuhr wird täglich mittelst einer im Thurm untergebrachten Dampfmaschine aufgezogen.
- 8000 Küsse verkauft. In der amerikanischen Stadt Mattituck war für wohlthätige Zwecke eine Verkaufsmesse veranstaltet worden, wobei viele junge Damen der guten Gesellschaft als Verkäuferinnen dadurch Furore machten, daß sie den Vorschlag annahmen, ihre Küsse, und zwar billig, 25 Cents per Schmatz, zu verkaufen. Dies geschah am Schlußtag. Eine Armee von Herren fand sich ein, manche darunter zahlten für 50 Küsse, von einer zur anderen gehend. Die Ziffer stieg auf 8000 mit einem Erlös von 2000 Dollar. Amerikanische Blätter empfehlen nutzbringende Nachahmung durch die ganze Länge und Breite der Vereinigten Staaten.
- Ein Briefgeheimniß. Unter den jungen Mädchen in Nordamerika soll es weit verbreitete Sitte sein, auf die Briefumschläge ein paar kurze Zeilen ganz klein zu schreiben und dieselben mit der Marke zu überkleben. So kann die Tochter ihren Brief ohne Scheu der guten Mama zum Durchlesen überreichen, ihn vor ihren Augen schließen und dem Dienstboten zur Beförderung in den Briefkasten einhändigen, und doch enthält er an verschwiegener Stelle ein Dutzend dem Empfänger oder der Empfängerin wohl verständliche Worte, die nicht für fremde Augen berechnet waren. Die Marke wird vorsichtig gelöst und: "Sage Deinem Bruder, daß er mich heute Abend an der bewußten Ecke erwartet", liest die Freundin, die den Brief erhält. Die Postmeisterin einer kleinen Stadt hatte das Geheimniß früher ebenfalls gekannt und von demselben Gebrauch gemacht. Sie löste jetzt in ihrem Beruf von den Briefen, die für Damen ihrer Bekanntschaft bestimmt sind, vorsichtig die Marken, die sie dann natürlich durch neue ersetzte. So war sie hinter die Schliche ihrer besten Freundin, diese aber alsbald wiederum hinter ihr, der Postmeisterin, Verfahren gekommen und hat die letztere wegen Verletzung ihrer Amtspflichten verklagt. So aber ist nun von einem süßen Geheimniß der Schleier gefallen.
- Fängt die Schwalbe Bienen? Die meisten Imker sind den Schwalben gram, weil sie ihnen durch Wegfangen der Bienen schädlich werden sollen. Es ist das aber nach verschiedenen sorgfältigen Beobachtungen unrichtig. Zwar fangen die Schwalben Bienen, aber nur die nutzlosen unbewaffneten Drohnen, während sie sich an die mit Stacheln ausgerüsteten Arbeiter nicht heranwagen.
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