No. 57
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. Juli
1887
siebenundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 1]

             Es wird hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß das Lauenburgische Jäger=Bataillon No. 9 in Ratzeburg im Laufe dieses und des nächsten Monats Schießübungen mit scharfen Patronen abhalten wird und zwar:

1. Am 28. d. Mts. auf der Schmilauer Haide. Abgesperrt werden durch Posten: Die Wege Alt=Horst=Schmilau, Abbau zu Alt=Horst=Schmilau und einige Waldwege östlich der Chaussee Mölln=Schmilau. Die Chaussee Mölln=Schmilau bleibt frei.
2. Am 29. d. Mts. zwischen Wietingsbäck und dem Balen. Abgesperrt werden durch Posten: Die in dieses Gelände führenden Feldwege.
3. Am 6. August cr. im Gelände zwischen Ziethen und dem Salemer Moor. Abgesperrt werden durch Posten: Die Straße Dermin=Lehmberg=Salem, der Hundebusch östlich der Caussee Ratzeburg=Salem, der Langenberg, das Grossenholz und die von der Chaussee Ziethen=Mustin in das betreffende Gelände führenden Feldwege. Die Chaussee Ratzeburg=Salem, ebenso die Chaussee Ratzeburg=Ziethen=Salem bleiben frei.
             Das Schießen findet an den genannten Tagen Vormittags und zum Theil während der ersten Stunden des Nachmittages statt.
             Die Bewohner des hiesigen Fürstenthums werden schließlich noch speciell darauf aufmerksam gemacht, daß den Aufforderungen der ausgestellten Sicherheitsposten Folge zu geben ist.              Schönberg, den 22. Juli 1887.

Großherzoglich Mecklb. Landvogtei des Fürstenthum Ratzeburg.
F. Graf Eyben.

Koeppen.       


Kaiser Wilhelm verlebt die Tage in Gastein in gewohnter Weise. Am Donnerstag Abend besuchte er die erste Soiree, welche die Gräfin Lehndorff ihm zu Ehren veranstaltet hatte. Mit besonderer Vorliebe richtet der Kaiser in diesem Jahre seine Ausflüge nach Böckstein.
Seit vielen Jahren hat Kaiser Wilhelm auf seiner Reise nach Gastein auf der Insel Mainau einige Tage Rast gemacht. Es giebt rings um den Bodensee schönere und denkwürdigere Orte, der Zauber aber der Insel liegt in ihrer Weltvergessenheit und der Anziehung, welche der Blick auf die endlose Wasserfläche des Bodensee ausübt. Sogar Constanz muß zurückstehen, obgleich die schöne alte Stadt dem Kaiser am Herzen liegt; denn gleich Nürnberg, Königsberg und Berlin ist sie eine Wiege des Hohenzollerngeschlechts. Heute noch verkündet eine eherne Tafel an dem "Hohen Haus", daß hier Burggraf Friedrich von Nürnberg wohnte, von hier aus ritt er nach dem Markt und ließ sich dort von Kaiser Sigismund mit der Mark Brandenburg belehnen. Das wurde die erste Stufe zum Königs= und Kaiserthron.
Nach den bisherigen Bestimmungen wird Kaiser Wilhelm bis zum 16. August in Gastein bleiben; doch hängt der endgiltige Beschluß von dem Befinden des Kaisers und dem Erfolg des Gasteiner Aufenthalts ab. Danach wird sich auch die Zeit und der Ort für die Zusammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich richten. Man nimmt indessen als ziemlich gewiß an, daß diese Begegnung in Gastein stattfinden wird.
Das Befinden des Kronprinzen ist nach sicheren Mittheilungen in hohem Grad befriedigend. Die Stimme hat an Stärke und Resonnanz gewonnen und ist beinahe frei von Heiserkeit. Der Kronprinz kann seine Stimme wieder brauchen, darf sie jedoch noch nicht sehr anstrengen. Uebrigens befindet sich der Kronprinz noch in Norwood bei London. Von dem Besuch eines französischen Bades ist nie die Rede gewesen. Auch eine Nachkur in Ems dürfte Voraussichtlich unnöthig sein; wahrscheinlicher ist, daß die kronprinzliche Familie im Spätherbst sich wieder nach der Riviera begeben wird.
Die Berliner Post und die Kreuzzeitung sind darüber einig, daß das französische Vorgehen mit der Mobilisierung zweier deutscher Armeekorps beantwortet werden solle. Das wird nun wohl nicht geschehen, aber es ist sicher zu erwarten, daß Deutschland auf andere Weise Vorsichtsmaßregeln trifft, denn wenn Frankreich ein Armeekorps "probeweise" mobilisiert, und hierauf den Krieg erklärt, so hat es vor Deutschland einen kolossalen Vorsprung.
Auch die Münchener "neuesten Nachrichten" bringen einen Leitartikel über die französische Mobilisierung aus der Feder eines unserer als hervorragendsten und besten Kenner der französischen Verhältnisse geltenden Militärschriftstellers, worin drei Möglichkeiten erwogen werden: Die Mobilisierung unmittelbar an der deutschen Grenze erfordere Kriegserklärung, in der zweiten Befestigungszone die größte Wachsamkeit unsererseits. In den südlichen oder westlichen Departements sei sie eine bedeutungslose Farce.
Die "Kreuztg." bringt einen neuen Angriff auf die russischen Werthe, indem sie abermals den

[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 2]

russischen Staatsbankerott ankündigt und gegenüber der Annahme: die Angriffe auf die russischen Werthe seien ein auf die Erneuerung des Dreikaiserbündnisses gerichtetes Manöver, erklärt, diese Erneuerung sei auf deutscher Seite kein Bedürfniß mehr. Nach derselben Quelle wurde der deutsche Markt bereits um 80 Millionen Mark russischer Werthe erleichtert.
Der augenblicklich in Berlin weilende Gouverneur von Kamerun, v. Soden, hat dem Reichskanzler vor einigen Tagen mündlich Bericht erstattet und sich, wie verlautet, sehr günstig über die Entwickelung der Kolonie geäußert.
Die erfolgte Begnadigung des dänischen Kapitäns Sarauw soll darauf zurückzuführen sein, daß Sarauw der Regierung wichtige Geständnisse gemacht und mannigfache Fingerzeige über die von französischer Seite betriebene Spionage gegeben hat. Bei den letzten Landesverrathsprozessen soll er der Regierung große Dienste geleistet haben.
Die Untersuchungen in Mainz gegen die elsässer und lothringischen Soldaten werden energisch fortgesetzt. Es sind in der Kaserne in Castel bei Soldaten des 117. nassauischen Infanterie=Regiments und ebenso bei Soldaten des 87. Infanterie=Regiments Schriftstücke gefunden worden, aus denen hervorgeht, daß die betreffenden Soldaten mit der "Patriotenliga" in Paris in Verbindung stehen. Die Zahl der Verhafteten beläuft sich bis jetzt auf 7. Am meisten belastet sollen ein Bataillonsschreiber und der Schreiber eines Zahlmeisters sein, beide, heißt es, seien die Seele des Ganzen gewesen. In der Wirtschaft eines Wirtes in Mainz hielten die Soldaten elsässischer und lothringischer Nationalität, wie der "Frankfurter Zeitung" gemeldet wird, ihre Versammlungen, ab, diese Wirthschaft wurde ebenfalls einer polizeilichen Haussuchung unterzogen, da man vermuthete, die Soldaten hatten dort verdächtige Briefe etc. aufbewahrt; die Durchsuchung hatte aber einen negativen Erfolg. Es wird versichert, daß in sämmtlichen Garnisonen Deutschlands, in welchen Elsässer oder Lothringer liegen, ähnliche Untersuchungen vorgenommen werden sollen.
Die Mobilisirungsvorlage ist nun von beiden Kammern angenommen und einzelne Preßstimmen beeilen sich bereits, vorzuschlagen, die Probe Boulangers Korps zuzuweisen. Ob der General sich darüber besonders freuen würde? Der 8. und 9. August soll dazu bestimmt sein.
Der erste Sohn des dänischen Prinzen Waldemar und seiner katholischen Gemahlin Marie von Orleans ist protestantisch getauft worden. Darüber Entsetzen in der ganzen ultramontanen Presse. Dänemark ist aber durch und durch protestantisch und der königliche Familienrath hat sich aus diesem Grund für die protestantische Taufe entschlossen.
Die englisch=russische Kommission zur Erledigung der afghanischen Grenzfrage hat ihre Arbeiten beendet. Rußland empfängt das Gebiet zwischen den Flüssen Ruschk und Murghab, welches den Pendjeh=Turkmenen durch die jüngste Grenzabsteckung genommen wurde; dagegen billigt Rußland die englische Grenzlinie am Oxus und verzichtet auf die Distrikte, auf welche es laut Vertrag von 1873 Anspruch hatte. Maruchak verbleibt mithin in Afghanistan. Hoffentlich ist damit einer friedlichen Entwickelung auf diesen Gebieten die Bahn eröffnet.
In Bulgarien gehen die Wogen gewaltig hoch. Der Regentschaft wird die nutzlose Wahl des Coburgers zum Vorwurf gemacht, da sie seine Absichten hätte kennen müssen. Die Bevölkerung fordert Erklärung der Unabhängigkeit Bulgariens und Rückberufung des Fürsten Alexander, an die freilich vorläufig nicht zu denken ist. Die noch in Wien anwesenden Delegierten wurden abberufen, womit auf den Prinzen Coburg stillschweigend verzichtet ist.


- General v. Blumenthal in Magdeburg feiert am 30. Juli seinen 77. Geburtstag und zugleich das Jubiläum seiner 60jährigen Dienstzeit. Seine Verdienste in den Feldzügen von 1864, 1866 und 1870 sind jedem Deutschen bekannt, und wenn von Moltke gesprochen wird, so folgt Blumenthals Name gleich dahinter. In den Feldzügen von 1866 und 1870 war er Generalstabschef des Kronprinzen und erhielt mit diesem zugleich das Eiserne Kreuz I. Klasse.
- Bei der Reichstagsersatzwahl in Straßburg ist, wie sich voraussehen ließ, der deutschfreundliche Rechtsanwalt Petri gewählt worden. Es ist das wieder der erste elsaß=lothringische Abgeordnete, der die Zugehörigkeit des Reichslandes zum deutschen Reiche anerkennt.
- Beim Schützenfeste in Frankfurt a. M. hat der kgl. bayerische Betriebsmaschinenmeister Anderl mit einer früheren Kavallerie=Sattelpistole auf der Feldscheibe mit 21 Schüssen 20 Punkte erzielt und sich damit im Wettkampfe mit den Feuerstutzen eine Festmünze herausgeschossen - wohl der einzige Preis, der mit einer Pistole gewonnen wurde.
- Für drei Gläser Schnaps verkaufte jüngst ein Handwerksbursche ein Ulmer Münsterloos an einen Bierbrauer in Amberg, der damit 5000 Mk. gewann und den armen Waisenkindern, welche bei der Ziehung anwesend waren, 200 Mk. schenkte.
- Ueber Dr. Mackenzie's Honorar für die Behandlung des Kronprinzen kommen nunmehr sichere Angaben. Der Londoner Arzt hat allein für die beiden Reisen von London nach Berlin 54 000 Mk. in Rechnung gestellt, und das eigentliche ärztliche Honorar - - dem Ermessen des Kronprinzen noch überlassen.
- Das Pfund gute Eßbutter für 25 Pfennig. konnte man vor fünfzig Jahren fast auf allen Märkten kaufen. Heutzutage bezahlt man bei uns dafür 1 M. bis 1 M. 25 Pfennig, und niemand wird es wohl für möglich halten, daß gegenwärtig jener billige Preis in Deutschland auf einem Wochenmarkte gezahlt werden könnte. Und dennoch ist der Marktpreis für gute frische Butter auf dem letzten Wochenmarkte in Bialla in Ostpreußen nicht höher gewesen und hat auch auf dem Wochenmarkte des benachbarten Johannisberg nur 30-40 Pfennig. betragen. Da sind unsere Landleute bei ihren Butterpreisen doch besser daran!
- Gelegentlich des neunten Verbandtages der deutschen Perückenmacher und Friseure in Berlin wurde den Theilnehmern der Versammlung die ungarische 26jährige Bäuerin Annette Cullag vorgestellt, welche sich ihres wunderbaren Haarwuchses wegen bereits öffentlich gezeigt hat. Das prachtvolle blonde Haar, in einer Länge von 1,85 m, erregte selbst die Bewunderung der sachverständigen Versammlung.
- Nicht nur incognito reisende Prinzen, auch Bauernsöhne kommen zu Zeiten auf den nicht gerade geistreichen Einfall, Pferde ins Wirthszimmer zu führen. So führte kürzlich in Hermsdorf in Schlesien ein Mann sein junges Pferd Abends in die hell erleuchtete Gaststube einer Schankwirthschaft, konnte es aber nicht verhindern, daß dasselbe plötzlich unruhig wurde, wüthend ausschlug und sämmtliche Möbel, Gläser, Flaschen und sogar den Ofen zertrümmerte. Die anwesenden Gäste blieben allerdings unverletzt, aber nur weil sie sämmtlich schleunigst den Rückzug angetreten hatten. Geraume Zeit jedoch dauerte es, ehe das Pferd ruhig wurde und in den Stall gebracht werden konnte.
- In Leipzig trafen 19 italienische Lehrer, geführt von einem Rathe aus dem italienischen Unterrichtsministerium ein, um sich mit dem Handfertigkeitsunterrichte bekannt zu machen.
- Die Verwaltung der sächsischen Staatsbahnen richtet mehr und mehr Arbeitszüge ein. Sie will an diesen Zügen nichts verdienen und hat daher den Fahrpreis so niedrig gesetzt, daß er bei Wochenbillets etwa 1 Pfennig pro Kilometer beträgt. Da die Züge jedoch namentlich im Sommer stets gut besetzt sind, so werden die Betriebskosten gedeckt. Dieselben sind ein wahrer Segen für jene Arbeiter, die mehrere Stunden von ihrer Arbeitsstätte entfernt wohnen und, wie es im Chemnitzer und anderen Bezirken noch jetzt der Fall ist, vor jener Einrichtung den beschwerlichen Weg täglich zweimal, vor und nach der Arbeit, zurücklegen mußten.
- Seit Jahren war den Berlinern, die bekanntlich die Würze des Lebens lieben, nichts, was auf den Tisch kam, stark genug gepfeffert. Bei einer chemischen Untersuchung kam es endlich heraus, daß der billige Pfeffer mit Palmkernmehl stark versetzt war. Von der chemischen kam's zur gerichtlichen Untersuchung und diese ergab, daß ein Hauptpfefferfabrikant durch den Zusatz von Palmkernmehl in den letzten 2 Jahren 700 000 Mk. verdient hatte. Hoffentlich enthält seine Strafe reinen Pfeffer.

[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 3]

- In Trier wurde dieser Tage ein katholischer Geistlicher, 35 Jahre alt, bei dem 69. Infanterie=Regiment eingestellt. Derselbe, Elsässer von Geburt, hatte kurz nach Beendigung des deutsch=französischen Krieges seinem neuen Vaterlande den Rücken gekehrt, um in einer französischen Diöcese Verwendung zu finden. Als er nun vor Kurzem seine Eltern in einem Dörfchen bei Kolmar besuchte, wurde er aufgegriffen und nach Trier gebracht, um hier zunächst seiner Militärpflicht zu genügen.
- Montag Vormittag fand in Essen das Begräbniß Krupps unter Betheiligung der hervorragendsten Industriellen der Rheinprovinz und Westfalens statt. Im Auftrage des Kaisers war Prinz Reuß zur Theilnahme an den Trauerfeierlichkeiten erschienen.
- In Frankfurt a. M. hat die Firma Gebr. Drexel eine "Restpartie" von ca. 200 Flaschen 1861er Rüdesheimer zu dem bis jetzt noch niemals erzielten Preise von 105 Mark per Flasche an eine amerikanische Firma verkauft.
- In Tübingen hat die unselige Duellwuth ein neues Opfer gefordert. Wegen einer ganz geringfügigen Ursache fand zwischen zwei Angehörigen der Korps Suevia und Borussia eine Pistolenmensur statt, bei welcher der "Preuße" todt auf dem Platze blieb.
- In Wendisch=Buchholz befindet sich ein Kind, das jetzt 6 Jahre alt und 126 Pfund wiegt und dabei sich besten Wohlseins erfreut.
-In Paderborn durchschlug auf dem Infanterie=Scheibenstande eine Kugel auf 600 Meter Distanz die Anzeiger=Deckung und durchbohrte dem sich dahinter befindlichen dienstthuenden Gefreiten so unglücklich die Brust, daß er nach etwa 5 Minuten eine Leiche war. Der Unglückliche war die Stütze seiner alten Mutter und hätte diesen Herbst seine dreijährige Dienstzeit beendet gehabt.
- Die Gedenkfeier der Schlacht bei Gravelotte (18. August) wird in diesem Jahre eine besonders großartige werden und bei dem Denkmal der Gefallenen des sächsischen Korps begangen werden.
Aus Dresden wird ein stark besetzter Extrazug nach Metz gehen.
- Die Stadt Pest hat mit der Berliner Firma Siemens und Halske einen Vertrag wegen Bau einer elektrischen Straßenbahn abgeschlossen.
- Ein Prager Journal meldet, daß auf der Schießstätte bei Racie zahlreiche Patronen versagt hätten, weil sie statt mit Pulver zumeist mit Sägespänen gefüllt waren. Diese Patronen stammen aus dem Wiener Arsenale und sei dortselbst eine eigene Kommission eingesetzt worden zur strengsten Untersuchung aller Patronen. Sollten diese Patronen, welche für das Mannlicher=Gewehr bestimmt sind, wirklich alle dieselbe Füllung haben, so müßten die 200 Millionen Patronen vernichtet werden, wodurch das Militär=Aerar einen Schaden von Millionen erleiden würde.
- Wie man aus Lauterbrunnen meldet, sind die Leichen der sechs bei der Jungfraubesteigung verunglückten Touristen nunmehr aufgefunden worden, und zwar auf der Südseite der Jungfrau auf dem Aletschgletscher. Auf der Spitze fand sich ein Mantel und Proviant; man vermuthet daher, die Verunglückten seien oben vom Sturm erfaßt und in die Tiefe geschleudert worden. Etwa 40 Mann müssen ausrücken, damit die Leichen gehoben und zu Thal geschafft werden können. Die ganze Bevölkerung nimmt Antheil an diesem größten Unglück, das seit langer Zeit im schweizerischen Hochgebirge vorgekommen ist.
- Im Gasteiner Thale ist Donnerstag Nachmittag ein furchtbares Gewitter niedergegangen. Das Hochwasser riß alle Brücken fort, so daß die Verbindung zwischen Hofgastein und Bad Gastein zeitweise gesperrt war. Infolge wiederholten Regenwetters ist die Hitze aber nicht groß, was sehr zum Wohlbefinden des Kaisers beiträgt.
- Was alles aus einem Juristen werden kann. Der tüchtigste Lehrling eines Fleischermeisters in Wien ist ein ehemaliger Jurist und Einjährig=Freiwilliger. Sein Papa besaß drei Häuser in Wien und er studirte Jus auf der Universität. Da starb der Papa und vermachte ihm ein Rittergut mit großer Oekonomie und Viehzucht. Um beiden gut vorzustehen, sattelte der Sohn um und wurde Fleischerlehrling. Zum Glück braucht er nicht viel zu vergessen; denn er hatte nur 4 Halbjahre studirt, ohne die Studien zu übertreiben. Die Innung hat ihm aus Respekt vor seinem Doktorhut, den noch der Papa bezahlt hat, die halbe Lehrzeit geschenkt.
- Eine neue Unglücksbotschaft liegt aus Pontresina vor. Zwei Engländer haben dort, ebenfalls ohne Führer, die Diavolleza=Tour unternommen. Der eine ist in eine Gletscherspalte gestürzt und aus dieser erst als Leiche wieder herausgezogen worden.
- Der zum Tod verurtheilte Pranzini, der in Paris die Maria Regnault, deren Tochter und Kammerfrau umgebracht hat, ist früher, wenn die französischen Blätter richtig unterrichtet sind, ehe er mit 80 000 Francs aus Indien zurückkehrte, Kammerdiener bei Frau von Skobelew, der Mutter des verstorbenen russischen Generals, gewesen. Diese ist bekanntlich seiner Zeit ermordet worden, und zwar, wie sich herausgestellt hat, auf die gleiche Weise, wie die in Paris von Pranzini umgebrachten Frauen.
- Die Sterblichen Ueberreste des Entdeckers von Amerika, Christoph Columbus, werden jetzt nach seiner Vaterstadt Genua übergeführt.
- In den Vereinigten Staaten von Nordamerika herrschte vorige Woche kolossale Hitze. Gegen 130 Personen erlagen dem Sonnenstich.
- Als Präsident Cleveland mit seiner Gemahlin am Sonnabend in einem Sonderzuge von einer Vergnügungsfahrt heimkehrte, brach eine Stange an der Lokomotive, wobei der Lokomotivenführer getödtet und der Heizer verletzt wurde. Letzterer kroch inmitten blendenden Dampfes vorwärts und zog den Hebel an, wodurch der Zug zum Stehen kam.
- Die Aussichten für Einwandrer in Kanada sind durchaus keine günstigen, trotzdem werden auch in Deutschland von kanadischen Agenten fortgesetzt durch Werber sowie durch Flugschriften, welche die betreffenden Verhältnisse auf das glänzendste schildern, Auswanderungslustige zu verleiten gesucht. Selbst kanadische Zeitungen erheben gegen das gewissenlose Treiben ihre Stimme; sie bezeichnen das Vorgehen jener Agenten als Schwindel und Bauernfängerei. Es kann daher Auswanderungslustigen nur dringend angerathen werden, sich mit solchen kanadischen Werbeagenten nicht einzulassen und allen verlockenden Anpreisungen jenes Landes mit Vorsicht zu begegnen.


Anzeigen.

Kampf=
genossen-
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.

in Schönberg.

Am Sonntag, den 7. August d. J., Nachmittags 3 1/2 Uhr

ordentliche Versammlung

im Vereinslokale.
                          Tagesordnung:
1) Bericht über die Verhandlungen des Delegirtentages in Ludwigslust.
2) Sedanfeier,
3) Vereinsangelegenheiten.

                                                    Der Vorstand.


Heute Morgen 7 Uhr entschlief nach schwerem Leiden unsere innigst geliebte Tochter Anna tiefbetrauert von den Hinterbliebenen

                                                    J. Metscher und Frau.

Die Beerdigung findet am Donnerstag, den 28. d. Mts. Nachmittags 3 Uhr statt.


300 Mark
Belohnung zahle ich Demjenigen, der mir nachweist, wer meine Kühe in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli in meinen Weizen gelassen und den Eingang wieder geschlossen hat; und zwar so nachweist, daß ich den Frevler gerichtlich belangen kann.
Cathr. Ollrogge geb. Wigger.
Mahlzow.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 4]

                                                    Schönberg i./Meckl., Juli 1887.
P. P.                                                    

Hierdurch mache ich Ihnen die höfliche Anzeige, dass ich bei der renomirten Maschinenfabrik Ph. Mayfahrt u. Co. in Frankfurt am Main eine

fahrbare Putzdreschmaschine mit fahrbaren Göpel

bestellt habe, welche bis zur Dreschzeit hier eintreffen wird. Diese Maschine ist leicht mit 4 Pferden zu betreiben und liefert gleich rein geputztes Korn in den Sack.
Da eine solche Maschine in hiesiger Gegend den Bedürfnissen entspricht, so wird es den Herren Landwirthen willkommen sein, dass ich beabsichtige, die Maschine zu einem mässigen Preise tageweise in Miethe auszuleihen.
Um aber Jeden rechtzeitig bedienen zu können, bitte ich Sie, sich baldigst mit mir in Verbindung zu setzen und mir aufzugeben, für welche Zeit Sie meine Maschine zu benutzen wünschen.

                                                    Hochachtungsvoll
                                                    Heinr. Badstein.
P. S.                                                    

Gleichzeitig empfehle ich mich als Agent der genannten Fabrik zur Lieferung von

Dreschmaschinen, Häckselmaschinen, Göpeln, Rübenschneidern, Pflügen, Jauchepumpen, Heurechen, Mähmaschinen, Buttermaschinen, Schrotmühlen

u. s. w. und halte stets Musterlager zur gefälligen Ansicht.


Heilsteiner Mineralbrunnen.
Natürliches doppelt kohlensaures Mineralwasser
Bestes erfrischendes Tafelgetränk.
Grösster Export nach allen Ländern der Erde.
Vergleichende Analyse:

[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Vorräthig in allen Hôtels, Restaurants etc.
sowie in den besseren passenden Geschäften.
Die Hauptvertretung ist für hiesige Stadt und Umgegend zu vergeben.
                                                    Die Versandt-Direction des
                                                    Heisteiner Mineralbrunnens
                                                    Max Ritter Coblenz.


Gußstahlsensen, Kornrummeln,
4schaar. Pflüge,
Säemaschinen etc.
sind wieder vorräthig                                                    
Schönberg i. /M.                                                     J. Oldenburg.


Pantoffel Cordpantoffel Frauengrösse à Dutz Paar m. gesteppt. Filzsohl. M. 3.90, m. imit. Lederaufl. M. 4.75 m. Rinderspaltleder M. 5, mit holzgenagelten Tuchsohlen M. 6.50 bis M.10, Tuchschuhe, Cordschuhe m. holzgenagelten Tuchsohlen M. 11 Holzsohlenschuhe liefert G. Engelhardt, Zeitz.


Travemünder Rennen
den 5. und 7. August.
Anfang 3 1/2 Uhr Nachmittags.


Braunbier

in Ganz= und Halbbier empfiehlt zu civilen Preisen vom Sonnabend, den 16. Juli an, die

Ratzeburger Actien=Brauerei.


Erntehandschuhe,

das Paar nur 60 Pfennige zu haben in Schönberg bei

                                                    Emil Jannicke,
                                                    Handschuhmacher.


Suche gegen guten Lohn zu Michaelis ein zuverlässiges ordentliches Mädchen.

Törpt, den 11. Juli 1887.                                                                              
                                                    J. H. Lohse, Schulze.


Gesucht zu Michaelis:

ein Hausmädchen und ein junges, wenn auch noch unerfahrenes Stubenmädchen von

                                                    A. Russwurm-Lockwisch.


Gesucht wird für die hiesige Genossenschafts=Meierei ein ordentlicher Mann zum Milchfahren mit der Karre zum 27. d. Mts.

Der Vorstand der Genossenschafts=Meierei:
H. Lenschow.           A. Ahrendt.
F. Dittmann.


Ein ordentl. Mädchen
sucht zu Michaelis d. Js.                                                    
                                                                                                        Frau H. Ladendorf,
                                                    Schönberg.


Statt besonderer Meldung:
Magdalene Redelstorf
W. Burmeister
Verlobte.
Ollndorf.                                                     Rieps.


Statt besonderer Meldung.

Gestern Abend wurde uns durch einen Unglücksfall unser lieber Hans im 8ten Lebensjahre genommen, welches wir hierdurch tiefbetrübt allen Freunden und Bekannten anzeigen.

                                                    Bezirks=Thierarzt Reimer und Frau
                                                    geb. Wieschendorf.

Schönberg, den 24. Juli 1887.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 57 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 26. Juli 1887.


- Die neuen Nickelzwanzigpfennigstücke werden nicht, wie verschiedene Zeitungen gemeldet haben, wieder eingezogen. Ebenso ist die Behauptung, daß die neuen Nickelzwanzigpfennigstücke mit der Zeit schwarz würden, eine irrige, da die Legierung derselben die gleiche ist, wie die der Fünf= und Zehnpfennigstücke.
- Ueber die Schreibweise der Marksumme hat das Reichspostamt im Einverständniß mit dem Reichsschatzamt eine auch weitere Kreise berührende Verfügung erlassen. Danach sollen die Post= und Telegraphenbehörden im amtlichen Geschäftsverkehr das Zeichen "Mk." als Abkürzung für "Mark" fortan dem Markbetrage nachsetzen und die Pfennige nicht mehr durch Decimalstellen der Mark, sondern als Pfennige unter Hinzufügung des Zeichens "Pfg." besonders ausdrücken, also z. B. 25 Mk. 7 Pfg. und nicht wie früher Mk. 25.07 oder 25,07 Mk. Hoffentlich wird diese Verfügung bezw. dieses Vorgehen Seitens zwei der höchsten Staatsbehörden dazu beitragen, auch im Privat=Geschäftsverkehr die seitherige unrichtige Schreibweise zu verdrängen.
- Sehr interessant ist das Schmuggel=Museum in London, eine Sammlung eingeschwärzter Waaren und solcher Gegenstände, deren sich die Schmuggler zur Täuschung der Zollbeamten bedienen. Gleich beim Eingang fällt dem Besucher eine ungeheure Wellington=Statue aus Blei auf. Die Geschichte dieses Standbildes ist eine recht merkwürdige. Das Blei unterliegt als Kriegsmaterial in England einem hohen Eingangszoll, zu Kunstgegenständen verarbeitet, ist es jedoch zollfrei. Ein Schlaumeier verfiel nun auf die "patriotische" Idee, Hunderte und aber Hunderte von bleiernen Wellingtons, die mit dem Helden von Waterloo nur eine sehr entfernte Aehnlichkeit hatten, gießen zu lassen; diese so massenhaft nach England zu importiren, daß wohl jeder Weiler mit einem solchen Monument hätte versehen werden können. Aber aufgestellt wurden dieselben nirgends, sondern sie wanderten einfach nach Birmingham in eine Kugelgießerei. Endlich ging dem Fiskus ein Licht auf und dem schwungvollen Geschäft wurde rasch ein Ende gemacht. Im Museum befindet sich ferner die etwas unförmliche thönerne Statue einer alten Frau. Es ist dies ein Modell, welches zeigt, in welcher Weise die Schmugglerinnen die geschwärzten Waaren zu verbergen pflegen. Neben der thönernen Frau hängt ein großes, faltenreiches Kleid, in welchem die Taschen die Größe von Säcken haben. Auch eine Krinoline ist da zu sehen; ihre Reifen sind dicht mit theuren geschwärzten Waaren umwickelt. Ein thurmhoher Chignon, mit geschickt geordneten Haaren, ist ein Magazin für Brüsseler Spitzen. Ein Schooßhündchen ist da, das so sanft dreinschaut, als wollte es einem die Hand lecken. Der kleine Pintscher lebt nicht, er ist ausgestopft mit Valencienne=Spitzen und Brillantringen. Dort hängt ein Winterrock, in seinem Futter fand man nicht weniger als 140 goldene Uhren. Der Cylinder daneben war einst mit geschwärzten Schätzen gefüllt. In der Ecke lehnt ein riesiger Stock; man wäre versucht, ihn für ein schweres Mordwerkzeug zu halten. Der Stock selbst ist jedoch, wie man eines Tages entdeckte, federleicht; nur die 5000 Stück Ringe, die er in seinem Innern verbarg, hatten ihn so schwer gemacht. Ein Juchtenstiefel ist deshalb von Interesse, weil er einer von jenen tausend Paaren ist, deren Sohlen mit gepreßtem Tabak gefüttert waren. Lange Tabakrollen sind als Ankertaue, von außen getheert, eingeschmuggelt worden. Auf einem Tisch liegt ein Oelkuchen; er besteht aus Schnupftabak. Daneben liegt ein großes Buch: "Die Lebens=Philosophie" von Wolf. Schlägt man einige Blätter des Buches um, so sieht man runde Löcher in demselben, sie dienten sechzig goldenen Damenuhren als Futteral.
- Im Lesezimmer des Kurhauses zu Scheveningen (Holland) steht in drei Sprachen geschrieben:
              Het is verboden hier le rooken.
              Das Rauchen ist hier nicht gestattet
              On est prié de ne pas fumer.
Daß Engländer nicht rauchen, wird als selbstverständlich angenommen, daher keine Verwarnung in englischer Sprache. Den Holländern wird das Rauchen verboten, den Deutschen ist es nicht gestattet und die Franzosen werden ersucht, es nicht zu thun. Die Abstufungen sind charakteristisch.


                          Zur beginnenden Ernte.                               Abermal mit Deiner Güte
                          Krönst Du, o Herr, das Jahr;
                          Abermal aus Keim und Blüthe
                          Quoll Dein Segen wunderbar;
                          Abermal in Deinen Händen
                          Mehrte das Geringe sich;
                          Und - nun willst Du gnädig spenden,
                          Denn - des Volkes jammert Dich.

                              Keinen läßt Du ungespeiset,
                          Keinen läßt Du ungetränkt,
                          Der sein Herz Dir überweiset,
                          Dir zum Eigenthum sich schenkt.
                          Er weint nicht auf leere Hände,
                          Denn er weiß, wer helfen kann:
                          Wo des Menschen Rath zu Ende
                          - Da fängt Gottes Hülf' erst an.

                              Wir vergingen in der Wüste,
                          Thätest Du nicht auf die Hand,
                          Daß Dein Segen uns begrüßte,
                          Eh' wir unsere Noth gekannt.
                          Darum, Herr, woll' uns auch geben,
                          Was die Seelen ewig nährt,
                          Doch - wir wollen Dich erheben,
                          Denn Du hast's ja schon gewährt!


                                                    Ein Spruch Friedrich Vischers:
                 "Weichheit ist gut an ihrem Ort,
                          Aber sie ist kein Losungswort,
                          Kein Schild, keine Klinge und kein Griff,
                          Kein Panzer, kein Steuer für dein Schiff,
                          Du ruderst mit ihr vergebens.
                          Kraft ist die Parole des Lebens:
                          Kraft im Wagen, Kraft im Schlagen,
                          Kraft im Behagen, Kraft im Entsagen,
                          Kraft im Ertragen,
                          Kraft bei des Bruders Noth und Leid
                          Im Stillen Werke der Menschlichkeit."


Dynamit.
Eine Bergmannsgeschichte von A. Oskar Klaußmann.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß).

[ => Original lesen: 1887 Nr. 57 Seite 6]

Dynamit.
Eine Bergmannsgeschichte von A. Oskar Klaußmann.
(Nachdruck verboten.)
[Schluß.]


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