[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 1] Der für das praktische Leben wichtigste Paragraph
des neuen Branntweinsteuergesetzes ist der von der Nachsteuer und Betriebseinschränkung der Brennereien handelnde § 43. Bei der großen Bedeutung, welche die Bestimmungen dieses Paragraphen für sehr weite Kreise haben, lassen wir dieselben im authentischen Wortlaut folgen: Aller am 1. Oktober d. J. innerhalb des Gebietes der Branntweinsteuergemeinschaft im freien Verkehr befindliche Branntwein unterliegt nach näherer Bestimmung des Bundesrathes der Verbrauchsabgabe in Form einer Nachsteuer von 0,30 Mk. für das Liter reinen Alkohols.
Von der Nachsteuer befreit bleibt: 1) Branntwein, welcher zu gewerblichen Zwecken, einschließlich der Essigbereitung, zu Heil=, zu wissenschaftlichen, zu Putz=, Heizungs=, Koch= oder Beleuchtungszwecken verwendet wird; 2) Branntwein in Mengen von nicht mehr als 40 Liter, welche sich im Besitz von Wirthen oder Branntweinhändlern befinden oder 10 Liter im Besitz von anderen Haushaltungsvorständen, 3) Branntwein, welcher nachweislich gegen Erlegung des Zollbetrages von 125 bezw. 180 Mk. für 100 Kilogramm vom Auslande eingeführt worden ist.
Für die Zeit vom 1. Juli ab bis zum 30. September d. J. wird a. der Betrieb jeder Brennerei, mit Ausnahme der Hefebrennereien, auf drei Viertel des Umfanges desjenigen Betriebes beschränkt, welchen dieselbe in dem entsprechenden Zeitraume des Vorjahres gehabt hat, unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 2, Absatz 2, b. die Maischbottigsteuer auf das Dreifache des bisherigen Satzes und dementsprechend die Steuervergütung für Branntwein, welcher aus dem deutschen Zollgebiete ausgeführt oder zu gewerbliche Zwecken einschließlich der Essigbereitung verwendet wird, auf 48,03 Mk. für das Hektoliter reinen Alkohols festgesetzt. Hefebrennereien unterliegen jedoch nur einer Erhöhung der Maischbottigsteuer um 100 Prozent, andere Getreidebrennereien einer solchen um 175 Prozent des bisherigen Satzes. Zu dem bisherigen Satze der Maischbottichstener ist der nach vorstehender Vorschrift beschränkte Betrieb denjenigen landwirthschaftlichen Brennereien gestattet, welche Getreide verarbeiten und in einem Jahre nicht mehr als 150 Hektoliter reinen Alkohols erzeugen.
Die Bestimmungen des § 3 Absatz 3 des gegenwärtigen Gesetzes finden auf die Stundung der Nachsteuer mit der Maßgabe Anwendung, daß der Bundesrath ermächtigt ist, weitergehende Erleichterungen eintreten zu lassen. Insbesondere kann derselbe den Brennereibetrieben, soweit abgeschlossene Verträge dazu Anlaß geben, die Brennerei über das vorbezeichnete Maß hinaus und zu dem einfachen Maischbottichsteuerbetrag gestatten.
Am Freitag genehmigte der deutsche Reichstag nach kurzer Debatte die Abänderung des Postdampfergesetzes in dritter Lesung nahezu einstimmig. Dann folgte die dritte Berathung der Branntweinsteuervorlage. Abg. Windthorst erklärte, daß ein Theil des Zentrums gegen das Gesetz, die Mehrheit dafür Stimmen werde. Abg. Richter=Hagen bekämpfte die Vorlage sehr energisch, während Minister v. Scholz und die konservativen Abgeordneten v. Kardorff und v. Helldorf dafür eintraten. In der Specialberathung wurden bei § 43 (Nachsteuer) noch einzelne Abänderungen vorgenommen und dann das ganze Branntweinsteuergesetz mit 233 gegen 80 Stimmen angenommen. Der Gesetzentwurf betr. die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben, wurde definitiv genehmigt und dann das Kunstbuttergesetz in dritter Lesung verhandelt. In zweiter Lesung ist entgegen der Regierungsvorlage beschlossen, die Mischbutterfabrikation überhaupt zu verbieten, was vom Staatssecretär v. Bötticher bekämpft wird. Angenommen wird der Antrag Schreiner, folgenden Zusatz zum Mischbutterverbot zu machen: Unter diese Bestimmung fällt nicht der Zusatz von Butterfett, welcher aus der Verwendung von Milch oder Rahm bei der Umstellung von Magarin herrührt, sofern nicht mehr als 100 Prozent Milch oder 10 Prozent Rahm auf 100 Prozent der nicht der Milch entstammenden Fette in Anwendung kommen. Damit wird das Mischbutterverbot mit 149 gegen 128 Stimmen angenommen. Ebenso in dritter Lesung dann noch das Arbeiterschutzgesetz (Einschränkung der Frauen= und Kinderarbeit) wesentlich unverändert. Am Sonnabend ist der Reichstag geschlossen.
Dem Reichstage sind jetzt die Petitionen um Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle zugegangen. Dieselben tragen 22 515 Unterschriften.
Der deutsche Kronprinz hat in Norwood=Castle bei London Wohnung genommen. Dasselbe ist eigentlich ein sogenanntes Boardinghaus und die bisherigen Bewohner mußten dasselbe gegen Entschädigung räumen. Es liegt ungefähr acht englische Meilen von London entfernt und ist von alten Bäumen und Wiesen umgeben. Die Stadt ist per Bahn in ein paar Minuten zu erreichen. Für den Kronprinzen, der ein leidenschaftlicher Schwimmer ist, ist auch Gelegenheit dazu in nächster Nähe geboten. Dr. Mackenzie wird seinen hohen Patienten wenigstens zweimal wöchentlich besuchen. Bald nach der Ankunft im Hotel untersuchte Dr. Mackenzie den Hals des Kronprinzen und fand ihn in höchst befriedigendem Zustande. Die Wucherung ist seit dem jüngsten Besuche Mackenzies in Berlin nicht gewachsen.
Fürst Bismarck ist am Donnerstag 5 Uhr 15 Min. in Begleitung seines Schwiegersohnes, des Grafen Rantzau nach Friedrichsruhe abgereist. Es dürfen daraus die beruhigendsten Schlüsse für die Gesundheit des Kaisers wie des Reichskanzlers gezogen werden. - Vor seiner Abreise hatte der Reichskanzler noch eine Audienz beim Kaiser.
Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Kräcker wurde am Sonnabend nach Schluß der Reichstagssitzung an der Ecke der Leipziger und Wilhelmstraße, verhaftet. Die Verhaftung dürfte mit dem Breslauer Geheimbund=Proceß in Verbindung sehen.
Die Königin Victoria von England feiert am 20. Juni d. J. ihr 50jähriges Regierungsjubiläum. Sie wurde geboren am 24. Mai 1819 als das ein=
[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 2]zige Kind des Herzogs von Kent und der Prinzessin Luise Victoria von S.=Coburg, verwittweten Erbprinzessin von Leiningen. Am 20. Juni 1837 bestieg sie den englischen Thron. Sie hielt sich jederzeit unverbrüchlich streng an die englische Verfassung, brachte aber innerhalb der durch diese gebotenen Schranken ihren persönlichen Einfluß immer zur Geltung. Von keinem Kabinet ließ sie sich Vorschriften über die Wahl ihrer näheren Umgebung machen und ist auch in der Wahl ihres Gatten, des Prinzen Albert, nur ihrem Herzen gefolgt, während sie auf dem Boden der auswärtigen Politik nur das englische Staatsinteresse gelten und sich durch keinerlei persönliche Abneigung hindern ließ, einen Peel, Palmerston und Gladstone zu Ministern zu nehmen. Mit dem Prinzen Albert vermählte sie sich am 10. Februar 1840, er wurde ihr am 14. Dezember 1861 durch den Tod entrissen und seitdem hat sie die Trauerkleider nicht wieder abgelegt und durch Denkmäler und Schriften bezeugt, was ihr dieser Gemahl, einer der vortrefflichsten Männer seiner Zeit, geworden war. Das älteste Kind dieser Ehe ist die deutsche Kronprinzessin, geboren 1840, dann der Thronerbe Albert Eduard, Prinz von Wales, geboren 1841, im Ganzen 9 Kinder. Die Königin ist außerordentlich thätig, sie empfängt ihre Minister meist in Windsor, von einer unverbrüchlichen Etikette umgeben und mit Zurückhaltung, erledigt aber täglich alle einlaufenden Akten eigenhändig; sie ist klug und sehr gewandt und schwebt wie der Geist über dem Wasser über den ehrgeizigen Bestrebungen der Parteien, eine geschickte Schiedsrichterin, wo nöthig. Sie ist stolz, läßt viele Verleumdungen ruhig über sich ergehen und kennt ihr Volk und weiß, daß ihr eigener Stolz demselben sympathisch ist. Der Glanzpunkt der Jubiläumsfeier ist in der Westminster=Abtei, dem Tedeum am 21. Juni werden 10 000 Gäste beiwohnen. Später finden große Spielturniere und Picknicks im Hyde=Park statt, welche 30 000 Kinder auf dem Platz vereinigen. Ein Engländer Sharp hat vorgeschlagen, daß am 21. Juni 9 Uhr Vormittags das ganze Volk "God save the queen" spielen, trompeten, geigen, pianoforten und singen soll wie ein Mann aus einem Mund. Daraus wird wohl nichts werden.
Die Zahl der zur Jubiläumsfeier in England nach der Westminsterabtei geladenen Gäste beträgt 10 000; wie viele aber wirklich auf ihren Sitzen anlangen werden, ist kaum zu sagen. 5000 Wagen sind wenigstens zu ihrer Beförderung nach der Abteithür erforderlich; wenn daher die Reihe nicht schon um 6 Uhr Morgens beginnt, ist das Ende bei den sonstigen, durch die Menschenmenge herbeigeführten erschwerenden Verkehrsverhältnissen nicht abzusehen.
Von Paris wird gemeldet, daß in allen politischen Kreisen daselbst die Eventualität des Rücktrittes des Herrn Grévy von der Präsidentschaft der Republik immer mehr ins Auge gefaßt wird, und zwar wegen Mißhelligkeiten in der Familie des Präsidenten, insbesondere in Folge von Zerwürfnissen mit seinem Schwiegersohne, Henry Wilson. In Folge dessen werde die Frage der eventuellen Nachfolgerschaft bereits lebhaft diskutirt und werden hierbei fast ausschließlich die Herren Freycinet und Jules Ferry in Betracht gezogen.
Das Hetzen gegen die Deutschen nimmt in Paris seinen Fortgang. Die "Défense Nationale" veröffentlicht nicht bloß fortwährend Listen der Kaffee= und Bierhäuser, in denen nur französisches Bier verzapft wird, sondern bringt jetzt auch Proscriptionslisten, in welchen die namhafteren deutschen Kaufleute, Fabrikanten und Beamtete in Paris nach Bezirken aufgeführt werden. Ein anderes Pariser Blatt bemerkt dazu: "Dieses ausgezeichnete Wirken macht unserm rührigen Mitbruder Ehre. Es giebt so viele Deutsche in Paris, die sich für Schweizer, Belgier, Oesterreicher oder sogar Elsässer ausgeben, daß es nicht übel ist, diese schurkischen Teutonen zu entlarven". Wohin soll nun schließlich dies alles noch führen?
Witzige Bemerkungen über Frankreich soll der Papst jüngst bei dem Empfang französischer Pilger gemacht haben. Er sagte: "Wahrhaftig, Frankreich ist ein Räthsel, ein Widerspruch, eine Zweideutigkeit. Der Palast des Präsidenten der Republik trägt den Namen eines Paradieses (l'Elysée), an welches Frankreich nicht glaubt; der Senatspalast hat den Namen einer Stadt (Luxembourg), welche Frankreich nie besaß; und der Palast der Abgeordneten der Republik (Palais Bourbon) entleiht seinen Namen von einem Herrschergeschlecht, welches Frankreich nicht will." Und er schloß diese ebenso witzige als bezeichnende Charakteristik mit dem Ausruf: "Chaos! Chaos!" Der Papst verwahrt sich aber ausdrücklich, daß er ex cathedra gesprochen habe.
Es hat sich jetzt herausgestellt, daß die neuen, auf Betreiben des früheren Marineministers Aube in aller Hast gebauten 35 Meter langen Torpedobote, 50 an der Zahl, nur um an der Küste gebrauchsfähig zu sein, sämmtlich umgebaut werden müssen. Einigermaßen starker Seegang genügt schon, um sie auf die Seite zu legen und sie dienstunfähig zu machen.
Die italienische Regierung macht mit ihrem Vorgehen gegen die Abessynier nun wirklich Ernst. Zu all den Summen, welche Afrika schon verschlungen, hat der Kriegsminister abermals 20 Millionen als Kriegskosten für den Vormarsch gefordert. Etwas Genaueres wird selbstverständlich nicht öffentlich mitgetheilt werden, doch liegt es nahe, daß mit dem Eintritt der kühlen Witterung der Revanchenkrieg gegen den König Johannes und Ras Alula beginnen wird. Zwei Divisionen sind bei Massauah marschfertig.
Der Nuntius Ruffo Seilla bestätigte auf seiner Durchreise nach London in Italien, der Papst denke nicht daran, mit dem Leoninischen Stadttheil sich zu begnügen; er verlange nach wie vor die ganze Stadt Rom zurück.
Aus Spanien laufen schon wieder Nachrichten von einem befürchteten Militäraufstande ein. In Barcelona und verschiedenen anderen wichtigen Garnisonen treffen die Behörden seit mehreren Tagen bedeutende Vorsichtsmaßregeln und in Madrid werden die Kasernen auf das Sorgfältigste überwacht.
Der Battenberger mag nicht mehr. Er hat von Kissingen aus der Regentschaft in Bulgarien durch ein Telegramm bestens für ihre Freundlichkeit gedankt, daß sie ihn wiederum als Fürst von Bulgarien in Vorschlag gebracht habe, gleichzeitig aber erklärt, daß er niemals mehr nach Bulgarien zurückkehren werde. Seines Telegramms kurzer Sinn ist etwa: Macht keine Dummheiten; möge es euch gut gehen, ich aber danke für alles.
- Schönberg. Die Aushebung der Militärpflichtigen fand am 13. dies. Mts. im Boyeschen Lokale statt und verlief dieser Tag trotz der in der Stadt versammelten nicht unbedeutenden Anzahl von jungen Leuten im Ganzen doch sehr ruhig. Was wir über das Resultat der Aushebung erfahren haben, lautet sehr günstig, indem nicht allein der Bedarf an tauglichen Leuten, welche unser Fürstenthum zu stellen hat, gedeckt worden ist, sondern auch noch außer den bereits vorhandenen Ueberzähligen der Altersklassen 1865 und 1866 aus der Altersklasse 1867 Militärpflichtige überzählig geblieben sind.
- Im Prozeß gegen die Patriotenliga verurtheilte das Reichsgericht in Leipzig Köchlin, Blech, Schiffmacher und Trapp wegen vorbereitender Handlungen zum Hochverrath und Theilnahme an einer geheimen Verbindung und zwar Köchlin zu 1 Jahr Festung (4 Monate Untersuchungshaft angerechnet), Blech und Schiffmacher zu 2 Jahren, Trapp zu 1 1/2 Jahren Festung. Die vier anderen Angeklagten wurden freigesprochen.
- Die erste deutsche landwirthschaftliche Ausstellung, welche am 13. Juni Abends nach fünftägiger Dauer in Frankfurt a. M. geschlossen wurde, hat in jeder Beziehung einen günstigen Verlauf genommen. Vom hellsten, aber erst am letzten Tag heißen Wetter begünstigt, hatte sie eine wahre Völkerwanderung, besonders aus Mittel= und Süddeutschland, hervorgerufen. Ein Extrazug aus Stuttgart und Heilbronn brachte schon am 9. Juni 1100 Landwirthe aus Württemberg, welche erst am 11. Juni Abends mit Extrazug über Hanau Frankfurt wieder verließen. Am Sonntag, den 12. Juni, überstieg die Zahl der Besucher 40,000, von welchen 10,000 mit Dauerkarten, nahe an 30,000 (29,872) mit Tageskarten à 1 Mk. versehen waren. Der Kostenaufwand des Komitees in dem ansehnlichen Betrag
[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 3]von 160,000 Mk. ist durch die Einnahmen völlig gedeckt. Das Interesse und die Theilnahme an der Ausstellung der durchgängig vorzüglichen Thiere steigerte sich täglich so sehr, daß am Sonntag noch 40 Preise freiwillig gestiftet und geschenkt wurden. Darunter machte ein Preis mit der Bestimmung als Prämie "für den größten Fortschritt in der Landwirthschaft" dem Komitee, welches am letzten Tag deshalb eine außerordentliche Sitzung anberaumen mußte, nicht wenig Kopfzerbrechen, um den würdigsten Prämiirten zu finden. Unfälle kamen bei den vortrefflichen Vorsichtsmaßregeln sehr wenig vor. Ein werthvolles Pferd erhielt von einem anderen einen Tritt gegen den Leib und ging daran zu Grunde. Ein 8 Centner schweres Schwein verendete. Aber die Krone der Säue englischen Stammes, in Braunschweig gezogen und 11 Centner schwer, genannt die schöne Helena, kehrte lebend in ihre Heimath zurück. Die Rückfahrt auf allen Eisenbahnen (bis nach Ostpreußen, Oberbayern, Schlesien und Schleswig=Holstein) ist für alle ausgestellten Thiere frei. Die Aussteller haben jedoch für den Transport der Thiere nach Frankfurt und die achttägige Fütterung und Wartung erhebliche Opfer gebracht. Besondere Freude erregten die oberbayerischen Tyroler in ihrer Gebirgstracht, mit ihren hellen Juchzern und fröhlichen Gesängen, denen die prächtigen Allgäuer Stiere, Bullen und Kühe mit besonderer Ruhe und Sanftmuth unter harmonischem Geläute ihrer Glocken folgten. Die ostpreußischen und holsteinischen Bullen, glänzend im Fell wie die edelsten Pferde, wären die stärksten und wildesten, so daß bei ihrer täglichen Vorführung im sog. Ring regelmäßig außer dem Führer, welcher an der Stange und an deren Ende am Nasenring den wilden Ochsen lenkte, noch drei Husaren mit Striken das Thier im Zaum halten mußten. Komisch war der Anblick, als ein schwerer Bulle seinen vier Leitern durch hartnäckiges Stehenbleiben den stärksten Widerstand gegen den Eintritt in den Ring leistete, bis eine junge Vogelsberger Kuh im Vorbeiführen dem gewaltigen Thier einen leichten Pantoffel=Schlag in die Seite versetzte, worauf der Pantoffelheld ihr geduldig und ruhig nachfolgte.
- In Hannover hat jetzt die vielberufene Wente'sche Hundeaffaire (die Hunde des Maurermeisters Wente hatten auf offener Straße einen Soldaten angefallen und beinahe in Stücke grissen) ihren Abschluß vor Gericht gefunden. Wegen fahrlässiger Körperverletzung ward Friedrich Wente von dort in der Strafkammer I des dortigen Landgerichts zu drei Monaten Gefängniß und in die Kosten verurtheilt. Außerdem hat er dem verletzten Artilleristen Karl Schachtebeck eine Entschädigungssumme von 5000 Mark zu zahlen.
- In der Nachbargemeinde von Siegen, Niederschelden fand man kürzlich eine bejahrte kinderlose Wittwe, die als geizig verschrieen war, todt auf den Dielen ihres Wohnzimmers ausgestreckt; das ärztliche Gutachten läßt keinen Zweifel, daß die Frau, die sich die Bissen vom Munde abzog, buchstäblich verhungert ist. Außer einer Kruste vertrockneten Brotes war nichts Genießbares im Hause, dagegen fanden sich in Schubladen, Schachteln, im Bett und unter allerlei Gerümpel versteckt 80 000 Mark in Gold, Silber und Werthpapieren, wozu die lachenden Erben sich schon gemeldet haben.
- In Fiume wurde der Korrespondent eines ungarischen Blattes, welcher sich darin über die Frauen seiner Stadt nicht gerade günstig ausgesprochen hatte, von der aufgebrachten weiblichen Bevölkerung auf der Straße attaquiert und furchtbar durchgeprügelt. Er entging dem Zorne der Schönen von Fiume nur durch den Schutz der Wachen und wäre sonst wahrscheinlich regelrecht erschlagen worden.
Anzeigen.
Zur Zwangsversteigerung der in Folge begründeten Antrags beschlagnahmten, dem Büdner und Krämer J. Hintze zu Herrnburg sub Nr. 38 gehörigen Büdnerei c. p. steht vor dem unterzeichneten Amtsgerichte an:
1, der Verkaufstermin auf
Dienstag, den 28. Juni 1887,
Vormittags 11 Uhr,
2, der Ueberbotstermin auf
Dienstag, den 26. Juli 1887,
Vormittags 11 Uhr.
Ferner ist ein Termin zur Anmeldung aller dinglichen Ansprüche an das Grundstück und an die zur Immobiliarmasse desselben gehörenden Gegenstände (Zubehör) soweit sie nicht gesetzlich von der Meldungspflicht ausgenommen sind, zur Vorlegung der Originalien und sonstigen schriftlichen Beweismittel, sowie zur etwaigen Prioritätsausführung unter dem Nachtheile der Abweisung und des Ausschlusses auf
Dienstag, den 28. Juni 1887,
Vormittags 11 Uhr
angesetzt.
Dem Schuldner und den bei der Zwangsvollstreckung betheiligten Gläubigern wird hiermit freigelassen zu dem Zwecke einer endlichen Regulirung der Verkaufsbedingungen, deren Entwurf zwei Wochen vor dem Verkaufstermine auf der Gerichtsschreiberei hierselbst zur Einsicht der Betheiligten ausliegen wird, in dem letztgenannten Termine zu erscheinen, sowie innerhalb acht Tagen vor diesem Termine Vorschläge für die Verkaufsbedingungen einzureichen.
Schönberg, den 7. April 1887.
Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
W. Wetzel.
Ersparniß- u. Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist während des
Johannistermines
vom 24. Juni bis 1. Juli d. J.
an den Werktagen
von 8 bis 12 Uhr Vormittags
und
am Sonntag, den 26. Juni d. J.
von 6 bis 9 1/2 Uhr Morgens
geöffnet.
Schönberg, den 15. Juni 1887.
Das Directorium.
Die Haupt=Versammlung der
Schuhmacher=Innung
zu Schönberg findet
am Montag den 27. Juni
Nachmittags präcise 1 Uhr
im Gastwirth Boye'schen Locale statt, wozu sämmtliche Mitglieder hiermit eingeladen werden.
Tagesordnung:
1. Erhebung der halbjährlichen Beiträge,
2. Einschreiben von Lehrlingen,
3. Allgemeine Innungs=Angelegenheiten.
Der Vorstand.
Beste von mir selbst gemachte
Schmiedesensen
gearbeitet aus bestem Guß= und Silbermünzstahl unter Garantie empfiehlt
J. Teege, Schmiedemeister.
Lockwisch.
Ich habe noch
20,000 Torf
zum Verkauf stehen, das Tausend kostet 5 Mark.
Hauswirth Renzow, Rabensdorf.
Ganz aus bestem englischen Gußstahl
gearbeitete Sensen,
das Beste, was es in dieser Waare giebt, empfehle unter jeder möglichen Garantie.
Schönberg i./M. J. Oldenburg,
Schmiedemeister.
Honig à Pfd. 75 Pfg.
verkauft
J. Wegner.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 4] Wir bringen hiermit zur allgemeinen Kenntniß, daß unser diesjähriger
Königschuß
am 4. und 5. Juli abgehalten wird.
Loose zu der am 2. Königschußtage erfolgenden Ziehung der Tombola sind schon jetzt zum Preise von à 30 Pfennigen zu haben.
Schönberg, im Mai 1887.
Der Vorstand der Schützenzunft.
C. Schultze. F. Baer. J. Greiff.
Grosser
Inventur-Ausverkauf.
Am Mittwoch Beginn des Ausverkaufs der bei der Inventur zurückgesetzten Waaren zu und unter Einkaufspreisen. Cattune, Kleiderstoffe und alle Reste enorm billig!
Gebr. Burchard.
NB. Proben können wir während des Ausverkaufs nicht geben. D. O.
Beste
Gußstahlsensen
empfiehlt unter Garantie zu sehr billigen Preisen
Aug. Spehr.
Putzleder,
für Gold= und Silbersachen,
Möbeln, Wagen und Fenstern,
schon von 30 Pf. an stets zu haben in Schönberg bei
Emil Jannicke,
Handschuhmacher.
Zu Michaelis suche ich ein
tüchtiges Mädchen
für Küche und Hausarbeit.
Frau Dr. Marung.
Gesucht zu Michaelis
ein Mädchen
für häusliche Arbeiten.
C. J. W. Burmeister.
Gesucht zu Michaelis oder zu sogleich
ein tüchtiges Mädchen
von F. Griem,
Schmiedemeister.
Ein ordentl. Mädchen
wird zu Michaelis gesucht von
Sophie Bicker.
Zahnschmerzen aller Art werden selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. In Fl. à 50 Pfg. im Alleindepot für Schönberg bei
Emil Jannicke, Bandagist.
Sensen,
jedes Stück unter Garantie,
Sensenstreicher, Holzharken,
empfiehlt
J. Ludw. D. Petersen.
Durch die glückliche Geburt eines gesunden Knaben wurden hoch erfreut.
Johannes Spehr und Frau.
Ratzeburg, den 16. Juni 1887.
Heute Morgen wurde meine liebe Frau Toni geb. Gerdess mit Gottes Hülfe von einem gesunden Söhnchen glücklich entbunden.
Schönberg, den 19. Juni 1887.
W. Ringeling. Realschul=Direktor.
Getreide=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck. [Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 5]Beilage
zu Nr. 47 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 21. Juni 1887.
- Wie aus Köln gemeldet wird, soll in diesen Tagen zufolge einer Entscheidung des Erzbischofs die feierliche Taufe und Einweihung der Kaiserglocke erfolgen. Die Kaiserglocke ist bekanntlich die schwerste der Welt, sie wiegt circa 500 Centner und bedarf zum Läuten 28 Mann; die sämmtlichen 5 Glocken des Kölner Domes bedürfen deren 41. Drei der Glocken haben bereits das respektable Alter von 450 Jahren erreicht, denn sie stammen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.
- Einen für unsere einheimische Seidenindustrie hoffentlich recht segensreicher Versuch hat ein Industrieller in Reichenbach a. E. gemacht. Er hat 100,000 Stück Eier des japanischen Eichenseidenspinners, dessen Raupe sich von Eichenlaub nährt, aus Japan bezogen; die Raupen sind fast sämmtlich gesund und gedeihen in unsern einheimischen Eichen ganz vortrefflich.
- In Aschaffenburg ist der 88jährige ehemalige Schlossergehülfe Schäfer und zugleich der Träger eines romantisch=tragischen Vorfalles gestorben. Er hatte vor mehr als 60 Jahren in Würzburg als Soldat gedient und seinen Hauptmann erschossen, ging aber straffrei aus. Die Geschichte soll sich so zugetragen haben. Der Hauptmann hatte eine Freude daran, tüchtig strafen zu können und vor 60 Jahren gab es noch ganz andere Strafen, als heute. Die Soldaten seiner Kompagnie, welche sich etwas furchtsam und beschränkt zeigten, kommandirte er immer auf den Wachtposten vor das Pulvermagazin, auf dem hinter der Festung Marienberg weit und einsam gelegenen sogen. "Hexenbruch." Allgemein hieß es damals, daß es dorten "umgehe"; allerhand teuflische Gestalten, Ungeheuer etc. waren gesehen worden und es war auch öfter vorgekommen, daß der Militärposten sein Gewehr weggeworfen und davongelaufen war, wofür ihm schmunzelnd der Hauptmann - denn immer waren sie von seiner Compagnie gewesen - die entsprechend schwere Strafe diktirte. Vom Generalkommando war die Sache mehrmals untersucht worden, allein sobald eine stärkere Abtheilung auf dem "Hexenbruch" lag, blieb alles still und kein Gespenst ließ sich blicken. Eines schönen Tages wurde auch Schäfer als Nachtposten auf den berüchtigten "Hexenbruch" kommandirt. Schäfer war stets ein braver tüchtiger Soldat und hatte sich einmal über die ihm durch seinen Hauptmann zu Theil gewordene Behandlung beim Regiment beschwert, wodurch er sich noch stärker dessen Abneigung zuzog; daher auch wohl seine Strafwache auf dem "Hexenbruch." Ueber seine Erlebnisse in dieser Nacht wurde erst später Folgendes bekannt: Schäfer hatte als Postennummer "zufällig" auch die von 12 bis 2 Uhr Nachts erhalten. Nicht lange nachdem drunten in der Stadt die Glocken Mitternacht verkündet hatten, bemerkte Schäfer, als er von seinem Rundgang um das Pulvermagazin auf den Posten zurückkehrte, am Rand der Anhöhe sich etwas Dunkles bewegen. Es schien, als ob es ein Thier wäre, das auf allen Vieren kroch; mit einem Mal erhob es sich und kam mit Gebrumm und drohenden Geberden auf den Posten zu. Obwohl die Geschichte unheimlich genug aussah, verlor Schäfer die Courage nicht und rief sein "Halt! Wer da?" einmal, zweimal, nach Vorschrift zum dritten Mal und dann krachte ein Schuß durch die Nacht, welcher die Wache alarmirte. Die bald eintreffende Patrouille erhielt Meldung von Schäfer, daß "Etwas" auf ihn zugekommen und auf sein Anrufen nicht gehalten habe, worauf er nach dem "Ding" geschossen und augenscheinlich auch getroffen habe; denn es habe einen Satz gemacht und sei zusammengestürzt und liegen geblieben. Bei Absuchung des Terrains fand man in einer Umhüllung von Schaffellen den Hauptmann todt am Boden liegen, die Kugel Schäfers war ihm durchs Herz gegangen. Schäfer ging straffrei aus, er hatte nach seiner Instruktion gehandelt.
- Kaum glaublich klingen die Berichte von dem massenhaften Einbringen von Maikäfern im östlichen Seeland (Dänemark). Ganze Wagenladungen werden vorgefahren; die Kassen sind in manchen Dorfgemeinden geleert, weil so viel Sammlerlohn auszuzahlen war, nämlich 8 Oere (1 Oere 1 1/2 Pfennig) für das Pfund. Im Kirchspiel Faxe sind schon 2000 Kronen (à 1 Mark 20 Pf.) ausgezahlt worden. Ein Hofbesitzer in Eskildstrup erhielt allein am Sonnabend 14 000 Pfund aus zwei Dörfern vorgefahren. Seine Dreschmaschine arbeitete seitdem alle Tage, um die Thiere zu tödten, die in tiefe Gruben geworfen werden müssen, um den scharfen Geruch abzuhalten.
- In Paris ist der erste Sack diesjährigen Getreides aus Sema bei Oran eingetroffen und wurde sogleich verbacken. Das erste Brot davon kam auf den Tisch des Präsidenten Grévy und war vortrefflich.
- Das Jubiläumsgeschenk des Papstes an die Königin Victoria von England besteht der "Köln. Ztg." zufolge, in einer großen Mosaikkopie des Raffael'schen Freskenbildes im Vatikan: "Die Poesie."
- Die Londoner Gasthöfe beginnen bereits eine goldene Ernte anläßlich des Jubiläums der Königin einzuheimsen. Im Langham=Hotel wohnt der Maharadsah Holkar mit einem Gefolge von 18 Personen, während im Hotel Metropole ein indischer Premierminister während der letzten zwei Monate eine Rechnung von 1580 Pfd. bezahlt hat. Ein Amerikaner hat in einem anderen Hotel Zimmer bestellt und 100 Gäste für den großen Tag in der nächsten Woche eingeladen.
- Vollblut=Pferdezucht in England. Nach einer Notiz der "Deutschen landwirthschaftlichen Presse" wurden im Jahre 1886 in England 2072 Vollblutfohlen geboren, die von 342 Hengsten abstammten. Hiervon führen 94 ihre Abstammung auf Touchstone und 85 auf Bircatcher, zwei berühmte Rennpferde, zurück. Für diese Fohlen wurden mindestens 100 000 Gulden (Gold) an Deckgeldern bezahlt. Die Deckgelder sind in England enorm hoch. Im "Field" ist ein Verzeichniß der heurigen Deckgebühren enthalten: Hermit 250 Pfd. St., Galopin, Petrarch und Sterling je 150 Pfund Sterling; Hampton, Robert the Devil und Rosicrulian je 100 Pfund Sterling, Hengste, die auf dem Turf nur zweiten Rang erreichen, den für 50 bis 3 Pfund Sterling. Dermalen wird für Bard Or die höchste Deckgebühr (mindestens 500 Pfd. St.) bezahlt. Der Zuchthengst Bard, ein Derby=Sieger, wurde um 10 000 Pfd. St. an Mr. Say in Paris dieser Tage verkauft.
- In Gais in der Schweiz erlegte ein Bauer 7 Füchse und erhielt von den 130 Geflügelbesitzern 95 Fr. Belohnung.
- In Neapel hat sich ein Taucher in der Glocke auf dem Grund des Meeres, wo er Untersuchungen vornehmen sollte, durch eine in den Mund gesteckte und angezündete Dynamitpatrone getödtet.
- Im Zuchthaus San Giovanni in Italien wurde Berbetti, genannt Graf von Montechristo, der zu 6 Jahren verurtheilt ist, und Fräulein Bergamini feierlich getraut. Beide erschienen im höchsten Staat, die Braut mit Juwelen geschmückt, aber Flitterwochen feierten sie nicht, denn nach der Trauung kehrte er in seine Zelle, sie in ihre Wohnung zurück. Wichtige Vermögensinteressen hatten die Trauung nothwendig gemacht.
- In Botuschan in Rumänien sind durch Feuer 800 Häuser zerstört und 10 Personen getödtet worden.
- Max und Moriz in Japan. Der "Münchener Allgemeinen Zeitung" wird aus Tokyo berichtet: Wampaku Monogatari, die Geschichte von den bösen Buben, ist der Titel eines Werkchens, das wir kürzlich in einer japanischen Buchhandlung ausgelegt
[ => Original lesen: 1887 Nr. 47 Seite 6]fanden und das kaum unsere Aufmerksamkeit erregt haben würde, wenn uns nicht unter dem Titel zwei alte, bekannte Gesichter entgegengestrahlt hätten. Ein rascher Blick hinein machte es uns zur Gewißheit, daß wir hier die Streiche des edlen Paares Max und Moriz im japanischen Gewand vor uns hatten.
Am Erlenbach.
Eine Künstlergeschichte von Fritz Brentano.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
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