[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 1] Kaiser Wilhelm wird am 18. Juli in Gastein erwartet, und da voraussichtlich auch in diesem Jahr die dortige Kur des Monarchen 3 Wochen in Anspruch nehmen soll, so dürfte der Kaiser etwa am 9. August die Heimreise antreten. Eine gleichzeitige Anwesenheit des Kaisers und des Fürsten Bismarck in Gastein hat seit dem Jahre 1865 nicht stattgefunden.
Wie der in Prag erscheinenden Bohemia aus Wien gemeldet wird, gedenkt Kaiser Wilhelm auf seiner demnächstigen Reise nach Gastein zum ersten mal in München Aufenthalt zu nehmen und in der Residenz abzusteigen.
Dem Bundesrath ist eine Vorlage des Reichskanzlers betr. die Ausprägung neuer Nickelmünzen in Zwanzigpfennigstücken im Betrag von 5 Millionen Mk. zugegangen.
Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes über Leipzig um ein Jahr.
Die nationale Ausstellung in Berlin pro 1888 ist zunächst als gescheitert anzusehen. Der Bundesrath beschloß am Freitag, daß schon mit Rücksicht auf die ablehnende Haltung eines großen Theils der Industrie gegenüber dem Ausstellungsunternehmen von der Einstellung eines Betrages von 3 Millionen Mark zur Unterstützung in den nächsten Etat abzusehen sei. Das provisorische Ausstellungskomite in Berlin wollte in diesem Falle von der weiteren Agitation absehen.
Eine Revision des Patentgesetzes steht bevor. Vom Reichskanzler ist beim Bundesrath bereits der Antrag gestellt worden, sich mit Einberufung eines Untersuchungsausschusses Sachverständiger einverstanden zu erklären. Zur Vorbereitung der Arbeiten dieser Untersuchung, wie zur Aufstellung der vorzulegenden Fragen und Bezeichnung der zu berufenden Sachverständigen soll vorerst ein Ausschuß zusammentreten, besehend aus einem Mitglied des Bundesraths, dem Präsidenten und zwei ständigen Mitgliedern des Patentamtes und je einem Sachverständigen des mechanischen und chemischen Faches.
Ein russischer Offizier, Namens Savin, der angeblich wegen nihilistischer Umtriebe in Duisburg verhaftet wurde, ist aus dem dortigen St. Vincenz=Hospital=Gefängniß entflohen. Die Polizei ist nach allen Richtungen hinter ihm her.
Die Errichtung eines neuen Lehrstuhles an der Berliner Universität, bestimmt für die Chemie der Nahrungsmittel, wird geplant. Als in Aussicht genommene Lehrkraft für die voraussichtlich außerordentliche Professur wird ein Mitglied des Reichs=Gesundheitsamts genannt.
Die Vorarbeiten für die südamerikanische Ausstellung, die für dieses Jahr in Berlin projektiert ist, sind bereits soweit vorgeschritten, daß an ein Zustandekommen nicht mehr zu zweifeln ist. Die Ausstellung soll im September eröffnet werden und wird u. a. besonders Rohprodukte Südamerikas enthalten. Die "Hamburg=Südamerikanische Dampfschifffahrts=Gesellschaft" hat die Beförderung der Ausstellungsobjekte bis Hamburg kostenlos übernommen.
Ueber Stockungen des Handels kommen Klagen aus allen Ländern. Auch in Kamerun stockt augenblicklich der Handel in Folge der niedrigen Preise für Palmöl und Palmkerne und des Widerstrebens der Eingeborenen, ihre Waaren zu einem billigeren Preis als früher den Faktoreien zu verkaufen.
Aus Elbingenalp erfährt man, daß in dem Befinden der Mutter des verstorbenen Königs Ludwig ein schmerzhafter Rückfall eingetreten ist.
Kürzlich fand in Schloß Berg durch das Marschallamt die Inventuraufnahme statt. Dabei fanden sich in den verschiedenen Schubläden und Fächern eine erstaunliche Menge von Brillanten und anderen Edelsteinen, Ringen, Busennadeln, Uhren, Ketten und anderen Pretiosen, welche einen sehr beträchtlichen Werth haben. Die Kommission glaubt, daß sich in Linderhof, Schwanstein und den anderen Schlössern ebenfalls Mengen solch werthvoller Gegenstände vorfinden werden.
Kaiser Wilhelm hat der Kirchengemeinde Eydtkuhnen zum Bau einer evangelischen Kirche daselbst ein Gnadengeschenk bis zur Höhe von 133,000 M., welche auf 3 Jahre zu vertheilen sind, bewilligt.
Die irdischen Ueberreste Max Schneckenburgers, des Dichters der "Wacht am Rhein" sollen am 8. Juli in seinem Geburtsorte Thalheim bei Tuttlingen beigesetzt werden. Da dieses Dorf aber in der äußersten südwestlichen Ecke Württembergs sehr abgelegen ist, so ist für das beabsichtigte Denkmal, wofür die Sammlungen gegenwärtig im Gange sind, die nächste Oberamtsstadt, das an der Eisenbahn gelegene Tuttlingen ausersehen, das auch die Heimath der Familie Schneckenburger ist.
Graf Kalnoky, der österreichische Minister des Aeußeren, wird, so geht die Rede, mit dem Fürsten Bismarck wahrscheinlich in Kissingen zusammentreffen.
Die italienischen Manöver, die in der Lombardei und Venetien geplant waren, sind wegen der Cholera vom Kriegsminister aufgehoben worden.
Die Strikenden in Belgien haben in drei Kohlenbergwerken die Arbeit wieder aufgenommen.
Das Manifest des Grafen von Paris wird noch in Millionen in ganz Frankreich verbreitet. Der Gesetzentwurf, durch welchen die Verbreitung gehindert werden soll, findet übrigens selbst bei einem Theil der Republikaner Widerspruch, daß darin ein Vorgehen gegen die Preßfreiheit erblickt wird.
Königin Christine von Spanien hat am vergangenen Sonntag in Madrid ihren ersten Kirchgang gehalten. Trotz der ungeheueren Hitze waren die Straßen, durch welche der Zug ging, mit einer festlich gekleideten Menschenmasse erfüllt, die auf den mit Teppichen und Blumen geschmückten Balkonen die Wöchnerin und den jungen König erwarteten. Etwas vor 5 Uhr verließ der Wagen, in welchem die Königin mit Alfons XIII. und seiner schönen Amme saß, das Schloß. Das übliche Geleite von Hellebardisten ging demselben voraus, und einige Hofwagen beschlossen den Zug. Das Publikum begrüßte die Königin außerordentlich herzlich, ringsumher erschollen die Rufe: Es lebe die Regentin! Es lebe Alfons XIII.! Aus vielen Fenstern wurden Blumen gestreut.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 2]- Schönberg. In der am 5. Juli hier stattgehabten Strafkammersitzung wurde der wegen Diebstahls in der Postagentur zu Carlow angeklagte Arbeiter Barczerowski zu 5jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt.
- Am Dienstag Mittag brannte in Selmsdorf das Gehöft des Hauswirth Boye total nieder. Vieh ist nicht verbrannt, aber alle Gebäude sind eingeäschert und von den Mobilien und dem Inventar fast nichts gerettet, Ueber die Entstehung des Feuers ist nichts bekannt geworden. An Feuerversicherungs=Entschädigung erhält der Hauswirth Boye ca. 12 000 M.
- Häuptling Samson Dido von Didotown am Kamerunfluß, ein naher Blutsverwandter des oft genannten Königs Bell, ist am Sonntag Mittag mit seiner Familie und einem Theil seines Hofstaates auf dem Steamer "Karl Woermann" in Hamburg eingetroffen und wohnt bei Karl Hagenbeck, dem berühmten Thiergroßhändler, am Neuen Pferdemarkt. Die schwarze Majestät, eine imponirende Erscheinung von mehr als sechs Fuß Größe, herkulischem Körperbau und sehr intelligenten Gesichtszügen, war bei seiner Ankunft bekleidet mit einem großen, um die Lenden geschlagenen und bis über die Knie reichenden violetfarbigen Stück Sammet, einer weißen Vigogne=Blouse und einem hellgrauen Taillenrock, während ein Südwester als Kopfbedeckung und Elfenbein=Manchetten an den Armen das europäische, halb afrikanische Kostüm vervollständigten. Häuptling Dido, der im Hafen von Herrn Hagenbeck, persönlich empfangen und in einer Equipage nach dem oben genannten Grundstück geleitet wurde, befand sich in Begleitung seiner beiden Frauen, von denen die eine, in der Mitte der zwanziger Jahre stehend, wenn auch gerade keine Schönheit, doch ein seltenes Ebenmaß der Glieder zeigte, die zweite aber kaum dem Mädchenalter entwachsen schien, und seines zweijährigen Söhnchens Debussi. Der Hofstaat des Königs der in einem zweiten Wagen folgte, bestand aus einem Neffen des Häuptlings, Namens Minyonge, dem Haushofmeister Small Samson, dem Kammerdiener Yong Ando und einem Diener Tyube.
- Bei Würzburg ereignete sich am Mittwoch, den 30. Juni, nachmittag 1 Uhr 30 Min. ein schreckliches Unglück, indem der Bamberger Postzug, der fünfzehn Minuten Verspätung hatte, mit dem Berliner Schnellzug zusammenstieß. Ein Augenzeuge berichtet über den Eisenbahnzusammenstoß am Faulenberg folgendes: Der Stuttgart=Berliner Schnellzug stieß heute mittag 1 1/2 Uhr mit dem von Bamberg um 1 Uhr 20 Minuten in Würzburg eintreffen sollenden Postzug zwischen dieser Station und Rottendorf auf einer freien Strecke zusammen. Der Zusammenstoß war ein furchtbarer und die Situation grauenhaft. Man hat bis jetzt 10 Todte, circa 10 schwer Verletzte und eine noch nicht bestimmbare Anzahl leicht Verwundeter konstatirt. Todt sind Zugführer Oefelein, schwer verletzt ist Post=Inspektor Wiedemann, leicht verletzt die liberalen Abgeordneten Sauerbrey und Sellner und Bahnmeister Wittmann (Oberndorf). Die Schwerverletzten wurden ins Spital verbracht. Sämmtliche Zivil= und Militärärzte, Professoren und Assistenten, die Sanitätskompagnie mit 6 Transportwagen sind an der Unglücksstelle. Die Artillerie sperrte durch Kordon den Platz ab. Das Chaos ist unbeschreiblich. - Ferner meldet man aus Würzburg, 5 Uhr 15 Minuten: Im Juliusspital liegen 20 Schwerverletzte, darunter Seifensieder Schneller=Donauwörth (mehrfacher Beinbruch), Juwelier Weinstein=München (Beinbruch). Daselbst ist soeben gestorben Frau Fleischmann=Marktbreit; schwerverletzt ist ein Kind derselben. Die Scenen, die sich in den Krankensälen abspielen, sind herzzerreißend. Mütter rufen nach ihren Kindern und umgekehrt; dazwischen das Jammern und Stöhnen der zum Tode Verletzten.
- Ein in Straßburg verstorbener Professor Cunitz hat sein Vermögen von etwa 180 000 M. der dortigen Universität vermacht.
Man verschlucke die Kirschkerne nicht! Ein Knabe in Freiburg erkrankte, nachdem er einige Tage zuvor Kirschen mit sammt den Steinen gegessen hatte, unter den heftigsten Schmerzen an einer Unterleibsentzündung, welcher er wenige Tage darauf unter den Erscheinungen einer Durchbohrung der Darmwandung erlag. Die Leichenöffnung ergab: in dem wurmförmigen Fortsatz des Blinddarms lag, tief eingedrungen, ein Kirschenstein und dicht daneben war in der Wand dieses sehr engen Darmfortsatzes eine kleine runde Oeffnung. Die Darmwand war an dieser durch den Druck des Kirschensteines brandig geworden und in Folge davon durchbrochen worden, Was die Unterleibsentzündung und den tödtlichen Ausgang derselben verursachte.
Deutschlands Einfuhr von Pferden beträgt jährlich 75,000 Stück in Werth von über 60,000,000 Mark. Die Pferde kommen aus Osteuropa, Frankreich und England, und Selbst aus dem kleinen Belgien noch 13-14 000 Stück. Dagegen beträgt die Ausfuhr nur 20 000 Stück zu 24 000 000 Mark. Der Zuwachs der Einfuhr war s. Z. ein reißender. Im Jahre 1872 betrug er noch 60,000 Stück, 1874 schon 74 000 Stück. Es giebt zu denken, daß Deutschland trotz des Nothstandes der Landwirthschaft an der Spitze der Pferde einführenden Länder steht.
- In ein Dorf bei Kassel soll jetzt ein Mann heimgekehrt sein, welcher 16 Jahre lang in französischer Kriegsgefangenschaft zurückgehalten worden und jetzt entsprungen sein will. Der Arme galt allgemein für verschollen und getödtet und fand seine Frau mit einem anderen verheirathet. Nach seiner Angabe sollen sich gegenwärtig noch eine ganze Anzahl deutscher Soldaten, darunter sogar zwei Offiziere, in Algier in Gefangenschaft befinden. Die Nachricht von den Offizieren erweckt einige Zweifel an der Richtigkeit, zumal diese doch wohl irgendwie seit 16 Jahren Nachricht hätten geben können. Man wartet hier allgemein mit Spannung auf eine baldige Aufklärung der Sache!
- Falsche Fünfmarkscheine sind aufgetaucht, welche sämmtlich die Nummer 009467 tragen. Leicht erkennbar sind die Falsifikate daran, daß sie schmäler als die ächten Scheine, mangelhaft in der Zeichnung der Landsknechtfigur und des Adlers auf dem Wappenschild, unregelmäßig in der Schaffierung der Linien auf der Schauseite und nicht aus Pflanzenfaserpapier, sondern aus gewöhnlichem starken Papier hergestellt sind, bei welchem, da die den ächten Scheinen eigenthümlichen Rippen und Fasern fehlen, die Pflanzenfasern durch kreuz und quer gezeichnete Striche nachgemacht sind. Der Aufdruck ist durch Lithographie anstatt durch Kupferstichdruck bewirkt und erscheint nicht bläulich=schwarz, sondern bläulich=grün. Uebrigens fehlt auch auf der rechten Seite das Wasserzeichen 5.
- Die Stadt Wittenberg an der Elbe wurde am Sonntag von einem unerhörlichen Hochwasser heimgesucht, das in der Nacht mit 13 Fuß 6 Zoll seinen höchsten Stand erreichte. Vom Heu ist trotz der unglaublichsten Anstrengungen viel verloren gegangen. Man sah Pächter, die bis an die Brust im Wasser standen, um ihr Heu aufzufischen und auf Korbhorden auf den Köpfen herauszutragen. Jeder irgendwie geeignete Platz war mit dem geborgenen Heu zum Trocknen bedeckt, auch die Exerzierplätze des 20. Regts. und Artillerie=Abtheilung wurden auf Bitten des Bürgermeisters von den Kommandos zur Verfügung gestellt.
- Bei den Schießübungen in Wilhelmshaven wurden durch eine beim Einsetzen krepierende Granate einem Artilleristen die Hand abgeschlagen, einem andern erhebliche Verletzungen am Unterleib und Oberschenkel beigebracht und ein dritter leicht am Arm verwundet.
- In Karlsbad sind nach der Kurliste bereits 13 900 Fremde eingetroffen.
- Herr Julius Stinde, der Verfasser des bekannten Buches "Familie Buchholz", hat dieses vor kurzem bei Hachette in Paris in französischer Uebersetzung erscheinen lassen. Binnen 2 Tagen war die erste Auflage vergriffen.
- Das Marunge'sche Mörderpaar ist zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt worden. Am Freitag ist die Kaiserliche Cabinetsordre eingetroffen.
- Auf den Besitzungen des Grafen Schaffgotsch im Riesengebirge soll demnächst der Versuch mit der Aussetzung von Gemsen gemacht werden.
- Auch in Italien scheint die Junisonne aus dem Geleise gerathen zu sein; denn wie man aus Florenz schreibt, fiel in Vallombrosa am Dienstag fußhoher Schnee.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 3]- Die Cholera nimmt ganz bedenklich in verschiedenen italienischen Orten zu. Gegen 90 Kranke und 30 Todte pro Tag werden bereits aufgezählt.
- Tausende von Heuschrecken verheeren jetzt die spanischen Provinzen Childal, Albanthe und Cuenct. Die Ernte ist überall zerstört und die Bauern müssen wegen des sehr großen Nothstandes auswandern.
- In Laa bei Nikolsburg schlug der Blitz während des Gottesdienstes in die Kirche, tödtete einen Mann und verletzte eine ganze Anzahl Personen.
- Die Unsicherheit auf französischen Eisenbahnen wird immer wieder einmal in die Erinnerung gerufen. So wurde erst in der Nacht zum 29. Juni, auf der Strecke Paris=Soissons ein Raubmordversuch an einem schlummernden Reisenden versucht. Das Geschrei des Erwachenden veranlaßte den Thäter, vom Zuge abzuspringen, er ist noch nicht gefaßt.
- In Paris sind der General Prinz Murat und sein Sohn, da sie einer ehemaligen Herrscherfamilie angehören, aus den Armeelisten gestrichen worden.
Die Wanderheuschrecke hat sich, wie die Frankfurter Oderzeitung berichtet, auf der Dominial=Feldmark Griesel in großer Zahl eingestellt. Zwei Roggenschläge sind bereits von dem Insekt angegriffen, so daß man die Felder mit tiefen Gräben umziehen mußte, um demnächst mit Hülfe der umliegenden Ortschaften die Vertilgung der Heuschrecken vorzunehmen.
- Eine zweirädrige Droschke erster Klasse erregt seit einigen Tagen in Berlin großes Aufsehen. Sie gleicht jenen englischen Cabs, bei denen die Zügel über das Wagendeck hinweggeführt werden, während der Kutscher seinen Sitz in der Höhe des Decks am hinteren Theil des Wagens hat. Die Droschke trägt die Nummer 2001.
- Haben sie schon Jemand sterben sehen? Mit diesen Worten stach sich Sonnabend nachts in Wien ein Sicherheitsmann, inmitten einer fröhlichen Tischgesellschaft mit einem Taschenmesser ins Herz und blieb auf der Stelle todt.
- In ihrer Badewanne ertrunken ist kürzlich auf höchst merkwürdige Weise eine bildschöne junge Dame der vornehmen Londoner Gesellschaft, Miß Mary Francis Hall. Dieselbe hatte sich kurz vor dem Schlafengeben in's Badezimmer begeben und dort ein Bad genommen. Da sie ungewöhnlich lange darin verweilte, und ihre Angehörigen auf das Klopfen an der Thür keine Antwort erhielten, kletterte einer ihrer Brüder auf's Dach, von wo aus er das Badezimmer überblicken konnte. Er sah zu seinem Entsetzen, daß seine Schwester mit dem Kopf unter Wasser in der Wanne lag. Sofort eilte er hinunter, brach die Thür zum Badezimmer auf, riß das junge Mädchen, daß in der That ertrunken war und kein Lebenszeichen mehr von sich gab, aus der Wanne und trug sie in ihr Schlafzimmer, während ein anderer Bruder ärztliche Hülfe herbeiholte. Allein alle Wiederbelebungsversuche erwiesen sich als fruchtlos. Da ein Selbstmord gänzlich ausgeschlossen scheint, so kann man sich das Unglück höchstens dadurch erklären, daß die junge Dame durch die im Badezimmer herrschende heiße Temperatur ohnmächtig geworden und in Folge dessen mit dem Kopf unter Wasser gerathen und ertrunken ist.
- Um zu sehen, wie Johann Most arbeiten lernt, besuchte in voriger Woche der Berichterstatter einer New=Yorker Zeitung das Gefängniß auf Blackwells Island. Der "große" Anarchist stand, eine Oelkanne in der Hand haltend, mit zwei anderen Gefangenen an einer Bohrmaschine und goß Oel auf die Bohrlöcher. Der Berichterstatter durfte sich dem Gefangenen, der mit anderen an der Bohrmaschine arbeitete, nur auf 10 Schritte nähern, mit demselben zu reden, wurde ihm untersagt. Most trägt den üblichen gestreiften Anzug der Sträflinge aus dickem, grobem Wollzeug. Er stellt sich gut an und ist vollkommen fügsam, meinte der Wärter, die Arbeit ist leicht und Most kann sich nicht beklagen.
- Blaue Rosen lassen sich nach Angabe der Rosenzeitung auf folgende Weise erzeugen: Man löst in destillirtem Wasser etwas Fuchsin und in einem Viertel Liter Wasser eine Spur Kali auf. Wird eine weiße Rose in der Kalilösung gebadet, ausgespült und dann in die Fuchsinlösung getaucht, so wird die weiße Farbe der Rose in Blau verwandelt. Färbungen durch Bodenmischungen sind bisher nicht geglückt.
- Um Fliegen und Bremsen von Pferden, Kühen etc. fernzuhalten, schneide man Wermuth, weiche denselben in Wasser und wasche die Thiere damit.
- Zwei Minister, die sich bei einem vornehmen Herrn auf der Jagd befanden, nannten sich während des Treibens "Herr Kollege." Ein Treiberjunge, für gewöhnlich Gänsehirt, hielt obige Bezeichnung für die allein gebräuchliche. Er rief dem einen Minister zu: "Herr Kollege, jetzt upgepaßt, et kommen zwee Hasen angesetzt!"
- Der Erfindungsgeist der Yankees ist wirklich bewundernswerth. Bindet da ein Biedermann, der an den romantischen Ufern des Eodorus in Pennsylvanien wohnt, seinen Gänsen und Enten kurze Angelschnüre mit Hacken und Wurm an die Beine und jagt sie dann ins Wasser. Die Fische beißen an und zerren an der Schnur, worauf das Federvieh erschrocken ans Ufer eilt, am Bein hinten einen Fisch. Das Uebrige besorgt der Farmer.
- Bitte des Pferdes.
Bergauf - jag' mich nicht.
Bergab - treib' mich nicht.
Auf ebenem Weg - schon' mich nicht.
Im Stall - vergiß mich nicht.
Heu und Hafer - versag' mir nicht.
Reines Wasser - laß fehlen mir nicht.
Mit Schwamm und Bürste - versäum mich nicht.
Weiches, trockenes Lager - entzieh' mir nicht.
Matt oder heiß - verlaß mich nicht.
Krank oder kalt - laß frieren mich nicht.
Mit Gebiß und Zügeln - reiß' mich nicht.
Bist Du zornig, - so schlag' mich nicht.
Anzeigen.
Oeffentl. Zwangsversteigerung.
Sonnabend, den 10. Juli cr., Vormittags 8 1/2 Uhr, soll in Neschow
1 Arbeitspferd
(hellbrauner Wallach)
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Sammelplatz der Käufer im Kruge zu Neschow.
Schönberg, den 5. Juli 1886.
Staffeldt, Gerichtsvollzieher.
Oeffentl. Zwangsversteigerung.
Sonnabend, den 10. Juli d. J., Vormittags 8 3/4 Uhr, sollen in Neschow
1 Kleiderschrank, 1 Kommode, 1 Chatoulle und 1 Wanduhr
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Kaufliebhaber wollen sich im Kruge zu Neschow einfinden.
Schönberg, den 5. Juli 1886.
C. Staffeldt,
Gerichtsvollzieher.
Die heute Mittag 2 Uhr erfolgte glückliche Entbindung meiner lieben Frau, Anni geb. von Pentz, von einem gesunden Mädchen zeige ich statt jeder besonderen Meldung hierdurch an.
Neustrelitz, 4. Juli 1886.
W. von der Decken,
Regierungs=Assessor.
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[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 4]Hopfen und Malz
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Da zu wiederholten Malen Unfug auf meiner Ziegelei getrieben ist, so werde ich jeden darauf Betroffenen zur Anzeige bringen.
Fr. Leumann.
Verlaufen von hier ein schwarzer Hühnerhund auf den Namen "Stopp" hörend. Dem Wiederbringer eine Belohnung.
G. Hörcher.
Wahrsow p. Lüdersdorf i. M., d. 4. 7. 86.
Nachrichten des Standesamts=Bezirks Carlow vom 1. Juni bis zum 1. Juli 1886. (Nachdruck verboten.)
a. Geburten:
Dem Hauswirth Heinrich Schlatow zu Kuhlrade ein Sohn.
Der unverehelichten Catharina Rieckhoff zu Carlow eine T.
Dem Kutscher Johann Kock zu Hof Stove eine Tochter.
Dem Zimmergesellen Joachim Jahns zu Klocksdorf eine T.
b. Eheschließungen:
Keine.
c. Sterbefälle:
Die Wittwe Margaretha Burmeister geb. Krellenberg zu Carlow 76 Jahr 1 Mon. alt.
Dem Büdner Fritz Borchert zu Carlow ein todtgeborener S.
Der Rademacher Johann Spehr zu Cronscamp 81 Jahr 4 Mon. alt.
Eintragungen in die Familien=Register der Gemeinde Selmsdorf. (Nachdruck verboten.)
Geboren:
D. 3. Juni dem Hauswirth Drews zu Lauen ein Sohn.
D. 3. ein unehel. Sohn zu Selmsdorf.
D. 7. dem Hauswirth Haus Sterly zu Zarnewenz ein Sohn.
D. 12. dem Arbeitsmann Frank zu Teschow eine Tochter.
D. 15. ein unehel. Sohn zu Selmsdorf.
Gestorben:
D. 11. Juni Friedrich Heinrich Gotthard Kröger Arbeitsmann zu Selmsdorf, 65 Jahr 10 Monat.
Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg nach Mecklenburg:
5,13, 10,13 Vorm., 12,54, 7,54 Nachm.
Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg nach Lübeck:
9,48 Vorm., 2,57, 5,35 Nachm., 12,03 Nachts.
"Der Gesammtauflage unserer heutigen Nummer liegt ein Prospekt des
Bankhauses Wilh. Brasilius
in Braunschweig bei, worauf wir unsere verehrlichten Leser besonders aufmerksam machen".
Hierzu eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 5]Beilage
zu Nr. 52 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 6. Juli 1886.
- Vor dem Berliner Schöffengericht wurde am Montag der Prozeß Ihring=Mahlow verhandelt. Angeklagt sind der Tischlergeselle Berndt und der Schriftsteller Christensen, die beide behauptet haben, der Geheimpolizist Ihring, der sich unter dem Namen eines Mechanikers Mahlow in einem sozialistischen Arbeiterverein hatte auf nehmen lassen, habe die Arbeiter zu Dynamitattentaten verleiten lassen, also die Rolle eines Verführers gespielt. Die Sache ist im Reichstage zur Sprache gekommen und daraufhin gegen Berndt und Christensen die Klage wegen Beamtenbeleidigung erhoben, da Ihring seine Befugnisse in keiner Weise überschritten haben will; richtig sei nur, daß er sich unter falschem Namen in den Verein habe aufnehmen lassen, um ihn besser überwachen zu können. Das Gericht erkannte die Angeklagten für schuldig, glaubte in diesem Falle ein Exempel statuiren zu müssen und legte ihnen 6 Monate Gefängniß auf.
- Dem am Montag in Hamburg stattgehabten Rennen wohnte auch "Prinz" Dido aus Didotown in Kamerun, ein Schwager des König Bell, bei. Seine Erscheinung machte großes Aufsehen. Er trug ein weißes wollenes Hemde, über welches von den Hüften bis zu den Waden ein lilasammter Ueberzug gedeckt war. Die Füße waren gänzlich unbekleidet; auf seinem Kopfe thronte der schwarze Zylinder und seine Arme schmückten mächtige Armbänder aus Elfenbein in Manschettenform.
- Die Wittwe Meyerbeers des berühmten Opern=Komponisten, ist in Wiesbaden gestorben. Sie hat ihren Gatten um zweiundzwanzig Jahre überlebt, indeß kränkelte sie schon seit Jahren. Frau Meyerbeer, geborene Mosson, hat ein Alter von zweiundachtzig Jahren erreicht.
- Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Um unsere Leser daran zu erinnern, welchen Einfluß dieselben für das rechtsuchende Publikum haben, seien im folgenden die gesetzlichen Bestimmungen darüber mitgetheilt: Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Feriensachen sind: 1. Strafsachen; 2. Arrestsachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen; 3. Meß= und Marktsachen; 4. Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von Wohnungs= und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Miethsräume eingebrachten Sachen; 5. Wechselsachen; 6. Bausachen, wenn über Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird. - Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen. Die gleiche Befugniß hat vorbehaltlich der Entscheidung des Gerichts der Vorsitzende. Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß.
- Wer Weise wählt Wolle. Uns liegt ein Prospekt über Prof. Dr. med. Jägers Anthropinkügelchen vor, demzufolge die Wirksamkeit dieser Haarduftpillen über allen Zweifel erhaben ist. Das Jägersche Anthropin (der "Individualduft des Menschen") kann zur Humanisirung, als Kräftigungsmittel und zu Heilzwecken verwendet werden. Im ganzen sind 20 Anthropinsorten verkäuflich; wir greifen aus dem Verzeichniß derselben nur einige heraus, deren sonderbare Anpreisungen wir wörtlich nach dem Prospekt wiedergeben: Anthropin Nr. 6 stammt von einem brünetten jugendlichen Tenoristen, verbessert die Singstimme bei Damen, auch bei Heiserkeit und Husten verwendbar; Anthropin Nr. 7 ist Jungfrauenanthropin (blond), verleiht den Getränken Bouguet und beseitigt Gemüthsverstimmung, besonders bei männlichen Personen blonder Komplexion; Anthropin Nr. 10 stammt von einem siebenjährigen, gesunden brünetten Knaben; ist mit Vortheil bei Epilepsie (Fallsucht) bes. weiblicher Personen zu verwenden; Anthropin Nr. 11 stammt von einem blonden, 4jährigen, sehr gesunden weiblichen Kind, ist ein Kräftigungsmittel für männliche Kinder; Anthropin Nr. 12 stammt von einem vierjährigen, brünetten, sehr gesunden männlichen Kind, ist ein Kräftigungsmittel für weibliche Kinder; Anthropin Nr. 13 stammt von einem blonden, sehr gesunden Fräulein, bei der noch sämmtliche Zähne unverletzt sind und das nie in seinem Leben Zahnweh gehabt hat, gegen Zahnschmerzen bei männlichen Personen; Anthropin Nr. 14 stammt von einem fünfzigjährigen blonden, herkulischen Mann, der nie krank war, dessen sämmtliche Zähne unverletzt sind und der nie Zahnschmerz gehabt hat; gegen Zahnschmerz bei weiblichen Personen; Anthropin Nr. 15 stammt von einer blonden jugendlichen Opernsängerin, wirkt bei Männern als Stimmmittel. Und so weiter!
Der Wilderer.
Von Fritz Brentano.
Fortsetzung.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 52 Seite 6]Der Wilderer.
Von Fritz Brentano.
[Fortsetzung.]
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