[ => Original lesen: 1885 Nr. 54 Seite 1] Ueber die Abstimmung im Bundesrath über den preußischen Antrag erfährt man jetzt, daß unbedingt für die Ausschließung des Herzogs von Cumberland 49 Stimmen votirt haben, unbedingt gegen dieselbe 2 Stimmen. Der Abstimmung enthielten sich Braunschweig und Oldenburg. Außer seinen 18 Stimmen einschließlich der Waldeck'schen hat Preußen also für den unbedingten Ausschluß des Herzogs unter 40 nichtpreußischen Bundesrathsstimmen deren 31 vereinigt.
Die Nachricht, daß dem Prinzen Heinrich VII. von Reuß, Schwiegersohn des Großherzogs von Weimar und Botschafter des Deutschen Reichs in Wien, die Regentenwürde in Braunschweig angeboten werden soll, tritt immer bestimmter auf.
Man munkelt wieder von einer Zusammenkunft des Reichskanzlers mit dem österreichischen Minister Grafen Kalnocky, die im August stattfinden soll. Und zwar, heißt es, werde auf dieser Konferenz ein österreichisch=deutsches Zollbündniß besprochen werden. In der Luft liegt dieses Project schon lange, ob wir aber schon bis zum Verhandeln gelangt sind, erscheint doch noch fraglich.
Man will in Berlin wissen, daß die deutsche Regierung ein neues Gesetz über die Actien=Gesellschaften plane. Anlaß dazu sollen die colonialen Unternehmungen gegeben haben, deren von Tag zu Tag mehr werden und für die das bestehende Gesetz über die Actien=Gesellschaften vielfach nicht paßt.
Am 1. April 1886 will der Lloyd in Bremen die neuen Dampferlinien nach Australien und Ostasien eröffnen. Je 9 alte und 6 neu in Deutschland erbaute Dampfer des Lloyd sollen auf den Linien verkehren.
Für den 1. Dezember ds. Js. ist wieder eine allgemeine Volkszählung im deutschen Reich angeordnet. Die Zählkarten sollen schon Anfang September zur Versendung kommen. Die nähere Bezeichnung der zur Ausfüllung bestimmten Rubriken der Zählkarten schließt sich der der Volkszählung vom Jahr 1881 an, jedoch ist dabei auf eine mehr gemeinverständliche Ausdrucksweise Bedacht genommen und außerdem bleiben die auf die Berufsarten bezüglichen Fragen mit Rücksicht auf die inzwischen stattgehabte Aufnahme einer umfangreichen Berufsstatistik weg.
Die Herren Anarchisten scheinen keine Furcht vor der Cholera zu haben. Sie haben für Ende d. M. einen Weltcongreß nach Barcelona in Spanien ausgeschrieben. Alle "internationalen Arbeitergruppen" sind eingeladen, Vertreter zu senden. Herr Most aus Amerika wird nicht erscheinen und ob überhaupt aus dem Congreß etwas wird, ist auch noch ungewiß, am Ende verbietet ihn die Polizei "aus Gesundheitsrücksichten." In Madrid sind am vergangenen Donnerstag 6 Personen an der Cholera gestorben, in der Provinz Valencia 408 und 660 neu erkrankt.
Die neuen englischen Minister haben am Montag im Parlament zum ersten Mal Erklärungen über ihre Politik abgegeben. Lord Salisbury über die äußere, Lord Carnarvon über die innere, besonders die irische Politik. Die Erklärungen waren ruhig, aber fest gehalten und machten auf das Parlament einen guten Eindruck. Mit Rußland soll Friede gehalten, aber der Ehre Englands nichts vergeben werden. In Egypten will Lord Salisbury energisch vorgehen; in Irland gedenkt das Tory=Ministerium ohne Ausnahmegesetze durchzukommen. Besonders letzteres wäre für England sowohl wie für Irland zu wünschen, denn sonst wird die Spannung zwischen Irländern und Engländern immer größer.
In England gehen die Geschäfte schlecht und deshalb hat das Ministerium beschlossen, eine Untersuchungs=Commission einzusetzen, die den Grund für die Geschäftsflauheit entdecken soll. Die Commission wird schnell gebildet sein, ob sie aber ihre Aufgabe ebenso schnell erfüllen wird, bezweifeln wir. Die englischen Geschäftsleute behaupten, die deutsche Concurrenz sei an allem Schuld, deutsche und andere Volkswirthe sagen: wir leiden alle unter der Ueberproduction. - Auch in Amerika gehen die Geschäfte sehr flau und der große Arbeiterstreik ist noch nicht beendet. In Cleveland haben 1200 Eisenbahnarbeiter mehre Fabriken zerstört. Wo die nun wohl arbeiten wollen?
Ach! wer doch König von Spanien wäre! Die Spaniolen tragen ihren Alfonso jetzt auf den Händen, besonders die "Weiberchen und Mädchen" sind ganz entzückt darüber, daß der König wider den Willen seiner Minister in aller Stille sich aufgemacht hat und hinübergefahren ist nach Aranjuez, um die Cholerakranken zu besuchen und zu trösten. Schlimm genug muß es in dem schönen Aranjuez aussehen; der erste Anblick, der sich dem König bot, waren vier Leichen, die mitten auf der Straße lagen. Und je weiter der König kam, desto trübseliger wurden die Verhältnisse. In jedem Haus, in jeder Hütte bedurfte es der Hülfe. Kurz vorher, ehe er Madrid verließ, schrieb der König an seinen Ministerpräsidenten folgende Karte: "Ich gehe nach Aranjuez, wo die Seuche an meinem eigenen Herd Einkehr gehalten hat. Zürnen Sie mir nicht; nichts ist mir natürlicher, als daß ich zu meinen Soldaten, zu meinem Volk eile, welches so schwer heimgesucht wird. Ihr wohlgeneigter Alfonso." Es herrscht in Madrid über diese muthige That des jungen Königs nur eine Stimme: man lobt und bewundert Don Alfonso.
- Neustrelitz, den 11. Juli. Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin werden heute Abend aus Wörlitz bei Dessau zurückerwartet, wohin Höchstdieselben sich vor etwa 14 Tagen zum Besuche Ihrer Hoheiten des Herzogs und der Herzogin von Anhalt mit dem jungen Prinzen begeben haben.
- Dem Vernehmen nach werden Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin nächste Woche die hiesige Residenz verlassen und resp. nach London zum 88sten Geburtsfeste der Herzogin von Cambridge, und nach dem Keppschlosse bei Dresden abreisen. (N. Z.)
- In vielen Dörfern Bayerns ist das Kammerfensterln Sitte: der Bursch schleicht Nachts zum Kammerfenster seines Schatzes und scharmuziert nach Herzenslust. Nur kein fremder Bursche darf es sein, sonst werden die einheimischen Burschen eifersüchtig und es kommt leicht zu Mord und Todt=
[ => Original lesen: 1885 Nr. 54 Seite 2]schlag, wie dieser Tage in Hohengüßbach bei Scheßlitz, wo ein auswärtiger Bursche beim Fensterln erstochen wurde.
- Ludwig Steub, der berühmte Reisende und Schilderer von Oberbayern, Tirol etc., muß in der letzten Zeit üble Erfahrungen über die zunehmende Theurung gemacht haben, denn er stößt folgenden Seufzer aus, was sonst nicht seine Sache ist: "O ihr glückseligen Wirthe und Gastgeber! Von allen Händen gestreichelt und geschmeichelt, leben sie dahin wie die Götter, die nur glückliche machen! Unter ihren blauen Augen steigen die Preise so ruhig und sicher, daß sie alle halbe Menschenalter das Doppelte ansetzen können. Seitdem Bayern, Tirol, Schwaben u. s. w. das wiener Trinkgeld nachahmen, das trotz Rudolf v. Ihering täglich weiter um sich frißt, seitdem haben wir auch alle Portiers, Kellner und Kellnerinnen auf unsere Rechnung genommen und zahlen die Millionen wie eine Ehrenschuld, selbst mit dem Verdacht, daß der Kellner jetzt für seine Stelle zahlen muß und der Herr Principal den neuen Vortheil mit einem "es ist nicht schmutzig!" entgegennimmt. Und welch heiterer Lebenswandel! In den glücklichsten Flegeljahren tritt er ins Service, lebt von Fasanen und Champagner; mit vierzig Sommern ist er ausgereift, kauft sich ein Landhäuschen, aus dem bald eine schmucke Villa wird: die Feinschmecker der Gegend lockt er durch seine berühmte Küche, die schönen Seelen durch seine Kunstschätze, als Norddeutscher liest er vielleicht auch Stielers oder Kobells Gedichte vor. Oder wenn er's einfacher treiben will, so fängt er, als Tiroler, um halb elf Uhr zu tarocken an, als Bayer geht er in den Sommerkeller, als Schwabe zum Schöpple, von dem er bis zum Abend nicht weicht. Was in dem großen Kriegsjahr die Feldherren waren, das stellen in unseren Friedenszeiten die Hôteliers und Badebesitzer vor; man spricht nunmehr so viel von ihnen, als damals von jenen. Einem alten Freunde, der mich jüngst befragte: Was soll ich aus meinem Buben machen? er spricht Sprachen - vielleicht einen Diplomaten? - gab ich zur Antwort: Lassen Sie ihn lieber Kellner werden, das ist die schönste Carrière!
- Der dreizehnjährige Kronprinz von Italien, welcher gegenwärtig auf einer Schweizer Reise begriffen ist, kehrte vor einigen Tagen nach einer mehrstündigen Bergtour in einem Riesen=Pachthofe ein. Der Prinz ließ sich den Käse vortrefflich schmecken, plötzlich sagte er zu seinem Adjutanten: "Ich möchte gerne Papa und Mama etwas davon schicken, wie viel braucht der Hofstaat auf eine Mahlzeit?" Der Begleiter erklärte verlegen, daß er darüber nicht informirt sei. Der Prinz sagte endlich entschlossen zum Hausherrn: "Drei Laibe werden genug sein, verpacken Sie sie, ich will etwas dazu schreiben." Der Prinz riß ein Blatt aus seinem Notizbuche und sandte folgende Zeilen an Königin Margherita: "Liebe Mama! Sorge dafür, daß die zwei großen Käse von allen gekostet werden; der kleine Emmenthaler gehört für Papa, er soll ihn auf die nächste Jagdpartie nehmen; ich habe heute erfahren, wie gut das im Freien schmeckt." Der Prinz bestand darauf, die Käse=Sendung von seinem Taschengelde zu bezahlen und auch zu frankiren, und trat dann triumphirend den Heimweg an.
Im letzten Augenblicke.
[Erzählung.]
(Fortsetzung.)
[ => Original lesen: 1885 Nr. 54 Seite 3]Im letzten Augenblicke.
[Erzählung.]
(Schluß folgt.)
Anzeigen.
Zur Zwangsversteigerung der dem Drechslermeister J. Holst gehörigen zu Schönberg belegenen Grundstücke als: des an der Siemzerstraße sub No. 130 belegenen Wohnhauses mit dahinter befindlichem Hofplatze und Stallgebäude, im Ganzen circa 9 1/2 []Ruthen groß; ferner des an der Wallstraße sub No. 129a belegenen Wohnhauses mit Hofplatze, im Ganzen circa 9 1/2 []Ruthen groß und des auf der Schönberger Feldmark im Mühlencamp belegenen Ackerstücks in Größe von circa 50 []Ruthen, stehen vor dem unterzeichneten Amtsgerichte an,
1) der Verkaufstermin auf
Dienstag, den 25sten August 1885,
Vormittags 11 Uhr,
2) der Ueberbotstermin auf
Dienstag, den 22sten September 1885,
Vormittags 11 Uhr.
Ferner ist Termin zur Anmeldung aller dinglichen Ansprüche an die Grundstücke und an die zur Immobiliarmasse derselben gehörenden Gegenstände (Zubehör), so weit sie nicht gesetzlich von der Meldungspflicht ausgenommen sind, zur Vorlegung der Originalien und sonstigen schriftlichen Beweismittel, so wie zur etwaigen Prioritätsausführung unter dem Nachtheile der Abweisung und des Ausschlusses auf
Dienstag, den 25sten August 1885,
Vormittags 11 Uhr,
angesetzt.
Die Verkaufsbedingungen liegen vom 14ten Tage vor dem ersten Verkaufstermine ab auf der hiesigen Gerichtsschreiberei zur Einsicht der Betheiligten aus.
Dem Schuldner und den bei der Zwangsversteigerung betheiligten Gläubigern wird hiermit freigelassen, zu dem Zwecke einer endlichen Regulirung der Verkaufsbedingungen, in dem zur Anmeldung der dinglichen Ansprüche an die Grundstücke c. p. bestimmten Termine und in dem Verkaufstermine zu erscheinen, so wie bis 3 Wochen vor diesem Termine Vorschläge für die Verkaufsbedingungen einzureichen.
Schönberg, den 7. Juni 1885.
Großherzliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
H. Diederich.
Mecklenb. Friedrich-Franz-Eisenbahn.
Extrafahrt
nach Lübeck
zu ermäßigten Fahrpreisen.
In Veranlassung des Lübecker Volksfestes werden am
Sonntag den 19. Juli d. J.
folgende Extrazüge abgefertigt:
Abfahrt von Schwerin 7 Uhr - Min. Morg.
Abfahrt von Kleinen 7 Uhr 35 - Min. Morg.
Abfahrt von Bobitz 7 Uhr 53- Min. Morg.
Abfahrt von Grevesmühlen 8 Uhr 18- Min. Morg.
Abfahrt von Schönberg 8 Uhr 53- Min. Morg.
Abfahrt von Lüdersdorf 9 Uhr 12- Min. Morg.
Ankunft in Lübeck 9 Uhr 29- Min. Morg.
Die Passagiere von Wismar benutzen den um 5 Uhr 15 Min. Morgens von dort abgehenden Zug und gehen in Kleinen in den Extrazug Schwerin=Lübeck über.
Abfahrt von Lübeck 9 Uhr 10 Min. Abends
Ankunft in Lüdersdorf 9 Uhr 33 Min. Abends
Schönberg 9 Uhr 49 Min. Abends
Grevesmühlen 10 Uhr 23 Min. Abends
Bobitz 10 Uhr 53 Min. Abends
Kleinen 11 Uhr 10 Min. Abends
Schwerin 12 Uhr - Min. Abends
Wismar 12 Uhr 1 Min. Abends
Auf den vorgenannten Stationen und Haltestellen werden am 19. Juli cr. Billets zur Fahrt nach Lübeck und zurück in II. und III. Wagenclasse zum einfachen Fahrpreise ausgegeben.
Diese Billets berechtigen zur Hinfahrt nur mittelst des Extrazuges (von Wismar nach Kleinen jedoch mittelst des 1. Personenzuges), wogegen die Rückfahrt mit dem Extrazug am 19. Juli und mit allen fahrplanmäßigen Zügen am 20. Juli cr. erfolgen kann.
Freigewicht für Gepäck wird auf diese Doppelbillets nicht gewährt.
Die Direction.
Wir verbieten hiermit das Hüten der Kühe und Ziegen in unseren sämmtlichen Wegen und Gräben. Zuwiderhandelnde werden sofort dem Gericht zur Anzeige gebracht.
Dorfschaft Schlagsdorf.
H. Ollmann, Schulze.
Die Verlobung ihrer Tochter Friederike mit dem Herrn Wilhelm Peris in Ducherow zeigen ergebenst an
Bernh. Drenkhahn
und Frau.
Schönberg i. M., den 11. Juli 1885.
Zahnschmerzen aller Art werden, selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei
Emil Jannicke, Bandagist.
[ => Original lesen: 1885 Nr. 54 Seite 4]Vielfach prämiirt.
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