[ => Original lesen: 1879 Nr. 63 Seite 1] Politische Rundschau.
Deutschland. Am letzten Sonnabend stattete Kaiser Franz Joseph von Oesterreich in Gastein dem Kaiser Wilhelm, der bis gestern (Mittwoch) dort zum Kurgebrauch weilte, einen Besuch ab. Die Offiziösen in Berlin und in Wien haben schon vierzehn Tage zuvor verkündet, daß diese Kaiserbegegnung keinen politischen Hintergrund habe, sondern rein privater Natur sei und der Umstand, daß weder der deutsche noch der österreichische Kaiser von Staatsmännern begleitet waren, läßt diese Erklärung als dem Thatsächlichen entsprechend erscheinen. Trotzdem aber bleibt diese Zusammenkunft eine politisch bedeutsame Thatsache; giebt sie doch Zeugniß davon, daß die beiden Herrscher den alten Streit vergessen, wie dies auch schon in den politischen Beziehungen zu einander seit dem Rücktritte Beust's sich zeigte, und die Freundschaft zweier so eng verwandter und auf einander angewiesenen Länder ist für beide von hoher Wichtigkeit. Wir haben in Rußland während der letzten Zeit öfter die Tagesstimmung wechseln sehen und die gegenwärtige Phase derselben ist überaus deutschfeindlich. Daß in demselben Moment, wo Rußland seinem letzten Soldaten vom türkischen Boden zurückzieht, Oesterreich Miene macht, daselbst festen Fuß zu fassen, indem es Novi=Bazar besetzt und das bisher besetzt gehaltene Bosnien zu annectiren sich anschickt, daß dies geschehen kann unter der Zustimmung Deutschlands, daß Rußland von der türkischen Siegerbeute sich mit einem verhältnißmäßig mageren Bissen begnügen muß - das Alles kann man in Petersburg dem Leiter der deutschen Politik nicht verzeihen. Und doch ist die Stellung, die Oesterreich jetzt der Türkei gegenüber einnimmt, eine mit Rücksicht auf den Frieden Europa's dringend gebotene; denn Oesterreich, als unmittelbare Nachbarmacht, als Großmacht dazu, ist der Wachtposten Europas, auf die Balkanhalbinsel gestellt, um dort für Ruhe und Ordnung unter den vielen kleinen Ländern zu sorgen. Rumänien, Serbien, Bulgarien, Ostrumelien, Montenegro, Griechenland und die Pforte würden nun und nimmer unter einander in Frieden leben, wenn nicht so zu sagen zwischen sie geschoben, eine starke Militärmacht existirte, die jeden Augenblick, wenn nöthig, mit dem Kolben stampfen und Ruhe gebieten könnte.
Nach den neuesten Dispositionen wird sich Kaiser Wilhelm vier Tage in Metz aufhalten; es wird ein Ausflug nach demjenigen Theil der Schlachtfelder stattfinden, welche der Kaiser bei seinem erstmaligen Aufenthalte nicht besichtigt hat.
Der Bundesrath wird frühestens im letzten Drittel des nächsten Monats wieder versammelt sein und ein ansehnliches Arbeitspensum vorfinden, worunter namentlich der Eisenbahn=Tarif. Auch das Reichseisenbahngesetz kommt entschieden wieder zur Erörterung.
Die in Aussicht genommene Revision des Strafgesetzbuches ist nicht etwa erst in neuerer Zeit wünschenswerth geworden. Thatsächlich ist bereits vor mehreren Jahren, als der Gedanke, eine Novelle zum Strafgesetzbuche vorzulegen, zuerst in Anregung gebracht wurde, von mehreren Bundesstaaten der Wunsch nach einer allgemeinen Revision des Strafgesetzbuches ausgesprochen worden. Die preußische Regierung soll jetzt eine Revision des Strafgesetzbuches für um so nothwendiger erachten, als nach einer im Justizministerium aufgestellten Uebersicht sich in neuerer Zeit die Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung, die Münzverbrechen, die Vergehen welche sich auf die Religion beziehen, die Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit und das Eigenthum, die Körperverletzungen etc. vermehrt haben.
Nach einem von dem Reichscommissar für die Weltausstellung in Sidney, Geheimen Regierungsrath Reuleaux, in Berlin angelangten Telegramm ist derselbe Anfang dieses Monats in Sidney wohlbehalten eingetroffen.
Die Vorbereitungen zu dem im September nach Berlin einzuberufenden Städtetag werden sehr eifrig betrieben. Derselbe wird voraussichtlich stärker besucht sein, als im Mai d. J. Die eigentliche Politik wird am Städtetage ferngehalten werden. Das Programm desselben wird eben nur in der Stellungnahme der deutschen Städte zu dem Zollprogramm des Fürsten Bismarck, insbesondere zu den Fleisch= und Getreidezöllen bestehen.
Oesterreich. Serajewo, die Hauptstadt Bosniens, ist ein Raub der Flammen geworden. Man nimmt an, daß Unzufriedene das Feuer gelegt haben. Es entsteht nun die Frage, wer die Staatsgebäude der Stadt wiederaufbauen muß, ob Oesterreich oder die Pforte. Möglicherweise trägt diese Feuersbrunst dazu bei, die Frage wegen der Zukunft Bosniens schneller zu regeln.
Frankreich. Der Zerfall der bonapartistischen Partei ermuthigt die legitimistischen Agitationsversuche. Graf Chambord soll im September nach London kommen; mehrere bourbonische Prinzen sollen dahin berufen sein. Im Namen des Prätendenten wird jetzt ein Schreiben verbreitet, worin erklärt wird, Chambord halte sich bereit, Alles zu thun "zur Rettung des unglücklichen Landes." Die Behauptung, er wolle die Krone nicht annehmen, sei eine Verleumdung. Das Volk, zwischen die Republik und die Monarchie gestellt, werde sich für letztere entscheiden.
Rußland. Die russische Presse ergeht sich wieder in kriegerischen Drohungen gegen Deutschland. Das ist zwar nicht neu, aber doch immerhin bemerkenswerth, da dieser Ton fortwährend wiederkehrt und an Heftigkeit zunimmt. Die 'st. Petersb. Z.' ertheilt Rußland den Rath, den Bosporus und die Donau einstweilen in Ruhe zu lassen und dafür über Preußen herzufallen, weil Bismarck Rußland verrathen und sich in Bezug auf die orientalische Frage auf Seite der Westmächte geneigt habe. Andere Blätter wollen auch noch mit Oesterreich und England Krieg führen.
- Am Donnerstag waren es 100 Jahre, daß Karl Ritter, der größte Geograph der neueren Zeit, zu Quedlinburg das Licht der Welt erblickte. Sein bahnbrechendes Werk führt den Titel "die Erdkunde im Verhältniß zu Natur und Geschichte des Menschen." Er war der Erste, der die Erde, die menschliche Heimstätte, nicht losgelöst vom Menschen sondern in dem denkbar stärksten Zusammenhange
[ => Original lesen: 1879 Nr. 63 Seite 2]aufgefaßt wissen wollte. Mehrere Zeitungen widmeten diesem Gedenktage längere Betrachtungen.
- Die chilenischen Seesoldaten sind Tausendsappermenter, das haben sie in dem Seegefechte bei Iquique gezeigt. Der Bericht des Capitän Moore hebt hervor, wie außerordentlich geschickt die "Cavadonga" manöverirte, um den Gegnern auf die Untertiefen zu locken, wie sie dreimal glücklich den Sporenstößen der "Independencia" auswich, und diese beim dritten Versuch im blinden Eifer auf einen "bisher unbekannten" Felsen rannte. Capitän Condell von der "Cavadonga" kannte ihn aber! Moore berichtet, daß von der 400 Mann starken Besatzung nur 127 gerettet wurden, als gefallen werden nur etliche angegeben. Die "Cavadonga" schoß aber fast drei Stunden lang, fast Bord an Bord, ihre 70pfündigen Stahlgranaten in die "Independencia" hinein. Die Peruaner hatten wohl Ursache, das gestrandete Schiff anzuzünden, um ihre Schande so rasch wie möglich zu vertilgen.
- Eine Seifen=Mine ist die neueste Entdeckung, deren sich Elko County, Newada, zu erfreuen hat. Daselbst befindet sich nämlich eine Schicht sogenannten chinesischen Specksteines, die von drei bis zehn Fuß dick und sehr leicht zu bearbeiten ist. Von den Farmern, Rinder= und Schafhirten jener Gegend wird dieses Mineral zu Waschzwecken in ausgibigster Weise benutzt. Demnächst wird irgendwo wohl noch eine Siegellackader entdeckt werden.
- Beim Bataillonsapell fragt der Major einen Soldaten, dessen Knöpfe sehr schlecht geputzt sind: "Wie heißen Sie?" - "Wer!" - antwortete der Ungeputzte. - "Sie?" - "Wer!" - Zum Donnerwetter, ich will wissen, wie Sie heißen!" - "Wer!" - "Kreuzelement! Ist der Mensch taub oder verrückt?! Feldwebel, wie heißt denn der Mensch da?" - "Jacob Heinrich Wer, Herr Oberwachtmeister!"
Auch Rache nützt.
Novellette von Felix Linden.
[ => Original lesen: 1879 Nr. 63 Seite 3]Auch Rache nützt.
Novellette von Felix Linden.
[Fortsetzung.]
Anzeigen.
In den Sachen betr. die Subhastation der zu Schwanbeck belegenen Käthnerstelle c. p. des Zieglers Homberg steht zur Erklärung der Gläubiger über die Liquidate, sowie zur Beschlußfassung über die Rückgabe des von dem Ziegeler Basedow in Gemäßheit des Vergleichs vom 25. März d. J. ad depositum judicii eingezahlten Caution von 300 M. ein Termin auf
Dienstag, 2. September d. J.
Vormittags 11 Uhr
vor dem unterzeichneten Subhastationsgerichte an, zu welchen die interessirenden Homberg'schen Gläubiger bei Strafe der Anerkennung resp. des Gebundenseins an die zu fassenden Beschlüsse hiemit geladen werden.
Schönberg, den 6. August 1879.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.
A. Dufft.
In Sachen betreffend den Concurs über den Nachlaß des verstorbenen Schlossermeisters Böttcher zu Schlagsdorf steht zur Publication der abgesetzten Prioritätsurtel ein Termin auf
Donnerstag den 4. September d. J.
Morgens 11 Uhr
vor dem unterzeichneten Justizamte an, zu welchem die nicht präcludirten Böttcher'schen Gläubiger unter dem Nachtheile hierdurch geladen werden, daß auch im Falle ihres Ausbleibens mit der Urtelspublikation wird verfahren werden.
Schönberg, den 11. August 1879.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.
A. Dufft.
Am Montag,
den 18. d. M., werden auf dem Stover Hoffelde Rappschoten verbrannt.
Stove, den 12. August 1879.
Al. Kaiser.
[ => Original lesen: 1879 Nr. 63 Seite 4]Sedanfeier in Ratzeburg.
Nachdem die Vorbereitungen für die am 2. und 3. September d. J. hier zu begehende Erinnerungsfeier bereits begonnen haben, unterlassen wir nicht. Schon jetzt die Bevölkerung Ratzeburgs und der Umgegend zu zahlreicher Betheiligung aufzufordern.
Das Fest=Comite.
Zur Deckung der Brandschäden, Instandhaltung der Löschanstalten und zu den Verwaltungskosten vernothwendigt sich für 1879 ein Beitrag von: für Cl. I. 18 ., Cl. II. 25 ., Cl. III. 31 . für 100 M. Versicherungssumme, welches den Mitgliedern der Societät hiermit bekannt gemacht wird.
Der Zahlungstag wird den einzelnen Ortschaften noch angezeigt werden.
Schönberg den 1. August 1879.
Die Direction der Feuerassecuranz=Sozietät im Fürstenthum Ratzeburg.
F. Fick. F. Stüve.
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Ergebenst
Selmsdorf d. 5. August 1879.
P. Krellenberg.
Den 16. d. M. werden auf dem Römnitzer Felde Rappsschoten verbrannt.
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Zu kaufen gesucht: Zwei Schweine (ca. 1/2 J. a.) zum Fettmachen. Reflectanten wollen sich in der Exp. d. Anzeigen melden.
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Schwerin i. M. Ernst Gaedt.
Bei dem Wienck'schen Brande in Sahmkow ist mir ein Feuereimer, das mit meinem Namen versehen ist, abhanden gekommen, was ich hierdurch zur Anzeige bringe.
Schulze Ahrendt
in Neschow.
Zur Warnung
mache ich hiermit bekannt, daß das Mitführen von Hunden über meine Weidekoppel zu großem Unglück für die Betreffende führen kann. Ich empfehle den Hund so lange auf den Arm oder an die Leine zu nehmen.
Hauswirth Tews,
in Bechelsdorf.
Tesch's Restauration
u. Caffee- Garten
Sonntag den 17. August,
Marienthaler=Bier auf Eis vom Faß,
wozu freundlichst einladet
F. Tesch.
Eintragungen in die Standes=Register des Standesamts=Bezirks Schönberg.
Geboren: D. 7. August dem Webermeister Oldekop zu Schönberg eine T. D. 3. dem Conditor Wagner zu Schönberg eine T. D. 6. dem Schlachtermeister Gramm zu Schönberg ein S.
Eheschließung: D. 8. August der Viehverschneider Hans Joachim Rudolph Schultz zu Schönberg und Catharine Dorothea Specht aus Segeberg.
Kirchliche Nachrichten.
Sonntag den 17. August.
Früh=Kirche: Pastor Kämpffer.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Amtswoche Pastor Fischer.
Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
(Hierzu Officieller Anzeiger Nr. 34.)
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
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