[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 1] Die nächste Auszahlung der halbmonatlichen Unterstützungsgelder an die Ehefrauen der Reservisten und Landwehrmänner findet am Montag den 8. Juni c., 9 Uhr Morgens, in der Wohnung des Unterzeichneten statt.
Schönberg, den 26. Mai 1871.
Das Kreis-Commissariat.
C. v. Oertzen.
- Im deutschen Reichstag ging's über Elsaß-Lothringen etwas lebhaft her. Der Reichstag willigte zwar ein, daß das Land vorläufig Reichsland werde und bis 1874 unter die Dictatur des Kaisers (ohne Reichsverfassung) gestellt werde, erlaubte sich aber die Dictatur bis Ende 1873 abzukürzen und zu bestimmen, daß die Zustimmung des Reichstages einzuholen sei, falls etwa das Land mit Anleihen belastet werden solle. Bismarck betrachtete aber diese Änderungen als ein Mißtrauensvotum, er blitzte und donnerte gewaltig und drohte sogar mit seinem Rücktritt. Die Abgeordneten verwiesen schließlich den Gesetzentwurf nochmals an die betr. Commission.
- Man sollte meinen, das Blutbad, das die Rothen in Paris angerichtet, die Gräuel des Flammenmeeres, das sie entzündet haben, müßte ihre Gesinnungsgenossen stumm machen. Aber nein. Im deutschen Reichstage feierte Bebel die Pariser Ereignissen mit folgenden Ergüssen: "Das ganze europäische Proletariat, das Unabhängigkeit will, sieht nach Paris. Paris ist nur ein kleines Vorpostengefecht. Krieg den Palästen überall, das will das Proletariat. Die republikanische Gesinnung (in Elsaß) will Deutschland aus den Fugen heben und wird uns helfen, den Krieg für die Freiheit aufzunehmen."
- Versailles, 29. Mai. Die letzten Ueberreste der Insurgenten, welche sich nach Vincennes geflüchtet hatten, haben sich heute ergeben. Zahlreiche Gefangene werden nach Versailles gebracht. Die Division Clinchant ist heute nach Versailles zurückgekehrt.
- Das "Journal officiell" veröffentlicht ein Decret Thiers vom 29. Mai, in welchem die Entwaffnung der Stadt Paris und die Auflösung der Nationalgarde des Seinedepartements angeordnet wird.
- Die gefangenen Insurgenten im Lager von Sartory revoltirten in einer der letzten Nächte; die Truppen eröffneten sofort ein regelmäßiges Pelotonfeuer auf die dichten Haufen; ein halbes Hundert wurde erschossen, ein Hundert verwundet. Jeder Act der Widerspänstigkeit Gefangener wird sofort mit dem Tode bestraft.
- Das 11. Armeecorps ist nicht unter den glücklichen Heimkehrenden. Es soll ihm dienstlich mitgetheilt sein, daß es bis zum 1. December in seiner Stellung bei Paris verbleiben werde.
- Die Engländer hätten's gar zu gern, wenn Napoleon wieder an das Ruder käme. Sie lassen eine Adresse nach der andern an den Exkaiser abgehen und sprechen es aus, daß nur Er der Mann sei, der Ordnung und Frieden in Frankreich wiederherstellen könne.
- Die Mecklenburger Truppen werden am 7. Juni in Mainz eintreffen und von dort mit der Bahn nach Hause geführt. Ihr feierlicher Einzug in Schwerin findet am 11. oder 12. Juni statt, zu welchem Tage schon die umfangreichsten Empfangsfeierlichkeiten vorbereitet werden. Zu den Kosten hat S. K. H. der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 2000 Thaler beigesteuert.
- Nach den jetzt ertheilten Befehlen des Kaisers soll der feierliche Einzug der Truppen in Berlin am 16. Juni und die Enthüllung des Denkmals des Königs Friedrich Wilhelm III. am 17. Juni stattfinden. Daran soll sich am Sonntag den 18. Juni ein allgemeiner Dankgottesdienst anschließen.
- Unsere deutschen Truppen, die noch in Frankreich stehen, haben überall dafür gesorgt, daß die Grabstätten der gefallenen deutschen Krieger mit Denkzeichen und Inschriften versehen werden, damit man sie leichter auffinden kann. Die Kosten zur Herstellung dieser Denkmäler haben theilweise die Officiere gedeckt.
- Unter vielen Städten der preuß. Monarchie besteht bereits eine Vereinbarung über die gegenseitige portofreie Zusendung aller Postsachen, ohne daß unter den betreffenden Gemeinden eine Liquidation von Portoauslagen erfolgt. Diese Einrichtung ist geeignet, mannigfachen Weiterungen und Correspondenzen wegen Erstattung von Porto vorzubeugen. Ihre Einführung soll deßhalb auch von Regierungen empfohlen werden.
- In Straßburg wurden die Störche im vorigen Jahre durch das Bombardement vertrieben, sie haben's aber nicht übel genommen und sind wiedergekommen, was als ein gutes Zeichen gilt.
- Der König von Bayern hat alle Militärs begnadigt, welche wegen Vergebens vom 17. Juli v. J. bis jetzt verurtheilt wurden.
- In Hamburg ist Otto Spekter gestorben. Die Jugend hat an ihm einen alten Freund verloren, denn er war der Zeichner der prächtigen Bilder in "Spekters Fabeln". Der Dichter der Fabeln, Superintendent Hrey, ist ihm lange vorangegangen.
- Es sind wieder falsche 10 Thalerbanknoten der preuß. Bank in Umlauf. Man macht darauf aufmerksam, sie genau anzusehen und sich zu merken, von wem man sie empfangen hat.
- Englischen Blättern zufolge wird die Kronprinzessin von Preußen im Juli ein Buch über Frauenarbeit veröffentlichen.
- Wie wir berichtet, ist der Kaiser von Oesterreich kürzlich einer Lebensgefahr entgangen. Am 27. Mai rettete der Kaiser selbst seinen Sohn, den Kronprinzen, vor ähnlicher Gefahr. Ein Fiaker wollte an dem kaiserlichen Wagen vorbeifahren, als die Pferde des Fiakers scheu wurden und die Deichsel
[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 2]dem Kronprinzen dicht an dem Kopfe vorbeifuhr. Durch raschen, kühnen Griff hatte der Kaiser selbst die Deichsel des Fiakers ergriffen und so seinen Sohn vom Tode oder doch von lebensgefährlicher Verwundung errettet.
- In Elberfeld hat's am Sonnabend ein heftiges Gewitter gegeben, wobei zwei Bürger und zwei Hirtenknaben vom Blitz erschlagen wurden.
- Professor Prestel in Emden hat die interessante Entdeckung gemachte daß die kalten Jahre mit denjenigen Jahren zusammenfallen, in welchen viele Sonnenflecken und viele Nordlichter zu beobachten sind. In diesem Jahre nun sind an der Sonne viele Sonnenflecke und in Folge dessen auch viele Nordlichte beobachtet worden; Professor Prestel schließt daraus, daß wir einen kaltem Sommer und auch keinen warmen Herbst zu erwarten haben.
- Dem britischen Museum in London wurde kürzlich ein Papyrus, der von einem altegyptischen Priester herstammen soll, zum Geschenk gemacht. Dieser Papyrus (wenn echt, jedenfalls das älteste medicinische Buch) enthält medicinische Recepte, nach welchen schon der "hochselige" König Cheops, der Pyramidenbauer, ja sogar der noch früher herrschende Amenophis III. ärztlich behandelt worden sein sollen.
- Ein höchst bedauerlicher Vorfall setzte am 26. Mai Nachmittags die Bewohner Saarbrückens in schmerzliche Aufregung. Wie die "Elb. Ztg.' erzählt, zog nämlich in der Prima des hiesigen Gymnasiums ein Schüler - der Sohn eines hiesigen höheren Bahnbeamten - während der zwischen 3 und 4 Uhr stattfindenden Pause plötzlich einen sechsläufigen Revolver aus der Tasche, zielte auf einige dadurch in Schrecken versetzte Mitschüler und feuerte alle sechs Schüsse unmittelbar nach einander in die Klasse ab. Leider ward ein Mitschüler des Thäters von drei Kugeln und zwar so unglücklich an den Kopf getroffen, daß sein Leben in größter Gefahr steht. .Derselbe ist der Sohn eines Pastors in der Nähe von Altweiler. Ein zweiter Mitschüler des Thäters, Sohn eines hiesigen Schuldirectors - ward von zwei Kugeln an Schulter und Nacken getroffen, aber nur leicht verwundet. Die sechste Kugel ging glücklicherweise in die Wand. Man kann sich den Schrecken denken, den diese That verbreitete. Eine Provocation von Seiten der Schüler soll nicht im Entferntesten vorliegen, vielmehr der Grund der That in einer Geistesstörung zu suchen sein, die man an dem unseligen jungen Menschen schon seit einiger Zeit bemerkt haben will. Der bedauernswerthe Vater desselben soll nicht die entfernteste Kenntniß davon gehabt haben, daß sein Sohn sich im Besitz eines Revolvers befand, den dieser vor einigen Wochen gekauft und das dazu nöthige Geld von einem seiner Mitschüler erborgt haben soll. Der Thäter wurde sofort in polizeiliche Haft genommen.
- In einem Dorfe Ungarns legte der vorsichtige Ortsvorsteher einem gestorbenen Soldaten den Urlaubsschein in den Sarg, "weil er ihn vielleicht doch brauchen könne."
Der Letzte vom Regiment. Von Dr. Friedrich Friedrich. (Fortsetzung in der Beilage.)
Anzeigen.
Antragsmäßig soll über nachstehend benannte Grundstücke des Altentheilers Joachim Heinrich Mette zu Herrnburg, nämlich:
1) das von ihm erkaufte ehemalige Herrnburger Predigerwittwenhaus mit dazu gehörigem Garten und Hauskoppel (groß ca. 15 Scheffel und 35 []Rth. Nr. 57 litt. W. der Karte von der Feldmark Herrnburg);
2) die von ihm erkaufte Herrnburger Predigerwittwen-Koppel (groß ca. 27 Schffl. und 10 []Rth., Nr. 165 litt. W. der gedachten Karte)
- welche einen gemeinsam zu verpfändenden Gütercomplex bilden werden - ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf Freitag den 28. Juli d. J., Morgens 10 Uhr, peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht nicht ausgenommenen Realrechte an den proclamirten Grundstücken sowohl gegen den jetzigen als künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem mit dem Gerichtssiegel versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgefüllt gefunden haben.
Schönberg, den 25. April 1871.
Großherzogliche Justiz-Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L. S.) A. Dufft.
Vermischte Anzeigen.
Im Monat Mai sind für die Zwecke der freiwilligen Krankenpflege eingegangen:
1. |
aus Falkenhagen |
17 |
|
32 |
|
2. |
aus Schönberg |
7 |
|
16 |
|
----------------------- |
|
Summa |
25 |
|
- |
|
Der Ergebenst Unterzeichnete hat die vorstehende Summe heute dem Landesdelegirten, Herrn Drost von Oertzen in Feldberg, übersandt und wird demnächst die bezügliche Quittung zur öffentlichen Kenntniß bringen.
Schönberg, den 1. Juni 1871.
Der Delegirte für die freiwillige Krankenpflege im Fürstenthum Ratzeburg.
C. v. Oertzen.
[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 3]Weitere Meldungen zu den von uns zu 4 % und 4 1/2 % für den diesjährigen Johannistermin zur hypothekarischen Belegung in hiesigen Grundstücken bestimmten Geldern können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie spätestens bis zum 14ten Juni c. erfolgen.
Die zu Johannis d. J. fällig werdenden halbjährigen Zinsen auf die bei der Anstalt belegenen Capitalien werden bereits am Mittwoch den 21. Juni und am Donnerstag den 22. Juni, Vormittags von 8 - 12 Uhr, im Locale der Anstalt ausgezahlt werden.
Während des Johannistermins vom Sonnabend den 24. Juni bis Sonnabend den 1. Juli c. ist die Anstalt täglich Vormittags von 8 - 12 Uhr geöffnet.
Schönberg, den 27. Mai 1871.
Das Directorium der Ersparniß- und Vorschuß-Anstalt.
Wigger. Burmeister. Aug. Spehr. W. Gartz.
Secretair : R. Rackow, Adv.
Alle Diejenigen, welche im bevorstehenden Termine Gelder und Sparcassen-Bücher durch mich an die Sparcasse in Schwerin besorgt zu haben wünschen, werden ersucht, solche bis spätestens zum 29. Juni bei mir abzugeben.
J. P. Bade.
Buchbinder.
Gesucht wird gegen gute hypothekarische Sicherheit zu Johannis:
2000 Thaler, 1800 Thlr., 1600 Thlr., 1500 Thlr., 1000 Thlr., sowie mehrere Pöste von 500 Thlr., 250 Thlr., 150 Thlr., 100 Thlr., und 50 Thlr.
Näheres bei Carl Bade.
Für die Sparcasse des Schweriner Vorschuß-Vereins nehme ich zu jeder Zeit Gelder zu 4 pCt. und für größere Hypothekenposten zu der bekannten Sicherheit zu 5 pCt. entgegen.
Schönberg.
Kindler, Advocat.
100,000 Thaler als größten Gewinn im glücklichen Falle bietet die neueste vom Staate genehmigte und garantirte große Geldverloosung.
24,900 Gewinne, betragend Thlr. 1440,880, kommen binnen wenigen Monaten zur Entscheidung.
Größter Gewinn event. 100,000 Thaler.
Hauptpreise Thlr. 60,000 - 40,000 - 20,000 - 16,000 - 10,000 - 2 mal 8000 - 3 mal 6000 - 3 mal 4800 - 4400 - 3 mal 4000 - 4 mal 3200 - 5 mal 2400 - 11 mal 2000 - 2 mal 1600 - 28 mal 1200 - 106 mal 800 - 156 mal 400 - 206 mal 200 etc.
Schon am 21. Juni findet die erste Gewinnziehung statt und kostet dazu planmäßig
1 ganzes Originalloos 2 Thlr.
1 halbes Originalloos 1 Thlr.
1 viertel Originalloos - Thlr. 15 sgr.
Die vom Staate garantirten Originalloose sind gegen Einsendung, Posteinzahlung oder Nachnahme des Betrages von mir zu beziehen. Einer jeden Bestellung lege den amtlichen Ziehungsplan unentgeldlich bei, sende pünktlich amtliche Gewinnlisten und ertheile bereitwilligst jede Auskunft. Ich war so glücklich, auch in den abgelaufenen Ziehungen durch Auszahlung vieler bedeutenden Gewinne meine werthen Interessenten zu erfreuen und deren Zufriedenheit durch aufmerksame gute Bedienung zu erlangen. Mein eifrigstes bestreben wird es auch künftig sein, mir das geschenkte Vertrauen zu erhalten. Da die Ziehung ganz nahe ist, so beliebe man sich recht bald zu wenden an Gustav Schwarzschild, Bank- und Wechsel-Geschäft in Hamburg.
Alle unsere Meister werden aufgefordert, ihr Quartalgeld am nächsten Quartal, am 19. Juni, zu entrichten, widrigenfalls wir dasselbe auf ihre Kosten von Gerichtswegen einfordern lassen werden. Das Quartal beginnt Nachmittags 2 Uhr.
Schönberg, den 1. Mai 1871.
Aelterleute der Schneiderzunft.
J. C. Boye. J. H. Maaß.
Feuerversicherungsbank für Deutschland in Gotha.
Nach dem Rechnungsabschlusse der Bank für 1870 beträgt die Ersparniß für das vergangene Jahr 73 Procent der eingezahlten Prämien.
Jeder Banktheilnehmer in hiesiger Agentur empfängt diesen Antheil nebst einem Exemplar des Beschlusses vom Unterzeichneten, bei dem auch die ausführlichen Nachweisungen zum Rechnungsabschlusse zu jedes Versicherten Einsicht offen liegen.
Diejenigen, welche beabsichtigen, dieser gegenseitigen Feuerversicherungs-Gesellschaft beizutreten, giebt der Unterzeichnete bereitwilligst desfallsige Auskunft und vermittelt die Versicherung.
Schönberg, den 25. Mai 1871.
Chr. Schrep, Agent der Feuerversicherungsbank f. D. in Gotha.
Starke Sellerie- u. Porropflanzen, à Schock 3 ßl., sowie alle Sorten Kohl- und Blumenpflanzen empfiehlt C. Klüssendorff, Gärtner.
Rehna.
Für Unterleibsbruchleidende.
Die Bruchsalbe von G. Sturzenegger in Herisau, Schweiz, hat in Folge ihrer vorzüglichen Wirksamkeit bei Unterleibsbrüchen, Muttervorfällen und Hämorrhoiden vielseitigen Dank geerntet. Zahlreiche Atteste bestätigen eine vollständige Heilung selbst bei veralteten Fällen. Auf frankirte Anfrage wird Gebrauchsanweisung gratis versandt. Zu beziehen in Töpfen zu Rthlr. 1.20 Sgr. sowohl durch den Erfinder selbst als durch Hrn. A. Günther zur Löwenapotheke, Jerusalemerstraße 16 in Berlin.
Bekanntmachung.
Wir fühlen uns gezwungen, das Krautschneiden und Holzholen auf unserer Feldmark zu untersagen und insofern wir Jemand dabei antreffen, dem Gerichte anzuzeigen.
Die Dorfschaft Kl. Siemz.
Nach desfallsigem Uebereinkommen mit den betreffenden Interessenten ist die zum Hofe Rabensdorf gehörende Wiese mit unter die Aufsicht des städtischen Feldhüters gestellt und wird derselbe die auf verbotenen Steigen, sowie beim Grasschneiden und anderen Unrechtfertigkeiten Betroffenen zur Strafe ziehen.
Rabensdorf, den 29. Mai 1871.
C. Burmeister.
Eine von den deutschen Truppen eroberte französische Mitrailleuse, die mir von der Commandantur des 9. Armeecorps auf einige Zeit zur Besichtigung des hiesigen Publikums überlassen worden, habe ich in meinem Garten-Locale vor der Marienstraße ausgestellt und erlaube mir, die geehrten Bewohner des Fürstenthums hiedurch dazu ergebenst einzuladen. Die Besichtigung kann des Morgens von 10 - 12 Uhr und Nachmittags von 3 - 10 Uhr geschehen. Entrée 4 , Kinder die Hälfte. Der Erlös des Eintrittsgeldes ist für die Casse der allgemeinen deutschen Invalidenstiftung bestimmt.
A. Schwiesow, Gastwirth.
[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 4]In Verbindung mit Mad. Boye beabsichtigt der Männer-Gesangverein am Sonntag den 11. Juni ein allgemeines Vogelschießen mittels Armbrust auf der Boye'schen Koppel abzuhalten. Für die hiezu bestimmten 14 Gewinne ist die Summe von 32 Thlr. festgesetzt. Die Missive circulirt durch Hrn. Schneidermeister Boye und wird um rege Betheiligung gebeten.
Der Satz kostet 12 ßl.
Schönberg, den 2. Juni 1871.
Man biete dem Glücke die Hand!
250,000 M. Crt.
im günstigsten Falle als höchsten Gewinn bietet die neueste große Geldverloosung, welche von der hohen Regierung genehmigt und garantirt ist.
Die vortheilhafte Einrichtung des neuen planes ist derart, daß im Laufe von wenigen Monaten durch 7 Verloosungen 24,900 Gewinne zur sicheren Entscheidung kommen, darunter befinden sich Haupttreffer von Mark Crt. 250,000, speciell aber 150,000, 100,000, 50,000, 40,000, 25,000, 20,000, 15,000, 12,000, 10,000, 8000, 6000, 5000, 3000, 105 mal 2000, 156 mal 1000, 206 mal 500, 350 mal 200, 11,600 mal 110 etc.
Die nächste erste Gewinnziehung dieser großen vom Staate garantirten Geld-Verloosung ist amtlich festgestellt und findet
schon am 21. Juni 1871 statt
und kostet hierzu
1 ganzes Original-Loos nur Thlr. 2. -
1 halbes Original-Loos nur Thlr. 1. -
1 viertel Original-Loos nur Thlr. - 15 Sgr.
gegen Einsendung, Posteinzahlung oder Nachnahme des Betrages.
Alle Aufträge werden sofort mit der größten Sorgfalt ausgeführt und erhält Jedermann von uns Original-Loose selbst in Händen.
Den Bestellungen werden die erforderlichen amtlichen Pläne gratis beigefügt, und nach ihrer Ziehung senden wir unseren Interessenten unaufgefordert amtliche Listen.
Die Auszahlung der Gewinne erfolgt stets prompt unter Staats-Garantie und kann durch directe Zusendungen oder auf Verlangen der Interessenten durch unsere Verbindungen an allen größeren Plätzen Deutschlands veranlaßt werden.
Unser Debit ist stets vom Glücke begünstigt und hatten wir erst vor Kurzem wiederum unter vielen anderen bedeutenden Gewinnen 3 mal die ersten Haupttreffer in 3 Ziehungen laut officiellen Beweisen erlangt und unseren Interessenten selbst ausgezahlt.
Voraussichtlich kann bei einem solchen, auf der solidesten Basis gegründeten Unternehmen überall auf eine sehr rege Betheiligung mit Bestimmtheit gerechnet werden; man beliebe daher schon der nahen Ziehung halber alle Aufträge baldigst direct zu richten an
S. Steindecker & Comp., Bank- und Wechsel-Geschäft in Hamburg.
Ein- und Verkauf aller Arten Staatsobligationen, Eisenbahn-Actien und Anlehens-Loose.
P. S. Wir danken hiedurch für das seither geschenkte Vertrauen, und indem wir bei Beginn der neuen Verloosung zur Betheiligung einladen, werden wir uns auch fernerhin bestreben, durch stets prompte und reelle Bedienung die volle Zufriedenheit unserer geehrten Interessenten zu erlangen.
D. O.
Neben meinem Wäschegeschäft werde ich mich von jetzt ab auch mit Leicheneinkleidung, sowie mit Anfertigung von Blousen, Schlafröcken, Domino's, Kränzen und Kronen beschäftigen und empfehle mich den geehrten Bewohnern der Stadt und Umgegend zu diesen Arbeiten auf's Beste, indem ich reelle und billige Bedienung verspreche.
Schönberg, den 17. Mai 1871.
Wittwe Marie Bockwoldt, geb. Greve, wohnhaft in der Wasserstraße beim Schuhmachermeister Hrn. J. Wolgast.
Gefunden wurde vor einigen Tagen ein goldener Trauring, den der Eigenthümer wieder erhalten kann beim Tagelöhner Bohnhoff zur Lockwischer Mühle.
Eine Hobelbank nebst Werkzeug und ein fast noch neuer Mädchen-Koffer ist billig zu verkaufen. Wo sagt die Exped. d. Bl.
Eine neue Sendung der modernsten und elegantesten Kleiderzeuge empfiehlt zu äußerst billigen Preisen August Creutzfeldt.
Kräftige Hefe, täglich frisch, empfiehlt C. Bornhöfft, Lübeck, Johannisstraße Nr. 35.
Vom Sonnabend den 3. Juni d. J. an sind wieder alle Nummern Drainsröhren auf meiner Ziegelei vorräthig, die ich dem geehrten Landleuten hiedurch bestens empfehle.
Zieglermeister P. Tretow.
Schnelle Hülfe gegen jeden Husten und Katarrh, Heiserkeit, Verschleimung, Kinderkrankheiten, Hämorrhoidal- und Unterleibs-Leiden, Verstopfung, durch den L. W. Egers'schen Fenchelhonig-Extract, allein echt zu haben beim Buchbinder C. Sievers in Schönberg.
Kirchliche Nachrichten.
Schönberger Gemeinde.
Geboren:
23. Mai. Eine uneheliche Tochter zu Lockwisch.
24. Mai. Ein unehelicher Sohn zu Torriesdorf.
25. Mai. Dem Arbeitsm. Voß zu Gr. Siemz eine Tochter.
27. Mai. Dem Arbeitsm. Buhr zu Westerbeck eine Tochter.
28. Mai. Dem Zieglergesell Niemann vor Schönberg Zwillings-Söhne, deren einer todt.
Dem Bodenmeister Passow a. d. hies. Bauhofe ein Sohn.
29. Mai. Dem Uhrmacher Dahncke hieselbst ein Sohn.
Dem Krämer Otto hieselbst eine Tochter.
Gestorben:
20 Mai. Catharina Magdalena Krellenberg, Arbeitsm.-Frau zu Kleinfeldt, geb. Meyborg aus Sahmkow, 27 J. 4 M. alt.
Wilhelm Friedrich Voß, Hauswirths-Sohn zu Wahlsdorf, 1 J. 2 M. alt.
28. Mai. Des Zieglergesellen Niemann vor Schönberg Zwillingssöhne; der ältere 1 Stund alt, der jüngere todtgeboren.
30. Mai. Catharina Elisabeth Oldenburg, Hauswirths-Wittwe zu Wahlsdorf, geb. Voß ebendaher, 65 J. 9 M. alt.
Copulirt:
26. Mai. Wittwer Johann Joachim Heinrich Jabs, Kofferträger hieselbst, und Catharina Elisabet Robrahn geb. zu Heiligenland.
Wittwer Hans Heinrich Wille, Zimmergesell hieselbst, und Johanna Sophie Charlotte Ehlers hieselbst, geb. zu Pastin.
Sonntag den 4. Juni.
Früh-Kirche: Pastor Kämpffer.
Vormittags-Kirche: Pastor Fischer.
Amtswoche: Pastor Fischer.
Meteorologische Beobachtungen. |
Mai 1871. |
Barometer |
|
Wärme |
|
Wind |
Stärke |
|
Paris. Lin. 300 + |
niedrigste °R. |
höchste °R. |
|
|
|
|
30. 31. 1. |
36.10 35.86 35.70 |
7.8 5.1 2.9 |
12.6 12.3 9.0 |
W WNW W |
2 2 2 |
trübe. zieml. heit. trübe. |
Getreide=Preise in Lübeck. (Alles per 200 in Lüb. Cour.) |
Weizen | 19 - 20 | | 4 | |
Roggen | 13 1/2 - 14 | | - | |
Gerste | 12 1/4 - 12 | | 8 | |
Hafer | 12 3/4 - 13 | | 4 | |
Erbsen | 13 - 14 | | - | |
Wicken | - | | - | |
Buchweizen | 11 1/2 - 12 | | 4 | |
Winter=Rapssaat | - | | - | |
Winter=Rübsen | - | | - | |
Schlagleinsaat | 19 - 20 | | - | |
Markt=Preise in Lübeck. |
Butter, Meckl. d. Pf. | 13 - 13 1/2 , |
Holst. d. Pf. | 14 - 14 1/2 , |
Hühner d. St. | 18 - 20 , |
Küken d. St. | 8 - 14 , |
Tauben d. St. | 4 - 5 , |
Schinken d. Pf. | 8 - 9 1/2 , |
Schweinskopf d. Pf. | 4 1/2 - 5 1/2 , |
Wurst d. Pf. | 9 - 10 , |
Eier 8 St. | 4 , |
Kartoffeln d. Faß. | 5 - 6 . |
Hiezu Officieller Anzeiger Nr. 25 und eine Beilage.
Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.
[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 5]Beilage
zu Nr. 44 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
Schönberg, den 2. Juni 1871.
Der Letzte vom Regiment. Von Dr. Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.)
Ein Stück Mittelalter in der Gegenwart.
Seit sechshundert Jahren erneuert sich im Mai jeden Jahres in dem mecklenburgischen Flecken Dassow die Geschichte des Fischers und seiner Braut.*) Es war am zweiten Weihnachtsfeiertage des Jahres 1260, als die festlich geschmückte Kinderschaar Lübecks in langen Reihen durch die Straßen schritt. Der Tag gehörte von jeher und so ganz den lieben Kleinen und der kindlichen Lust, daß sogar das öffentliche Waffentragen an demselben verboten war, und unerhört war jede freventliche Störung der Feier. Aber heute fiel blutiger Meuchelmord in die allgemeine Freude: Graf Johann von Holstein erdolchte einen ihm abtrünnigen Ritter. Da hatten Jubel und Lust ein Ende und der schauerliche Racheruf: "Joduthe! Joduthe!" gelte in den Straßen wieder. Der Frevler an dem Frieden der Stadt, an der Freude der Kinder, an der heiligen Feier des Christfestes wurde von dem wüthenden Volke gejagt und gehetzt, doch von seinen Getreuen glücklich geflüchtet. Aber durfte ein Fürst sich so von dem gemeinen Volke behandeln lassen? Rache, blutige Rache für das schreckliche "Joduthe!" Mit Raub, Mord und Brand suchte er die Stadt heim, und um sie in's Herz zu treffen, wollte er ihren Handel vernichten.
Damals, wie noch heute, bewegte sich der Handel zwischen den norddeutschen Hansestädten eben sowohl zu Lande als zur See. Die Haupthandelsstraße von Lübeck nach Wismar, Rostock und Stral-
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*) Die Erinnerung an den Ursprung dieses Festes sowohl als die damit verbundenen geschichtlichen Momente sind derart anregend, daß trotz früher gebrachter Notizen eine umständliche Schilderung diese Festes interessiren mag.
[ => Original lesen: 1871 Nr. 44 Seite 6]sund überschreitet bei Dassow, etwa drei Meilen von Lübeck, die mecklenburgische Grenze. Hier fließt der kleine Fluß Stepenitz in die sehr fischreiche Dassower Binnensee. Eine kleine zu Mecklenburg gehörige Insel, nach dem gegenwärtigen Besitzer der "Plöenswerder" genannt, liegt vor der Mündung. Diese Insel besetzte der Holsteiner und legte auf derselben eine Raubburg an, die er dem Ritter Scheel von Runnendorp, seinem Dienstmanne, einthat. Scheel verstand sein Handwerk so meisterlich, daß bald kein Gefährte mehr über die Dassower Brücke ging. Auch die Trave, die mit der Dassower Binnensee in Verbindung steht, und die Straße auf Schwerin machte er unsicher. Da verbündeten sich Lübeck und Mecklenburg am 17. Dezember 1261 zur Zerstörung des Raubnestes und im April des folgenden Jahres begann die Belagerung.
Schon während vier Wochen hatten sich die Verbündeten, Lübeck von der See , Mecklenburg von der Landseite aus, vergeblich bemüht, die Burg zu nehmen, und große Wurf- und Stoßmaschinen waren bereits von den Lübeckern herbeigeschafft, als ihnen der Sieg leichter gemacht werden sollte. Ein junger Fischer aus dem lübschen Fischerdorfe Gothmund besucht am letzten Maisonntage die Flotte. Die großen Belagerungsmaschinen erregen seine Verwunderung, aber er glaubt sie völlig nutzlos. "Ich könnte die Burg in einer Nacht einnehmen," meint er und gedenkt dabei eines ihm theuern Lebens in der Burg, das bei blutiger Einnahme in größter Gefahr schwebt. Die Krieger bekommen für des Fischers Aeußerung ein Ohr und überbringen sie ihrem Heerführer. Dieser nimmt ihn beim Wort und stellt ihm, für den Fall des Gelingens, große Belohnungen in Aussicht. Der Fischer fährt ab, kehrt aber bei Einbruch der Dunkelheit mit 12 Cameraden zurück. Als er mit dem lübschen Hauptmann das Nöthige verabredet hat, legt er mit seinem Boot am Burgwalle bei, da, wo in doppelter Manneshöhe über ihm sich die Gosse der Burg befindet. Sie ist der Obhut der Köchin, unseres Fischers Braut, anvertraut. Ein leiser Pfiff des Fischers zaubert ein Seil aus der Gosse. Der Fischer schlingt es sich um, er schwebt in die Höhe und kriecht durch die Gosse. Seine Gefährten machen alle die gleiche Reise. Jetzt sieht das Mädchen, was sie angerichtet. Aber sie mag jammern und weinen, was hilft's, sie wird gezwungen, sich zu beruhigen. Die Fischer eilen zum Burgthor, überraschen die Wache, stoßen sie nieder, öffnen das Thor und lassen die Verbündeten ein. Alles Lebendige in der Burg büßt mit dem Tode, nur Scheel entkommt. Die Braut feiert bald ihre Hochzeit. Die Burg wurde darauf so vollständig zerstört, daß jetzt nicht einmal die Spur von ihr vorhanden ist. Der dankbare mecklenb. Fürst Johann I. beschenkte die tapfern Fischer mit dem Mitfischerrecht in der Dassower Binnensee und in der Stepenitz bis zum Dorfe Börzow. Hier ermahnt sie ein Stein mit der Inschrift: "Fischer kehr wieder!" zur Umkehr. Den Gothmundern insonderheit verlieh er den Burgwerder, jedoch mit der Verpflichtung, darüber zu wachen, daß nicht ein neues Raubnest hier wieder angelegt werde. Zu diesem Zwecke haben sie die Insel am Jahrestage der Eroberung der alten Burg zu besuchen, das Gras auf derselben zu mähen und an den Rath in Lübeck abzuliefern , der dafür 100 Crt. zahlt. Das abgelieferte Gras dient dem Rath als Quittung, daß die Fischer ihrer Verpflichtung nachgekommen sind.
Ein echtes Volksfest ist für Dassow und den Klützer Winkel, die goldene Gegend Mecklenburgs, dieses Fischerfest. Alt und Jung strömt zur Dassower Brücke und wartet oft Stunden lang, um die Ankunft der B..... *) zu sehen. Dein Nachbar erzählt Dir unterdeß, daß heute zwar die Fischer aller lübschen Fischerdörfer erwartet werden, daß aber die meisten von ihnen zu Schlutup wohnen und diese den Spitznamen "B....." führen. Vor vielen Jahren spielte nämlich ein Fischer aus Schlutup, Namens Stresau, Karten mit einem Bauern in Dummerstorf und wettete mit demselben, ihm diese Nacht seinen Bollen aus dem Stalle zu stehlen und ohne sich ertappen zu lassen, nach Schlutup zu bringen. Nun sind aber beide Dörfer durch die Trave getrennt, Schlutup liegt am rechten, Dummerstorf nicht weit vom linken Ufer derselben. Das Spiel ist beendet, die Gäste entfernen sich, der Bauer legt sich zu Bett: da zieht der Fischer den Bollen aus dem Stalle, nimmt ihn am Strick und leitet ab. Doch Vorsicht ist gut, und da der frisch gefallene Schnee vielleicht die Spur verrathen könnte, so zieht der kluge Fischer dem Thiere große Fischerstiefel an, und zwar verkehrt, damit der Bauer irre geleitet werde, aber nur an den Vorderbeinen. Und Boll und Fischer wühlen im tiefen Schnee ihre Straße. Schon gehen sie das steile Ufer der Trave herab, schon glaubt der Fischer seinen Raub geborgen, denn der Fluß ist mit dickem Eise belegt, da, o weh, holt ihn der Bauer, der erwacht ist und seinen Viehstall untersucht hat, ein. Die Spuren der unbestiefelten Hinterbeine haben dem Bauern über den Verbleib seines Thieres Auskunft gegeben. Der Boll wandert mit seinem alten Herrn zurück und verehrt den lieben Schlutupern seinen Namen.
"Sie kommen, die B..... kommen!" heißt es, und sieben Kähne rudern auf Dassow zu. Doch nur dem ersten gilt's. Sechszehn kräftige "Fischergesellen" in weißen Beinkleidern und Hemdsärmeln mit bebänderten, rauschgoldumwundenen Hüten fliegen unter tactmäßigem Ruderschlag im hellgestrichenen Kahn der Insel zu, am Hafen vorbei, unter der Brücke durch, begleitet vom Schall der Musik und dem Jubelruf der Menge; sie kehren um, legen an und steigen aus. Unterdeß sind auch die Boote mit den "Fischermeistern" angekommen und ein Omnibus mit Fischermädchen - denn wie dürften diese heute fehlen! - hält auf der Brücke. In feierlichem Zuge, begleitet von einem unendlichen Schwarm fröhlicher Zuschauer, geht es nun, Musik und Fahnen vorauf, die alten "Meister" ihre Eßkörbe auf dem Arme, in den Ort hinein. Die Dassower Obrigkeit wird mit einem mehrere Minuten andauernden Fahnenschwingen begrüßt. Dieselbe Ehre wird dem Gasthause der Fischer (Callies) erwiesen. Dann währt Leben und Lust, Musik und Tanz, Essen und Trinken bis an den hellen Morgen. Nachdem nun noch die Gothmunder die ihnen obliegende Ehren-Arbeit, das Mähen der Insel, besorgt haben, fahren die Gäste, von ihrer Frau Wirthin mit Blumensträußen beschenkt, etwa um 4 Uhr Morgens wieder ihren Heimathdörfern zu. - Werfen wir noch einen Blick auf die Landschaft.
Heute ist die See blau und glühende und waldbewachsene Hügelgelände Lübeck-Holsteins, des Fürstenthums Ratzeburg und des Klützer Winkels rahmen sie ein. Hinter den Waldhöhen von Selmsdorf zeigen die Thürme Lübecks auf des alten Hansahauptes festgegründete Herrlichkeit. Die belebteste Straße im Mecklenburger Lande führt auf die ehemalige Metropole des nordischen Handels hin und vermittelt noch immer, trotz Eisenbahnen und Ostsee, den großen Verkehr zwischen den ehemaligen Gliedern der wendischen Hansa. Die Stepenitz, schon vor 1000 Jahren die Völkerscheide zwischen den obotritischen und den polabischen Wenden, trennt noch heute das eigentliche Mecklenburg von dem Fürstenthum Ratzeburg. Kein glücklicheres Land bescheint Gottes Sonne, als Ratzeburg **). Hier ist der Bauer der Herr; mit der alldeutschen Manneswehr, dem Degen, dem Zeichen seiner persönlichen Freiheit, schmückt er sich an seinen Ehrentagen; mit größter Peinlichkeit wacht er über seine Gerechtsame; aber auch mit der hartnäckigsten Zähigkeit des alten Sachsen hält er am Hergebrachten fest, oft zum Nachtheil des als besser bewähren Neuen.
Wenn der Nordost stürmt und die Ostsee ihr Wasser in die Binnensee treibt, so daß die Fluthen das ganze Stepenitzthal bedecken, dann sehen die letzten Gebäude von Dassow gleich Inseln aus der öden Wasserwüste hervor, und über die Straße fährt wohl der Kahn. Auch die Dassower Brücke erzählt von manchem geschichtlichen Tage; der traurigste war aber wohl der, als im Sommer 1505 der Pöbel Lübecks friedbrüchig in Mecklenburg einfiel, Dassow mit sammt 36 Ortschaften im Klützer Winkel plünderte und in Flammen aufgehen ließ, - und das aus Anlaß eines Streites lübscher Polizisten mit zwei betrunkenen mecklenburgischen Bauern. Da das rechte Stepenitz-Ufer zu Mecklenburg-Schwerin, das linke zu Mecklenburg-Strelitz (Fürstenthum Ratzeburg) gehört und über das Fahrwasser des Flusses Lübeck die Oberherrlichkeit beansprucht, so wird auch die Brücke von den drei genannten Staaten gemeinschaftlich gebaut und erhalten und verdient also mit Recht den Namen Dreiherrenbrücke. . . . . . X.
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*) Nichts für ungut, lieben Schlutuper!
**) Noch? (Ja!)
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